K A P I T E L ♥️ 28
•MAGNY•
»Maybe our love was not built to ever be happy.
Maybe we were born to break.
Maybe our story has to end here.
Maybe our ways change
here.
Maybe we have to go on now. Maybe alone.
Maybe we will meet again. Maybe not.
Maybe our love will never end.
Maybe it will.
Maybe, maybe, maybe.
Es war nicht schwer für mich an den aufgestellten Wachen entlangzukommen. Jeder von ihnen fiel in einen traumlosen Schlaf und sank zu meinen Füßen, bevor er mich hätte aufhalten können. Das Mondscheinkraut wirkte einwandfrei.
Aber ich wusste nicht, wie lange die Dosis anhielt und ich meine potentiellen Beschützer der Kälte aussetzte. Genau darum zerrte ich sie aus dem Schnee ins Wohnzimmer unseres Hauses, ehe ich sie reglos liegen ließ, die Haustür hinter mir schloss und meinem Leben hier vorläufig den Rücken kehrte.
Als ich zu laufen anfing, stach mir ein Schmerz durch die Brust. Die Distanz zu Nate machte mich todunglücklich, aber ich wusste, dass ich mich auf etwas Anderes zu konzentrieren hatte und das alles im Leben seinen Lauf zu nehmen hatte.
Nate ging es gut hier.
Sobald ich fort war würde es Personen geben, die für mich auf ihn acht gaben und ihn ablenkten. Ihm würde nichts zustoßen, solange ich nur weit und schnell genug von ihm weg war.
Dass ich nach Parfüm gerochen hatte, kurz bevor er eingeschlafen war, würde er vergessen haben, wenn er erwachte. Er würde nach meinem Geruch suchen und diese Fährte würde es nicht geben.
Und das war auch gut so.
Ich war froh, dass alles reibungslos funktionierte.
Gilberts Auto stand bereits brummend vor dem Wohnhaus seiner Familie und ich konnte mich mit einer letzten Umarmung von Tara verabschieden.
Sie hatte Tränen in den Augen.
»Versprich mir, dass du zurückkommst, Magny! Du bist meine engste Freundin geworden und unsere Luna. Bitte komm zurück!«
Sie schluchzte leise und ich war zutiefst gerührt. Dass ich ihr so wichtig war, hätte ich nie erwartet. Ich drückte sie enger an mich.
»Ich würde dir gerne die Welt versprechen, aber dazu bin ich nicht bemächtigt. Alles, was geschehen wird, liegt in den Händen des Mondes. Von ihm kommt Gnade und von ihm geht sie. Danke, dass du meine beste Freundin bist, Tara. Ich kann dir nicht mein Leben versprechen, aber dafür, dass du niemals alleine sein wirst. Ich weiß langsam, was es heißt, eine Luna zu sein und auch, wenn ich sie nie offiziell geworden bin, seid ihr und das Rudel zum Bestandteil meines Lebens geworden. Ich werde auch als tote Seele an diesen Ort zurückkehren und euch beschützen. Ich liebe euch.«
Diese Worte gingen an Gilbert, an Tara, die vielen heimlichen Kinderaugen an der Haustür und das Rudel, das mich nicht gehört hatte.
Ich hatte hier einen Platz gefunden, den ich nicht gesucht hatte.
Aber mein Herz wusste, dass es hier seine Bestimmung gefunden hatte.
Dieses Rudel war mein Zuhause geworden.
Ob nun für immer oder nur einige Wochen.
»Ich liebe dich auch, Mag'!«
Eine letzte freundschaftliche Umarmung, ein letztes Lächeln in die Runde und Gilbert fuhr los.
Er brachte mich aus der Stadt hinaus und über die Grenzen bis zu dem Straßenschild an dem ich eines Morgens aufgewacht war.
Ab dort begann meine Reise auf zwei Beinen.
Es schien mir endlos wenig Zeit zu vergehen, während Gilbert durch die Nacht kurvte. Auch er war mir in den letzten Wochen ein echter Freund geworden und ein klein wenig erkannte ich die Grundzüge meines Vaters in ihm wieder.
