4 | 14. März | White Day

Kurz vor achtzehn Uhr stand Touya vor der Adresse, die Keigo ihm zuvor geschickt hatte, und betrachtete das alte Mehrfamilienhaus. Erst jetzt verstand er, wieso sein blonder Freund ungern wollte, dass er sieht, wo er wohnte. Wobei es nicht direkt um das Haus ging, es war der ganze Stadtteil.

Eine unbehagliche Gegend. Nichtsdestotrotz legte er keinen Wert darauf, es änderte schließlich nichts an Keigo als Person und so schritt er voran. Touya sah noch einmal auf die Adresse, glich die Hausnummern ab und suchte die richtige. Als er die Haustür mit der Nummer vierzehn fand, steckte er sein Handy in die Tasche, richtete seine Kleidung etwas und klopfte schließlich an.

Es dauerte etwas, doch dann öffnete ein dunkelblonder und unfreundlich dreinschauender Mann die Tür. Vermutlich hätte er die meisten allein schon durch sein Auftreten und Aussehen vertrieben, nicht Touya jedoch. Schließlich war er der Sohn von Enji Todoroki und der beherrschte den bösen Blick deutlich besser und das obwohl er eigentlich gar nicht so war. Trotzdem hatte er den einen oder anderen mitgebrachten Klassenkameraden beinahe in die Flucht geschlagen.

Innerlich musste er grinsen, vermutlich war der Mann vor ihm genauso freundlich, wie er aussah.
»Guten Abend, ich –«
»Was willst du?«, unterbrach ihn Keigos Vater. Er musterte Touya, den er noch nie gesehen hatte. Bis auf Rumi kamen keine Freunde zu Besuch, weshalb er Touya skeptisch begutachtete.

»... bin Touya Todoroki. Ich wollte Keigo abholen«, fuhr der Schüler unbeirrt fort, stellte sich aus reiner Höflichkeit vor und erklärte gleichzeitig den Grund, weshalb er vor dieser Tür stand.
»Todoroki? Was will denn jemand wie du, von jemandem wie Keigo?«, fragte er, seine Augen verengten sich ein Stück, doch Touya wich immer noch kein Stück.

Natürlich kannte er ihn, oder viel mehr kannte er seinen Nachnamen. Als der Sohn eines bekannten Unternehmers, war das auch kein Wunder.
»Er ist mein Freund, könnten Sie ihn also bitte holen? Wir waren zu achtzehn Uhr verabredet und es ist jetzt bereits kurz nach«, antwortete er dem Mann gegenüber und wartete wieder ab, was dieser noch zu sagen hätte.

Doch seine Gesichtszüge glätteten sich bereits, wobei es ihn nicht wirklich freundlich aussehen ließ, und er sah hinter sich.
»Sein Freund also, schön dich kennen zu lernen.« Keigo stand im Flur, verborgen vor Touyas Blicken und sah beschämt zu Boden. Sein Vater war einfach nur peinlich. »Um spätestens zweiundzwanzig Uhr ist er wieder hier, Todoroki-kun.«

Er drehte sich wieder zu dem Weißhaarigen und flüsterte ihm etwas zu, was Keigo nicht hören sollte: »Ich warne dich, behandle ihn gut, bring ihn zum weinen und du wirst es für immer bereuen.« Touya schluckte, der Mann drohte ihn doch tatsächlich!
»Das würde ich niemals tun«, flüsterte er leise, sodass lediglich der Vater seine Worte vernahm.

Takami nickte, dann wandte er sich ab und ging zu seinem Sohn. Erst dann konnte Touya den Blonden sehen, auch wenn er sich zuvor schon gedacht hatte, dass er dort stand. Sein Vater sagte etwas zu ihm, die Hand des Mannes ruhte auf Keigos Schulter und sein Gesicht war etwas ernster, als noch wenige Sekunden zuvor. Wenig später verschwand Takami im angrenzenden Zimmer und Keigos Aufmerksamkeit richtete sich auf Touya, dann ging er zu ihm.

»Sorry, deswegen wollte ich nicht …« Touya winkte ab und zog den Blonden nach draußen. Er ließ die Tür ins Schloss fallen und nahm die Hand des Blonden in seine.
»Schon gut, mit seltsamen Vätern habe ich Erfahrung. Zuhause habe ich auch so ein Exemplar, welches so manch einen meiner Freunde in die Flucht geschlagen hat. Du wirst ihn bestimmt noch kennenlernen«, sagte Touya und grinste schief, gleichzeitig verhakte er seine Finger mit denen des Blonden. »Dein Vater scheint immerhin Bescheid zu wissen, oder?«

»Das ich schwul bin?«, flüsterte Keigo, worauf Touya leicht nickte und sich in Bewegung setzte. »Ja, schon etwas länger. Nur von dir wusste er bis jetzt nichts, vermutlich hatte er nicht erwartet, dass ich einen Todoroki abschleppen würde.«
»Was soll das denn heißen, bin ich nicht gut genug?«, lachte der Ältere, doch Keigo seufzte nur und gab ihm keine Antwort darauf. Die Frage war, wenn, dann eher andersherum. War er überhaupt gut genug für Touya?

