2 | 13. März | White Day

»Hier steckst du also.« Keigo tippte Touya auf die Schulter und lächelte, als dieser seinen Kopf zu ihm drehte. »Hab Toga-chan und Shimura gerade weggehen gesehen, bist du wieder vor ihnen geflüchtet?«
»Könnte man so sagen, habe gewartet, bis sie weg sind. Wieso bist du denn noch hier?«, erkundigte sich der ältere Schüler, während er seine Schuhe im Spind verstaute und diesen dann etwas lautstark schloss.

»Ich habe dich gesucht. Wollen wir zusammen gehen?« Keigo zeigte in Richtung des Ausgangs. Rumi war schon vorgegangen, da sie irgendwas Wichtiges vorhatte und eilig aus dem Klassenzimmer gerannt war. Sie hatte ihren besten Freund einfach stehen lassen und so wollte er es ausnutzen, ausnahmsweise mit Touya zusammenzugehen.

»Von mir aus«, antwortete dieser, zuckte mit den Schultern und ging, ohne groß auf den Blonden zu warten, zum Ausgang. Verwirrt und leicht irritiert blieb Keigo stehen und sah zu, wie Touya die Tür aufstieß. Doch bevor er das Gebäude verließ, drehte er sich um und sah mit seinen alles durchdringenden, türkisen Augen zu seinem Begleiter. »Kommst?«

Keigo blinzelte, lächelte dem Wartenden zu und nickte. Gleich darauf folgte er Touya hastig und zusammen verließen sie das Schulgelände. Es herrschte eine gewisse Distanz zwischen ihnen, die stets vom Weißhaarigen kam und dann dieses unangenehme Schweigen. Keigo wusste nicht so recht, worüber er mit ihm reden sollte, zumindest nicht in diesem Moment.

Seit seinem Geständnis am Valentinstag, war nicht viel passiert. Gelegentlich verbrachten sie die Pausen gemeinsam, wobei es selten vorkam, dass sie alleine waren. Meistens waren Touyas Freunde anwesend, oder Rumi. Dennoch verbrachten sie einiges an Zeit zusammen, als Gruppe natürlich und meistens irgendwo in der Öffentlichkeit.

Toga zwang sie oft genug zum Karaoke oder nahm sie mit in ihr Lieblingscafé. Anfangs wusste Keigo nicht so recht, was er davon halten sollte und doch machte es ihm Spaß. Zeit mit Touya und den beiden anderen, die er bereits als Freunde sah, zu verbringen und einfach etwas unternehmen. Nichtsdestotrotz würde er gerne mehr Zeit mit ihm allein verbringen, ihn näher kennenlernen und mehr über ihn erfahren.

Der Blonde warf seinem Begleiter einen verstohlenen Blick zu, musterte dabei, wie so oft, dessen Seitenprofil und schmunzelte leicht.
»Hast du morgen eigentlich was vor?«, fragte Keigo schließlich, ihn störte dieses Schweigen so langsam, er war nicht der schweigsame Mensch.
»Nein«, antwortete Touya knapp und warf dem Jüngeren einen Seitenblick zu.

Der junge Todoroki hielt nicht viel vom White Day und ihm war bewusst, worauf Keigo anspielte, worauf er hinaus wollte. Vermutlich wollte er etwas mit ihm unternehmen und hoffte auf eine Einladung. Jedoch hatte Touya von alledem keine Ahnung, schließlich hatte er sich bis jetzt für keinen anderen Menschen wirklich interessiert. Nicht auf dieser Ebene.

Er wusste noch nicht einmal, wieso Keigo ihn überhaupt mochte und Zeit mit ihm verbringen wollte. Aber genauso verstand er es bei den ganzen Schülerin nicht, die ständig an ihm kleben würden, wenn Toga sie nicht verscheuchen würde.
»Verstehe«, sagte Keigo und Touya konnte die verborgene Enttäuschung in seiner Stimme und in dieser kurzen Antwort heraushören.

Trotzdem ging er nicht weiter darauf ein und fragte stattdessen: »Und du?«
»Nichts besonderes.«
»Okay.« Und wieder schwiegen sie, schlenderten einfach den Gehweg entlang und dachten, jeder für sich, über irgendetwas nach.

Keigo, der gehofft hatte, dass Touya ihn fragen würde, ob sie den morgigen Tag zusammen verbringen könnten und Touya, der ziemlich ahnungslos darüber war und gar nicht wusste, wie sehe es den anderen eigentlich kränkte. Jedoch wollte der Jüngere sich nicht aufdrängen, vielleicht wollte Touya den Tag auch einfach nicht mit ihm verbringen oder er wollte allgemein nicht mit ihm allein sein.

»Ich muss da lang«, sagte er schließlich und blieb an der Kreuzung stehen, während Touya beinahe weitergegangen wäre. Doch er blieb stehen und drehte sich wieder zu seinem Begleiter. »Wir sehen uns dann morgen.«
»Soll ich dich nicht nach Hause begleiten?«
»Nein lieber nicht«, antwortete Keigo und schüttelte energisch den Kopf, wodurch seine Haare nur noch mehr abstanden, als ohnehin schon.