Ich fühlte mich wohl in seiner Nähe. Es war nicht zu beschreiben. Aber es war wunderbar. Und das reichte.
Auch von ihm konnte ich mich knapp anderthalb Stunden später nur schwer verabschieden. Der Kloß in meinem Hals war riesig und noch dazu nahm mir jeder Meter Abstand zu Nate die Luft zum Atmen.
»Ich weiß, dass wir uns wiedersehen, Magny!«, durchbrach er die Stille irgendwann und sah mich mit einem wissenden Lächeln an.
Wie kannst du dir dabei nur so sicher sein?
»Ich sehe es in deinen Augen. Sie spiegeln dein Herz. Und wer mit dem Herzen kämpft, wird niemals verlieren.«
Ich war gerührt.
Bis ins Mark.
Und er gab mir Hoffnung und Mut.
Alles, um mich besser fühlen zu lassen.
»Zeig es der Welt, Magny! Zeig uns allen, wer die Luna des Bloodmoon-Packs ist!«
»Das werde ich. Bis bald, Gilbert.«
***
Der Fußmarsch nach Kensville kostete mich den gesamten Freitag. Stundenlang hielt ich mich an die Straßenschilder und eine zerfledderte Karte, die Gilbert gefunden hatte.
Wir hatten uns lange über die Lage der gesuchten Höhle unterhalten, hatten Bücher durchwälzt um die Identität des Rudels und ihre Eigenheiten zu kennen.
Das gesuchte Rudel konnte nicht sonderlich groß sein. Sonst hätte es niemals einen Krieg gegen uns Wölfe aus dem Norden errichtet.
Die gesamte Gefangenschaft meiner Leute diente dem Zweck von Machtgewinn.
Hier wollte sich jemand Wölfe willenlos unter den Nagel reißen und mit ihnen in den Krieg ziehen, um noch mehr Gebiete zu erobern. Ich hoffte, dass sich noch niemand ergeben oder die Seite gewechselt hatte.
Zu Anfang der Reise glaubte ich, Schmerzen und Angst zu verspüren.
Mit jedem Meter, den ich meinem Ziel näher kam, verspürte ich allerdings das Gegenteil. Entschlossenheit baute sich in meinem Körper auf und gleichzeitig waren meine Gefühle wie auf Glatteis gelegt.
Ich fühlte mich taub und strotzig zugleich. Dazu kam meine Wut.
Man versuchte meine Familie zu versklaven. Man beraubte Kinder und Familien ihrer Freiheit und verstümmelte ihre Unschuld.
Ich war sogar mehr als wütend und das machte mir meine Reise leichter.
Ich vergaß Nate für eine Weile, vergaß die Sorgen, die er sich vielleicht machte. Vergaß alles.
Ich konzentrierte mich nur auf meinen Weg und das Ziel, das diese Aktion ein Erfolg werden würde.
Ich war sicher.
Ich war selbstsicher.
Ich würde nicht scheitern.
Denn Gilbert hatte recht.
Ich kämpfte für eine gute Sache.
Ich kämpfte für mich selbst.
Ich kämpfte um das Leben eines ganzen Rudels.
Ich kämpfte für meine Familie.
Ich kämpfte für das Leben meines Gefährten.
Der Mond stand auf meiner Seite.
Ich fühlte es.
Ich spürte seine Kraft.
Sie breitete sich in Spannungen in mir auf, staute sich, weil ich sie nicht frei ließ. Ich musste nur einen tiefen Atemzug machen und sie würde explodieren.
Ich würde nicht scheitern.
Das war ich oft genug.
Es war Zeit Dinge richtig zu machen.
Er war an der Zeit Fehler zu beheben.
Und das hier war der erste Schritt.
***
Ich erreichte die gesuchte Höhle in den Morgenstunden des Samstags und Gilbert hatte recht behalten.
Der Geruch von fremden Wölfen hing widerlich dick in der Luft und tarnte sogar das schreckliche Parfüm an meinem Körper.
