Am seidenen Faden
Plötzlich vernahm ich im Dickicht ein auffälliges Rascheln. Es klang wie die Bewegung einer Riesenspinne. Wo eine war, waren noch mehr ...ich war alarmiert.
„Orophin, wach auf!"
scheinbar hatte er einen leichten Schlaf, so schnell wie er auf den Beinen war. Gemeinsam lauschten wir in der Dunkelheit und hielten uns nah beim Feuer auf. Schnell entzündete ich Fackeln – Feuer war die beste Abschreckung gegen Spinnen.
„Bleib dicht bei mir!" befahl mein ehemaliger Ausbilder.
Jeweils mit einem Schwert und einer Fackel bewaffnet, harrten wir ruhig aus.
Drei Spinnen stürzten sich von oben auf uns – groß wie Trolle. Sie griffen an, weil sie Hunger hatten. Hier draußen, weit weg von Thranduils Reich, drohte ihnen normalerweise keine Gefahr. Sie waren impulsiv und gereizt, doch in ihren Bewegungen für mich schnell voraussehbar. Orophin war mit zwei Spinnen zugleich beschäftigt. Sobald ich den Bauch meines Monsters aufschlitzte, fiel es zu Boden und ich konnte meinem Freund helfen. Eine Verletzung an seinem Arm zeigte mir, dass er meine Unterstützung brauchte.
„Die Augen oder der Bauch!" rief ich meinen Begleiter zu, damit er ihre Schwachstellen kannte.
Orophin drängte mich gegen einen Baum und bewahrte mich so vor dem gefährlichen Mundwerkzeug der letzten überlebenden Spinne. Ich sah zu, wie der Krieger galant in fließenden Bewegungen die Augen des Biest ausstach. Mit einem letzten Ruck bohrte er das Schwert tiefer in den Kopf , woraufhin sein Gegner tot umfiel.
Er kam sofort zu mir und suchte nach Verletzungen. „Gut gekämpft Kleines!" lobte er mich in einer Umarmung, als er keine fand. Ich brauchte sie. Sicher war ich als eine eigenständige Frau in der Lage, mich zu verteidigen und ein Schwert zu führen ... doch war ich schon immer ein Mensch und Elb, der Nähe und Geborgenheit brauchte. Orophin wusste das ... er kannte mich einfach zu gut.
Mit einem sauberen Stoff wusch ich seine Wunde am Arm und verband sie provisorisch.
„Lavanya wird mich umbringen, wenn du mit einer Verletzung nach Hause kommst."
„Sie wird über mich herfallen. Verletzungen machen Männer unwiderstehlich." witzelte er zurück.
„Fehlt sie dir?" fragte ich sanft.
„Ich freue mich, sie wieder in meine Arme zu schließen." antwortete er mit einem freundlichen Lächeln. Geschickt – so wollte er vermeiden, dass ich ein schlechtes Gewissen bekam. Es blieb bei diesem einen Zwischenfall in der Nacht und wir konnten noch ein wenig ruhen, bevor wir uns neuen Herausforderungen mit dem neuen Tag stellen würden.
Den richtigen Weg zu finden war nicht einfach. Unsere Pferde wurden unruhig – ein Zeichen für die nahende Gefahr. Doch wohin und wovor flüchten wir?
Die Bäume raschelten und ein Wispern drang in mein Ohr. Ich konnte nicht genau verstehen was, doch es gab mir die Richtung vor, die uns vielleicht in Sicherheit bringen konnte.
„Hier lang!" rief ich zu meinem Begleiter, der mir umgehend folgte. Wir galoppierten eine ganze Strecke bis ich mein Pferd abrupt zum Stehen brachte. „Was ist los?" fragte mich Orophin.
„Der See ... Ich kenne den. Es ist der See, der mein ganzes Leben veränderte ... Wir sind auf dem richtigen Weg und wenn wir uns beeilen – bald in Thranduils Reich.
Ohne mit der Wimper zu zucken spornte mein Begleiter sein Pferd an. „Worauf warten wir noch?!"
Nur ansatzweise konnte man die Waldwege erahnen – alles war zugewuchert. Scheinbar wurden die Wege seit Jahren nicht mehr passiert. Hoffentlich würde ich schon bald herausfinden, was in diesem Lande vor sich ging.
