K A P I T E L ♥️ 8
•MAGNY•
»Jemanden zu kennen, bedeutet nicht, dass man seinen Namen weiß.
Jemanden zu kennen, heißt nicht, dass man seit Jahren jemands Nachbar ist.
Jemanden zu kennen, bedeutet, dass man die Trauer spürt, bevor sie sich zeigt.
Jemanden zu kennen, bedeutet, dass man von der Freude weiß, bevor sie lacht.
Jemanden zu kennen, bedeutet, bedingungslos, dass man jemanden lernt zu kennen.
Ganz einfach.«
Ich erwachte mit Kopfschmerzen und einem flauen Gefühl im Magen aus einem traumlosen Schlaf. Die Leere kribbelte unangenehm auf meiner Haut und ich wollte mich aufrichten, aber war viel zu erschlagen. Ein Arm ruhte locker um meine Taille und drückte meinen Rücken von hinten gegen seine warme Brust. Die Decke hatten wir bei all der Wärme vom Bett geschmissen und nur unsere verknoteten Beine waren auf der Matratze liegengeblieben. Ich fühlte mich komisch und das sogar sehr, aber auf eine fremde Art und Weise umgab mich auch Zufriedenheit. Es war anders in einem Bett aufzuwachen, das nicht auf beiden Bettenden einen Jungen schlafen ließ, der mich knuddelte. Es war anders, weil mich niemand aus dem Schlaf kitzelte, mir mein Kissen stahl, mich im Schlaf überrollte oder mich "aus Versehen" aus dem Bett schmiss. Aber es war schön anders.
Ich wollte mich selbst nicht als verrückt bezeichnen, aber ich musste es sein, wenn ich es wirklich genoss in einem Bett mit einem Fremden zu schlafen. Aber was sollte ich sonst tun? Zum Einen war mein Körper von aller Strapaze erschöpft und wehrlos und zum Anderen war es mir nur in seiner Nähe möglich einen klaren Gedanken zu fassen und weniger unter meiner Psyche zu leiden.
Wieso auch immer, aber seine Nähe linderte meine Schmerzen und das gab ich nicht gerne zu.
Ich wollte nicht abhängig von ihm sein, wollte nicht, dass er an mich klammerte. Und das wollte ich nicht, weil ich es nicht wollte, sondern vielmehr, weil es nicht ging.
Seinen Mate zu finden war schön und gut und für viele meiner Art der einzige Lebenswunsch. Aber sobald man einen Mate gefunden hatte, war man voneinander abhängig und das konnte ich nicht zulassen. Denn sonst kam ich hier nie wieder heraus und würde auch nie wieder fähig sein, meine Wölfe zu suchen.
Und das musste ich tun.
Es war meine Pflicht und mein Lebenswunsch.
Ich würde die wichtigsten Personen meines Lebens nicht einfach eintauschen nur weil es jemanden gab, der glaubte, mich auf eine Weise besitzen zu können.
Nein, es ging einfach nicht ...
Ich rekelte mich aus seiner Umarmung, versuchte sanft unsere Körper zu lösen und mich aus dem Bett zu heben.
Meine Beine waren klapprig, schlapp und ausgelaugt.
Schon nach dem ersten Schritt ging ich zu Boden und konnte meinen dürren Körper nicht mehr halten. Innerlich fluchte ich auf, kniff die Augen zu und hoffte, dass er davon nicht aufgewacht war.
Sekunden hielt ich die Luft an.
Dann sah ich zurück zum Bett und verlor mich in seinem schlafenden Anblick.
Seine Lider waren entspannt geschlossen. Schwarze Wimpern rahmten seine verdeckten Augen und warfen zierliche Schatten auf seine tiefen Augenringe.
Er schien die letzten Tage schlecht, nahezu gar nicht geschlafen zu haben und mir missfiel, dass das womöglich an meinem Zustand gelegen haben könnte.
Ich wollte mich egoistisch nennen und Mitleid zeigen, aber mir fiel rechtzeitig ein, dass ich gerade das nicht zulassen durfte und ich verdrängte die Schuldgefühle wieder.
Auch den göttlichen Anblick seines muskulösen Oberkörpers und den breiten Schultern, die mich vor aller Welt abschotten konnten, verdrängte ich in aller Vergessenheit und mit einem Ziel vor Augen begann ich zur Tür zu krabbeln.
Ich brauchte geschlagene zwanzig Minuten um vom Obergeschoss die Treppe hinab ins Wohnzimmer zu robben und als ich das endlich geschafft hatte, fehlte mir jede Kraft, um mich nur auf das Sofa zu setzen. Deswegen blieb ich mitten auf dem Wohnzimmerteppich liegen. Außer Atem starrte ich an die cremefarbene Decke.
Mein Herz hetzte auf und ab, wieder einmal schwitzte ich maßlos. Trotz allem fühlte ich mich besser. Irgendwie leichter, irgendwie freier.
