3 | 14. März | White Day

Gefühlt den ganzen Schultag ging Touya Keigo aus dem Weg und verschwand in den Pausen irgendwo, wo er ihn nicht finden konnte. So langsam fühlte sich der Blonde verarscht und hatte dezent schlechte Laune. Mehr als einen flüchtigen guten Morgengruß, vor Unterrichtsbeginn, hatten sie nicht miteinander geredet und die restliche Zeit waren Touya, Tenko und Himiko nicht aufzufinden.

Als hätten sie sich irgendwo in Luft aufgelöst oder gingen ihm und Rumi bewusst aus dem Weg. Dabei hatte er doch nichts getan, was deren Verhalten rechtfertigen würde. Rumi hatte ebenfalls keine Erklärung dafür, was die drei Schüler geritten haben könnte und so blieben sie den Schultag allein. Selbst Tenko, der mit Rumi zusammen war und den sie eine Nachricht geschickt hatte, antwortete nicht.

Nun stand Keigo allein vor seinem Spind und versuchte, die schlechte Laune irgendwie zu verbannen. Rumi war nicht bei ihm, sie war in der Box AG und trainierte vermutlich noch. Oft genug vergaß sie dabei die Zeit.

Er öffnete den Spind, zog seine Straßenschuhe heraus und bemerkte nicht einmal den hellblauen Umschlag, der in dem Moment zu Boden fiel. Schnell zog er seine Schuhe um, schmiss die anderen in den Schrank und knallte diesen lautstark zu. Dass um ihn herum auch noch andere Schüler standen und ihm seltsame Blicke zu warfen, ignorierte er einfach.

Erst als er seine Schultasche vom Boden hob, bemerkte er den Umschlag, der neben ihr gelandet war. Neugierig hob er ihn auf und betrachtete die Aufschrift, wobei es nur sein Name war, der dort in einer ordentlichen Schrift geschrieben stand. Keigo nahm seine Tasche, schulterte sie und blickte sich einmal um, dann verzog er sich, um den Brief unbeobachtet lesen zu können.

Außer Reichweite von neugierigen Blicken, öffnete er den Umschlag vorsichtig, doch das, was er fand, war lediglich ein Zettel, auf dem stand, dass er nach dem Unterricht auf das Dach kommen sollte. Kein Absender, nichts. Er steckte die kurze Nachricht, mitsamt des Umschlags, in die Jackentasche und ging wieder zurück.

Auch wenn dort nicht stand, von wem es war, so wusste er es. Er erkannte die Schrift, zudem war es der Ort, an dem Keigo Touya damals die Pralinen gegeben hatte. Wer, wenn nicht der Weißhaarige, sollte sonst auf so eine Idee kommen? Dabei hatte der Blonde schon längst aufgehört zu glauben, dass Touya an diesem Tag noch mal mit ihm reden würde. Hoffentlich hatte er eine gute Ausrede für sein Verhalten, dachte Keigo sich, als er die letzten Treppenstufen hinaufstieg und schlussendlich vor der Tür stehen blieb.

Immer noch war er wütend über die Tatsache, dass der andere ihn die ganze Zeit ignoriert hatte. Tief atmete er ein, dann öffnete er die Tür und trat hinaus auf die Dachterrasse. Der grelle Schein der Sonne blendete ihn für einen Moment, weshalb er blinzelte und nichts erkennen konnte.

»Du hast dir ziemlich viel Zeit gelassen, Keigo«, hörte er die Stimme des Weißhaarigen und hielt sich die Hand über die Augen, damit er die blendende Sonne abschirmen konnte. Und da stand er, einige Meter entfernt, an das Gitter gelehnt, das um die Terrasse gespannt war, und sah zu ihm, mit seinen eindringlichen, türkisen Augen und dem gleichen, desinteressierten Gesichtsausdruck wie fast immer.

Touya hatte die Arme vor der Brust verschränkt und wartete, machte keine Anstalten, sich auf den Blonden zuzubewegen. »Ich dachte, du würdest nicht mehr auftauchen.«
»Nachdem du mich den ganzen Tag lang ignoriert hattest, hätte ich das tatsächlich in Erwägung ziehen sollen, Touya-kun«, antwortete Keigo schnippisch, sah seinen Gegenüber leicht verärgert an und ging dann langsam auf ihn zu. »Hoffentlich hast du dafür eine gute Erklärung«, fügte er hinzu und blieb, mit etwas Abstand, vor dem Weißhaarigen stehen, steckte dabei die Hände in die Hosentaschen und musterte ihn.

Seine Haare glänzten im Sonnenlicht, während der Wind die Strähnen leicht hin und her bewegte.
»Ich wollte dich überraschen?«
»Ist das jetzt eine Frage oder die Antwort?« Touya zuckte mit der Schulter und stieß sich anschließend von dem Gitter ab, überbrückte dabei die letzte Distanz zwischen ihnen. Er blieb ganz dicht vor Keigo stehen und lehnte seine Stirn, an die des Jüngeren. Dieser wartete ab und sah Touya in die Augen, sie waren, wie sonst auch, unergründlich. »Wieso sollte ich nun herkommen, sag schon«, forderte er den Größeren auf.

