K A P I T E L ♥️ 29


•MAGNY•

»Du denkst, nur weil ich klein bin, kann ich nicht groß sein.
Du denkst, nur weil ich so schwach aussehe, kann ich nicht stark sein.
Du denkst, nur weil ich unschuldig bin, kann ich nicht schuldig sein.
Du denkst, nur weil ich eine Frau bin, kann ich keine Dinge tun, die Männer tun.
Pass gut auf dich auf.
Ich denke auch viel, aber wissen tue ich nur wenig.«

Ein erschrockenes Raunen und Zittern ging durch die Menge und ehrfürchtig und verschreckt wichen die Leute vor dem Wolf zurück.

Einige Kinder begannen zu weinen, Mütter zitterten verschreckt und Männer versuchten kläglich sie hinter sich in Rettung zu bringen.

Hail und Asher schoben mich reflexartig hinter sich.
Sie waren geschwächt und ich bezweifelte, dass sie in der Lage waren sich zu verwandeln und mich zu beschützen. Aber sie würden es versuchen, bis sie nicht mehr konnten.

Sie waren meine Brüder.
Brüder passten auf ihre Schwestern auf. Ich wusste, ich konnte immer auf sie zählen. Aber heute wollte ich das gar nicht.

Heute wollte ich, dass sie auf mich zählten.

Ich war die Einzige, die keine Ahnung hatte, was wirklich vorgefallen war.
Ich war die Einzige, die immer verschont geblieben war und die keine blutige Wunde unter der Kleidung trug.
Wenn dieser Alpha jemanden tot sehen wollte, dann sollte er bei mir anfangen.

Hail und Asher schoben sich einige Schritte zurück und versteckten mich hinter sich.
Aber ich wollte niemanden kämpfen sehen.

Das hier war mein Kampf.
Und das sah der Alpha anscheinend ähnlich.

»Wo ist sie?«, grollte es mit tiefer Stimme über den Platz und ein verschrecktes Wimmern ging durch die Runde.

Asher verspannte sich vor mir. Hail ballte die Hände zur Faust.
Das Rudel wusste, dass ich gemeint war.

Unschuldige Blicke suchten nach mir.
Und sie fanden mich.

»Zeig dich oder ich töte sie alle noch vor dir!«, knurrte der Alpha an mich gewandt weiter und seine Augen wechselten von einem tiefen Rot zu Schwarz.

Ich schluckte.
Aber anders als den anderen jagte mir seine Gestalt keine Angst ein.

Er wird niemanden umbringen!, fluchte die Stimme in meinem Kopf und ich stimmte ihr nickend zu.
Das hier würde kein Blutbad werden. Es wurden lange genug die falschen Leute gequält.

Jetzt war er an der Reihe für seine Fehler zu büßen.
Ich würde sie rächen.
Die Angst in ihren Gliedern, ihre verstümmelte Haut, ihr vergossenes Blut.

Die Wut machte mich rasend.
In meinen Gliedern begann es zu zittern vor Zorn und ich spürte die kräftige Macht und Spannung wieder an die Oberfläche treten.

Als der schwarze Wolf sich mit einem »Du hast es nicht anders gewollt!« an das Rudel wandte und mit ausgefahrenes Krallen einen Schritt auf Katyl und eine Mutter mit Kind machte, grollte es in meinem Inneren.

Ich spürte, wie sich meine eigenen Augen verfärbten, ehe mir ein lautes Knurren aus tiefster Seele entwich und ich Hail und Asher aus dem Weg schubste.

Dieser Hund glaubte einer Mutter mit Kind nahe zu kommen und mir mit ihnen zu drohen?
Er wollte sich mit Kindern anlegen?
Ein Alpha?
Was für ein elendiger Feigling!

Oh, glaub mir, du wirst winseln vor Schmerzen!

Ich stapfte mit großen Schritten nach vorne.
Ich hörte Hail mir nach eilen.
Er knurrte, wollte, dass ich hinter ihm blieb, aber ich brachte mein protestierendes Rudel mit nur einem Ton zum Verstummen.

Mit einem Seitenblick wandte ich mich zurück.
Meine Augen waren durchtränkt von Hass und Macht und Abstand.

»Das ist mein Kampf!«, knurrte ich meine Familie an und ließ sie allein von meinem Anblick ein paar Schritte zurückweichen.

Hail und Asher schienen entgeistert. Sie waren blass geworden und betrachteten mich mit weit aufgerissenen Augen.

