K A P I T E L ♥️ 32
•NATHANIEL•
»Ich bin nicht Elsa.
Ich lasse nicht los.
Nie wieder, mein Engel.«
Acht Tage.
Acht Tage stellten eine Menge Dinge an.
Acht Tage konnten größtes Glück bedeuten.
Acht Tage konnten die Welt verändern.
Acht Tage konnten morden.
Acht Tage.
Ich fühlte mich meinem Leben beraubt.
Ich fühlte mich tot an.
Im Spiegel sah mir ein Mann entgegen, der weder essen, noch schlafen, noch lächeln, noch atmen konnte.
Das Existieren war nur noch Arbeit.
Ich kannte Magny nur zwei Wochen.
Ich hatte sie nur zwei Wochen bei mir gehabt.
Aber sie war überall.
Sie stand in der Küche und schnippelte Obst und summte dabei.
Sie lag auf dem Wohnzimmerboden und bewunderte lächelnd das Haus in dem sie lebte.
Sie kuschelte in Decken und Kissen auf dem Sofa und schlürfte dabei ihren Kakao.
Sie grinste mich über einen der Barhocker hinweg an und beobachtete mich beim Kaffeekochen.
Sie stand neben mir im Badezimmer und putzte sich kichernd die Zähne, währenddessen ich im Spiegel Grimassen zog.
Sie stand vor dem Kleiderschrank und musterte mich genauso klammheimlich, wie ich sie immer.
Sie lag in dem großen Doppelbett und schmiegte sich in die Kissen, wohlwissend, dass es mich verrückt machte, wenn ich sie so gemütlich und zufrieden träumen sah.
Sie trug meine Kleidung.
Sie stellte ihre Schuhe neben meine im Flur.
Sie trippelte die Treppe rauf und runter, weil sie Hunger hatte, aber im Bett essen wollte.
Sie war überall!
Sogar in meinem Büro, einem Ort wo ich geglaubt hatte, sie hätte ihn nie besucht, haftete ihr göttlicher Duft und ließ mich wehmütig an sie denken.
An ihr Lachen.
An ihr Kichern.
An ihre roten Wangen.
An ihre blauen Augen.
An ihre liebliche Stimme.
An sie.
Immer nur an sie.
Ich wusste nicht, wohin ich mich flüchten sollte, um ihre Abwesenheit erträglich zu machen.
Magny war überall.
Sie hatte meinen Alltag ganz für sich eingenommen.
Sie war mein Leben.
Und sie zerstörte mich.
Ich hatte versucht den Worten meiner Mutter Beachtung zu schenken und abzuwarten, was passieren würde.
Aber ich konnte nicht ruhig bleiben.
Es ging einfach nicht.
Ich vermisste dieses Mädchen so sehr, dass es unmöglich war, still herumzusitzen.
Ich konnte nicht leben ohne Magny.
Es war unglaublich, aber einfach wahr.
Sie war der einzige Grund, den ich hatte um zu leben und verdammt, sie war weg!
Ich wollte nicht leben, wenn es sie nicht in meiner Nähe gab.
Ich wollte gar nichts.
Ich wollte nur dieses Mädchen mit samt ihrer Vollkommenheit, ihrer Niedlichkeit, ihrer Küsse und ihrer Schönheit zurückhaben.
Warum hatte sie mich denn nur verlassen?
»Nate, kommst du frühstücken?«
Mum klopfte gar nicht mehr. Sie wusste sie erhielt kein »Herein«.
Seit ich in mein altes Jugendzimmer zurückgezogen war, lag ich leblos und regungslos auf dem Bett und bewegte mich nur, wenn meine liebe Mutter die Schnauze voll hatte oder Ethan sich ein paar Schläge einfangen wollte.
Meine Pflichten als höchster im Rudel und Ratsbesprechungen liefen momentan nur über Noah, meinen Beta.
Er nahm an Versammlungen für mich Teil und kümmerte sich um das nötigste meiner Aufgaben.
Meine Abwesenheit fiel weniger auf, als die von Magny.
Die Leute in der Siedlung waren stiller geworden, seit sie abgehauen war.
Wenn ich mich doch dazu aufraffte und das Haus verließ, fragte mich jeder zweite nach meiner Mate.
Sie hatte sich wie eine Wanze eingenistet.
Unter allen war sie bekannt.
Wie und wann immer sie das gemacht hatte, aber sie musste viele von ihnen besucht und sich um sie gekümmert haben.
Vielleicht hätte es auch gereicht, wenn sie spazieren gewesen und sie bloß alle gegrüßt hatte.