»Wieso sagtest du, dass du mein Freund bist? Hieß es nicht, dass wir nur Freunde sind?« Leicht verlegen sah er zu Touya, er verstand nicht wirklich, was in ihm vorging, er war so schwer zu durchschauen.
»Hab ich das?«
»Ja das hast du, tu nicht so, als wüsstest du es nicht mehr.«

Touya kicherte leise und erntete dafür einen unzufriedenen Blick seitens des Blonden. Nein, er verstand ihn definitiv nicht.
»Sag, wie war der Kuchen? Hat er dir geschmeckt?«, wechselte Touya das Thema. Immerhin hatte er keine Antwort auf Keigos Frage, es war ihm einfach rausgerutscht und so hatte er einfach ›mein Freund‹ statt ›ein Freund‹ gesagt. Aber vielleicht würde es sich ja bald ändern?

»Und wie«, sagte Keigo. Kaum war er zu Hause angekommen, hatte er das Geschenk geöffnet und davon genascht, »beinahe zu schade zum Essen, so wie er aussah.«
»Das freut mich und Fuyumi wird sich bestimmt auch freuen. Immerhin wäre es ohne sie nichts geworden.« So wie eigentlich alles an diesem Tag oder der Planung dafür.

»Da wären wir«, sagte Touya, als sie den Bus verließen und auf den Freizeitpark zu gingen, der bereits zu dieser Zeit in all seinen Farben erstrahlte und von Lichtern und Laternen erleuchtet wurde. Zu Fuß hätten die beiden Schüler viel zu lange gebraucht und so hatte Touya sich entschieden den nächsten Bus zu nehmen, immerhin fuhr dieser direkt zum Park.

»Ich wusste nicht, dass du auf sowas stehst«, sagte Keigo und sah zu ihm hinauf. Er freute sich, es war schon eine ganze Weile her, seit er das letzte Mal einen Freizeitpark besucht hatte, immerhin fehlte ihm meistens das Geld für so etwas.
»Naja, ich war mit meinen Geschwistern schon ein paar Mal hier und ich dachte, dass es dir auch gefallen könnte«, antwortete Touya.

Dabei hielt er sich normalerweise lieber fern von diesem Ort, meistens übernahm er freiwillig die Rolle des Aufpassers für Shoto. Allein beim Gedanken an die schnellen Achterbahnen, drehte sich dem Weißhaarigen der Magen um und er schluckte schwer. Zum Glück hatte er das Essen ausgelassen, auch wenn er hoffte, dass Keigo nicht unbedingt in eine der besagten, viel zu schnellen Achterbahnen steigen wollte.

Kaum hatte er sich wieder gefangen, zog er den Blonden auch schon in Richtung des Eingangs, wo er kurzerhand zwei Eintrittskarten kaufte und danach das Gelände betrat.

Der Duft von Karamell, Schokolade und anderen, verführerisch riechenden Leckereien umspielte seine Nase und er sah sich um. Wie zu erwarten war es ziemlich voll. Wo man auch hinsah, überall waren Pärchen. Junge und Alte. Und mittendrinnen die beiden Schüler, händchenhaltend und leicht erschlagen von all den Eindrücken und Düften.

»Wo wollen wir anfangen?«, erkundigte sich der Weißhaarige, als Keigo näher kam und seine Hand etwas fester drückte. Er erwiderte die Geste, während er abwartete und den Blonden ansah, sein Begleiter schien selbst unschlüssig zu sein. Doch schließlich hatte er sich entschieden und ging los, Touya hinter sich ziehend.

Sie schlängelten sich durch die Menge an Menschen, quetschten sich gelegentlich zwischen ihnen hindurch und Touya schmunzelte. Zumindest solange, bis Keigo ankam, wo er allem Anschein nach hin wollte. Denn als der Weißhaarige das Karussell erblickte, vor dem Keigo stehen geblieben war, schluckte er schwer. In dem Moment bereute er die Idee mit dem Freizeitpark gewaltig, hätte er vielleicht doch eher ein Café wählen sollen? Oder doch die Karaokebar? Hauptsache etwas ruhiges, wo er den Boden unter den Füßen behalten könnte.

»Was los Touya-kun?«, fragte der Blonde, als er den Ausdruck auf dem Gesicht des Älteren sah. Er wirkte blasser als ohnehin schon und irgendwie machte er sich nun Sorgen. »Du siehst aus, als ginge es dir nicht gut.«

»Was? Nein, alles bestens, lass uns reingehen und Spaß haben«, antwortete er hastig und schluckte schwer, ein Kloß hatte sich in seinem Hals gebildet und quälte ihn zusätzlich zu der aufkommenden Übelkeit. Dabei war er noch nicht einmal in das Karussell gestiegen.
»Sicher?« Touya nickte, zwang sich zum Lächeln und gab sich einen Ruck, ging mit Keigo im Schlepptau dorthin.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top