Fix You
Er spürte den leichten Druck, fremder Fingerspitzen auf seiner Haut. Seine Augen waren geschlossen, er spürte wie sich schmale Finger sanft zwischen seine schoben und sich mit diesen verschränkten. Eine angenehme Kälte ging von der Hand aus, die sich so unglaublich richtig in seiner anfühlte. Der junge Mann erwiderte den Druck und konnte fast das Lächeln, das von der Person neben ihm ausging, spüren, so intensiv nahm er die Situation wahr. Er wusste, dass er sich an einem Strand befand. Die Geräusche der Wellen im Hintergrund und der Mensch neben ihm waren die einzigen Dinge, die zählten, damit er in vollkommener Entspannung das Leben genießen konnte.
Doch ein Ton, der die Ruhe durchschnitt, riss den jungen Mann aus dieser so realistisch wirkenden Welt. Dieses Geräusch ertönte in unregelmäßigen Abständen immer und immer wieder und langsam lösten sich der Strand, die Wellen und die Person neben ihm in Dunkelheit auf. Der penetrante Ton ließ seinen Frieden zersplittern und brachte ihn zurück in die reale Welt, in der diese Illusionen nur schmerzhafte Erinnerungen oder Wünsche waren.
Noch immer hielt er an dem Traum fest und suchte auf der Matratze neben ihm nach einer kalten Hand, die zuvor definitiv fest mit seiner verbunden war.
Ein ungutes Gefühl breitete sich in seinem Magen aus, als er nur das kalte Bettlaken zu fassen bekam. Nichts ließ darauf schließen, dass in dieser Nacht jemand neben ihm gelegen hatte. Im Halbschlaf griff er nach seinem Handy, das ihn wohl oder übel aus dem Traum gerissen hatte. Ein weiteres Mal ertönte das nervtötende Geräusch, das den Jungen vor einigen Sekunden geweckt hatte. Dass Licht, das ihm entgegenstrahlte, als er sein Handy entsperrte, brannte sich förmlich in seine Augen und eine kurze Zeit war er der Meinung nie wieder vernünftig sehen zu können. Cooles Image hin oder her im Grunde mutierten wir doch alle manchmal in unseren Gedanken zu Diven und Hypochondern.
Er hoffte auf unnötige und nervige Spam Nachrichten von seinen Freunden aus dem Football Team, er hoffte auf Nachrichten von seinem letzten One-Night-Stand, dem er aus Versehen seine Nummer gegeben hatte. Er hoffte das die Nachrichten von irgendwem kamen nur nicht von ihm.
Aber seine Hoffnungen wurden nicht erfüllt. Sieben neue Nachrichten von Felix wurden angezeigt. Mit fahrigen Händen fuhr er sich durch sein dunkles Haar. Wenn er um 3 Uhr nachts schrieb, bedeutete das nie etwas Gutes. Unruhig öffnete der in der Finsternis sitzende Junge den Chatverlauf.
Noah? Bist du noch wach?
2.21
Wenn ja, könntest du dich bitte kurz bei mir melden?
2.26
Bitte ich brauche deine Hilfe
2.33
Hol mich ab
2.38
Ich kann nicht mehr
2.45
Hol mich hier raus
2.46
Okay anscheinend schläfst du. Mir geht es wieder gut.
2.55
Ich bin in 7min da warte an der Ecke auf mich!
3.02
Eilig tippte Noah diese Worte in sein Handy ein, bevor es kopflos wieder zurück auf das Bettlaken geworfen wurde. Eine Gänsehaut bildete sich auf seinen Armen aus. Es war für ihn offensichtlich, dass die letzte Nachricht eine Lüge war, und das bereitete ihm noch mehr Sorgen.
Ungeduldig wartete er darauf, dass sich die zwei Haken blau färbten. Nach einer gefühlten Ewigkeit, die in Wirklichkeit wohl nur einige Minuten lang war, bekam er endlich das Zeichen, dass die Nachricht gelesen wurde. Es kam keine Antwort, aber er war sich sicher, dass der andere Junge seiner Anweisung folgen und wie immer an der üblichen Stelle warten würde.
Sein Herz schlug schnell in seiner Brust. Hastig sprang er aus dem Bett und blieb mit einem seiner Füße in der Decke hängen, sodass er fast eine Bruchlandung hinlegte. Er stolperte auf den Kleiderschrank zu und zog wahllos einen der schwarzen Hoodies raus, den er sich auch sogleich über den muskulösen Brustkorb streifte. Nachdem er sich Hose und Socken angezogen hatte und schon fast auf dem Weg nach unten war, fiel ihm ein, dass sein Handy noch auf seinem Bett lag. Schnell drehte er sich also um und schob es in die Hosentasche. Zufällig fielen seine Augen auf einen Gegenstand, der zum Aufladen auf seinem unübersichtlichen Schreibtisch lag. Mit schnellen Schritten schnappte er sich den silbernen MP3 Player, durchquerte den Raum und machte sich auf den Weg ins untere Stockwerk.
Ihm war es gleichgültig, ob seine Mutter hören würde, dass er noch so spät in der Nacht aus dem Haus gehen würde. Ihr war es ohnehin egal, wo der Junge sich rumtrieb, denn er war ja schließlich volljährig. Die Autoschlüssel von dem schwarzen BMW M6 Cabriolet lagen wie immer auf der Kommode im Flur.