Ein lauter Schrei riss mich aus den Gedanken. Ich sah mich um und erkannte nur noch das Pferd von meinem Begleiter, das ohne ihn an mir vorbei galoppierte.
„Orophin?" schrie ich panisch nach ihm. Ich hörte Kampfgeräusche, denen ich folgte. Der Krieger hatte lediglich nur noch einen Dolch zu seiner Verteidigung gegen eine Riesenspinne. Sein Schwert steckte entfernt von ihm in den Eingeweiden eines toten Exemplars. Blut floss über sein Gesicht – auch wenn er sich gut schlug, so war er im Nachteil. Die Spinne bemerkte mich nicht. Aus dem Hinterhalt erschlug ich das Biest mit meinem Langschwert. Dummerweise fiel die Leiche des Monstrums auf den verletzten Krieger.
„Orophin!" schrie ich voller Entsetzen auf. Eilig rannte ich um den gewaltigen Körper zu meinem Freund. Vorsichtig wischte ich ihm das Blut aus dem Gesicht, während ich versuchte, die Situation einzuschätzen. Eine Platzwunde an seinem Kopf ließ permanent Blut raus sickern. Seine Beine waren unter dem toten Spinnenkörper ... das verhieß nichts Gutes. Orophin sah schlichtweg nicht gut aus. Ich zerriss mein Hemd um einen Verband um seinen Kopf zu wickeln und die Blutung aufzuhalten.
„Wasser" bat er mich schwach. Sofort gab ich ihm etwas.
„Orophin, ich kann dieses Monstrum nicht alleine bewegen ... schaffst du es mir zu helfen? Wir müssen dich befreien, ehe die Nacht hereinbricht!"
„Lenya ... mein eines Bein ist gebrochen... mein anderes spüre ich gerade nicht ... Ich schaffe es nicht ... Ich bin zu schwach ... alles um mich herum verschwimmt. Lenya , du musst weiter – Legolas ist so nah ... seine Zeit ist noch nicht rum ... meine schon."
In dem Moment wo er das aussprach, wurden seine Lippen blau und sein Gesicht blasser als eh schon.
„Nein, Orophin! Bleib bei mir!!! Du darfst nicht sterben – deine Frau wartet auf dich. Bitte bleib wach, bleib am Leben! Ohne dich ... ist das Leben nicht mehr das Gleiche!"
Seine Augen schlossen sich, doch seine Lippen bewegten sich. „Lenya, ich hab dich auch lieb! Bitte sag Lavanya, wie viel sie mir bedeutet! Ich liebe sie so sehr."
Schluchzend strich ich über sein Gesicht. „Das wirst du ihr schön selber sagen mein Freund!"
Ob er mich noch hörte, wusste ich nicht, aber sein Atem wurde flacher und viel zu ruhig. Die Sonne stand noch am Himmel, doch ich konnte nicht meinen besten Freund im Stich lassen. Was sollte ich tun? Wenn ich ihn nur befreien könnte ... Baron war bei mir, ich könnte ihn darauf legen und ihn zu Thranduil bringen. Seine Heiler könnten ihn hoffentlich retten. Meine Zeit war knapp ... also machte ich mich sofort an die Arbeit. Schnell sammelte ich Holz und entfachte ein Feuer, damit der Verwundete gewärmt wurde. Dann ging es an die eigentliche Arbeit. Mein Plan: Die Spinne in Einzelteile zerlegen und Orophin befreien – ihn zu den Heilern bringen.
Es vermag ein edler Plan sein, seinen Freund nicht kampflos dem Tod zu überlassen und dafür den Tod eines Geliebten zu riskieren ... Tat ich das Richtige?
Ich kam nicht sonderlich schnell voran und meine Kräfte waren nahezu am Ende. Immer weiter hackte ich mit meinem Schwert auf den Leib der Spinne ein, sozusagen Tag und Nacht. So vertieft in meiner Arbeit bemerkte ich nicht, dass sich mir am Morgen danach durch das Dickicht jemand näherte.
„Sein Körper ist beinahe so kalt wie das Feuer neben ihm. Komm Lenya – Legolas braucht dich!"
Unter Tausenden hätte ich die Stimme erkannt – Thranduil.