Ich konnte mir nicht erklären, warum mein Körper so geschwächt und ausgelaugt war und warum ich es nicht schaffte auch nur einen Schritt zu gehen, aber ich hoffte innigst, dass diese Symptome verschwinden würden und das alsbald.
Mit diesem Tempo von Fortbewegung brauchte ich ein Jahr um auch nur aus der Haustür zu kommen, deswegen blieb mir fürs Erste wohl nur die Option bei ihm zu bleiben.
Ich seufzte beschwert aus.
Wieso musste dieses Leben auch so scheiße sein?
Wieso jetzt?
»Fuck!«, fluchte es nach einer halben Stunde in der ich noch immer auf dem Wohnzimmerboden lag und mich bewundernd umsah.
Die cremig beigen Wände wärmten den Raum. Sonnenstrahlen fielen durch ein Erkerfenster und erhellten den Raum rund um ein hellbraunes Ledersofa.
Ein Flachbildschirm hing an der Decke über einer Retro aussehenden Kommode, die der des Schlafzimmers sehr ähnlich kam.
Kleine Dekoartikel, wie Teddybären, Schneekugeln und Kerzen füllten den Raum wie Zucker. Ein Kunstfell lag auf dem Sofa und mit ihm tausende Kissen in hellen Farbtönen und mit Sprüchen geziert.
Ich glaubte Zuhause zu sein, wegen all der lieblichen Details, die meinen
Geschmack von Einrichtung direkt ins Herz trafen.
Wo hatte er die kleinen Teddybären in Größe von Fingerpuppen her?
Wo bekam man so schöne metallene Kerzenleuchter mit Blumenverzierungen?
Auch die Sofakissen sahen mit ihren Schafsfellartigen Stoffen sehr unikal aus. Ich glaubte im Himmel zu sein, fühlte mich wohl und das, obwohl ich mich dagegen zu wehren hatte.
Ich würde schließlich nicht lange bleiben.
Ich schloss meinen staunenden Mund, als ich Schritte die Treppe hinabrennen hörte. Leise Flüche glitten an mein Ohr, aber sie versiegten, als er mich im Wohnzimmer am Boden liegen sah.
»Oh, scheiße! Bist du gefallen?« Er ging vor mir auf die Knie und starrte besorgt auf mich nieder. Ich schüttelte den Kopf.
Nein, alles bestens.
»Ich wusste gar nicht, dass laufen so schwierig ist«, bemerkte ich scherzend und war froh, dass ich ihn damit zu beruhigen schien.
Seine Lippen zuckten eine Millisekunde und er ließ die angespannten Schultern fallen.
Ich beobachtete einfach nur fasziniert, wie goldig das schwache Sonnenlicht seine Haare zum Glitzern brachte und sich in seinen hellblauen Pupillen widerspiegelte.
Er war wirklich äußerst attraktiv. Beinahe zu perfekt, um glauben zu können, dass er ein echtes Lebewesen und keine Puppe war.
Ich war mir sicher, dass eine Millionen Frauen morden würden, um nur einmal im Leben Aufmerksamkeit von seinen Augen, den trockenen rosigen Lippen und seinen Ohren zu bekommen.
Und diese Tatsache stach mir ins Herz.
Sie machte mich ... ein kleines Bisschen ...
»Doch, Laufen ist schon ziemlich komplex und kompliziert, aber ich werde es dir beibringen, sobald ich sicher bin, dass du wieder gesund bist«, murmelte er um einen ruhigen Ton bemüht. Ich wusste, er hielt sich vor einer Standpauke zurück. Hail hatte sich auch immer auf die Lippe gebissen, wenn er wütend, enttäuscht oder einfach ruhebewahrend gewesen war.
Ach, Hail ...
»Mir geht es bestens!«, platzte es aus mir heraus.
Lügen war noch nie meine Stärke gewesen.
Er schnaubte verächtlich und hob mich dann unter den Armen hinauf auf meine Beine.
»Das sehe ich.«
Er rümpfte die Nase, als meine Beine wieder zurücksackten und er mich auffangen musste.
»Ja, ich auch. Dann sind wir ja einer Meinung.«
Ich verfluchte mich selbst.
War ich doch so dumm und provozierte es wieder seine Nerven durchzubrennen.
Ich wusste nicht einmal, welch einen Effekt mein Verhalten haben sollte.
Wollte ich ihn von etwas überzeugen, von dem ich selbst nicht mal minimal überzeugt war?
Wie viele Zellen meines Gehirns hatten mich bitte verlassen?
»Hör auf Faxen zu machen! Ich will nicht über deine Gesundheit witzeln.«
Er knurrte leise und hob mich dann ganz auf seine Arme.
Da ist wohl einer mit dem völlig falschen Bein aufgestanden.
Irgendwo konnte ich ihn ja verstehen. Ich war kein einfacher Mensch und es schien auch nicht, dass ich es ihm einfacher machen wollte.