Nicht nur sie hatten die letzten Tage geprägt.
Nein, auch ich hatte mich verändert.
Ich war nicht mehr das kleine, unschuldige Menschchen, bei dem sich niemand sicher war, ob es sich verspätet doch noch als Wolf beweisen würde.

Nein, heute war ich eine andere Magny.
Heute trat ich als Luna eines der mächtigsten Rudel in der Umgebung vor einen Alpha, der viel zu lange für seine Untaten verschont geblieben war.

Er würde für jeden letzten Tropfen Schmerz mit seinem eigenen Blut bezahlen.

Mein Körper zitterte vor Spannung.
Die Stimme drängte mich wild entschlossen nach vorne.
Sie und ich waren derselben Meinung.
Dieser Wolf hatte seine Tage hinter sich. Es war Zeit ihm zu zeigen, dass ich ihm ebenbürtig war, dass ich in der Lage war, ihn in die Schranken zu weisen.

Ich sah aus wie ein junger Teenager und der war ich auch. Aber der überwiegende Teil meinerselbst war ein starker, mächtiger und unbändiger Wolf, der nur auf den richtigen Moment gewartet hatte, um sich zu zeigen.

»Du willst ein unschuldiges Kind töten? Als Alpha hätte ich dir mehr zugetraut, Hündchen!«

Meine Stimme klang verzerrt.
Sie klang erhaben, erwachsen und mächtig.
Durch mich schoss die Energie und ich spürte die Luna in mir.

Das war immer meine Bestimmung gewesen.
Das war, was die Göttin des Mondes immer für mich aufgehoben hatte.
Den Überraschungseffekt.

»Du willst mich sehen? Dann halte diese unschuldigen Seelen aus deinen Plänen heraus! Wie lächerlich bist du denn? Hast du kein Schamgefühl?
Was fällt dir ein, einen kleinen Welpen anzuknurren?
Was fällt dir ein, ihm Angst zu machen?
Was fällt dir ein, deine Macht zu missbrauchen?«

Ich trat ihm mit jedem Wort einen Schritt näher.
Wir kochten beide, sahen uns in die hasserfüllten Augen und erkannten die Identität des jeweils anderen.

Er wusste, was ich war.

»Wir beide sind zu höherem bestimmt, aber ich glaube, du hast ein wenig zu tief in den Schatz gegriffen und dich überhoben, du falsches Biest!
Deine Sucht nach Macht hat dich blind gemacht! Und jetzt weißt du nicht mehr davon loszukommen.
Du hast Familien zerstört!
Du hast Kinder für ihr Leben geprägt!
Du hast Leben beendet!
Ich sage dir, dass es das letzte Mal war, dass du ein Lebewesen falsch behandelt hast! Es reicht! Es wird Zeit, dass dir mal jemand zeigt, wo du zu stehen hast, Wölfchen.
Du siehst aus wie ein Alpha, aber du bist keiner. Du bist das letzte Stück eines Wolfes und ich glaube, ein Tritt auf dein Ego würde dir mal gut tun. Und jetzt sieh mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede und halte diese Menschen aus unserem Kampf heraus! Kämpfe gegen jemanden, gegen den du mit Ehre verlieren kannst!«, brüllte ich wütend und knurrte, damit er es nicht wagte auch noch einmal darüber nachzudenken, jemand anderes zu bekämpfen.

Er knurrte zurück, aber recht ernst wollte er mich nicht nehmen.

Der wird sich wundern!, kicherte die Stimme und ich nickte wieder. Das würde er.

»Und du glaubst, dass ich gegen dich verlieren werde, kleines Ding?«, fragte er spöttisch und überspielte seinen Respekt. Er wusste, dass ich genau das meinte und ich damit auch recht behielt.

»Ich glaube nichts, du Arschloch. Ich weiß diese Dinge.«

Er scharrte wütend im Schnee, dann geschah alles in nur einer Sekunde.
Seine Augen färbten sich rot und mit einem großen Sprung griff er mich an.
Anstatt zurückzuweichen, machte auch ich einen gewaltigen Sprung nach vorne und ließ die Spannung in mir in der Luft zerreißen.

Im Anflug eines grellen Lichtstrahls, der mich förmlich entzweiriss, sprang meine Wolfsseite in mir in den Vordergrund und helles, schneeweißes Fell überlief meinen Körper.