Ein Schluchzen der Freude und Verzweiflung entwich mir und ein Schauer durchlief meine müden Glieder. Durch den Tränenschleier sah ich zu meinem Freund, der im Sterben lag – durch meine Schuld. Ich würde meines Lebens nicht mehr froh werden, wenn ich ihn verlor unter diesen misslichen Umständen. Ein anderer Tod würde sein verscheiden nicht besser machen aber erträglicher, wenn er ehrenhaft im Kampf starb – ohne meine Schuld!
„Nein! Er ist stark, ebenso wie Legolas. Ich kann beide retten!" schrie ich mit zittriger Stimme zum König rüber. Entschlossen ging ich zu Baron und holte aus der Satteltasche Galadriels Elixir hervor.
„Meine Liebe zu Legolas ist stark, wenn ihn das nicht ins Leben zurückholt, dann auch nicht dieser Trank! Doch Orophin könnte ich damit Zeit verschaffen."
Eilig kam der majestätische Elb auf mich zu und schloss mich in seine Arme. Nicht mehr Herr meiner Beherrschung weinte ich und sackte in der Umarmung zusammen. „Ich verstehe dich Lenya ... doch Legolas ist mein Sohn und ich ersehne mir schon so lange seine Rettung. Bist du dir ganz und gar sicher, dass du dieses Elixier deinem Freund geben willst, statt dem Mann den du so sehr liebst? Statt meinem einzigen Sohn, der die Welt für mich bedeutet? Ich kann dir die Entscheidung und die darauf folgenden Konsequenzen nicht abnehmen, doch würdest du mich um Rat fragen ... du weißt die Antwort! Ich bitte dich Lenya – komm mit mir! Ich schicke Heiler zu Orophin, sie werden sich um ihn kümmern. Selbst wenn sie für ihn nichts mehr tun können – er muss nicht mehr leiden!"
Seine Worte waren eindringlich, aufrichtig und ruhig.
Ein Blick in seinen Augen reichte und er kannte meine Antwort. „Ich werde dir helfen." war das Einzige was er darauf sagte. Thranduil erhob sich und ging auf den Restleichnam der Spinne. Mit viel Kraft und einen lauten Stöhnen entfernte er zusammen mit mir den leblosen Körper oder was davon noch übrig war. Orophin gab einen leisen Laut von sich, als die Last ihm genommen wurde. Thranduil war kein Heiler, aber ein erfahrener Krieger. Vorsichtig begutachtete er Orophins massakrierten Körper.
„Er hat Blut verloren, doch nicht aufgrund der Quetschungen und Knochenbrüche ... die Spinne hat ihm am Oberschenkel einen tiefen Riss verpasst. Durch den Druck des Leichnams wurde die Wunde abgedrückt. Nur deshalb lebt er noch .... aber nur die Valar weiß, wie lange noch."
„Er wird es schaffen, wenn du mir hilfst!" flehte ich ihn an.
Mit einem Nicken erhob sich der König und machte mir platz. Ich knotete fest Stoff um die Wunde am Oberschenkel, damit nicht weiter Blut raus sacken würde.
Ich griff nach der Phiole mit der goldenen Flüssigkeit und führte sie zu den blauen Lippen meines Freundes. Ohne einen Tropfen zu verschwenden, gelang es mir, ihm das Elixier vollständig zu verabreichen. Nach ein paar Atemzügen holte Orophin tief Luft und öffnete seine Augen.
„Lenya?" fragte er nur. Freudig schluchzend nickte ich heftig zur Bestätigung.
„Wir bringen dich zu den Heilern, die werden dich wieder aufpäppeln." versprach ich ihm.
Thranduil hob den verletzten Mann auf sein Pferd und setzte sich hinter ihm. Das Gesicht des Königs war nahezu versteinert. Er würde mir niemals verzeihen, wenn aufgrund meiner Entscheidung Legolas nicht mehr das Bewusstsein erlangt. Thranduil half mir lediglich, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren. Der König und ich hatten immer ein gutes Verhältnis zueinander, egal ob sein Sohn und ich liiert waren oder nicht. Doch ohne Zweifel würde er mich aus dem Reich verbannen, wenn ich Legolas nicht retten konnte.
„Eile ist geboten, damit wir vor Einbruch der Dunkelheit nach Hause kommen! Wir reiten schnell und ohne Rast!", warnte uns der König.
Bei dem rasanten Tempo konnten Thranduil und ich uns nicht unterhalten. Es hätte mich brennend interessiert, wie er uns fand ... doch nichts war in dem Moment so wichtig wie zu Legolas und den Heilern zu gelangen.
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