K A P I T E L ♥️ 31
•MAGNY•
»You feel like home. And I love my home.«
In der Stadt konnte ich ein wenig aufatmen, denn es war jetzt schon anstrengend sich trotz der vielen Wünsche und Gedanken im Kopf zu konzentrieren.
Das Seelenlesen war, als würde ich in einem Raum voller Menschen sein, die mir alle immer und immer wieder dasselbe zuriefen und dabei so laut waren, dass es dröhnte und ich Kopfschmerzen bekam.
Es war kaum auszuhalten, aber ich würde es, bis sie alle genesen waren, schon irgendwie schaffen, sie aus meinem Kopf zu sperren und zurück bei Nate konnte ich gemeinsam mit Gilbert und Tara ein wenig üben zu meditieren.
Meine liebe neue Freundin machte das tatsächlich jeden Tag ein paar Minuten und vielleicht konnte sie mir helfen, diese Fähigkeiten aus meinem Kopf zu sperren.
Ich fand es natürlich auch interessant zu hören, was jemand tief innerlich empfand. Etwas, wovon er vielleicht sogar gar keine Ahnung hatte. Etwas, das er niemals freiwillig preisgab.
Es war mit Sicherheit nicht so, dass es jedem gefiel, das ich ihn jetzt so auslesen konnte. Aber ich würde meine Gabe nicht missbrauchen.
Das tat eine Luna nicht.
In der Stadt hielt ich mich ziemlich verdeckt. Die Kapuze des Hoodies hatte ich tief in mein Gesicht gezogen und ich betrat gleich die erste große Mall, die ich in der Fußgängerzone fand.
Die feindlichen Wölfe waren mit Sicherheit erwacht und hatten ihren toten Alpha gefunden.
Ich schwebte in Gefahr.
Denn mein Blut und mein Geruch hafteten an seinen toten Gliedern. Sie würden ihn vermutlich rechen wollen oder sich zumindest auf die Suche nach mir machen.
Darum musste ich unbedingt in Menschennähe bleiben. Hier würden sie mich zwar finden, aber nicht angreifen können.
Die sollen nur versuchen uns näher zu kommen und wir machen sie kalt, murmelte es lüstern in meinem Kopf, während ich das erste Kleidungsgeschäft anpeilte und mich in der Kinderabteilung auf die Suche nach T-Shirts und Hosen machte.
Ich stimmte meiner Wölfin zu. Ich hoffte nur, dass sie mich hier in der Stadt und nicht im Hotel aufspürten. Ich war alleine losgezogen, um die feindlichen Wölfe bloß fern von meinem Rudel zu halten.
Das nämlich war noch viel zu schwach, um sich mit blutrünstigen Monstern unserer Art anzulegen.
Von der Kinderabteilung machte ich einen Abstecher zu Erwachsenengrößen und warf gleich die verschiedensten Hosen und Sweater über meinen Arm. Unterwäsche und Socken folgten.
Die Dame an der Kasse staunte nicht schlecht, als ich mit meinem Batzen Kleidung den Tresen überlud, aber sie behielt ihr freundliches Lächeln aufgesetzt und nickte mir zu, als ich sie bat alles in Tüten zu packen.
Während sie das erledigte, lief ich mit einer Hose und Unterwäsche zu den Umkleiden. Nur in einem Pullover durch die Stadt zu laufen, war mir nämlich nicht das angenehmste.
Hinter verschlossener Tür atmete ich einmal auf, ehe ich allen Stoff von meinem Körper zog und mich in einem der Spiegel betrachtete.
Rote Kratzspuren zogen sich über meinen Rücken- und Bauchbereich. Auch auf meinem Oberschenkel riss sich die Haut wegen der scharfen Krallen des Alphas auf. Mein Körper brannte und schmerzte bei jeder Bewegung. Aber ich verbot mir, den Schmerz zu zeigen oder mich deswegen zu beklagen.
Ich musste die anderen beschützen und sie heilen und in Sicherheit bringen.
Ich war nebensächlich bei dieser Rettungsaktion. Meine Wunden würden schon von selbst genesen.
Wie aufs Stichwort fing es in meiner Schulter an zu pochen und kurz darauf floss rotes Blut aus der Bisswunde knapp neben meinem Hals.
Schmerzvoll verzog ich mein Gesicht und sah dem Blutfluss zu, wie er sich seinen Weg über meinen nackten Oberkörper bahnte.