Gerade als er durch die Haustür verschwinden wollte, ging das Licht im Flur an, doch es hätte ihn nicht weniger kümmern können, dass er anscheinend seine Mutter oder ihren neuen Freund aufgeweckt hatte. Noahs Prioritäten lagen momentan wo anders und nicht bei Personen, die ihr Leben vor sich hinlebten, ohne auf ihre Mitmenschen und deren Gefühle zu achten.
Mit schnellen Schritten ging er auf sein Auto zu und ließ sich auf den Fahrersitz fallen. Noch bevor sich die Haustür ein zweites Mal öffnen konnte, hatte er den Wagen gestartet und war vom Hof des Einfamilienhauses gefahren. Im Rückspiegel konnte er noch eine kleine schwarzhaarige asiatische Frau erkennen, die in einem weißen Nachthemd dort stand, wo noch zuvor sein Auto abgestellt war. Vielleicht sorgte sich seine Mutter doch noch um ihn (wenigstens ein bisschen jedenfalls).
Aus dem Radio schalten ihm in einer unzumutbaren Lautstärke die seelenlosen Popsongs der heutigen Zeit entgegen. Diese Tatsache ließ ihn darauf schließen das eben genannte Frau im weißen Nachthemd mal wieder seinen BMW zum Einkaufen fahren genutzt hatte und dabei wie selbstverständlich seine Radiosender verstellt hatte.
Er erinnerte sich daran, dass seine Freunde aus der Schule diese Art von Musik förmlich vergötterten und auf den unzähligen Hauspartys, auf denen er war, grundsätzlich nur solche Musik gespielt wurde. Na gut, vielleicht verirrte sich ab und zu ein bekanntes Lied aus den Achtzigern oder den Neunzigern in der Spotify Playlist, aber das wars dann auch schon mit der akzeptablen Musik. Aber da Noah diese Partys fast nie ohne Alkohol überstehen musste wirkte der fehlende Musikgeschmack seiner Freunde gar nicht mehr wie ein Grund sich von diesen fernzuhalten. Außerdem fand er des Öfteren eine hübsche Begleitung, die ihn unverblümt anhimmelte und mit der er sich die Zeit vertreiben konnte. Als erfolgreicher Quarterback der Schule hatten er und seine Freunde aus dem Team relativ viele Fans, die nur zu gerne die quasi öffentlich angekündigten Hauspartys besuchten. Meistens hatten sie es Jack dem Tight End des Teams zu verdanken, das die halbe Schule kam.
Seine Gedanken zum Thema Schule und Team endeten zeitgleich mit dem Lied und bevor ein neues starten konnte hatte er das Radio abgestellt und bog in eine enge Seitenstraße ein. Nicht weit von einer Laterne entfernt konnte er eine Gestalt sitzen sehen, die ihm bekannt vorkam.
Es tat dem dunkelhaarigen im Herzen weh, zu sehen, wie der zierliche blonde Junge dort zusammengekauert mitten in der Nacht auf dem kalten Burgersteig saß.
Noah erinnerte sich noch sehr genau an die Nacht in der sie das erste Mal außerhalb der Schule aufeinander trafen. Der Junge saß genau an der gleichen Stelle, in sich zusammengesunken, als würde jeder Atemzug schmerzen. Zuerst erkannte er den blonden Jungen nicht wieder. Wie hätte er auch erkennen können, dass dieser unglückliche grade zu trostlos wirkende Kerl am Fahrbahnrand, der unfassbar intelligente und verträumte Nerd aus seinem Mathekurs ist, den er zugegeben die Hälfte der Stunde fasziniert beobachtete.
Felix hatte schon seit er ihn das erste Mal bewusst wahrgenommen hatte eine einnehmende Wirkung auf ihn. Damals hatte er ihren Mathematiklehrer berichtigt, war dann rot angelaufen als dieser ihn gelobt hatte und saß für den Rest der Stunde lächelnd und mit sich selbst zufrieden im Unterricht. Das war das niedlichste was Noah seit langem gesehen hatte und seit diesem Moment hielt Noah jeden Tag auf den Schulfluren nach ihm Ausschau, wartete vor Stundenbeginn mit den Rauchern seines Teams am Schultor, auch wenn er selbst nicht scharf darauf war sich seine Lunge zu zerstören (Passivrauchen ist auch ungesund) und besuchte häufiger als gewöhnlich die Bibliothek der Schule.
Jedenfalls wollte Noah in dieser Nacht vom Feiern nach Hause fahren nachdem er den vollkommen dichten Jack sicher bei sich zu Hause abgesetzt hatte und wäre auch fast an der unerkennbaren Gestalt vorbeigefahren, doch als der Blonde seinen Blick hob, hielt er seinem Wagen mit einer „sanften" Vollbremsung direkt neben ihm an.
Damals hatte der schüchterne Junge Angst. Noah wusste nicht mehr, ob sich sein Klassenkamerad vor dem nähernden Auto, das direkt neben ihm anhielt fürchtete oder vor ihm, dem breitschultrigen Footballspieler aus seinem Jahrgang, der in diesem Auto saß. Doch in Grunde war das egal, denn er entschied sich dazu seine Angst zu überwinden und in das schwarze Auto zu steigen. Es kam Noah damals fast irreal vor. Hatte er sich wirklich so sehr gewünscht den anderen auch außerhalb der Schule zu treffen das sein Kopf ihm diese Illusion schicken musste?