Ich spürte meine Wolfsinstinkte, bemerkte wie alles übernatürliche auch endlich mich erreichte, meine Sinne sich schärften, meine Kräfte sich doppelten. Alles an mir wurde zu einem Wolf, der sich in den Kampf aufmachte und nur ein Ziel hatte: Gerechtigkeit.

Auch ich fuhr meine Krallen aus und ließ die spitzen Fangzähne an der Oberfläche glitzern.
Mein Gegenüber schien vom Moment meiner Verwandlung überrascht.

Die Sekunde seiner Irritation nutzte ich aus und landete den Angriff mit einem Treffer.
Mit ausgeholter Pfote kratzte ich ihm über das Wolfsgesicht und versenkte meine Krallen in seinem Fleisch.

Sein Kopf schnellte nach rechts und ich hinterließ eine Kratzspur unfehlbar unter dem Auge.

Sein Atem beschleunigte sich.
Damit hatte er nicht gerechnet.
Aber er erholte sich schnell.
Mit einem Stoß riss er mich von sich runter und schleuderte mich einige Meter weit von sich.

Ich landete gekonnt auf meinen Beinen.
Der Schnee machte sich gut unter meinen Pfoten. Mein Fell verschmolz nahezu mit der weißen Decke Wasser.

Wir knurrten uns an.
Er blutete.
Dann rannte er erneut auf mich zu.
Unsere Zähne suchten einander. Er traf meine Schulter.

Er biss mir tief ins Fleisch, ein ungeheurer Schmerz. Aber ich steckte ihn weg. Meine Nerven waren zum Aufreißen gespannt.
Ich war zum ersten Mal ein Wolf. Ich war frei und ich würde diese Arschloch nicht gewinnen lassen.

Mit zusammengebissenen Zähnen stieß ich ihn von mir runter.
Wir rollten uns einige Zeit über den Schnee, traten einander, holten aus.
Unsere Kräfte waren unermüdlich und niemand von uns wollte diese Kabbelei vorzeitig beenden.
Ich biss seine linke Vorderpfote, er kam in einer Sekunde meinem Genick näher.
Er takelte mich auf den Boden, war über mir, hatte die Oberhand.

Aber er sollte ruhig glauben, mich besiegt zu haben.

Als er zu einem letzten Biss ausholte, riss ich meinen Kopf zur Seite und ließ ihn ins Leere fallen, während ich in einer Sekunde zurück in meine Menschengestalt wandelte, meinen Ellenbogen auf seinen Nacken rammte, mich aus seinen Armen befreite und zurück in Wolfsgestalt von der Seite auf ihn zustieß.

Meine Zähne rammten sich in seinen Hals und ich spürte das widerliche Blut an meinem Maul tropfen.
Er winselte – ich hatte die Richtige Stelle seines Lebens getroffen – aber ich ließ nicht locker.

Mit einem Schwall von Kraft ließ ich ihn los, nur um meine Zähne erneut an seinen Körper zu heften und ihn dann mit Schwung, noch ehe er mich von sich stoßen konnte, in hohem Bogen durch die Luft direkt vor einen Baum zu schleudern.

Das Gehölz knackte wegen seinem Gewicht und ich glaubte auch seine Knochen zerbersten zu hören.
Kampfbereit folgte ich dem am Boden liegenden schwarzen Wolf, der mir nun deutlich geschwächter entgegenblickte.

Jetzt sah er wirklich, was in mir steckte. Und er erkannte, dass ich nicht das kleine Mädchen war. Ich war jemand, den man viel zu früh unterschätzte.

»Ergebe dich oder stirb!«, murmelte ich und baute mich vor ihm auf.
Mein Wolf knurrte.
Aber ich war nicht gleich der Gestalt am Boden. Ich tötete nicht aus Lust.
Er sollte eine Wahl der Gnade haben. Aber anscheinend wollte er die gar nicht.

Mit einem spitzbübischen Grinsen, rekelte er sich auf seine zittrigen Beine und formte seine Augen zu Schlitzen. Damit hatte ich wohl meine Antwort.

Mit einem gefährlichen Laut stürzte ich mich auf ihn, wich seinen ausholenden Krallen aus und trotz dessen, dass er nach mir trat und kratze und sich einige Male in meiner Haut versenkte, haute ich meinen Kopf und mein gesamtes Körpergewicht gegen seinen Kopf, dass dieser mit einem fiesen Laut gegen den Baum schlug und endgültig zu Grunde ging.
Der Baumstamm zerbrach unter meiner Kraft und ich konnte sehen, wie sich die Augen meines Feindes leblos verdrehten und er schlaff in sich zusammensackte.

