K A P I T E L ♥️ 37


[nicht überarbeitet!]

•MAGNY•

- FÜNF JAHRE SPÄTER -

"Des Wolfes Tag ist die Nacht", sagte meine Mutter früher immer.

Sie war stolz auf das gewesen, was sie und wir gewesen waren.
Als junges Mädchen hatte sie sich von ihrer Großmutter alle möglichen Mythen und Geschichten rund um uns Werwölfe angehört. Jedes Märchen, jede Sage, die es gab.

Sie hatte nie Angst vor sich selbst gehabt.
Ebensowenig hatte sie die Menschen gehasst, die von uns wussten und es taten.

Sie war immer im Gleichgewicht mit allem und jedem gewesen.
Sie hatte jeden wertgeschätzt, in jedem Lebewesen, in jedem Rang, eine Bestimmung und eine Würde gesehen.

Meine Mutter war eine von den guten gewesen.
Sie war selbstlos, furchtlos und mutig gewesen.
Sie war eine Persönlichkeit gewesen und sie war als eine Persönlichkeit gestorben.

Ich vermisste sie an manchen Tagen.
Ich vermisste sie schrecklich an Todestagen.
Aber heute Abend vermisste ich sie nicht.

Denn heute Abend war Vollmond und heute Abend war sie genau hier.

»Ich heule gleich!«, stieß Asher nervös aus und kniff seine Lippen zusammen, um nicht wirklich mit den Tränen in Berührung zu kommen.

»Bitte heul jetzt, ich muss auch!«, setzte Hail hinzu und hielt sich die Hand vor den Mund, während aus seinen Augen die Tropfen seiner Freude flossen und mich emotional ansahen.

»Oh, meine lieben Brüder!«, kicherte ich herzerwärmt und trat näher an sie heran, um sie im selben Moment in meine Arme zu schließen.

Starke Arme schlossen sich um mich. Auf jede Schulter legte sich ein Kopf und minutenlang hielt ich die wichtigsten Personen meines Lebens in meinen Armen und wog sie hin und her, so wie sie es immer getan hatten.

Ich weinte heute nicht.
Mir war nicht danach und ich hatte keinen Grund zu weinen.
Meine Freude äußerte sich nicht in etwas, was mich weinen ließ.
Meine Freude äußerte sich in dem freudigen Lächeln und den verzogenen Lippen, die ich heute schon den ganzen Tag mit mir herumtrug.

Das Mondlicht fiel durch die Fenster des Badezimmers, in dem ich mich hergerichtet und umgezogen hatte und mein Grinsen wurde noch breiter.

Mom und Dad waren bei uns.

»Sie wären so stolz auf dich und so voller Freude!«, flüsterte Ash an mein Ohr und küsste mich auf die Wange.
»Du siehst wunderschön aus, Baby«, flüsterte Hail hinzu und fast gleichzeitig gestanden sie mir, dass sie mich unendlich liebt hatten.

Ich hatte wirklich keinen Grund zu weinen.

Strahlend löste ich mich von meinen Brüdern, um die dezenten Farben auf meinem Gesicht nicht zu verwischen oder das Kleid zu knittern.

Mit ihren Blicken und ihrer Zuneigung im Rücken betrachtete ich mich und uns im Spiegel.

Heute war ein wunderbarer Tag!
Und wunderbare Tage waren dazu bestimmt, noch wunderbarer zu werden, wenn man sie hinnahm und genoss.

Ich hatte sehnlichst auf diesen Tag gewartet.
Seit Monaten war er so nahe gewesen und auch, wenn ich aus unserer Verlobung noch am selben Tag Hochzeit und Ehe gemacht hätte, war es auf diesem Wege vielleicht doch noch ein wenig romantischer und schöner.

Nate und ich würden heute heiraten.
Wir würden unsere Liebe auf menschliche Weise für die Ewigkeit besiegeln und ich fand, dass der Kreis damit endgültig perfekt war.

»Es geht gleich los!«, bemerkte Ash und ich quiekte leise freudig, während ich mich umdrehte und ihm in die Wange kniff.
Ich wusste nämlich ganz genau, woher dieser Mann wusste, dass es gleich losging.