Das war der Augenblick, in dem ihre gemeinsame Geschichte begann.
Er sah wie sich die Person, die schon einige Male an dieser Laterne auf den Beifahrersitz gestiegen ist, erhob und mit gezielten Schritten auf ihn zukam. Die angenehm kühle Abendluft strömte mit dem Blonden ins Auto. Noah lief ein Schauer über den Rücken. Ob dieser durch den Wind ausgelöst wurde oder durch die Person die einstieg, war nicht erkennbar.
Noah kam sich wie ein verliebtes vierjähriges Mädchen vor, da er seinen Blick nicht von dieser Szene abwenden konnte. Es war bewundernswert, wie das banale Einsteigen in ein Auto, jedes Mal aufs Neue so elegant und besonders wirken konnte. Der letzte schüchterne Versuch durch die getönten Scheiben ins Innere zu blicken, das leichte zögern kurz bevor die Tür geöffnet wird und dann das mühelose übertreten der Grenze, die normalerweise zwischen den beiden steht. Das Betreten einer anderen Welt wirkte bei diesem blonden Jungen, wie die einfachste Aufgabe des Universums. Schon in der ersten Nacht, in der es zu diesem Ereignis kam, war diese Tatsache Noah aufgefallen.
Ihre Blicke trafen an diesem Tag das erste Mal aufeinander. In der Schule hatten sie heute keinen Kurs zusammen gehabt und durch ihre unterschiedlichen Interessen, fielen auch die gewählten Schulaktivitäten sehr verschieden aus, sodass sie an manchen Tagen wie auch heute gar nicht aufeinander trafen. Während Noah an diesen Tagen meistens mit seinem Team unter freiem Himmel auf dem Spielfeld stand, konnte man Felix als das einzige beständige Mitglied des Bücherclubs in der Bibliothek der Schule finden.
In der Schule waren die beiden Jungen zu verschieden. Sie hätten ihre Rollen aufgeben und in den Pausen Zeit miteinander verbringen können, aber wer gibt schon gerne die Rolle auf, die er sein ganzes Leben lang gespielt und perfektioniert hatte?
Felix der schüchterne, intelligente Einzelgänger aus gutem Hause und Noah der extrovertierte, gutaussehende Sportler, der nach Badboy aussah und den es freute, wenn die Mädchen ihm hinterherliefen. Diese Rollen füllten sie perfekt aus und beide erfüllten lieber die Erwartungen der anderen, anstatt allen Vorstellungen und Klischees, die sie sich bis dahin zu Nutze gemacht hatten, zu widersprechen. Sie wollten sich nicht selbst in eine noch kompliziertere Situation manövrieren. Es war eine stille Übereinkunft der beiden das Schulleben und ihre gemeinsame Welt zu trennen.
„Woran hast du eben gedacht? Du hast mich angesehen, als würdest du dich an etwas erinnern" fragte der kleinere mit leiser Stimme um die Ruhe, die sich gebildet hatte, nicht zu zerstören. „Ich habe an dich gedacht. An unser erstes Treffen. Damals kamst du mir so unantastbar vor und doch so zerbrochen" antwortete Noah in der gleichen Lautstärke.
„Unantastbar? Das sagt gerade unser perfekter Quarterback des Football Teams?" es war fast schon ironisch, wie bei genau diesem Satz eine kalte Hand auf die des Footballspielers gelegt wurde.
„Wir wissen beide das das nicht stimmt. Und damals hattest du eine andere Art der Unantastbarkeit an dir." mit diesem Satz startete Noah mit der linken Hand den Wagen, damit er seine Hand nicht aus der Berührung lösen musste. Sein Blick löste sich von den miteinander verflochtenen Fingern und wanderte die Straße bis zu einem kleinen Einfamilienhaus entlang. Mit dem weißen Zaun und dem gepflegten Garten wirkte es wie all die anderen Häuser der Straße und dennoch fühlte der Schüler eine rasende Wut, wenn er die Fassade des Hauses sah. Besonders der Eingang, durch den er am Ende seines ersten und letzten Besuchs rausgeworfen wurde, löste bei ihm Hass und Zorn aus.
„Warum läuft keine Musik?" hörte er im nächsten Moment Felix fragen und seine Aufmerksamkeit richtet sich wieder auf ihn.
„Meine Mom hat die Radiosender verstellt und ich... ach egal, mein MP3 Player ist in meiner Jackentasche." Mit diesen Worten wendete er den Wagen und fuhr in die entgegengesetzte Richtung. Währenddessen machte sich der Junge auf dem Beifahrersitzt daran den kleinen silbernen MP3 Player aus der eben erwähnten Tasche zu fischen, um ihn dann mithilfe des Aux-Kabels mit den Boxen des Autos zu verbinden.
Mit einem verbissenen Gesichtsausdruck drückte Felix auf dem Tastenfeld des MP3 Players rum, (es wirkte so als hätte er nicht den Hauch einer Ahnung, was er da tut) bis sich sein Mund zu einem Grinsen verzog und das mühevoll ausgewählte Lied über die Boxen des Autos ertönte, dessen Beginn so einzigartig war, dass sich in Noahs Kopf sogleich Künstler und Titel bildeten.
„The Night we met. Wirklich?" Noahs Mundwinkel verzogen sich ebenfalls zu einem Lächeln als er kurz in die leuchtenden Augen seines Beifahrers blickte.