Die Ruhe trat innerhalb von Sekunden ein.
Außer meinem gehetzten Atem und den keuchenden Versuchen nach genügend Luft für all die Energie in mir zu finden, war kein Mucks mehr in den Wäldern zu hören.

Ich entspannte mich.
Der schwarze Wolf, der reglos an dem zerbrochenen Baumstamm lehnte, war im Anblick die reinste Genugtuung. Er würde niemals wieder schlechtes tun.

Seine schwarze Seele hatte sich überhoben und jetzt war sie ein für alle Mal zerbrochen.

Das war für meine Brüder, du Arschloch!

Ich schnaubte. Dann wandte ich meinen Blick von meinem Feind und entspannte mich.
Dieser Kampf hatte verdammt gut getan und ich fühlte mich, als hätte ich endlich all meinen Frust einmal ausschlagen können.

Ich fühlte mich verdammt gut!

Mit meiner Wolfsseite endlich vereint sah ich mir die Umgebung an. Ich konnte jede einzelne Schneeflocke sehen, die Rinde des Baumes. Es war leicht sich auf die Pfoten zu bewegen und als ich mich konzentrierte und meine Augen schloss, um mein Gehör zu testen, ertönten tatsächlich Worte Stimmen in meinem Kopf, die mir die tiefsten Wünsche der Personen meiner Umgebung zuriefen.

Hunger.
Durst.
Frieden.
Zuhause.

Ich hörte sie alle durcheinander rufen. Es war unglaublich. Ich war wirklich eine Seelenleserin!

»M-Magny ...«

Ich riss meinen Kopf herum, als jemand fassungslos meinen Namen in die kühle Luft hauchte. Die wörtliche Stimme riss mich von der Konzentration der nonverbalen Stimmen los und ich konnte sie verdrängen, um meine unmittelbare Umgebung wahrzunehmen.

Das ganze Rudel hatte sich einige Meter entfernt versammelt. Sie hatten jeden gelandeten Biss mit angesehen und starrten mich nun mit riesigen Augen an.

Ich hatte einen Alpha getötet.
Ich hatte das Unmögliche getan und einen Alpha erledigt.

Scheinbar schien das niemand recht glauben zu wollen.
Am wenigsten noch Hail oder Asher. Sie waren mit Abstand am blassesten um die Nasenspitze und ihr Innerstes weinte, weil sie solche Angst um mich gehabt hatten.

Ich war beinahe verunsichert, als niemand nach minutenlanger Totenstille ein Wort herausbrachte.
Aber dann irgendwann schien sich zumindest das Alphapaar aus der Menge zu trauen.

Lächelnd sahen mir Irina und Grant entgegen und senkten dann voller Ehrfurcht ihre Körper vor mir.
Sie brachten mir ihren größten Respekt und mit ihnen folgte jedes hinter ihnen stehende Wesen.
Sie alle zeigten mir ihren Dank und verneigten sich vor mir.

Ich sah sie aus Wolfsaugen an. An Ash blieb mein Blick hängen. Er sah mich anerkennend an und ich konnte in seinen Augen eine Träne sehen. Sie war auch aus zehn Meter Entfernung blitzscharf.

Ich löste mich aus meiner Starre und trippelte an den Rand der Menge wo meine Lieblingsmenschen standen und mich stolz ansahen.
Sie hatten so lange darauf gewartet, dass wir zu dritt die Berge hinaufjagten und nun war ich endlich kein Sonderling mehr.

Ich war endlich ich.

Als Wolf war ich um einiges größer als in meiner Menschengestalt.
Ich konnte meinen Brüdern direkt ins Gesicht sehen und als sie keine Worte fanden, stieß ich so etwas wie ein Lachen aus und leckte ihnen dann quer über das Gesicht.

Wenn sie sich verwandelt hatten, hatten sie das oft bei mir gemacht um mich zu ärgern. Es war absolut widerlich, aber für einen Wolf ganz natürlich. Sie lachten angeekelt, als sie meinen Sabber auf den Wangen kleben hatten. Aber jetzt waren sie endlich aus ihrer Starre aufgelöst.

Gelächter drang durch die Menge und all die verspürte Angst verpuffte in der Luft.

Die Gefahr war vorbei.
Uns konnte niemals wieder jemand etwas anhaben.
Wir waren alle gerettet.

»Maggy, du Schwein!«, kicherte Asher, als ich auch seine Träne aus seinem Gesicht leckte und ihn dann stürmisch jaulend zu Boden riss. Ich hatte sein Lachen schrecklich vermisst.