Ja, nicht nur ich hatte im Laufe dieser Zeit mein großes Glück gefunden.
Auch meine herzallerliebsten Zwillings-Großen-Brüder hatten vor einigen Jahren ihre fehlenden Puzzlestücke finden dürfen und wie nicht anders zu erwarten, waren Bonny und Leady ebenfalls gleichaltrige Schwestern.

Die beiden Frauen waren Goldstücke und ich hatte mich auf Anhieb mit ihnen verstanden, auch wenn ich so mein Kratzen mit ihrer Unterscheidung gehabt hatte, denn sie sahen gleicher als gleich aus.

Asher und Hail waren nicht eineig. Bonny und Leady schon, aber das war irgendwie einfach perfekt.

Ich jedenfalls freute mich riesig für meine großen Beschützer, die ihre Komplexe auch nach all diesen Jahren nicht ganz ablegen konnten.

Jetzt hatten sie gleich drei Frauen, die sie mit Herz und Seele verteidigen konnten, obwohl Nate da mittlerweile auch ein Wort mitzureden hatte.

Er und ich waren unzertrennlich.
Wir waren zu einem wahren Pärchen zusammengewachsen und uns gab es nur noch im Doppelpack.

Und ab heute würde das auch alle Welt wissen, denn ich würde meinen Ehering nie wieder ablegen, wenn ich ihn einmal anhatte.

Draußen ertönten plötzlich die sanften Klänge einer Klaviermelodie, die niemand geringeres, als meine Schwägerin in Spe, Schwester und begabte beste Freundin Bonny, anschlug.

Asher seufzte augenblicklich verliebt auf und auch ich wappnete mich.
Es war so weit!

»Lasst uns los!«, beschloss ich und wollte keine Zeit mehr verlieren.

Nate und ich hatten uns seit gestern morgen schon nicht mehr gesehen und ich wollte ihn endlich wieder bei mir wissen.

In meinem langen Kleid aus weißem Tüll und Spitze, einem herzförmigen Ausschnitt und den maximal hohen Schuhen musste ich mich links und recht bei beiden jeweils unterhaken und mich mehr oder minder die Treppe hinuntertragen lassen, denn auf unebenem Boden konnte ich in diesem Aufzug nicht gut laufen.

Die erste Hürde geschafft, atmete ich vor der geöffneten Tür zum Garten einmal die Luft aus und schloss die Augen.

Gleich würde ich ihn sehen.
Und auf den weißen Stühlen im Garten würde unser gesamtes Rudel sitzen und mich ansehen.
Und da würde einer der ältesten Rudelmitglieder bei ihm stehen und mich und ihn trauen.
Und da würden Noah und Ethan neben ihm stehen und ihm auf die Schulter klopfen.
Und da würden Tara, Bonny und Leady meinen Blumenstrauß aus weißen Krokussen und Narzissen entgegennehmen und mich angrinsen.
Und es würden Glühwürmchen durch die Nacht schwirren und der Vollmond auf mich scheinen.
Und es würde perfekt sein.

Beherzt trat ich einen Schritt nach vorne.
Asher und Hail folgten mir und blieben dicht an meiner Seite. Sie sahen toll aus in ihren grau-schwarzen Anzügen und den schicken Fliegen.

Aber niemand kam an den Mann heran, der mit ein paar weiteren Schritten in mein Sichtfeld trat.

Mein Herz machte einen Satz.
Das machte es immer.
Schon seit immer.
Für immer.

Auch er trug einen dunklen Anzug und dunkle Fliege.
Aber er war weder Hail noch Asher und er hatte diese Lippen und diese Haare und diese Hände und diese hellblauen Augen.

Dieser Mann war mein Mann.

Als ich in den ganz zwischen den Reihen der Gäste direkt auf ihn zuschritt, war alles, wie ich es mir erträumt hatte und noch besser.

Mum und Dad strahlten mir durch das Licht des aufgezogenen Mondes entgegen und die Gäste lächelten und Leady uns Bonny, die auch ohne hinzusehen Klavierspielen konnte, grinsten und Tara und ihr Vater beobachteten mich stolz und Ethan, der seit neuestem verliebte Trottel, sah verträumt zu seinem Herzblatt in der ersten Reihe, das wiederum, genau wie Valerie, sonnengewärmt und liebenswert zu mir sah und Grant und Irina, die, genau wie Hail und Asher, in Tränen ausbrach, nickten unmerklich glücklich.