„Wohin fahren wir?"
„Wohin willst du denn?"
„Erwartest du von mir, dass ich jetzt sage das es mir egal ist wohin, solange du dabei bist?" fragte er mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht und blickte provozierend in Richtung des Fahrers.
Insgeheim hatte eben dieser wirklich gehofft, dass der Junge diese Worte sagen würde, doch das konnte er natürlich nicht zugeben und gewinnen lassen konnte er den Jüngeren schon gar nicht. „Wir beide wissen, dass du so etwas niemals sagen würdest. Aber denken tust du es dennoch." Stieg er also spielerisch mit ein.
„Ich möchte zum Strand." brachte Felix trotzig hervor und wendete sich dann rotwerdend zum Fenster. Lachend bog Noah auf die Hauptstraße ab und entschied sich dazu den kleineren nicht weiter aufzuziehen.
Er hatte schon geahnt, dass Felix vorschlagen würde zum Strand zu fahren. Das tat er immer, wenn er in Ruhe nachdenken wollte. Aus den Boxen des BMWs ertönte bereits der nächte Song; Somewhere Only We Know von Keane. Die Straßen waren leer und es fühlte sich so an als wären sie die einzigen Personen auf dieser Welt.
Der dunkelhaarige wusste, dass es sinnlos war, jetzt ein Gespräch zu starten. Felix hatte die Augen geschlossen und dachte nach. Er wollte den Jungen nicht mit einfallslosem Smalltalk davon abhalten die Situation zu verarbeiten. Aus diesem Grund verlor auch er sich in seinen Gedanken und verfluchte nebenbei die schlechte Nebenstraße, auf die sie gerade abgebogen waren. Er drosselte das Tempo um unnötige Erschütterungen, die den Blonden aus seinen Gedanken reißen könnten zu vermeiden.
Seine Gedanken wanderten zu seinem Beifahrer. Warum passierte das in letzter Zeit so häufig? In der Schule beachteten sie einander kaum. Doch natürlich fiel Noahs Blick jedes Mal auf ihn, wenn er versuchte, unauffällig den Raum zu betreten oder wenn er sich dazu entschied etwas zum Unterricht beizutragen und es jedes Mal schaffte, das alle ihm gespannt zuhörten. Allgemein hatte er eine einzigartige Wirkung auf die Menschen in seiner Umgebung, wenn sie sich dazu entschieden ihm zuzuhören (und Noah hatte sich dazu entschieden zuzuhören). Auch wenn er wohl eher zu den Außenseitern der Schule zählte und eher unauffällig sein wollte, konnte niemand bestreiten, dass der stille Junge nicht doch etwas besonderes an sich hatte.
Aber was führte dazu, dass der Dunkelhaarige sich mitten in der Nacht auf dem Weg zu diesem stillen Jungen machte? Warum reagierte er auf jede Bewegung, auf jede Berührung so intensiv? Warum ist er kurz nachdem das Monster ihn damals aus dem Haus geworfen hatte panisch und zu allem bereit auf dem Bürgersteig rumgelaufen?
Die beiden waren keine Freunde. Sie waren undefiniert. Sie waren alles für den anderen und doch nichts. Nichts Festes, keine Versprechen, die nicht gehalten werden konnten. Aber auch nichts das einem Sicherheit geben könnte. Dabei würde Noah wahrscheinlich alles für den verträumten Jungen tun. Aber dieser war zu vernünftig und zu sehr an seiner Zukunft orientiert, um irgendetwas unüberlegtes zu machen oder etwas das den beiden Schaden zufügen könnte.
Und grade, weil Noah das klar war, wagte er es nicht, ihn mit der Frage in eine Situation zu bringen, aus der er keinen Ausweg wusste.
Doch ein anderes Thema drängte sich immer weiter in sein Bewusstsein. Auch wenn der Sportler wusste, dass Felix nicht gerne über die Situation mit seinem Vater redete, musste er erfahren, was dieses Mal vorgefallen war. Gerade als sie auf die Straße abbogen, die in einer Zufahrt zum Strand endete, stellte er die Frage, die einen bitteren Geschmack auf seiner Zunge auslöste. Er hatte immer Angst vor der möglichen Antwort auf seine Frage und bereitete sich schon von vornherein auf das Schlimmste vor. „Was hat er dieses Mal getan?"
„Es war nichts" versuchte der Angesprochene dem drohenden Gespräch auszuweichen. Doch den beiden war klar, dass er nicht wirklich, besonders mit dieser Ausrede, ausweichen konnte.
„Du hättest mir nicht geschrieben, wenn nichts passiert wäre. Also bitte sag es mir." Eindringlich blickte er Felix an, sodass dieser letztendlich mit der Sprache herausrückte. „Er hatte nur einen schlechten Tag. Hat beim Poker gegen seine Freunde verloren und war betrunken. Der BMW, der bei den Nachbarn auf der anderen Straßenseite stand, war dann zu viel für ihn, dachte wahrscheinlich ich hätte Besuch" Nach einer Pause fügte er hinzu „dabei war das Auto blau und nicht schwarz wie deiner...damals." Er wandte den Blick ab.