Das Bloodmoon-Pack war jedenfalls wie verliebt in sie.
Und ich konnte es niemandem verdenken.
»Ich will nichts, Mum«, murrte ich und starrte weiter aus dem Fenster meines alten Kinderzimmers.
So manche Tage hatte ich hier gelegen wie jetzt und an das Mädchen gedacht, von dem ich nachts immer geträumt hatte.
Sie war immer schon meine Traumfrau gewesen.
Sie war diejenige gewesen, die ich niemals hatte verlieren wollen.
Und jetzt war es dennoch geschehen.
Ich hatte sie verloren.
»Ich habe Speck und Eier gebraten. Bitte komm mit runter und iss einen Happen, mein Großer.«
Mum setzte sich an meine Bettkante und strich mir mitleidig die Haare aus dem Gesicht.
Sie konnte gut nachvollziehen wie es war, wenn man seine bessere Hälfte vermisste.
Als sie Dad verlor, als wir alle Dad verloren, war sie ähnlich zerstört wie ich jetzt.
Aber irgendwie hatte sie letztendlich eine Kurve bekommen und es geschafft in ein Leben zurückzukehren, das sie glücklich und zufrieden machte.
Ich konnte diese Kurve nirgendwo sehen.
Vor mir lag nur ein Abhang, der sich in die Tiefe steilte.
Ich konnte Magny nicht einmal böse sein.
Ich konnte sie nicht einmal dafür hassen, dass sie mich so zerstörte und für die Schmerzen an meinem Körper verantwortlich war.
Ich wollte ihr sauer sein.
Wut ließ sich besser verarbeiten als Sehnsucht.
Aber es ging einfach nicht.
Ich würde dieses Mädchen niemals hassen können.
Ich würde sie immer nur lieben, wie der dümmste Narr auf diesem Planeten.
»Sie hat auch immer Speck gebraten, Mum.«
Eine Träne der Erinnerung floss aus meinem Auge.
»Oh, mein großes Baby.«
Ihre zierlichen Arme zogen mich in eine aufrechte Position und umarmten mich fest und lange, bis auch ich sie an mich drückte.
Ich liebte meine Mum.
Ich liebte sie grenzenlos.
Wegen ihr war ich hier.
Wegen ihr hatte ich Magny wenigstens für diese kurze Zeit kennengelernt.
Und wegen ihr war das Warten erträglicher.
»Sie wird dir noch tausende Male Speck braten und Pfannkuchen mit lustigen Gesichtern backen und all die Zeit aufholen, die ihr jetzt verpasst habt. Sie wird wieder kommen«, flüsterte sie mir selbstsicher ans Ohr und gab mir dann einen liebevollen Kuss auf die Wange.
»Ich liebe dich, Mum.«
Sie lächelte erwärmt auf.
»Ich liebe dich auch, mein Großer. Und jetzt komm, du musst ein wenig essen.«
Ich folgte ihr nur widerwillig.
Eigentlich war ich zu müde um zu laufen oder gar etwas meinen Rachen hinunterzuschlucken.
Nach meinem Sprung aus dem Fenster war ich vor ein paar Tagen gute vierundzwanzig Stunden pausenlos gerannt und hatte meinen Wolf verausgabt, dass er jetzt zu nichts mehr in der Lage war.
Er war genau wie meine menschliche Seite einfach leblos, mutlos und bewegungsunfähig.
Er vermisste sie.
Er vermisste sie schrecklich.
Stumm setzte ich mich an den Runden Esstisch in der Küche und starrte auf den leeren Teller vor mir.
Ethan gegenüber war schon munter am schmatzen.
Mein Bruder ließ sich von meinen Launen am wenigsten mitreißen. Er hatte seine Mate noch nicht gefunden und war dementsprechend unverwundbar.
Er konnte nicht verstehen, warum ich so angespannt und lustlos war.
So ist das, wenn man sein Herz verliert.
Man stirbt.
Als ich es nicht selbst tat, füllte Mum mir den Teller und drückte mir eine Gabel in die Hand.
Erst nach minutenlangem Starren bewegte ich sie und spießte ein Stück Speck auf.
Der Geschmack auf meiner Zunge war zerberstend.
Er war widerlich.
Ich brauchte und wollte etwas Anderes.
Ich wollte ihre Lippen schmecken und mein Herz fluten mit ihrer Liebe, die so göttlich meinen Hunger nach ihr stillte.
Was waren schon Lebensmittel?
Als Mum mich gerade wegen meines Essverhaltens anpampen wollte, klingelte es plötzlich hetzend an der Haustür.