Die Höhle lag oberhalb der Stadt, tief in den Wäldern.
Der Ort war tarntechnisch hervorragend, denn so hochgelegen traute sich keine Menschenseele hierher.
Ich wusste nicht, wann ich die Grenzen überschritten hatte und sie mich witterten.
Aber lange Zeit und mit dem Aufgang der Sonne geschah nichts.
Ich bewegte mich langsam, hatte meine Ohren gespitzt und hielt die Sprühflaschen griffbereit in meiner Nähe.
Es war erstaunlich ruhig.
Aber ich roch verschwommene Fährten von Wölfen. Sie waren nicht weit von mir entfernt.
Aber sie waren dumm.
Mich beschlich das Gefühl ihrer Selbstsicherheit. Sie rechneten nicht mit mir.
Sie glaubten, sie hätten damals das gesamte Rudel mitgenommen oder ausgeschaltet.
Es war lächerlich unklug seine Grenzen nicht bewachen zu lassen.
Aber für mich war es von Vorteil.
Ohne Umschweife erreichte ich die Höhle und hielt mich verdeckt hinter einem Johannisbeerstrauch einige Meter vom Eingang der Höhle entfernt.
Nach dem Dauerlauf von einem ganzen Tag und wenig Schlaf legte ich mich hier auf die Lauer.
Ich musste sicher gehen, dass mich niemand in eine Falle innerhalb der Höhle appellierte. Außerdem war das freie Schlachtfeld mir zu verdächtig.
Irgendwo mussten sich meine Gegner verstecken. Dass sie schliefen oder zu einer Besprechung zusammengekommen waren, hielt ich für unmöglich. Sie waren Wölfe. Sie konnten sich mühelos über ihre Gedanken unterhalten, wenn sie verwandelt waren und man ließ niemals seine Grenzen unbewacht.
Ich analysierte meine Umgebung um den schneebedeckten Wald.
Hier oben, tief in den Bergen war kein Tier weit und breit.
Der Wind rauschte durch die Bäume und wehte eine Brise der Schneedecke auf.
Ich wurde mit jeder Sekunde der Totenstille skeptischer.
Wo waren die Wachen?
Ich witterte meine Brüder. Sie waren in der Nähe.
Aber sie konnten nicht alleine sein.
Als sich nach einiger Zeit nichts rührte, wagte ich einen Schritt aus meinem Versteck und huschte näher an die Höhle heran, in der ich meine Brüder zu finden glaubte.
An der Felswand angelangt schob ich mich vorsichtig in die Nähe des Felsspaltes der ins Innere des Gesteins führte.
Wenige Meter davon entfernt, hörte ich endlich Schritte und Stimmen. Zwei Männer diskutierten angeregt und laut miteinander. Ich verstand sie überdeutlich, aber sehen konnte ich sie nicht.
»Ich schwöre dir, es riecht hier nach einem Menschen!«
»Du bist absolut behindert, Paul! Hier oben sind keine Menschen und selbst wenn, sie würden niemals hereinkommen.«
Ich hielt die Luft an.
Man hatte mich also doch bemerkt und kaufte mir tatsächlich die Nummer mit dem Menschengeruch ab. Darum war mir bisher niemand einen Meter zu nahe gekommen.
Die Unsichtbarkeit der Streithähne blieb mir trotzdem unklar. Ich hörte ihre Stimmen kaum zwei Meter entfernt. Aber um den Eingang herum stand niemand.
Ein Kraftfeld!, flüsterte es plötzlich in meinem Kopf.
Es ist ein Kraftfeld. Sie stehen dahinter. Der Eingang ist eine Projektion!
Die Stimme klang mir seltsam vertraut und durchlief mich wie ein heißes Getränk, ehe sie sich um mich legte und mit meinem Körper verschmolz. Ich konnte das Gefühl nicht beschreiben, aber alles in mir begann mit einem Mal zu kribbeln und die aufgestaute Spannung der Kraft durchlief mich in Wellen.