„Was hat er getan?" in seinen Ohren hörte sich seine eigene Stimme seltsam erstickt an und plötzlich spielte sich die damalige Situation vor seinen Augen ab. Er sah das kleine aber dennoch liebevoll eingerichtete Zimmer vor sich. Sah wie sich die angsterfüllten blauen Augen, nach ihrem ersten Kuss auf eine Person, die im Türrahmen stand, richteten. Hörte das Gebrüll der rauen und schroffen Stimme und spürte die Faustschläge, die er sich einfing als er sich schützend vor den Jüngeren stellte. Noch Tage später war das Veilchen sichtbar. Auch die Erleichterung, die er nach seinem Rauswurf verspürte als er kurze Zeit später eine Nachricht von Felix bekam und die aussagte, dass er ohne Verletzungen aus der Situation gekommen ist, waren noch heute in seinem Kopf präsent.
„Er hat eine Flasche nach mir geworfen und nein ich wurde nicht getroffen. Ich habe diesmal keine Verletzungen. Bevor was anderes passieren konnte, bin ich in mein Zimmer gerannt und hab abgeschlossen. Aber er hat dann vor der Tür gewartet und mich und meinen „Besucher" beschimpft." Es war für Noah immer unverständlich, wie Felix es schaffte so gefasst über dieses Thema zu reden. Ihm war klar, dass Felix seine Probleme mit sich selbst ausmachte; aber war dem Jungen denn nicht klar, dass er für ihn dar war? Noah hatte Angst, dass Felix durch dieses Verhalten irgendwann gewissermaßen explodiert. Er musste doch merken, wie er immer mehr von seinen eigenen eingeschlossenen Gefühlen und Problemen belastet wurde. „Ich werde diesen Kerl umbringen. Wie kann sich so etwas Vater nennen?" Er wusste das dieses Thema ein wunder Punkt war, aber Noah konnte sich nicht zurückhalten. Dieser Mann hatte so einen fantastischen Sohn nicht verdient.
Doch bevor die Diskussion, die sie schon einige Male geführt hatten von vorne losgehen konnte, erreichten sie schließlich die versteckte Zufahrt zum Strand und Noah fuhr noch einige Meter auf den festen Sand, bevor er den Wagen anhielt und den Motor stoppte. Sie stiegen aus und gerade als Felix sich auf dem Boden niederlassen wollte hielt Noah ihn davon ab.
„Warte ich habe eine Decke im Kofferraum." Sagte Noah in einem beruhigenden Ton und mit einem sanften Lächeln versuchte er Felix zu zeigen, dass er das vorherig angesprochene Thema fürs erste Ruhen lassen wird. Er wollte in diesem Moment keine Diskussion anfangen, die in einem Streit enden würde. Sie waren an ihrem besonderen Ort angekommen und hier war kein Platz für Konflikte. Den dies war der Ort, den nur sie kannten und er war mit so vielen positiven Erinnerungen verwoben, dass jede negative Stimmung ihn entweihen konnte. Das war jedenfalls Noahs Meinung.
Als er die Decke direkt vor dem Auto ausbreitete spürte er einen intensiven Blick auf seiner Haut. Behutsam griff er nach Felix kalter Hand und führte ihn in Richtung der ausgebreiteten Decke. Gemeinsam ließen sie sich sinken und blickten dem anderen tief in die Augen. Als wären sie sich einig, dass ein zu großer Abstand den Augenblick zerstören würde, rückten sie so dicht wie möglich zusammen. Dabei landete der Kopf des Blauäugigen wie zufällig auf der Schulter des muskulösen Footballspielers, der sich ein Lächeln nicht verkneifen konnte, als einige Haarspitzen kitzelnd über seine Haut strichen. Vorsichtig ließ er seine Hand zu der Hüfte des kleineren wandern und zog ihn so noch etwas näher. Zufrieden, da der Abstand zwischen den beiden nun auf ein Minimum gesunken ist, stieß er die Luft aus, die er, während seine Hand über die Haut des anderen wanderte, unbemerkt angehalten hatte.
„Dein Name sollte zur Wahrheit werden. Du solltest immer glücklich sein. Du solltest der glücklichste von allen sein." Hauchte der größere Junge in die Stille. Felix der Glückliche, wenn die Namensbedeutung zur Wahrheit wurde, dann hatte er sein Ziel erreicht. Ihm war noch nicht ganz klar, wie er dieses Ziel erreichen konnte, aber er würde alles dafür geben.
„Weißt du welche Bedeutung dein Name hat Noah?" stellte Felix eine Frage, ohne auf das zuvor gesagte einzugehen.
„Nein, was bedeutet mein Name?" Noah konnte nicht verleugnen, dass sein Herzschlag sich sprungartig verschnellerte. Und insgeheim gefiel es ihm das der Jüngere anscheinend nach seiner Namensbedeutung gesucht hatte.
„Er bedeutet der Tröstende." Als er diesen Satz aussprach, hob Felix seinen Kopf von der Schulter des Größeren. Automatisch wendete dieser seinen Kopf in die Richtung des Blonden.
Die Stimmung veränderte sich. Es fühlte sich fast so an als wären sie beide nun endlich dazu bereit die Wahrheit zu akzeptieren. Den jeweils anderen komplett als Seelenverwandten zu akzeptieren und all die Hindernisse zu vergessen.