Doch Touya schwieg immer noch, er suchte nach den richtigen Worten. Zusammen mit Fuyumi hatte er diesen Tag halbwegs geplant, wobei sie diejenige war, die das Denken in diesem Punkt übernommen hatte. Von Romantik und diesen ganzen kitschigen Zeug, hatte Touya wirklich keine Ahnung, tat sich dabei äußerst schwer.

Zum Glück hatte er eine Schwester, die allem Anschein nach zu viel Zeit und Geld in romantische Manga steckte. Wobei anders gesehen, waren die meisten ihrer Vorschläge ziemlich kitschig und klischeehaft gewesen. Ein tiefer Seufzer entfloh ihm und er schloss die Augen.
»Keigo, würdest du …«, begann er, unterbrach sich schnell wieder und trat ein Stück zurück. Keigo sah ihn irritiert an und neigte dabei den Kopf.

»Was denn?« Leicht verlegen sah der Weißhaarige zur Seite, wich den intensiven, goldenen Augen seines Gegenübers aus und kratzte sich am Nacken.
»Geh mit mir aus, heute«, sagte er, wobei es mehr einer Aufforderung glich, nicht wie zuvor. Schnaubend drehte Keigo sich einfach um und antwortete: »Erst ignorierst du mich und jetzt so etwas. Also Taktgefühl hast du wirklich keines.«

Touya hob seine Tasche auf und ging wieder zu den Blonden, der immer noch mit dem Rücken zu ihm stand. Er stellte sich direkt neben ihn und kramte aus seiner Tasche das hervor, was er zusammen mit Fuyumi und Natsuo vorbereitet hatte. Interessiert warf Keigo ihm einen Seitenblick zu und beobachtete ihn dabei, wie er ein kleines, hübsch eingepacktes Päckchen hervorholte.

»Wenn du nicht mitkommen möchtest, dann nimm wenigstens das hier. Ich hab es zusammen mit Fuyumi für dich gemacht«, gestand er und hielt Keigo das Geschenk entgegen, ohne ihn anzusehen. »Es ist nichts besonderes, ich bin nicht gut darin und ohne meine Schwester hätte ich vermutlich die ganze Küche in Brand gesetzt.«

Keigo kicherte bei der Aussage, wobei ein Teil seines Ärgers verflog, und nahm das Geschenk entgegen. Die Schleife war etwas unordentlich gebunden, vermutlich hatte Touya es selbst versucht und festgestellt, dass er kein besonderes Talent dafür hatte.
»Danke«, sagte Keigo und gab Touya einen flüchtigen und sanften Kuss auf die Wange.

Die kleine Aufmerksamkeit ließ sein Herz höher schlagen und seine Wangen färbten sich rot, nicht zuletzt weil er den Älteren von sich aus einen Kuss gegeben hatte. Als der Weißhaarige gerade dabei war, fortzugehen, den Treffpunkt zu verlassen, nur um dann den Heimweg einzuschlagen, hielt Keigo ihn auf. »Warte, nicht so schnell. Ich dachte, dass du mit mir ausgehen willst, also verschwinde jetzt nicht einfach.«

Er blieb stehen, nicht zuletzt, weil der Blonde ihn an seinem Blazer festhielt und daran zog. »Wann und wo treffen wir uns? Ich würde mich vorher gerne umziehen.« Schnell verstaute er das Päckchen in seiner Tasche, er wollte es später probieren und jetzt keine Zeit verschwenden.

»Hättest du etwas dagegen, wenn ich dich um achtzehn Uhr abholen würde?«, fragte Touya, obwohl ihm bekannt war, dass Keigo es mit hoher Wahrscheinlichkeit ablehnen würde. Die Hand des Jüngeren krallte sich fest in den Träger seiner Tasche und er biss sich leicht auf die Lippe.

»Abholen?«, murmelte Keigo vor sich, worauf Touya sich gänzlich zu ihm drehte, sein Kinn zwischen die Finger nahm und ihn somit zwang, zu ihm zu sehen. Der Schüler war hin und her gerissen, ihm gefiel es nicht, aber früher oder später würde Touya bestimmt erfahren, wo oder wie er wohnte.
»Wenn du nicht willst, dann warte ich da, wo wir uns gestern getrennt haben, auf dich. Aber vergiss nicht: das, was die anderen über dich erzählen, interessiert mich nicht«, sagte der Weißhaarige und lächelte sanft, es war schon eine ganze Weile her, seit Keigo es zuletzt gesehen hatte. Wieder einmal verzauberte es ihn.

»Nein, schon gut, hol mich ab, wenn du möchtest.« Auch er lächelte und das unwohle Gefühl, was er verspürt hatte, verschwand, so schnell es auch gekommen war.
»Dann sollten wir jetzt schnell nach Hause, damit ich dich pünktlich abholen kann.« Nachdem er es ausgesprochen hatte, grinste er den Blonden an.

»Du hast recht«, antwortete Keigo und erwiderte die Geste. Gleich darauf machten sich die beiden Jungen auf den Weg, wobei Touya auch dieses Mal wieder den Umweg gegangen war und Keigo bis zur Kreuzung vom Vortag begleitet hatte. Erst danach ist er eilig nach Hause gerannt, um sich, genauso wie Keigo, umzuziehen.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top