K A P I T E L ♥️ 5


•NATHANIEL•

»Die Geburt eines Wolfes ist Prophezeiung und Vorbestimmung einer innigen Liebe, die stärker als die übliche ist.

Wer dieses Band zu
durchbrechen wagt, zahlt den sicheren Preis seines eigenen Lebens.

Wir sprechen von Seelenverwandtschaft.
Einer viel mächtigeren Form der wahren Liebe und Verbundenheit.

Seelenverwandte teilen sich ein Leben, eine Seele und den eigenen Herzschlag.

Sie sind verdammt und gesegnet zugleich.

Denn zum Tod des einen, gehört der Tod des anderen.

Es gibt nur einen Seelenverwandten auf dieser Erde.
Ihn zu finden ist ein Privileg.
Ihn gehen zu lassen qualvolle Dummheit.

Wer zu lieben vermag, ist beschenkt mit einem Lebewesen nur für sich gemacht.

Untreue bestraft das eigene Gewissen.

Die Bindung zweier Seelenverwandter überlistet den Tod, aber nicht bis er sie scheidet, sondern für immer.«

Das Blau ihrer Augen glich dem Anblick eines Sternen hellen Nachthimmels unter dessen Weite Faszination herunterwanderte und starrte. Die eine Sekunde, die mir kostbar gegeben war, um meinen Engel direkt anzusehen, kam mir wie eine Ewigkeit vor. Und ich war gewollt diese Ewigkeit zu besitzen.
Sie war wunderschön.
Blasse Haut, bleiche blonde Haare, die sich in ihren Spitzen verdrehten.
Ein kleiner Körper, jung und dürr. Sie musste seit Tagen nichts mehr gegessen haben.
Denn trotz ihrer Schönheit und meinem pochenden Herzen, sah sie krank aus.
Schrecklich krank.

Ihre Augen verdrehten sich zurück und das Blau verschwand hinter Bewusstlosigkeit, die mich aus meiner Traumblase in die Wirklichkeit bugsierte.

Eilig erhob ich mich, drückte ihre zierliche Gestalt an mich und lief mit ihr zu unserem Rudelarzt.
Mir gefiel nicht, in welchem Zustand sie sich befand und ich war von Sorgen verzerrt, warum es ihr so schrecklich ging.
Was war geschehen?
Wieso litt sie?
Warum war sie so ausgehungert?

Der Ärger überkam mich, beim Gedanken daran, dass sie womöglich jemand verletzt oder angegriffen hatte. Mörderische Gedanken stahlen sich in meinen Kopf und breiteten Wut aus, die nicht gehen wollte, als ich sie auf einer Liege ablegen und loslassen sollte.

Ein Schwall Eifersucht 'täubte meine Glieder, aber ich sagte kein Wort, um dem Arzt seine Arbeit zu überlassen.
Er sollte sie zurückholen.
Er sollte ihr helfen.
Er sollte sie retten, denn ich brauchte sie, um selbst gerettet zu sein.

Mein Engel.

»Was hat sie?«, fragte ich, als der Arzt sich nach seinen Untersuchungen an mich wandte.
Mein Engel lag noch immer bewusstlos, aber selbst im Unterbewusstsein zuckend und weinend auf der Liege und ich wollte selbst losweinen, weil mich allein ihr Anblick umbrachte.
Es tat mir weh zu sehen, dass es ihr nicht gut ging.

So unglaublich weh.

»Mir scheint, als sei das Mädchen Tagelang durch das teuflische Wetter da draußen geirrt. Ihre Temperatur ist deutlich erhöht, sie hat Fieber, und das erklärt warum sie so schwitzt. Außerdem ist sie stark erkältet, ihr Kreislauf von der Kälte geschwächt und total am Ende. Sie muss sich dringend entspannen. Schlaf und Ruhe ist was sie braucht und dies wird sie sich so lange holen, bis sie von allein wieder aufwacht.«

Ich runzelte die Stirn.
Er schwieg. Nein, er verschwieg etwas.

»Was ist es noch?«, fragte ich und starrte ihn nieder, dass er sofort mit der Sprache herausrückte. Der Alpha in meinem Kopf übernahm erzürnte Kontrolle von mir, die nach seiner Aussage, überraschender Verwirrung wich.

»Naja ... die Symptome, die sie sonst aufweist, deuten auf ihre erste Verwandlung hin.
Diese Schmerzen, diese Qualen. Sie scheint sich das erste Mal in einen Wolf zu verwandeln. Tatsache ist jedoch, dass sie dafür viel zu schwach und zerbrochen ist.
Sie ist noch nicht bereit für eine Verwandlung, das könnte sie umbringen. Und damit möchte ich nicht beunruhigend klingen, aber sollte ihr Zustand sich verschlechtern, schwebt sie in Lebensgefahr.
Mich wundert, dass sie sich noch nicht früher verwandelt hat. Normalerweise ist die Verwandlung in einen Wolf ein Prozess, der schon einige Jahre nach der Geburt stattfindet und ich schätze unseren Neuankömmling auf ein zartes Alter von sechzehn oder siebzehn.«

Ich wusste davon.
Ein Wolf verwandelte sich in seinen ersten Lebensjahren und das meist ohne große Probleme.
Eine Sorgenfalte stahl sich auf meine Stirn und in mir breitete sich panische Angst aus.
Lebensgefahr.