Der Jüngere hatte in diesem Moment eine Entscheidung getroffen und Noah hatte nichts gegen die atemberaubende Art und Weise, mit der Felix versuchte seinen Entschluss deutlich zu machen. Es war nicht der erste Kuss, den die beiden miteinander teilten, doch nie zuvor verloren sie sich mehr in den elektrisierenden Berührungen des anderen oder den eigenen brennenden Gefühlen.
Felix Lippen auf seinen fühlten sich sanft und dennoch fordernd an. Der Blonde küsste ihn mit solch einer Bestimmtheit, dass Noah meinte den Verstand zu verlieren. Es überraschte ihn, dass der schüchterne Junge selbst die Initiative ergriff und diesen Kuss startete. Noah wollte sanft sein und sein Verlangen nach dem jüngeren, das ihn schon seit Wochen quälte, zügeln, doch als sich dieser fordernd gegen ihn presste, verlor er die Kontrolle und die Begierde siegte.
Mit einem geringen Kraftaufwand seinerseits und durch die entscheidende Mithilfe von Felix landete dieser schließlich auf dem Schoß des Dunkelhaarigen. Noah ließ seine Hände sanft über das Schulterblatt des anderen wandern und platzierte sie schließlich am unteren Rücken, um ihm mehr Stabilität und Sicherheit zu geben.
Kurzzeitig trennten sich ihre Lippen voneinander und ihre Blicke trafen aufeinander. Was er in den blauen Augen seines Gegenübers sah konnte man nicht mit Worten beschreiben. Durch seinen ganzen Körper lief ein Schauer. Diese extreme Anziehung tat fast körperlich weh.
In dem Moment in dem Felix Hand in sein Haar wanderte und er ihre Lippen wieder aufeinanderpresste wusste Noah, dass die Begierde nicht nur einseitig war und seine Gefühle spielten verrückt. Als er mit seiner Zunge um Einlass bat und sich Felix Lippen für ihn öffneten, vergaß er die Welt um sie herum.
Auch Felix hatte jegliche Hemmungen verloren und übernahm unbewusst die Kontrolle. Mit zittrigen Händen versuchte er dem anderen den schwarzen Pullover auszuziehen, da er genug von der Begrenzung in Form von unnötigem Stoff hatte. Auch Noah war diesem Vorhaben nicht abgeneigt und richtete sich leicht auf, um es dem Blonden leichter zu machen. Als sich der schwere Stoff endlich von seiner Haut löste, fuhren sogleich Hände über seinen Oberkörper und zeichneten das Drachen Tattoo nach, das sich von seinem Rücken über die Schulter bis zu seiner Brust zog, bevor sie sanft zu den chinesischen Schriftzeichen an seiner linken Seite fuhren.
„Ich liebe deine Tattoos." Noahs Herz setzte wie jedes Mal, wenn der schüchterne Junge ihm ein Kompliment machte, aus. „Erklär mir die Bedeutung von ihnen noch einmal" forderte er atemlos den muskulösen Jungen auf und blickte ihm tief in die Augen.
„Die Sonne, der Mond und die Wahrheit" mit jedem gesprochenem Wort wanderten die kalten Finger weiter über die Seite des Footballspielers.
Dabei hielten sie den intensiven Blickkontakt und keine Gefühlsregung des anderen entging ihnen. So verpasste Felix auch nicht, dass sich der Körper unter ihm leicht anspannte, immer wenn er über die empfindliche Haut des Footballspielers strich.
Der nächste Kuss war noch brennender als der erste in dieser Nacht. Sie waren sich noch näher und reagierten noch intensiver auf die federleichten Berührungen des anderen.
Ohne den Kuss zu lösen drückte Noah ihn sanft in eine liegende Position. Dieser Positionswechsel wurde dem jüngeren erst bewusst als sich ihre Lippen kurzzeitig trennten und Noah seine Lippen berechnend aus seiner Reichweite brachte. Ein frustrierter Laut kam Felix über die Lippen, der sich aber in ein Seufzten wandelte als Noah einen leichten Kuss auf seinem Hals platzierte. Er hörte die schneller werdende Atmung und die sanften Töne, die dem Jüngeren über die Lippen kamen und wünschte sich nie wieder etwas anderes zu hören. Sein eigenes Herz setzte ein paar Schläge aus nur um dann doppelt so schnell weiterzuschlagen als der Junge unter ihm seinen Namen hauchte. Er öffnete geschickt die ersten Knöpfe des weißen Hemdes und verteilte eine Spur aus Küssen auf Hals und Schlüsselbein.
Trotz der Situation, die ihn fast den Verstand verlieren ließ, war ihm klar, dass er auf der unglaublich weißen Haut, die im Mondschein fast transparent wirkte, keine offensichtlichen Spuren hinterlassen durfte, wenn er nicht wollte, dass das Monster diese mit noch mehr blauer Farbe verunstaltete.
Er schüttelte diese Gedanken wieder ab und hinterließ einen letzten Kuss hinter dem Ohr des Blonden.
„Ich will dich..." murmelte Felix mit belegter Stimme. Sein verklärter Blick richtete sich auf den älteren Jungen, der ihn mit großen Augen ansah.
„Bist du dir sicher?" fragte Noah als er nach einigen Sekunden seine Sprache wiedergefunden hatte. Mal wieder musste er bemerken, dass Felix viel selbstsicherer und forscher war als man zunächst vermutete.