Endlich habe ich euch wieder.

Ich schmiegte mich zufrieden an ihn und Hail, der begann durch mein Fell zu streichen.
»Du bist wunderschön als Wolf!«, flüsterte er an mein Ohr und ich jauchzte.

Sie waren wieder bei mir.
Bei uns!, korrigierte mich eine Stimme im Kopf und ich konnte sie endlich zuordnen.
Meine innere Wölfin war erwacht.

Nach einer langen Gruppenumarmung löste ich mich schließlich von meinen Brüdern.
Wir konnten von nun an bis an unser Lebensende kuscheln, aber bevor das geschah, musste ich noch einige Dinge mit ihnen klären und sie in vollste Sicherheit bringen.

Ich wandte mich vom Rudel ab und bedeutete allen dann mir zurück zum Höhleneingang zu folgen.
Ich lief eilig voraus und hob meinen Rucksack aus dem Schnee, ehe ich hinter einen Baum huschte und mich zurückverwandelte.

Ich dankte mir selbst, für den Pullover, den ich eingepackt hatte, bevor ich aufgebrochen war.
Durch meine Verwandlung war meine Kleidung nämlich zerrissen und nicht mehr zu gebrauchen.

Ich schlüpfte in den viel zu großen Stoff, ehe ich mich mit leicht verschwitzter Statur zurück auf die Lichtung traute und mich vor das Rudel stellte.

Nun sahen wir uns von Angesicht zu Angesicht.

»Wir sind dir zu ewigem Dank verpflichtet, Magny! Du hast uns alle gerettet.«

Alpha Grant sah mich voller Stolz an und mit ihm das gesamte Rudel. Sie alle lächelten mich dankbar an und ich verquoll beinahe in ihrer Liebe.

Nach den Tagen des Schmerzes und der Angst und Bange zu sterben, waren sie nun alle gerettet.

»Liebes Rudel!«, der Alpha trat neben mich und sah auf seine Schützlinge nieder.
Vor Wochen noch wäre ich hyperventiliert und eingeschüchtert gewesen ihm so nahe zu sein. Heute blieb ich standhaft neben ihm stehen und hörte ihm zu.
Ich war eine Luna und ich hatte dieser Welt gezeigt, was das zu bedeuten hatte.

»Dunkle Tagen liegen hinter uns. Wir haben in einem schwarzen Krieg tapfere Kämpfer an den Tod verloren, haben härteste Folter ertragen müssen und unsere Siedlung verloren. Ich kann nicht ermessen, wie viel Leid wir ertragen haben. Aber ich bin stolz auf jeden Einzelnen von euch, der auch diese Tage überstanden hat.
Ich bin euch zu Dank und Stolz verpflichtet und nachdem ihr so viel für mich und uns alle ertragen habt, werde ich von nun an dafür kämpfen, dass sich diese Tage niemals wieder wiederholen werden.
Ich weiß noch nicht wie, aber die Mondgöttin hat uns eine zweite Chance für dieses Leben gegeben und von nun an wollen wir Frieden finden und dieses Leben auskosten.
Ich schwöre bei meinem Leben, dass ihr kein Leid mehr zu ertragen habt. Ich werde ein neues Zuhause für uns alle finden und dann wollen wir ewige Ruhe haben.«

Er war ein guter Alpha.
Er war schon lange auf dieser Erde.
Er kannte jeden einzelnen von uns und jeder einzelne von uns war es auch, der sich auf eine ganz besondere Weise zu ihm verbunden fühlte.
Wir waren eine große Familie.
Wir gehörten zusammen.
Und seine Worte bedeuteten jedem von uns eine Menge.
Wir wollten Ruhe finden.

Ich zuckte zusammen, als die Wachen am Boden plötzlich sich zu rekeln begannen.

Die Zeit läuft uns davon! Scheiße!, schrie meine Wölfin. Und sie hatte recht. Denn die Zeit war um. Die feindlichen Wölfe würden erwachen uns selbst wenn sie sich an nichts mehr erinnern konnten, so würden sie nach Rache für ihren toten Alpha lechzen. Wir mussten schleunigst aufbrechen.

»Wir müssen von hier verschwinden!«, brachte ich hervor, griff nach einer der Flaschen in meinem Rucksack und sprühte den Wachen einen erneuten Schwall Schlaf ins Gesicht. Sie sackten zurück, aber es war nicht auszuschließen, dass ein anderer Wolf nicht jeden Moment ebenfalls erwachte.