Oh, es war wunderschön.
Aber nachdem mein Blick einmal über meine Herzensmenschen geschwiffen war, musste ich bei Nate anhalten und die letzten Schritte direkt auf ihn zu mit Blickkontakt überwinden.

Er stand auf einer leichten Anhöhe, die wir auf das Gras unseres Gartens hatten bauen lassen.
Hinter und über ihm türmte sich ein Zelt aus Blumen in den verschiedensten blühenden Farben und verzauberte unseren Garten für diese Nacht in meinen ganz persönlichen Traum.

Ich hatte immer eine besondere Hochzeit, außerhalb des Konzepts haben wollen und hier war sie.
Meine Hochzeit bei Nacht und nur ins Mondlicht getaucht.

Die Göttin Luna segnete uns Wölfe.

Es gab keinen besseren Zeitpunkt, als zu heiraten.

Ganz so, wie es mein Dad gemacht hätte, küssten mich Ash und Hail auf die Wange, bevor sie meine Hand in die ausgestreckte von Nate überreichten und sich dann von mir lösten, um sich zu setzen, während ich mich gegenüber von Nate auf die Anhöhe stellte und gespannt den Worten des Ratsältesten lauschte.

x x x x

Es herrschte reges Treiben und Gekreische, als Nate und ich uns die Ringe ansteckten und man uns mit einem Kuss zu Mann und Frau erklärte.

Kaum lösten wir uns wieder voneinander, prasselten einige Fotos auf uns nieder und jeder wurde von anderen Armen an sich gerissen und beglückwünscht.

Ich konnte mein Dauergrinsen nicht ablegen.
Ich war übersät mit Glück und Freude und nichts sollte mir das streitig machen.

Die Nacht nahm ihren Lauf.
Wir hatten den gesamten Dorfplatz zu unserem Festplatz herrichten lassen und jeder genoss die Ausgelassenheit.
Kinder liefen um unsere Beine, die mächtig große Hochzeitstorte mit zwei Wölfen an der Spitze wurde angeschnitten und überall lachten und tanzten und redeten die Leute.

Ich sah Nate zu Anfang nur ganz flüchtig, so oft wurden er und ich herumgereicht und in andere Arme und Gespräche gezogen.
Als ich schon beinahe glaubte, ihn erst am frühen Morgen im Bett wieder anzutreffen, schlangen sich urplötzlich warme Hände um meine Taille und verschränkten sich vorne auf meinem Bauch.

Ein heißer Atem fuhr über meinen Hals und die hochgesteckten Haare und küsste meine Haut, ehe er an meinem Ohr Halt machte.

»Du siehst wunderschön aus, Engelchen«, hauchte er und zog mich an seine Brust.
»Erweist du mir, als deinen Ehemann, einen Tanz?«, fragte er unschuldig und ließ mich freudig aufnicken.

»Ich dachte schon, du würdest mich, als deine Ehefrau, niemals fragen!«, raunte ich und genoss noch einige Sekunden das Spiel seiner Lippen.

»Oh, ich werde dich von nun an immer, als dein Ehemann, fragen.«

Er reichte mir seine Hand und ich nahm sie lasziv lächelnd entgegen und blickte ihm tief in die Augen, während er mich auf die Tanzfläche führte und sich dann vor mir positionierte.

Meine Hände wanderten im Rausch der Melodie in seinen Nacken und er verschränkte seine Hände auf meinem Unterrücken, während er mich dicht an sich hielt und eng umschlungen mit mir tanzte.

Es war letzten Endes nicht das Lied oder die Atmosphäre oder der Anlass oder die Tatsache, dass wir nun Mann und Frau waren.

Nein, dass alles war es nicht, was uns verband.
Dass alles war nicht annähernd, was diese Geschichte schrieb.

Diese Geschichte schrieb jemand anderes.

Diese Geschichte schrieben unsere Herzen.

Diese Geschichte schrieben unsere Seelen.

Diese Geschichte schrieben er und ich.

Diese Geschichte schrieben wir.

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