Doch der Junge, der unter ihm lag, lächelte nur sanft und war wohl der Ansicht, dass Worte überflüssig waren. Stattdessen verband er ihre Lippen zu einem sanften Kuss. Auch auf Noahs Lippen bildete sich ein Lächeln und er erwiderte den Kuss, während er sich wieder näher an den anderen lehnte. Ihre Hände fanden zueinander und Noah bemerkte Mal wieder wie gut sich die blasse kalte Hand in seiner warmen anfühlte.
Und bis zum Morgen war alles gut. Sie vertrauten dem anderen blind. Berauscht von den neuen Erfahrungen und Gefühlen. Vergessen war die kaputte Welt um sie herum und sie blickten auf die Wellen, die unregelmäßig an den Strand gespült wurden. Noch immer lag Felix in Noahs Armen und sie genossen die Stille. Als die ersten schwachen Sonnenstrahlen auf ihre Haut trafen und es langsam Zeit wurde die in der Wirklichkeit existierenden Grenzen wieder aufzubauen, war es Noah, der den Versuch wagte diese Barrieren für immer zu vernichten.
„Du bist so schön, so ungebrochen. Ich bekomm dich nicht mehr aus meinem Kopf." Flüstert er mit leiser Stimme, während er mit seiner Hand auf der freiliegenden Haut des Jüngeren unsichtbare Muster zeichnete. Er fuhr über die dunklen Flecken, die er an Schlüsselbein und Hüftknochen hinterlassen hatte. „Meine Träume beginnen mit dem Halten deiner Hand und enden mit deinem Verschwinden. Und jedes Mal, wenn ich aufwache, such ich nach dir. Es ist erschreckend wie real sich dein Verschwinden immer wieder anfühlt"
„Ich würde niemals einfach verschwinden. Ich würde gern für immer bleiben und ich will mit dir in dieser... in unserer kleinen Luftblase leben, am Strand liegen, Musik im Auto hören oder im Wald die Sterne beobachten und mit dir die reale Welt ausblenden."
Noah wusste nicht warum aber diese Worte schlugen wie ein Blitz ein und lösten Hoffnung in ihm aus. Genauso ruckartig, wie dieser Hoffnungsschimmer bildete sich eine Idee in seinem Kopf. Impulsiv und ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass Felix diese Worte in einer weit entfernten Möglichkeitsform verfasst hatte, sprach er seine Fantasie aus.
„Wir könnten einfach abhauen, nach Paris gehen, uns dort etwas Eigenes aufbauen. Dein Vater wird uns nicht finden und..."
„Wir müssen zurückfahren. In 2 Stunden müssen wir in der Schule sein." Mit diesen Worten unterbrach Felix ihn und Noah konnte das Unbehagen und das Leid, das von dem Blonden ausging fast körperlich spüren.
Ihm war klar, dass Felix diese harschen Worte nicht aus Abneigung ihm oder dem Vorschlag gegenüber geäußert hatte, sondernd weil es für ihn wie das Unmögliche wirkte. Und Noah konnte es ihm nicht verübeln. Tagträume und Fantasien waren nichts, das in Felix Leben passten und grade deshalb ließ er sich gar nicht erst auf solche Wunschbilder ein, die in seinen Augen unrealistisch und nicht zu verwirklichen waren.
Noah schloss seine Augen und schluckte schwer. Wie konnte er nur so egoistisch sein. Felix konnte nicht von hier weggehen. Seine große Bühne befand sich hier in dieser verdammten Stadt. Lösung oder Katastrophe? Warum hatte Noah bloß den Drang sein Leben auf das klassische Drama zu projizieren?
Es blieb ihm nichts anderes übrig als Felix Beispiel zu folgen und sich ebenfalls zu erheben und seine restliche Kleidung wieder anzuziehen.
Auf dem Rückweg herrschte Stille im Auto. In Noahs Kopf herrschte Leere. Er wusste nicht, wie er die Stimmung wieder heben konnte. Nur die Musik ließ ihn daran glauben, dass es wieder besser werden konnte. Wieso hatte er das mit Paris erwähnt? Nur weil das gleichnamige Lied ihn an ihren ersten Kuss erinnert hatte? Seine Gedanken wurden unterbrochen, als sich eine vertraute Hand auf seine legte.
Im Auto waren sie sicher. Im Auto war ihre Welt perfekt. Sie entfernten sich mit jedem Kilometer, den sie fuhren, weiter von der negativen Stimmung. Auch wenn die Stille zwischen den beiden weiterhin anhielt. Als Noah wieder in die Nebenstraße des Wohngebiets fuhr und an der Laterne den Wagen stoppte, war die Nacht unwiderruflich zu Ende.
Noah konnte es Felix nicht verübeln, dass er noch einige Minuten auf dem Beifahrersitz sitzen blieb. In Schweigen gehüllt, ohne an den Morgen zu denken. Auch er wäre lieber noch einmal um den Block gefahren, um etwas Zeit zu gewinnen. Die Zeit in ihrer eigenen Welt, die immer mit dem Einsteigen in das schwarze Auto begann und mit dem Aussteigen endete. Über den MP3 Player, der durch ein Aux-Kabel mit dem Audiosystem des Autos verbunden war, spielte das Lied „Fix you". Fast schon zögerlich löste sich die kalte Hand, die bis jetzt auf seiner verweilt war, aus seiner und griff langsam nach dem Türgriff.