Immer wieder drückte der Störenfried auf die Klingel, dass Mum ohne ein Wort den Tisch verließ und zur Tür eilte.
»Guten Morgen, John!«, hörte ich sie einen der Ratsmitglieder begrüßen, der es anscheinend nicht für möglich hielt, auch ihr anständig einen guten Tag zu wünschen.
»Wo ich der Alpha?«, fragte er geradewegs heraus und holte dann einen tiefen Atemzug. Ich hörte sein Herz hetzen. Er war gerannt und aufgeregt. Aber meine Gedanken kümmerten sich wenig darum.
»Er frühstückt gerade«, antwortete meine Mutter ruhig,»aber was ist denn mit dir los, John? Was ist so wichtig, dass es nicht warten kann?«
»Es ... Er muss sofort mitkommen. Es sind fremde Wölfe in unser Territorium eingedrungen. Es scheint ein ganzes Rudel zu sein. Sie sind viele.«
»Und wo liegt dabei das Problem?«, fragte meine Mutter und ließ den guten Mann mit skeptischen Blick eintreten. Als er mit hochrotem Kopf in die Küche trat, ließ auch ich mich zu einem Blick auf ihn nieder. Seine Finger zitterten und allgemein verhielt er sich tierisch ... angespannt.
Ich hob eine Augenbraue.
»Und deswegen störst du mich? Noah soll sich um sie kümmern. Entweder sie verlassen uns in Frieden oder wir müssen sie leider töten. So einfach ist es.«
Ich wandte meinen Blick wieder ab, aber bei seinen nächsten Worten blieb mir die Spucke im Hals stecken.
»Wir ... wir können sie nicht töten, Alpha.«
»Und wieso nicht?«
»Weil unsere Luna unter ihnen ist.«
Das war der Moment indem mein Herz einen Schlag aussetzte und sich weigerte normal weiterzuschlagen.
Die Worte hallten immer lauter werdend in meinen Ohren wieder, bis sich mein Körper selbstständig machte.
Magny!
Sie war wieder zurück!
In nur einer Sekunde war ich vom Tisch aufgestanden und stand vor John.
Mit schwitzigem Gesicht starrte er mich an und schluckte, als meine Augen kontrolllos eine andere Farbe annahmen.
»Wo ist sie?«, fragte ich in dunkelster und tiefster Alpha-Stimme und befahl ihm damit bedrohlich mir auf der Stelle zu antworten.
»Auf dem Markplatz.«
Und damit war ich verschwunden.
Rasend vor Aufregung und Sehnsucht stürmte ich aus dem Haus, sprang im Vorgarten über den Zaun und rannte in Richtung meiner Mate.
Hier draußen konnte ich sie spüren. Ihr Geruch stieg wie eine Wolke Perfektion in die Luft und ich spürte, wie mein Herz den Weg zu ihr wusste.
Alles in mir setzte aus und ich konnte mich nur auf sie konzentrieren und die Schmerzen, die von einer Sekunde auf die andere verschwunden waren, als hätte es sie nie gegeben.
Sie war tatsächlich zurückgekommen.
Sie war zu mir zurückgekommen.
Sie hatte es geschafft!
Ich raste um die letzte Hausecke und verlangsamte meine Geschwindigkeit zu normalen Schritten.
Eine Mauer aus Menschen versperrte mir die Sicht, aber als ich mich mit bedachten Schritten näherte und sie meine Anwesenheit bemerkten, machten sie mir ehrfürchtig Platz und ließen mich bis nach vorne treten.
Und da war sie.
Meine wunderschöne, kleine Mate. Gekleidet in dem schönsten meiner Pullover, kombiniert mit Haaren, die im Wind wehten und dem unwiderstehlichsten, ungeduldigsten Lächeln, das jemals ihre süßen Lippen geziert hatte.
Sie war wunderschön.
Aber sie war anders.
Heute war sie nicht die geschwächte, traurige Magny, die sie gewesen war, als wir das erste Mal Blickkontakt hielten.
Nein, heute war sie eine ganz andere Magny, als ihre blauen Augen sich in meine verloren.
Durch ihren Körper floss neue Energie, die ihren Körper aufleben ließ. In ihren Pupillen glitzerte etwas Neues, Unbekanntes und gleichzeitig so viel von ihrer Liebe, dass ich glaubte magisch davon angezogen zu sein.
Mein Herz vibrierte voller Emotionen und ich war mir sicher, dass sie es für sich schlagen hörte.
Die Zeit verging in Zeitlupe zwischen uns.
Die vielen Wesen um uns blendete ich komplett aus.