Der Alpha war kein schlechter Gegner gewesen.
Er hatte gut gekämpft und mich ebensogut getroffen.
Es war meine pure Entschlossenheit, mein Drang zum Überleben gewesen, der mich nicht hatte verlieren lassen.
Hätte ich nicht all die Gründe gehabt diesen Wolf zu töten, wäre ich schwächer gewesen.
Mit leidendem Blick wickelte ich das neugekaufte Unterhemd zu einer Rolle auf und knotete es dann ein wenig unbeholfen um meine Schulter.
Ich musste dringend Verbände kaufen gehen und Desinfektionsmittel besorgen.
Es schien nicht, als würde der Biss ohne weiteres heilen.
Dafür war er zu tief und zu schmerzvoll.
Mein Arm fühlte sich seltsam taub an. Als würde er nicht richtig durchblutet werden. Es war einfach unangenehm.
Aber ich würde warten müssen. Warten, bis ich nach Hause kam.
Zu Nate.
Wie ich ihn doch vermisse.
Meine Wölfin jaulte innerlich zustimmend.
***
Knapp anderthalb Stunden später war mein Einkauf erledigt.
In einer Drogerie hatte ich mich mit Parfüm eingesprüht, um meinen natürlichen Geruch zu verdecken und jetzt konnte ich mich getrost auf den Rückweg machen.
Meine Arme quellten über von Taschen und ich tat mich schwer sie alle zu halten.
Alle zehn Meter ließ ich sie ächzend zu Boden gehen, um meinen schmerzenden Körper zu entlasten.
Trotz allem hatte ich bekommen, was ich gesucht hatte. Cremen, Verbände, Pflaster, Desinfektionsmittel, Kleidung und noch vieles mehr.
Im Hotel angekommen lief ich von Zimmer zu Zimmer und teilte meinen Einkauf unter den Rudelmitgliedern auf. Viele bedankten sich noch einmal bei mir, stillten ein wenig ihres traumatischen Erlebnisses in Redebedarf und Umarmungen und ließen sich mit freundlichen Mienen von mir helfen.
Es tat in der Seele weh, als ich die vernarbte Haut und die blutigen Striemen von Eisensplittern und Lederpeitschen auswusch und behandelte. Besonders die Wunden kleiner Kinder und den ältesten von uns machten mir große Sorgen.
Sie alle waren so tapfer.
Sie alle schluckten, genau wie ich, ihre Schmerzen herunter und bissen sich durch.
Wir waren das Vollmond-Pack. Wir ließen uns von Extremen nicht aus dem Gleichgewicht bringen.
Und wir trugen Hoffnung. Große, große Hoffnung auf bessere Tage.
Und die würden kommen, das versprach ich jedem einzelnen von ihnen.
Es dauerte eine ganze Weile die Familien zu behandeln, aber mit Unterstützung von Irina – der Luna – schafften wir es rechtzeitig sich jedem anzunehmen und uns noch ein bisschen Schlaf zu holen, ehe es Zeit fürs Abendessen war.
Hail und Asher schliefen tief und fest, als ich mich in unser Zimmer schlich und im Badezimmer einschloss, um noch einmal nach meiner Bisswunde zu sehen.
Sie hatte aufgehört zu bluten, sah aber immer noch teuflisch schlecht aus.
Die Haut schien zerquetscht, die Bisslöcher waren deutlich zu erkennen und mein gesamter Schulterbereich war bläulich grün verfärbt.
Ich biss meine Zähne zusammen, während ich mich wusch und meine Haut mit Desinfektionsmittel und Kühlcremen reizte. Ob ich damit etwas bewirkte, wusste ich nicht. Mir blieb aber auch keine Zeit mehr, denn im Bett rekelte es sich.
»Baby? Bist du da drin?«
Eilig griff ich nach einem Verband und begann ihn um meine Schulter zu wickeln.
»Ja!«, gab ich Hail ein bisschen brüchig zurück und stülpte mir gleichzeitig meinen Pullover wieder über den Kopf. Er sollte meine Haut nicht sehen und sich Sorgen machen. Mir ging es schon gut.
»Kann ich reinkommen?«
Ich fuhr mir durch die Haare, richtete mich ein wenig und lief dann zur Tür, um die zu öffnen.