Mein Verhalten sollte gar nicht respektlos sein. Im Gegenteil, schließlich verhielt er sich mir gegenüber ziemlich loyal. Ich konnte ihm davon nur leider nichts zurückgeben, denn egal wie gerne ich mich auch in seine Umarmungen hüllte, der Gedanke an meine Wölfe machte meine Sorge todkrank.
Wie es ihnen wohl ging?
Ob ich meinem Gefühl vertrauen konnte?
Oder bekämpfte ich hier gerade zwecklos die einzige Person, die mich noch nicht verlassen hatte?
Waren sie nicht vielleicht doch gestorben?
War ich so naiv?
Nein! Sie hatten ihre Reden nicht mit Leere gefüllt. Sie waren nicht tot!
Ich biss mir auf die Zunge, um seine böse verzogenen Augenbrauen nicht noch mehr zu verziehen. Stumm ließ ich mich tragen und dann in der Küche auf einen Barhocker vor einer Kücheninsel absetzen. Er schien vor Verzweiflung und Zorn zu kochen, denn er kehrte mir schneller den Rücken und wandte sich der Kaffeemaschine zu, als ich es nur hätte wagen können, mich zu entschuldigen.
Während er nach Kaffeepulver und einem Filter suchte, sah ich mich um.
Die Küche sah den Farbtönen des Wohnzimmers sehr ähnlich. Auch hier war alles in einem honigfarbenen Braunton gehalten und nur die Küchenschränke waren in dem Beige gehalten, wie die Wände im Wohnzimmer.
Die Fensterbank vor den kleinen quadratischen Gitterfenstern war mit lieblichen Figuren bestellt und ich war fasziniert von dem Stil dieses Hauses.
Alles war so herzlich und warm und ... irgendwie feminin gestaltet.
Ich musterte den Mann in dieser Küche.
Hatte er das wirklich alles selbst eingerichtet? Oder lebte er hier mit einer anderen Frau?
War dies etwas, das seinen Geschmack traf?
Wenn ich an meine Wölfe dachte, konnte das unmöglich sein, denn sie entsprachen dem Gegenteil von Vorliebe für diese Dekoration.
Sie waren nahezu verhasst, wenn ich eine neue Vase gekauft oder eine neue einzigartige Weihnachtskugel für den Tannenbaum gefunden hatte.
Ich vermisste ihre blöden Kommentare.
»Ist das hier dein Zuhause?«, fragte ich, weil ich immer mehr daran zweifelte.
Seine steinerne Miene und die Macht, die von ihm ausging, konnte unmöglich so einen weichen Kern haben.
Er sah nicht wie jemand aus, der Teddybären sonderlich spektakulär fand.
»Ja«, antwortete knapp, dann biss er sich auf die Zunge.
Irgendetwas hatte er noch hinzufügen wollen.
Aber er hielt sich zurück.
»Lebst du hier mit deiner Freundin?«
Ich fand die Frage berechtigt und üblich. Wieso sollte er nicht eine andere Frau lieben?
Er allerdings schien bei dieser Frage zu platzen.
Seine Arme spannten sich an und ich sah wie er sich zähmte.
Wieso regte er sich auf?
Nur weil ich seine Mate war, bedeutete das nicht, dass er mich wollte. Die Bestätigung würde mir zwar den Gar ausmachen, denn ich wusste nicht, ob ich mich jemals damit zufrieden geben konnte, wenn er einer anderen versprochen war, aber dann konnte ich es sowieso nicht ändern.
Er drehte sich mit verspanntem Gesicht zu mir um und kam mir drohlich nahe. Seine Augen griffen nach meinen und fraßen sich förmlich in mich hinein.
Es schien, als könnte er nicht glauben, dass ich ihn das tatsächlich gefragt hatte.
Ich schluckte schwer.
Dieser Blick.
Ich war unfähig mich zu rühren, als er näher trat. Alles in mir vereiste und nur meine Augen blieben sinnlich und starrten ihm entgegen.
Ich glaubte, die Zeit bliebe stehen.
Sein Gesicht schwebte vor meinem. Unsere Lippen waren nur noch Millimeter voneinander getrennt und unsere Herzen hatten längst ihren schnellen Rhythmus gefunden.
Ich war hin- und hergerissen, wollte ihn noch so viel näher und gleichzeitig so viel weiter weg.
Ich wusste, dass meine Sehnsucht nicht wahr sein konnte. Das alles war nur, weil wir eben seelenverwandt waren. Das waren nicht wir.
Das konnten nicht wir sein.
Aber es fühlte sich so stark nach uns an.
Ich schloss die Augen, als er mir noch näher kam und sein süßer Atem gegen meinen schlug.
Alles in mir bereitete sich auf ein Feuerwerk vor, doch nichts geschah. Er begann nur zu reden.
»Das hier, mein Engel, ist unser Zuhause und ich lebe hier mit meiner zukünftigen Ehefrau.«
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