Ich sah in die Runde und dann zu Alpha Grant der mich zunickte. Sie würden mir folgen.

»Lasst uns aufbrechen. Ich werde euch alles erklären und eure Fragen beantworten, sobald wir aus diesem feindlichen Gebiet verschwunden sind.
In der Stadt wird uns niemand etwas anhaben können und dann können wir in Richtung Zukunft denken.
Ich habe für alle unsere Probleme eine Lösung, das verspreche ich. Folgt mir!«

Ich griff nach meinem Rucksack, holte Flaschen mit Wasser und einige Lebensmittel und Decken hervor. Ich reichte die Dinge in die Runde, ehe ich losging und uns aus dem Wald in Richtung Zivilisation zog.

Unter Menschen würde es niemand wagen, uns anzugreifen. In einem der Hotels in Kensville wären wir in Sicherheit und konnten uns um die Wunden und die Müdigkeit kümmern.

Die Gesichter um mich herum waren fahl und krank und geschwächt. Fast jeder hatte tiefe Augenringe, trug zerlumpte Kleidung und konnte sich nur mit
Mühe auf den Beinen halten.

Ich wusste, es war Erleichterung, die sie alle auf den Füßen hielt und nach zwei Stunden Fußweg unversehrt in Kensville ankommen ließ.

»Ich schlage vor, wir ruhen uns in einem Hotel aus«, erklärte ich dem Alpha als wir die Stadt passierten.
Gilbert und ich hatten uns auch über diesen potentiellen Schlafplatz Gedanken gemacht. Ganz am Eingang der Stadt gab es ein Hotel mit passablen Preisen für so viele belegte Betten.

»Wir haben kein Geld, Magny. Wir müssen uns anderswo ausruhen.«

Ich schüttelte den Kopf.

»Ich habe genug Geld. Macht Euch darüber keine Gedanken!«, offenbarte ich dem Alpha und lächelte ihn aufmunternd an.
Er konnte seine Erleichterung darüber nicht leugnen. Ein Bett klang um Meilen besser, als der Waldboden.

Es war später Nachmittag, als ich das Hotel am Stadtrand betrat und die Dame am Empfang nach einer Herberge für knapp fünfzig Menschen fragte.
Sie riss die Augen bei dieser Zahl sehr weit auf, aber sonderlich belegt erschien mir die Herberge nicht und das war sie auch nicht.
Ich bekam problemlos die gewünschte Anzahl an Betten und das für eine unbegrenzte Zeit.

Mit den Zimmerkarten lief ich zurück nach draußen und beriet mich mit Alpha Grant.

»Ich schlage vor, dass ihr euch ausruht und ich in die Stadt losziehe und für Medikamente und frische Kleidung sorge.«

»Nein, Magny, du hast schon zu viel für uns getan«, widersprach er mir ohne dabei zu wissen, dass das keine Frage sondern ein Befehl gewesen war.

»Es tut mir leid, Alpha. Aber das war kein Kompromiss. Ich habe noch viel zu wenig getan. Findet Euch damit ab, dass Ihr die nächsten Tage auf meine Kosten lebt. Ihr habt eine Menge verpasst.«

Wann war ich so selbstbewusst und geschäftlich geworden?
Ich redete voller Diplomatie und ich fühlte mich stark.

Alpha Grant begann belustigt zu grinsen. Er umarmte mich.

»Ich sehe schon, Kücken. Du hast uns eine Menge zu erzählen. Na, schön. Ich kann dich sowieso nicht aufhalten.
Ich kann dir nur danken.«

Ich erwiderte sein väterliche Umarmung, ehe ich mich löste und zu ihm aufsah.

»Ruht Euch aus. Ich kümmere mich um den Rest.«

Er nickte und griff dann nach dem Stapel Zimmerkarten in meiner Hand.

»Bis später. Und dann möchte ich alles wissen!«

Wir sahen uns grinsend in die Augen. Dann wandte ich mich ab.

»Ja, bis später.«

Damit machte ich mich alleine auf den Weg. Meine treuen Wölfe hatte ich streng auf ein Zimmer verwiesen.

Mir würde schon nichts passieren.

——————————

Naaaa?
Da ist unsere Magny wohl endlich zu einem Wolf geworden.
Was haltet ihr von Alpha Grant?
Habt ihr Lieblingscharaktere in diesem Buch?
Es würde mich brennend interessieren.

Liebe Grüße ♥️

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