Ich konnte nur Magny anstarren und mich freuen, dass sie wieder da war, dass sie lebte und ganz offensichtlich bei bester Gesundheit war.
Ihr Körper strahlte mich wie ein heller Stern in der langen Dunkelheit an und mit einem Mal war ich mir sicher, dass er von nun an immer für mich scheinen würde.
Sicherheit durchströmte mich, dass sie nicht mehr gehen würde.
Sie würde bleiben.
Der meterlange Abstand zwischen uns machte mich ungeduldig und sehnsüchtig.
Ihr bloßer Anblick aus der Ferne genügte mir nicht.
Ich wollte alles von ihr.
Ich wollte dieses Mädchen nahe bei mir, ihre Lippen auf meinen und ihren Körper in meinen Armen.
Ein Knurren durchfuhr meinen Körper, als ich sie endlich im Gesamtbild der anderen Wölfe wahrnahm und sie auf den Schultern eines brünetten Mannes sitzen sah.
Was fiel diesem Kerl eigentlich ein?
Das da war mein Mädchen!
Niemand außer mir sollte sie tragen oder berühren!
Die Eifersucht flutete mich. Aber heute strafte mich Magny nicht dafür.
Im Gegenteil.
Sie kicherte.
Sie kicherte ihr Magny-Kichern und ließ damit sogar die Wut verrauchen, die dieser Mann in mir regte.
Dem Fremden auf die Schulter tippend, bat sie ihn sie auf ihre eigenen Beine zu lassen und als seie das der Auslöser für ihre Zufriedenheit rannte sie mit einem Mal genau in meine Richtung.
Für eine Sekunde war ich perplex.
Was hatte die Zeit mit meiner schüchternen und zurückhaltenden Mate gemacht, die mich wie eine Krankheit mied?
In der nächsten Sekunde war das alles wieder vergessen, denn sie stürmte mit einer Wucht in meine Arme, dass ich einige Schritte zurücktaumelte und dann nicht anders konnte, als sie fest an mich zu drücken und im Kreis um mich zu wirbeln.
Immer noch kichernd schlang sie ihre Arme um meinen Hals und drückte sich näher an mich, ehe sie zufrieden brummte und es auch nach Minuten nicht wagte, sich zu lösen.
»Ich habe dich vermisst!«, murmelte sie leise an meinen Hals und gab mir tatsächlich einen Kuss dorthin.
Eine Hitze stieg in mir auf. Aber ich schob sie beiseite, weil ich mir das Gefühl ihrer Rückkehr später auf der Zunge zergehen lassen wollte.
»Ich habe dich auch vermisst, mein Engelchen.«
Sie kuschelte sich an mich und beide schlossen wir genussvoll die Augen.
Aller Schmerz war vergessen.
»Es tut mir leid, dass ich dich einfach so verlassen habe. Ich werde dir alles erzählen und du bekommst jede Antwort, die du dir wünschst«, redete sie weiter, während mein Wolf voller Zufriedenheit aufbrummte und ihren Duft inhalierte, wie ein Ertrinkender auf See.
Endlich sprach sie offen und ehrlich mit mir.
Endlich gab sie der Sache eine Chance und ich wusste, dass jetzt die Zeit vor mir lag, die ich mir immer gewünscht hatte.
Endlos belanglose Gespräche auf dem Sofa,
kuschelnde Filmabende,
Händchenhalten,
Küsse und Umarmungen,
Dates,
Liebesgeständnisse und noch mehr Küsse.
Mit ihrer Heimkehr hatte ich das Gefühl, dass sie endlich die wirklich wahre Magny war.
Ich spürte keine Distanz mehr zwischen uns, keine Geheimnisse, die verborgen bleiben würden.
Ich hielt meine Seelenverwandte in den Armen, ohne nur auch noch einen Felsbrocken im Weg.
Vielleicht hatte sie diese Reise gebraucht. Was immer auch geschehen war, jetzt spürte ich keine Probleme mehr um mich.
Die Welt war ... perfekt.
»Ich lasse dich nie wieder gehen«, flüsterte ich unter ihr Ohr und küsste dann die zarte Haut darunter, als sei es Jahre her gewesen.
»Das hoffe ich doch für dich«, grinste sie und löste ihr Gesicht einige Zentimeter, um mich dann mit so viel Gefühl und Leidenschaft zu küssen, dass ich wusste, dass sie mich mindestens genauso sehr vermisst hatte, wie ich sie.
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Da haben sich zwei wohl wieder, was?
Ich bin glatt ein wenig neidisch auf Magny.
Ich wünsche noch einen schönen Tag und hoffe das Kapitel hat euch gefallen!
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