Die Zeit war gekommen, Felix müsste sich in ein paar Minuten dazu entscheiden aus dem Auto zu steigen und die restlichen 100 Meter, die ihn und das Haus, voneinander trennten, überwinden.
Dieses Mal fühlte es sich nicht wie die Male zuvor an. Ohne ein Wort zu sagen verließ der blonde Junge den Wagen und machte sich auf den Weg zum Haus. Die Situation hatte etwas endgültiges. Als wäre Felix bereit sich von Noah und ihrer selbst aufgebauten Welt zu verabschieden. Er war bereit ihre Seifenblase zerplatzen zu lassen. Noah wartete darauf, dass sich der Junge noch einmal zu ihm umdreht, ihn anlächelte und somit versicherte, dass die ganze Situation eine Fehlinterpretation seinerseits war. Doch er wurde enttäuscht. Er musste dabei zusehen, wie die wichtigste Person der Welt verkrampft und verloren in Richtung Haus lief; ohne sich umzudrehen wie sonst und mit gesenktem Kopf. Dennoch konnte Noah erkennen wie sich Felix die Tränen von der Wange strich. Sein Herz wurde bei diesem Anblick schwer wie Stein.
Der Song wechselte und ein Lied seiner Lieblingsband wurde gespielt. Seine Augen brannten und das Gewicht auf seiner Brust wurde immer schwerer. „Vielen Dank auch" richtete er sich mit heiserer Stimme in Richtung seines MP3 Players. Shadow of the Day war wirklich das perfekte Lied, um seine jetzige Situation zu beschreiben, aber es ließ ihn gerade deshalb noch mehr verzweifeln. Er wusste kein Ausweg aus dieser Situation. Vielleicht war Felix bereit loszulassen aber das heißt nicht das Noah es auch war.
Apathisch schloss er die Haustür auf als er schließlich angekommen war. Die Sonne ließ die Schatten langsam wachsen. Es hätte ihn nicht egaler sein können. In ungefähr einer Stunde musste er in die Schule. Ab jetzt wird die Schule wahrscheinlich der einzige Ort sein, an dem er Felix sehen kann.
Unmotiviert begab er sich in Richtung Treppe. Doch als er Schritte hörte, die auf ihn zukamen, blickte er auf. Wortlos nahm seine Mutter ihn in den Arm und befreite seine Wange von den neuaufkommenden Tränen.
Die restliche Zeit, bevor er sich auf den Weg zur Schule machte, verbrachte er in seinem Zimmer. Mit Kopfhörern saß er auf seinem Bett, hörte sich die mühsam erstellte Playlist an und versuchte mit der ganzen Sache abzuschließen oder sich zu erinnern; genau wusste er es selbst nicht. Das er auf diese Art und Weise wenig Erfolg mit dem vergessen haben würde war ihm selbst klar.
Infolgedessen saß Noah nun übermüdet und nicht dazu bereit dem Unterricht zu folgen wie gewohnt auf seinem Platz neben Jack in der Schule. Da er aufgrund seiner Größe relativ wenig Sichtschutz von dem vor ihm sitzenden Schüler erwarten konnte, versuchte er wenigstens aufmerksam zu wirken.
„Was hast du denn heute Nacht mit dem Streber gemacht?" fragte Jack und unterbrach damit seine Bemühungen die Formel des logistischen Wachstums fehlerfrei von der Tafel abzuschreiben.
„Ich habe ihn...nach Hause gebracht." Antwortete er etwas zögerlich. Es war das erste Mal, dass einer seiner Freunde oder Bekannten mitbekam, das er Zeit mit Felix verbrachte.
„Warum das denn? Der ist irgendwie ein bisschen merkwürdig. Findest du nicht?" Hörte er die Stimme von einem dieser Mädchen, das sich ganz zufällig in seine Nähe gesetzt hatte. Er konnte sich nicht daran erinnern jemals ein Wort mit ihr gewechselt zu haben, aber sie kam ihm schon jetzt unsympathisch vor. Trotz seines desinteressierten Blickes schien sie auf eine Antwort von ihm zu warten und blickte ihn mit ihren mandelförmigen Augen an.
„Ja." diese Form der Zustimmung kam mit einer solchen Bestimmtheit und Sicherheit über seine Lippen, dass er sich fast selbst geglaubt hätte. Mit dieser Antwort hatte er das Gespräch beendet und auch die Erwartungen, die an ihn gestellt wurden, erfüllt.
Doch als er aufsah traf sein Blick auf tränennasse blaue Augen. Aber was sollte er tun sie hatten ihre Rollen. Er war in der Schule nicht der Retter der Zerbrochenen. Er war nur der Footballspieler, der anderen Probleme bereitete. Noah spielte seine Rolle perfekt und Felix sollte seine eigene Rolle besser nicht vergessen.
Kurz vor Stundenende landete ein Zusammengefalteter Zettel auf seinem Tisch. Jack blickte ihn verwirrt von der Seite an.
Können wir nicht einfach unsere Namensbedeutungen zur Wahrheit machen? Lass uns in drei Wochen losfahren.
· der Glückliche
Ohne großartig überlegen zu müssen setzte Noah seine Antwort mit blauer Tinte auf das Blatt Papier und warf es zurück.
Ich bin bereit, wenn du es bist!
· der Tröstende
__________________________________________________________________
Ich hoffe euch hat dieser Oneshot gefallen.
Über Verbesserungsvorschläge und Kritik würde ich mich freuen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top