Ein müde aussehender großer Bruder stand im Türrahmen gelehnt und sah mir skeptisch entgegen.
Ich konnte nicht anders, als mich bei seinem Anblick an ihn zu kuscheln und seinen vertrauten Geruch in mich aufzunehmen. Es tat so gut, ihn wieder bei mir zu haben.
»Ihr wisst gar nicht, wie sehr ich euch vermisst habe«, murmelte ich und seufzte zufrieden, als er seine Arme um mich schlang und sich entspannte.
»Wir haben dich mehr vermisst, Kleines, und glaub mir, wir lassen dich nie wieder alleine.«
Wir hatten die Hölle durchgemacht.
»Versprochen?«, fragte ich und war mit einem Mal emotional am Tiefpunkt.
»Versprochen«, schwor mir Hail und küsste meine Stirn.
Ich löste mich von ihm und ließ ihn im Bad verschwinden, während ich mich kleine Schwester mäßig zu meinem zweiten Bruder bewegte und mich zu ihm aufs Bett warf.
Asher schlief noch und ich beobachtete ihn eine Weile, ehe ich mir seinen Arm nahm, ihn um mich legte und mich näher an ihn schmiegte.
Auch sein Duft war mir unheimlich vertraut und zauberte mir ein Lächeln auf die Lippen.
In ihrer Nähe vergaß ich für einige Zeit sogar die Schmerzen an meinem Körper.
***
Beim Abendessen im Speisesaal des Hotels sahen die vertrauten Gestalten schon wieder wie lebende Wesen aus.
An einer langen Tafel zusammengereiht saßen sie beieinander und schlugen sich die Bäuche voll.
Sie mussten beinahe verhungert sein.
Als ich mich zwischen meine Brüder und gegenüber des Alphapaares auf meinen Stuhl fallen ließ, sah ich zufrieden in die Runde.
Wir würden es schaffen und das alles hinter uns lassen können. Ich war zuversichtlich.
»Hast du keinen Hunger, Baby? Du musst etwas essen, bei deiner langen Reise.«
Ich liebte diesen Namen. Er war so vertraut.
Sie nannten mich, seit ich ein Baby war, ihr Baby. Ich wusste, die Welt war in Ordnung, wenn ich diesen Namen hörte.
Alles war in Ordnung.
Ash sah mich besorgt an und schob mir dann seinen Teller hin. Ich schüttelte bloß den Kopf. Der Anblick von herzhaften Lebensmitteln ließ mich ein wenig schwummrig fühlen. Mir wurde schlecht, wenn ich daran dachte, Fleisch zu kauen.
Vielleicht lag das an meinem Kampf mit dem Alpha und dem Geschmack seines Blutes in meinem Mund.
Ash sah mich besorgt an und tauchte dann einen Blick mit Hail, der aufsprang und sich in Richtung Buffet aufmachte.
Ich wusste nicht, wohin er wollte, aber ich kümmerte mich auch nicht weiter darum. Irina und Grant erhielten meine Aufmerksamkeit.
»Erzähl uns, Magny, was ist mit dir passiert, als wir verschwunden sind? Wie konntest du uns retten? Du hast mir die ganze Auffassung versprochen.«
Ich sah Alpha Grant nickend an und überlegte dann, wie ich mit meiner Erzählung am besten beginnen konnte.
»Naja, als das Feuer ausbrach, waren Hail, Ash und ich in den Wäldern und haben ein Wettrennen gemacht. Ich war in einer Höhle versteckt, als sie zurück zum Dorf liefen und euch halfen. Sie haben mir gesagt, dass sie mich holen kommen, wenn das alles vorbei ist. Aber sie kamen nicht und nach zwei Tagen bin ich dann auf eigene Faust zurück zum Dorf gelaufen.
Dort war alles abgebrannt und das, was nicht in die Nähe des Feuers gekommen war, war von den Kämpfen zerstört. Ich hatte große Angst, als ich niemanden von euch fand. Alles war verlassen. Ich habe eine ganze Woche auf eure Heimkehr gewartet. Unser Wohnhaus war halbwegs verschont geblieben. Als ihr nicht kamt, habe ich meine Sachen gepackt und diesen Ort verlassen. Es war grauenhaft ohne euch alle und die Einsamkeit hat mich aufgefressen. Ich bin euch suchen gegangen, aber nach tagelangem Dauerlaufen hat mein Körper vor Erschöpfung verrückt gespielt und ich war so in Verzweiflung versunken, dass ich nicht bemerkt habe, wie ich das Territorium eines fremden Rudels überschritt.