Ich ließ sie trotzdem nicht los.
Ich musste mich konzentrieren und wenn die Stimme recht behielt, dann die beiden Streithähne aus ihrem Versteck locken.
Sie mussten das Feld auflösen.
Wie ein Kurzschluss im Gehirn sprang ich aus der Versenkung der Felswand direkt einige Meter vor den Eingang der Höhle.
Die Stimmen verstummten augenblicklich und auch, wenn ich sie nicht sehen konnte, so wusste ich, dass sie mich ansahen.
Aus der Nähe sah ich, dass die Stimme recht hatte.
Das Bild des Eingangs flackerte. Es war eine Projektion, die jegliche Sicht hinter den eigentlichen Felswänden versteckt hielt.
So konnten meine Gegner unbemerkt in ihren Wolfsgestalten bleiben, ohne sich vor Unbekannten verwandeln zu müssen.
Es war gut geplant.
»Ich weiß, dass ihr dahinter seid. Ich sehe euch, Wölfe!«, sagte ich mit fester Stimme.
Ein Schwall der Sicherheit überlief mich.
Die Stimmen begannen zu diskutieren, doch ich sah selbstsicher ins Nichts. Sie waren nicht die hellsten Köpfe. Wieder zu meinem Glück.
»Und ratet mal, wer ich bin. Ich bin die Tochter von Luna und Alpha des Vollmond-Packs und ich weiß, dass ihr meine Familie versteckt haltet!«
Das war eine Lüge. Alpha und Luna meines Rudels hatten keine Kinder. Sie hatten nie welche bekommen können. Aber das wusste ja niemand und als Druckmittel war ich ideal.
Auf der anderen Seite blieb es ruhig, aber ich wusste, dass ich sie an der Angel hatte.
Niemand außerhalb des Geschehens konnte von der Gefangenschaft wissen und für einen Menschen verhielt ich mich falsch.
»Ich erwarte, dass ihr sie freigebt! Ihr lächerlich kleinen Hunde! Habt Angst vor einem Mädchen? Kommt raus und kämpft wie echte Männer, ihr Streuner!«
Damit hatte ich sie.
Grollend knurrte es hinter der Oberfläche und fast gleichzeitig sprangen zwei braune Wölfe durch das zerspringende Kraftfeld.
Ich wich zwei Meter zurück bis sie mir nahe genug waren, dann sprühte ich blitzschnell in die Richtung meiner Angreifer und hielt sie in Sekundenschnelle in ihrem Angriff auf.
Machtlos und kraftlos sackten meine Angreifer auf den Boden und verschafften mir freie Bahn ins Innere der Höhle.
Dummheit, hallte es in meinem Kopf wieder und ich musste schmunzeln. Diese Stimme sprach mir aus der Seele. Aber ich würde mich später mit ihr auseinandersetzen.
Jetzt lief nämlich die Zeit.
Bedacht und mit einer Wäscheklammer auf der Nase betrat ich die Höhle.
Die Gase des Krautes durften auf keinen Fall von den falschen Personen eingeatmet werden. Genau darum hatte ich Asher und Hail gewarnt. Ich hoffte, sie hatten mich ernst genommen.
Mit bedachten Schritten schlängelte ich mich an den Höhlenwänden entlang. Schon nach wenigen Metern ähnelten die Wände dem Zustand derer in meinen Träumen. Es tropfte von der Decke und ein modriger Geruch umhüllte das Gemäuer.
Ich hörte erneute Stimmen. Sie kamen am ersten Abzweig von rechts und ich musste mich erschrocken zurückziehen, als ich um die Ecke direkt in zwei rote Augen starrte.
»Da ist jemand!«, hallte es durch die Höhlenwände und jetzt war ich aufgeflogen.
Die Schritte wurden lauter, sie hetzten auf mich zu. Aber ich wich nicht zurück. Ich hielt nur die Parfümflasche griffbereit und sprühte aus Instinkt heraus in der richtigen Sekunde in das Gesicht meiner Angreifer.
