Orientierung

Nacht für Nacht beobachtete ich die Sterne und Tag für Tag entschied ich mich für den Norden.

Es gab keine Zwischenfälle, wofür ich dankbar war. Ein ungefährer Anhaltspunkt war das Meer, das ich erreichte. Ich könnte der Küste entlang weiter in den Norden laufen. Ich hoffte richtig zu liegen und mich im äußersten Süden zu befinden. Südgondor war dafür bekannt, dass es regelrecht verlassen war. Es gab keinen separaten Herrscher. Der König von Gondor regierte dieses Land mit, eben weil keiner Anspruch darauf erhob. Dieses Fleckchen Mittelerde wurde so gesehen sehr stiefmütterlich behandelt. Das war sicher auch der Grund, weshalb sich hier einige Gesetzlose niederließen. Es gab kaum Schutz für ein, per Gesetz. Es sei denn es hatte sich geändert, wonach es nicht aussah. Noch ein Grund mehr nordwärts zu wandern in das wesentlich sichere Reich - Gondor.

Wenn ich richtig lag, würde das aber auch bedeuten, dass ich weit weg von Legolas war. Wie viel Zeit hat man noch, wenn sie abläuft? Sind es Tage, Wochen, Monate oder Jahre? Ich wollte es besser nicht herausfinden und einfach so schnell wie möglich zu ihm gelangen.

Wenn ich recht hatte, lauern in diesem Land viele Gefahren und es war verdammt nah an Mordor dran. Niemand spazierte da unbekümmerte einfach vorbei. Mein Vorhaben gelang mir auch ... zumindest eine Zeit lang.

Meine Gedanken wanderten in die Vergangenheit während meine Füße sich durch den losen Sand quälten.

Die erste Begegnung mit Legolas ... . Elrond stellte uns auf einem Fest einander vor. Seine Augen fesselten mich und Schmetterlinge machten sich in meinem Bauch breit. Doch der Prinz schien mich nicht zu bemerken – er sah regelrecht durch mich hindurch zu einer rothaarigen Elbin, die etwas weiter hinter mir stand. Ich weiß noch wie ihre Anwesenheit bereits damals und auch später viele Male mir wie ein Schlag in die Magengrube vorkam.

Mit all meinem Mut forderte ich den Prinzen zu einem Tanz auf, da erst schien er mich wirklich zu bemerken. „Sollte es eigentlich nicht andersherum sein und ich Euch zum tanzen auffordern?" fragte er mich neckisch. „Nun ich wollte mit Euch tanzen, noch ehe meine Haare grau werden ... mein Prinz." meine Antwort war vielleicht etwas zu forsch, doch er lachte amüsiert darüber. „Wie ist Euer Name?" nun das bestätigte meine Befürchtung, dass er keine Notiz von mir nahm, als wir einander vorgestellt wurden. „Lenya" antwortete ich schlicht mit leicht geröteten Wangen.

Es folgte ein heiterer Abend und es floss viel Wein. Elrond entschied, dass ich von nun an im Reich Thranduils lebte und dieser ordnete Legolas an, mich auszubilden.

Gesindel, welches sich am Strand angesiedelt hatte, zog meine Aufmerksamkeit auf sich. In dem Fall handelte es sich um eine kleine Gruppe von Fischer, die anscheinend in Höhlen lebten. Ich ging lieber auf Nummer sicher und wartete auf den Schutz der Dunkelheit. Bis dahin behielt ich sie im Auge. Die Menschen machten ein Feuer, aßen und tranken wie die Schweine und grölten rum. „Schon wieder Fisch... Mmmpf. Wozu haben wir den Klepper eingefangen? Schlachten wir den, dann gibt's mal wieder Fleisch! Zustimmend grölten die anderen vier Männer. Es sprach jemand, der der Anführer sein musste: „ Meinetwegen. Morgen steht Pferd auf dem Speiseplan."Auf diesen Beschluss stießen sie an.

Sie hatten ein Pferd?! War es stehlen, wenn ich das Pferd vor seinem Schicksal bewahren würde? Sicher nicht. Außerdem schienen sie es selbst nicht gekauft, sondern gefangen zu haben.

Ich wartete, bis die Kerle sich der Nachtruhe hingaben. Sie schliefen tief und fest und hielten es nicht mal für nötig, eine Wache aufzustellen. Leichtfüßig suchte ich das Pferd auf. Das Tier war in einem katastrophalen Zustand. Reiten könnte ich es nicht, so runtergehungert wie es aussah. Die Nüstern waren geweitet und mit weiß in den Augen sah es mich an. Das arme Tier fürchtete sich, vermutlich vor jedem Zweibeiner. Es war an mehreren Stricken festgebunden - einer am Halfter und der andere um den Hals. Die Seile bohrten sich in das Fleisch und mussten furchtbare Schmerzen verursachen. Ich nahm meinen Sichel und schnitt so leise es ging die Seile durch. Nur leider wieherte das Pferd so laut, dass die Männer davon wach wurden. Sobald die Fesseln des Tiers durchtrennt waren, galoppierte es davon - ohne mich. Die Fischer nahmen sich Fackeln und sahen sich um. Im Schutz der Dunkelheit rannte ich in die gleiche Richtung, wie das befreite Pferd. Ich lief so lange ich konnte, die halbe Nacht lang, bis ich mich erschöpft an einem Baum lehnte und auf den Waldboden sinken ließ. Enttäuscht und erledigt schloss ich die Augen. Meine Hoffnung auf einem Pferd schneller voran zu kommen, war zunichte. Es half alles nichts. Ich musste meine Kräfte sammeln und weiter gen Norden, nur nicht mehr an der Küste entlang. Meine Augen fielen zu und der Schlaf holte mich, ob ich wollte oder nicht.

Schöne Träume ersuchten mich.

Träume, die mich an mein früheres Leben erinnerten... Mit wehenden Haar galoppierte ich auf einem prächtigen schwarzen Hengst durch den dichten Wald auf eine weite Ebene. Ich sah mich um und erblickte Legolas auf seinem Schimmel, der mich freudig anstrahlte. „Du bist auf dem richtigen Weg." rief er mir zu.

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