Ich bin in das Blodmoon-Pack eingedrungen.«
Die Tischgespräche verstummten und erschrockene Augen sahen über den Tisch zu mir herüber. Alpha Grant zog eine nachdenkliche Miene, während Irina an seiner Seite erfreut auflächelte.
Sie schien zu wissen, dass Luna Blut in mir floss und das es einen Zusammenhang mit dem Rudel geben musste.
Aus Mitleid hätten sie mich mit Sicherheit nicht am Leben gelassen.
»Und was ist dann passiert?«
Hail trat zurück an den Tisch und in seiner Hand hielt er einen großen Becher mit Kakao und Vanilleeis, den er mir wissend reichte.
Ich verzog erfreut die Lippen.
Dieses Getränk konnte ich immer in meinem Magen unterbringen. Das wusste er.
Dankbar lächelte ich ihn an und ließ ihn Platz nehmen, ehe ich fortfuhr.
»Ich wurde sofort von den Wachen entdeckt und mit in die Siedlung genommen.
Dort bin ich dann Nathaniel, dem Alpha des Rudels, begegnet. Er ist ungefähr im selben Alter wie ihr, meine lieben Brüder, und gleichzeitig ist er auch irgendwie mein Mate.«
Ich biss mir auf die Lippen.
Wenn es gerade eben ruhig geworden war, dann war es jetzt totenstill.
Asher hielt mitten in der Bewegung seiner Gabel inne und Hail brachte es nicht über sich das Wasser in seinem Mund herunterzuschlucken.
Sie waren wie erstarrt und ich glaubte ihre Herzen nicht mehr schlagen zu hören.
Sogar die Stimmen ihrer Gedanken, die zu mir durchdrangen, verstummten für einen Augenblick.
Erst Irina brach das minutenlange Schweigen, indem sie wie ein junges Mädchen aufquiekte und mich mit strahlenden Augen ansah.
»Das ist unglaublich, Magny! Ich brauche Details! Wie war es, ihn zu treffen? Wie ist er so? Ist er auch gut zu dir?«
Ich lächelte bei ihrer aufgeweckten Art. Sie konnte ihre Freude gar nicht bändigen und auch die anderen hingen mir jetzt gespannt an den Lippen.
Eine Seelenverwandtschaft war eben etwas ganz Besonderes und dann auch noch mit einem Alpha. Stumm schrieen sie nach meinen Antworten.
»Unsere erste Begegnung war ein bisschen kompliziert. Kurz nachdem wir uns nämlich in die Augen sahen, habe ich das Bewusstsein verloren und bin erst einige Tage später aufgewacht. Es war ungewohnt für mich. Ich spürte bei ihm auf Anhieb ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit nur konnte ich mit Nähe zu dem Zeitpunkt nicht viel anfangen. Ich war doch auf der Suche nach euch gewesen und jetzt hatte ich plötzlich einen Mate und war noch dazu der Rolle als zukünftiger Luna ausgesetzt.
Ich war überfordert. Aber er hat mich nicht allein gelassen. Er hat mir Raum gegeben, er hat mir Zuneigung gezeigt, er hat mich getröstet, wenn ich euch alle zu sehr vermisst habe und er hat mir immer und immer wieder verziehen, wenn ich nicht bereit war, mit ihm zu reden.
Ihr müsst wissen, ich habe ihm kein Sterbenswörtchen von euch erzählt. Darum bin ich auch alleine gekommen.
Ich wollte Nate und sein Rudel unter keinen Umständen mit in diese Schlacht einbeziehen und sie den Gefahren aussetzen, die hätten kommen können, bei so vielen Wölfen.
Der Plan, den ich mit der Zeit bekam, war am sichersten, wenn ich alleine loszog und genau das habe ich gemacht.
Es tat mir schrecklich leid, ihn ständig von mir zu weisen. Genau das habe ich nämlich gemacht. Ich habe ihm viele Geheimnisse unausgesprochen auf den Tisch gelegt und ihm ständig Sorgen bereitet, während er immer so gutherzig und lieb zu mir war. Er ist eine wirklich treue Seele, ein guter Zuhörer und auch für sein Alter ein unglaublich friedlicher und verantwortungsbewusster Alpha. Ich vermisse ihn sehr, aber euch habe ich mehr vermisst und mir war von vornherein klar, dass egal was auch kommt, ich immer zu euren Gunsten entscheiden würde.«
Ich unterbrach meine Rede und griff nach jeweils einer Hand von meinen Brüdern.