Dieses Wort wollte ich im Kontext zu diesem Mädchen verdammt noch mal nicht hören. Sie konnte nicht dermaßen verletzt sein.
Ich hatte sie noch nicht einmal kennengelernt. Ihre zarte Stimme vernommen, ihre Lippen geküsst, ihre Hand gehalten!
So lange war ich auf der Suche nach ihr gewesen und nun, wo sie mich gefunden hatte, sollte es vorbei sein?
Nein! Das wollte ich nicht akzeptieren. Nicht, mein Engelchen.

Wieso hatte sie sich noch nie verwandelt?
Was hatte diese Verspätung zu bedeuten?

Die Ungewissheit plagte mich.

»Und Sie sind sicher, dass sie ein Werwolf ist?«

Der Arzt nickte auf diese These.
»Ganz sicher bin ich nicht, aber der Geruch, der sie umgibt, stammt eindeutig von einem Rudel aus dem Norden. Warum sie hier ist, lässt sich mir daraus nicht schließen, aber vielleicht musste sie fliehen.«

Der Arzt zuckte mit den Schultern und sah mich dann in letzter Erwartung an.
Ich entließ ihn seiner Pflicht, hatte keine weiteren Fragen, und wartete bis er verschwunden war, ehe ich mich an die Krankenliege stellte und auf meinen Engel hinabsah.

Selig lag sie auf dem Kissen und ich musste mich zügeln, sie nicht zu berühren oder in meine Arme zu ziehen.
Brav setzte ich mich auf einen Stuhl neben die Liege und nahm dann nur ganz vorsichtig ihre Hand, um nicht vollkommen abgeschieden zu sein.

Mein Körper sehnte sich schon so lange nach ihrem Erscheinen und es erfasste mich mit tiefer Trauer, dass wir uns nicht unter ganz anderen Umständen getroffen hatten.

War sie wirklich auf der Flucht?
Weshalb sollte sie sonst hier sein?

Tausende Fragen schossen mir durch den Kopf und ich wurde immer unruhiger in all dem Unwissen.
Dazu kam meine Sehnsucht nach ihren Augen, ihrer unbekannten Stimme und ihrem Charakter.

Als Noah sie in seiner Wolfsgestalt förmlich ins Dorf geschliffen hatte und ihre unmittelbare Nähe sich bemerkbar gemacht hatte, war ich vor lauter Gefühlen beinahe überempfindlich geworden und hätte meinen Beta am liebsten Verdrossen für seine Unart mit ihr umzugehen, wo sie doch sehr gelitten hatte.

Dass sie zu mir gehörte und auf eine sehr besondere Weise mit meinem Herzen verbunden war, hatte er allerdings nicht ahnen können und auch jetzt hatte ich nicht offen dargelegt, dass sie und ich uns eine Seele teilten.
Wir waren füreinander geboren worden.

Als Seelenverwandte.
Als Mates.

Mein Engel.

Ich lächelte, als ich sie betrachtete und an diesen einen Blick dachte, der mir gegeben gewesen war.
Ich wusste, sie hatte es gespürt.

Sie hatte mein Herz gehört.
Hatte mich gespürt, mich erkannt.
Vielleicht waren ihre Instinkte noch nicht angleichend so gut, wie die meinen. Aber ein so starkes Band zwischen zwei Personen war unmöglich zu übersehen.

Ich neigte meinen Kopf, schmiegte mich an ihre kalte Hand und versuchte zu verstehen.
Meine Augen schlossen sich und ich konzentrierte mich auf ihren mittlerweile sehr ruhigen Herzschlag, auf ihre sachte Haut und ihren Geruch, der sich mir nicht erschließen lassen wollte.

Sie schien nicht rudellos zu sein. Zumindest war sie das nicht immer gewesen.
Ihr Körpergeruch kam mir bekannt vor. Es musste sich um ein Rudel handeln, dem ich in meiner Zeit als Alpha ebenfalls begegnet war.

Als Wolf war es leicht sich auf seine Nase zu verlassen. Meist sogar besser, als auf alle anderen Sinnesorgane.
Aber da sie noch so unbekannt war, konnte ich mir bei ihr nicht sicher sein.

Oder war sie doch ein Mensch?
Mein Engelchen, bist du ein Mensch?

War sie gefangen gewesen?
Hatte sie jemand misshandelt?
Wieso hatte sie so geweint?

Ungewollt knurrte ich in die Stille und umschloss ihre Hand mit den meinen.
Wenn es tatsächlich jemand gewagt hatte, sie anzufassen, dann sollte er mich kennenlernen.
Ich würde morden.

Oh, ich würde alles tun.
Ich würde sie rächen, wenn sie nur mit der Wimper zuckte.
Ich war ihr verfallen.

Ihr.
Dem schönen Mädchen von dem ich in der Vergangenheit schon einmal geträumt hatte.
Ja, ich hatte sie gesehen.
Dieses wunderschöne Wesen mit den vollsten Kirschlippen und den dunkelblausten Kulleraugen, die ich je gesehen hatte.
Das Mädchen in meinem Traum glich sich exakt mit dem Mädchen, das ich endlich in den Armen halten durfte.

Zarte, nahezu transparente Haut, die im Licht schimmerte.
Zwei Muttermale direkt unter jeweils einem ihrer Augen.
Liebliche Sommersprossen, die ich gewollt war einzeln zu küssen, weil sie so niedlich in dem runden Gesicht, mit den langen Wimpern und trockenen Lippen aussahen.

Ja, sie war unverkennbar jene Frau von der ich geträumt hatte. Ich würde sie lieben.
Für immer.
Und sie würde mich lieben.
Für immer.
Und wir würden einander lieben.
Für immer.

Oh, mein Engel, niemals werde ich dich gehen lassen.

Zur Not würde ich den Tod umbringen.

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