Der Arm des Mannes mit den roten Augen, der nach mir packen wollte, sackte leblos mit dem Rest des Körpers zusammen.
Ich atmete ein wenig erschrocken aus.
Aber es blieb keine Zeit sich Gedanken zu machen.
Mit festen Schritten überstieg ich meine zweiten Angreifer und lief in die Richtung aus der sie gekommen waren.
Das nun auch alle anderen von mir wussten, war mir klar.
In jeder Sekunde konnte der gesamte Rest des Rudels mir auflauern. So laut hatten die roten Augen nach mir geschrien.
Ich nahm mein Tempo ein wenig schneller, blieb aber immer wieder zum Lauschen stehen.
Schritte und Stimmen wirrten von überall her zu mir. Sie kamen mir plötzlich verstärkt vor. Als hätte mein Gehör sich von Sekunde zu Sekunde verbessert.
Weiter!, hetzte mein neuer Begleiter und zog mich nach links. Meine Füße gehorchten der Stimme. Sie rannten tiefer in die Höhle, rannten tiefer dem Blut- und Gammelgeruch hinterher und sprühten an der nächsten Ecke eine Reihe Wachen aus dem Weg.
Ich spürte mein Herz wild klopfen. Es hetzte auf eine impulsive Art und Weise. Ich hatte selten so viel Adrenalin in meinen Gliedern gespürt, aber mir ging es gut. Ich fühlte mich sehr gut!
»Magny?«
Ein Windhauch von Stimme riss mich aus meinen stolzen Gedanken und ich schrak einen Schritt zurück, als ich einer verrosteten Gittertür näher kam.
Es war dunkel.
Aber ich konnte hervorragend durch die engen Gitterstäbe sehen und erkennen, was sich dahinter befand.
In Ketten gelegt und auf zerfetzten Decken gebettet lagen Frauen und Kinder eng beieinander gehäuft und versuchten sich die Glieder zu wärmen.
Ich war schockiert von diesem Anblick. Er gefror mir das Blut in den Adern.
Denn sie alle sahen schrecklich aus.
Frauen und Kinder waren bis aufs Mark abgemagert.
Mit blutigen Händen und aufgeschürfter Haut lagen sie in Lachen der Schwäche.
Ich erkannte jeden von ihnen. Glückliche Kinder, die ich einst betreut und durch den Schnee hatte toben sehen.
Aus all ihren Augen war das Lebenlicht erloschen.
Sie waren zerstört worden.
Das hatten sie nie verdient.
»Ja, ich bin es«, flüsterte ich und streckte meine Hand durch die Metallstäbe zu Katyl, die meinen Namen gerufen hatte. Sie war jahrelang meine Nachbarin gewesen. Sie hatte Hail und Asher über meine Frauenprobleme aufgeklärt. Sie war wie eine Großmutter für mich.
Aber jetzt sah sie anders aus.
Aus der einstig so gepflegten und fröhlichen Frau, war ein dürrer Körper mit stumpfen Haaren und vielen Falten geworden. Ihre sonst so glücklichverzogenen Lippen, waren traurig zusammengezogen.
Ihr Anblick zerbrach mir das Herz innerhalb von Sekunden ein zweites Mal.
»Magny!«, hauchte sie wiederholt und löcherte mich mit erstaunten Augen, in die langsam das Leben zurückkehrte. Auch die anderen waren jetzt auf mich aufmerksam geworden.
Als sei ich ein Geist starrten mich die Überbleibsel meines Rudels an und schienen nicht recht zu wissen, ob sie erleichtert oder weiter Angst haben mussten.
Ich sah an der Tür herunter.
Ein dickes Schloss versperrte die Freiheit.
»Wo sind die Schlüssel?«, fragte ich leise und sah an den Wänden um mich. Leider hing nirgendwo ein Schlüsselbund.
»Er trägt sie um seinen Hals«, flüsterte Katyl ehrfürchtig und begann zu zittern, als sie auf den Mann am Boden deutete.