Sie sahen mich mit neutralen Mienen an. Aber ich wusste, dass es hinter ihrer Maske brodelte. Sie hatten Angst, mich, jetzt wo sie mich doch endlich wiederhatten, wieder zu verlieren.
»Ich würde mich immer und immer wieder für euch beide entscheiden. Ihr seid die wichtigsten Menschen in meinem Leben und teilt meine Vergangenheit. Wenn ich nicht alles für euch tun würde, würde ich mich selbst verraten. Ich lasse euch niemals wieder alleine.«
Sie sahen mich gebrochen lächelnd an. Sie waren ängstlich, aber ich hing an meinen Worten.
Für ihr Blut würde ich alles tun. Für ihr Blut würde ich mehr tun.
»Es bricht mir das Herz. Die Distanz zu ihm und das alles. Aber ich wollte euch um jeden Preis retten. Damit das funktionierte, ohne das mir jemand folgte und mich und sich damit in Gefahr brachte oder mich gar nicht erst losziehen lässt, habe ich auch für Nate ein Präparat von Mondscheinkraut angefertigt.
Es wirkt in geringer Dosis einfach nur einschläfernd und so konnte ich ihn für einige Stunden ruhigstellen, ehe ich über alle Berge war.
Mondscheinkraut ist es auch, das in den Flaschen war, die ich euch in der Höhle in die Hand gedrückt habe. Es löscht Erinnerungen und knockt den Körper eines Lebewesen sofort aus. Es hat mir große Dienste bei eurer Rettung geleistet. Wäre ich mit mehreren Personen gekommen, hätte mein kriegsloser Plan nicht hingehauen. Andere Wölfe hätte man nämlich sofort gewittert und angegriffen und das wollte ich um jeden Preis vermeiden.«
»Es weiß also niemand, weswegen du verschwunden bist und ob du zurückkehrst?«
Irina sah mich noch immer bewundernd an. Sie schien nachvollziehen zu können, dass ich meine Seelenverwandtschaft hinter meine Brüder stellte und tatsächlich kannte sie mich dafür sogar an.
»Nate weiß rein gar nichts und es tut mir leid, dass ich ihn so verlassen musste. Aber er hätte mich niemals schutzlos gehen lassen. Dieser Kampf war nur von vornherein mein Kampf und darum musste ich handeln, wie ich es getan habe.
Ich bin allerdings nicht ohne Hilfe losgekommen. Tagelang habe ich mit Gilbert und seiner Tochter Tara, die in meinem Alter ist, Bücher durchwälzt und Karten gelesen.
Sie waren mir eine große Hilfe. Vor allem als es um seltsame Träume ging, die ich bekam. Eines Morgens wachte ich nämlich irgendwo im Nirgendwo im Schnee auf und hatte keine Ahnung, wie ich es geschafft hatte, vom Bett aus Meilen über die Rudelgrenzen zu kommen.
Gilbert war der erste und einzige an den ich mich gewandt habe und er wusste, was mit mir los war.
Das, was ich kann, nennt man ›Seelenlesen‹. Ich kann die tiefsten Wünsche und Gedanken von Personen, die mir nahestehen erhören, als würden ihre Seelen mit mir reden.
Der Traum, den ich hatte, kam von Hail und Asher und sie haben mich auf eure Fährte gelockt.
Eines nachts habe ich die beiden auch besucht. Dies war mir durch dieselbe Gabe möglich. So wie sie mir nämlich Botschaften zukommen lassen konnten – auch wenn das mehr unbewusst war – konnte auch ich das. Ich habe sie gewarnt und auch nur damit konnte ich euch helfen.«
»Das ist ja unglaublich spannend. Kannst du also auch unsere Seelenklagen hören?«, mischte sich Grant ein und sah mich interessiert an.
Ich kicherte verlegen.
Ja, wir können Sie hören!, murmelte meine Wölfin in meinem Kopf.