Er wollte auf keinen Fall, dass Touya ihn begleitete und sah, wo er wohnte. Einzig Rumi wusste, wo oder wie Keigo lebte und das sollte sich vorerst nicht ändern. Der Blonde wollte vermeiden, dass Touya ein falsches Bild von ihm oder seiner Familie bekommen würde. Irgendwo war es ihm peinlich. Peinlich, weil er arm war und peinlich, weil seine Eltern alles andere als Vorbildlich waren.

»Sicher? Liegt es daran, weil du glaubst, dass ich irgendwelche Vorurteile haben könnte? Weil ihr arm seid?« Der Jüngere senkte sein Haupt, natürlich wusste er es. Wie konnte es auch anders sein? Entweder hatte Rumi sich verplappert, oder Touya hatte es von jemand anderem aufgeschnappt. »Wir sind Freunde, unabhängig von Rang und Status.« Bei dem Wort Freunde verzog der Blonde die Brauen. Sie waren also nur Freunde, nicht mehr und nicht weniger.

»Ein anderes Mal vielleicht«, antwortete Keigo, setzte ein falsches und schiefes Grinsen auf, das er den Älteren präsentierte und drehte sich um. »Wie gesagt, wir sehen uns morgen«, sagte er noch, dann ging er los und winkte zum Abschied noch einmal.

Eigentlich wollte der Weißhaarige nach der Hand seines Freundes greifen und ihn aufhalten, doch am Ende tat er es nicht. Wieso, wusste er nicht genau, er ballte die Hand zur Faust und steckte sie in die Hosentaschen. Er war ein Idiot und das wurde ihm gerade so richtig klar, als er Keigo hinterher sah. Seine Haltung wirkte auf einmal so traurig. Das Lächeln so falsch.

»Ah Scheiße«, fluchte er leise, blickte immer noch in die Richtung, in der Keigo verschwunden war. Mittlerweile konnte man ihn nicht mehr sehen, irgendwann war er abgebogen, ohne noch einmal zurück zu sehen. Wahrscheinlich dachte er ohnehin, dass Touya längst gegangen war. Kurz atmete er durch, dann beeilte er sich, um schnellstmöglich nach Hause zu kommen.

Beinahe fünfzehn Minuten später, saß der Weißhaarige im Flur des Todoroki-Anwesens und entledigte sich seiner Schuhe. Obwohl er sich beeilt hatte, brauchte er ziemlich lange, was wohl daran lag, dass er einen Umweg gegangen war, nur um Keigo zu begleiten. Kaum hatte er seine Schuhe zur Seite geworfen, hörte er bereits Schritte hinter sich, die sich schnell auf ihn zu bewegten.

»Touya-nii, du bist heute aber spät dran«, summte Fuyumi und stellte sich direkt hinter ihn, blickte dabei hinunter auf seinen Schopf hinab. »Sag, hast du deine Freundin nach Hause gebracht?« Ihr Lächeln wurde breiter und sie kicherte leicht. Touya verdrehte die Augen, lehnte sich zurück, sodass sein Kopf an ihren Beinen ruhte, und sah dann hinauf zu ihr. Ihre grauen Augen glänzten und ihr Gesicht strahlte nahezu vor Freude.

»Ich habe keine Freundin«, antwortete er knapp, worauf sie noch einmal kicherte.
»Da hab ich von Toga-chan was anderes gehört«, trällerte sie, dann beugte sie hinunter und umarmte ihren älteren Bruder. »Komm schon Brüderchen, erzähl mir, wie ist sie so? Unternimmst du morgen was mit ihr? Hast du ein Geschenk?«

Fuyumi drückte ihre Wange an seine und festigte die Umarmung. Sie freute sich einfach nur, dass ihr sonst so desinteressierter Bruder jemanden gefunden haben soll, den er mochte. Gerne hätte sie es früher erfahren und vielleicht lieber von ihm selbst als einer Freundin. Doch darauf, dass Touya von so etwas erzählen würde, konnte sie lange warten.

»Anhänglich, laut und redet viel, ein Wirbelwind, und jetzt lass mich los«, ergab er sich und schob seine Schwester von sich. Dabei ignorierte er die Tatsache, dass Fuyumi annahm, Keigo wäre ein Mädchen. »Außerdem sind wir nicht zusammen und wir gehen nicht miteinander aus.«

»Aber du magst sie, oder?« Der Weißhaarige verzog die Braue und dachte nach. Tatsächlich mochte er Keigo und seine Art. Er war gerne in seiner Gegenwart und freute sich innerlich immer, wenn Keigo die Pausen mit ihm und den anderen verbrachte. Zudem hatte er ihn als Dank für die Valentinstags Schokolade geküsst, damit hatte er sich selbst überrascht. Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, erinnerte sich kurz an das angenehme Gefühl, welches Keigo in ihm ausgelöst hatte und ein leichter Rotschimmer legte sich auf seine blassen Wangen.

»Ich glaube schon«, antwortete er, wissend, dass Fuyumi in dem Fall nicht das Mögen wie bei einem einfachen Freund meinte. Sie boxte ihm leicht in die Schulter, dann erhob sie sich wieder.
»Dann komm gleich in die Küche, ich helfe Natsuo beim Backen.«

Verwirrt drehte er sich um, sah seine Schwester in Richtung der Küche gehen und fragte sich, was sie damit genau meinte. Doch schnell ging ihm ein Licht auf und er grinste schief.
»Ich ziehe mich nur um«, rief er im Vorbeigehen, ehe er dann in seinem Zimmer verschwand und sich seiner Uniform entledigte.

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