Sie hatte Angst.
Sie alle hatten Angst.
Was hatte man ihnen nur angetan?
Schluckend und wütend auf all das Leid, das unschuldige Menschen hatten ertragen müssen, riss ich an der Kette der schlafenden Wache einige Meter entfernt.
Das ich sie nicht umbrachte, schien mir mit einem Mal doch viel zu einfach.
Als sich der Anhänger löste, hielt ich tatsächlich ein Schlüsselbund in der Hand.
Erleichtert atmete ich auf.
»Hört mir zu. Ich weiß, ihr habt Angst. Aber ich verspreche euch, dass ihr ohne Strapazen hier herauskommen werdet.
Öffnet eure Ketten und helft euch aus diesem Raum. Dann begebt euch zum Ausgang. Aber atmet niemals tief die Luft! Haltet euch unbedingt die Nasen zu! Sollte euch ein Wolf in den Weg kommen, sprüht ihm einfach das hier ins Gesicht.
Er wird euch nichts mehr antun können. Ich bitte euch, habt keine Angst. Ich werde die Männer befreien und wir treffen uns am Ausgang der Höhle.«
Es war eine lange Rede auf kurze Zeit und man schien unsicher und betreten.
Ich schmiss die Schlüssel und eine Flasche des Krautes durch das Gitter.
»Die Zeit rennt uns davon. Ihr schafft das!«
Ich sah bekräftigend in die Runde, dann schnappte ich mir selbst von meinem Nachschub und rannte weiter.
Meine Schritte eilten an den Wänden der Höhle wieder. Aber mein Plan lief besser als einwandfrei.
Ich sprühte durch die Gänge und wo ich auch hinkam, niemand konnte sich der Dämpfe entziehen.
Es war beinahe zu einfach, als ich endlich auch am zweiten Gefängnis ankam und die Wachen ausschaltete.
Hier schien man schon auf mich gewartet zu haben.
Ich blickte in schwache, aber kämpfende Gesichter, als ich die Tür aufschloss und die erste Kette zu öffnen begann.
Meine Brüder hatten sich meiner Worte angenommen. Streng hielt sich jeder Anhänger meines zerstörten Rudels die Nase zu und umfasste mit erleichtertem
Blick seine befreiten Glieder, als das Eisen und Metall sich endlich von ihnen lösten.
Die Männer sahen schlimm zugerichtet aus.
Beim Anblick meiner Brüder drehte sich mir der Magen um, aber ich musste mir eine dicke Umarmung und Tränen für später aufheben.
Eilig schloss ich die Ketten auf und half den verwunderten Männern, die solange für meine eigene Sicherheit gesorgt hatten, auf die Beine.
Sie waren tief verletzt.
Sie waren gefoltert worden und die Striemen und Wunden an ihren Körpern waren so oft aufgerissen, dass sie sich jetzt schwer taten beim Verheilen.
Ich wusste, dass von dem einstigen Rudel, das sich voller Stolz mein Zuhause genannt hatte, nur noch Scherben übrig geblieben waren.
Niemand von diesen Menschen konnte jemals an den Ort zurück, an dem die Hölle erst begonnen hatte.
Es gab Feuer, die konnte man niemals wieder löschen.
Ich sah es in ihrer aller Augen, als wir mit angehaltener Luft durch die Gänge sprinteten und innerhalb von Sekunden aus der Höhle gehetzt kamen.
Als ich sie an der frischen Luft beobachtete, wie sie sich im Kreis drehten und in der Freiheit suhlten.
Als sie nach all den Wochen endlich wieder Tageslicht sahen.
Als sie einander in die Arme nahmen und sich gegenseitig stützten, während ihre verletzten Körper wie tropfende Leichen schlapp zusammensackten.
Als sie zu weinen begannen.
Als sie zaghaft zu lächeln begannen.
Als sie alle endlich gerettet im Wäldchen vor dem Höhleneingang standen und fassungslos um sich sahen, als wären sie zum ersten Mal auf der Erde.