»Ja. Aber ich bin nicht gewillt, in aller Öffentlichkeit preiszugeben, was Sie sich am allermeisten wünschen. Tut mir leid.«
Ein amüsiertes Schmunzeln huschte über seine Lippen.
»Dann werde ich das akzeptieren.«
»Und wie ist es, unsere Wünsche zu hören?«, mischte sich Katyl in das Gespräch ein.
»Es ist wie, als würde jeder von euch mir in den Kopf brüllen. Es ist verwirrend und bereitet mir tatsächlich Kopfschmerzen.«
Am Tisch brach allgemeines Gelächter aus.
»Aber ich habe meine Fähigkeiten erst, seit ich mich in einen Wolf verwandelt habe so ausgeprägt und werde, sobald wir uns auf unsere Reise zurück machen, zu meditieren und üben beginnen, damit ich das alles lerne auszuleben und zu kontrollieren.«
Die Tischgespräche und Berichte über die vergangene Zeit zogen sich beinahe durch die Nacht.
Kinder und Ältere gingen irgendwann zu Bett und ruhten sich gründlich aus.
Alle, die sich einigermaßen fit fühlten, blieben bis in die frühen Morgenstunden am Tisch sitzen.
Wir redeten über alles.
Und auch die Zukunft fiel in Unterhaltungen.
Unser einstiges Zuhause war zerstört und an den Ort des Leids wollte niemand zurückkehren. Ich versprach dem Alpha, dass eine Unterkunft für die nächste Zeit das kleinste Problem aller war.
Nate war ein friedlicher Mann, mit dem sich verhandeln ließ und ich als Luna würde ihn schon davon überzeugen können, dass sie alle Hilfe bekamen.
Im Bloodmoon-Territorium waren sie sicher und ich garantierte ihnen, dass es kein Problem war, wenn sie mir in mein neues Zuhause folgten.
Kurz vor meiner Abreise war diese Idee sogar aus dem Mund von Valerie gefallen und sie und ich würden, wenn Nate unentschlossen war, schon für seine Zustimmung sorgen.
Grant und Irina schienen über meine Pläne erleichtert.
Sie bedankten sich tausende Male bei mir, ehe ich sie förmlich zu Bett zwang und die Gesprächsrunde auflöste.
Sie mussten sich alle ausruhen.
Gemeinsam mit Hail und Asher begab ich mich in unser Zimmer und ließ mich dann zwischen sie auf das Bett sinken.
Sie nahmen mich sofort unter ihre Fittiche und zogen mich an sich.
Ich lächelte sie in der Dunkelheit an und konnte auch ihre seligen Lippen verzogen sehen.
Der Schock, dass ich Nate gefunden hatte und die Angst, dass sie mich womöglich an ihn verloren, war gewichen.
Sie schienen viel mehr neugierig und auch froh, dass ich ihn gefunden hatte.
Er hatte mir immerhin mein Leben gerettet.
»Macht er dich glücklich, Baby? Hast du in seiner Nähe das Gefühl, dass es dir wohl behütet und gut geht?«, fragte mich Asher, während wir drei an die Decke des Zimmers starrten.
Ich nickte.
»Ich fühle mich bei ihm, als könnte ich schweben. Als könnte ich vor allen Problemen sorglos davonfliegen. Er schützt mich, er akzeptiert mich und er liebt mich und ich weiß, dass ich das auch tue. Ich liebe ihn. Auf eine ganz andere Weise, wie ich euch beide liebe. Aber ich liebe ihn und ich weiß, dass sich das niemals ändern wird.«
Sie lächelten mich amüsiert an.
»Da hat es wohl jemanden ganz schwer erwischt«, schmunzelte Hail und ich schlug ihm dafür mit roten Wangen auf den Oberarm.
Er kicherte. Und mit ihm Ash und ich. Sie hatten ja recht.
»Wie hat es sich angefühlt, als er dich geküsst hat?«
»Noch viel besser, als ihr es mir damals beschrieben habt.«
»Dann ist er der Richtige, Baby. Lass ihn niemals gehen, wenn du ihn zurückhast.«
»Das werde ich nicht«, sagte ich sicher und war es in diesem Moment auch.
Wenn das alles hier vorbei war, dann würde ich höchstpersönlich für mein Glück sorgen.
Und diese drei Männer waren mein Glück.
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Brüder sind wohl fürs Leben ... 💕
Habt ihr Geschwister?
Frohe Ostern euch allen!
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