Diese Wochen hatten sie zugerichtet. Sie hatten verloren, eingesteckt, gebangt, getrauert und noch mehr verloren.
Unser Zuhause gab es nicht mehr.
Und unser Zuhause würde es nie wieder geben.
Dieses Kapitel war abgeschlossen und mit dicken Schlössern voller Schmerz versehen.
Das Lebenslicht war aus den Menschen gewichen.
Trotz der Rettung sahen sie sich nicht in Sicherheit.
Sie waren todängstlich, von schlimmen Bildern geprägt, für ihr Leben gebrandmarkt.
Der Schmerz von Sehnsucht war im Vergleich zum Schmerz von Schmerzen harmlos.
Menschen, die mir sonst immer fröhlich begegnet waren, fielen weinend in den Schnee oder in die Arme ihrer Seelenverwandten.
Keiner von ihnen prägte sich auf pure Freude. Vielmehr Erleichterung und Hoffnung – unter dick verpacktem Gestein.
Mir fielen Tränen aus den Augen, als ich meinen Blick schweifen ließ. Wie grausam konnten andere Lebewesen sein? Wie zerstörerisch, eigennützig und schlecht?
Ich sah missbilligend an die Wachen vom Anfang, die im Tiefschlaf auf dem Boden lagen. Ich hoffte für sie, dass sie vergessen hatten zu atmen, wenn sie ihre Augen wieder öffneten.
»Baby!«
Trotz ihrer tiefen Wunden und der vernarbten Haut, standen Hail und Asher standhaft auf ihren Beinen und liefen durch das Gemänge auf mich zu.
Nach dem Adrenalinkick dieser gepflückten Rettungsaktion kam ich erst jetzt dazu, sie richtig wahrzunehmen und mich daran zu gewöhnen, dass sie jetzt wirklich wieder da waren.
Mit aufjauchzendem Herzen lief ich ihnen entgegen und in eine Umarmung reißen, die mir so unendlich vertraut war.
Niemand hielt mich in seinen Armen wie diese Männer.
Die Erleichterung und die Sehnsucht nach ihrem Duft und ihrer Nähe stieg wie eine Rauchwolke in die Luft.
Ich hatte sie töricht vermisst.
Meine Brüder. Mein Leben.
Endlich waren sie wieder bei mir. Und das von jetzt an für immer.
Ich ließ sie mir nicht mehr wegnehmen.
Niemanden dieser Wölfe.
»Wir hatten solche Angst um dich«, nuschelte Hail an meine Halsbeuge und zog mich trotz der Schmerzen ein wenig in die Höhe. Ich war eine Feder in ihren Armen.
»Wir dachten, wir hätten dich verloren«, ergänzte Asher erstickt flüsternd und ich sah meine Tränen auch in ihren Augen glitzern.
Oh, meine Wölfe!
»Ihr werdet mich niemals-«, setzte ich an, doch meine Worte blieben unter tiefem Geknurre und Gebrüll erstickt.
Wie aus dem Nichts schoss aus der Versenkung der Höhle plötzlich ein tiefschwarzer, riesiger Wolf und grollte mit übermenschlich tiefen, bestialischen Lauten über die Menge.
Wie erstarrt schreckten wir vor dem Monster zurück, das seine Krallen ausgefahren hatte und uns mit feurigen Augen mordlüstig anstarrte.
Kinder und Frauen begannen zu weinen. Gefährten versuchten einander zu schützen, aber niemand meiner Leute war auch nur in der Lage es mit dieser Bestie aufzunehmen.
Sie waren viel zu schwach.
Und dieser riesige Wolf war niemand geringeres als der Alpha persönlich.
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Oh, oh ...
Ich bin nicht ganz zufrieden mit diesem Kapitel, aber ich werde es zu einem anderen Zeitpunkt überarbeiten.
Was glaubt ihr, wie es weitergeht?
Ich hoffe, es geht euch gut und wünsche euch noch ein schönes Wochenende (bzw. einigen von euch schöne Osterferien)
Bis bald.
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