K A P I T E L ♥️ 16


•MAGNY•

»My atoms
love
your atoms
it's chemistry«

[Atticus]

»Wird das hier jetzt ein Klischee und du führst mich zu deinem Lieblingsort?«
»Wieso sollte das ein Klischee sein?«
»Ich bitte dich. In jedem Buch bringt der Typ seine zukünftige Braut zu seinem Lieblingsort, der – Oh, wie seltsam! – meist irgendein See oder Wasserfall oder was weiß ich ist, den natürlich nur er kennt und wo er immer hingeht, um nachzudenken.
Und dann stellt sich heraus, dass der kühle Bad Boy tief im Inneren doch ein kleines Cute Baby ist und weil das so lieblich ist, weil sie ihn geändert hat, leben sie glücklich bis an ihr Lebensende.«

Ich fand diese Geschichten absurd. Sie routinierten sich einfach zu häufig.
Es gab gar nicht so viele Seen und Wasserfälle auf dieser Erde, damit jeder angebliche Bad Boy seine Freundin dorthin führen konnte.
Außerdem musste man sich der Realität bewusst werden.
Welcher Mensch hatte denn wirklich einen Ort mitten in der Walachei an den er immer fuhr, wenn er wieder Scheiße gebaut hatte?

Ich verkroch mich bei Problemen am liebsten unter der Bettdecke.
Das Rauschen eines Wasserfalls würde mich in meiner Trauer und Enttäuschung schrecklich nerven und in der Dunkelheit vom bösen Wolf gefressen zu werden, fand ich auch nicht optimal.

»Du klingst abgeneigt von diesen ach so magischen Orten, an denen alle Welt sich Heiratsanträge macht. Findest du das nicht romantisch?«, fragte mich Nate grinsend und stieß ein ziemlich mädchenhaftes Seufzen aus.

Ich kicherte.

»Doch, das ist total romantisch! Ich wünschte ja, dass du auch rein zufällig einen solchen Ort hast, an den du gehst, wenn du einen klaren Kopf brauchst.«
Meine Stimme triefte vor Ironie. Nate zwinkerte mir zu.

»Zufälligerweise kenne ich einen solchen Ort. Und weil ich natürlich auch einen ganz, ganz, ganz weichen Kern habe und ihn dir zeigen will, damit du all meine Probleme ebenfalls zu lieben beginnst, bringe ich dich dorthin.«

Ich verstellte meine Stimme und sprach ein paar Oktaven höher.
»Nichts wünsche ich mir mehr!«
Wir grinsten einander an, dann aber wurde Nates Blick eine Spur ernster.

»Der Weg ist kein Katzensprung. Ich müsste ...«

Er schien unbehaglich.
Ich grinste innerlich. War ihm etwa unangenehm auszusprechen, dass er sich gleich in eine augenscheinlich riesige Bestie verwandeln würde?

Er war wirklich ein ulkiger Kauz.
Ich war doch auch ein Wolf.
Also ... fast.

»Du müsstest dich in einen Wolf, der eigentlich ein ganz süßer Welpe ist, verwandeln? Ist es das?«

Ich hob amüsiert eine Augenbraue, weil sich seine Wangen ein wenig rot verfärbten.

Ach nein!

»Nate, ich habe keine Angst und dir muss das nicht unangenehm sein. Meine Eltern waren auch Wölfe. Ich weiß, was mit dir passiert, wie die Verwandlung geschieht und welche Folgen sie hat. Du kannst also ruhig aussprechen, was Sache ist.«

Ich habe zwei Brüder! Ich weiß, dass du theoretisch nackt bist!

Er sah mich aufmerksam an.
Einen Moment schien er in Trance. Dann besann er sich mit einem sanften Lächeln.

»Ich müsste mich ausziehen und verwandeln und du müsstest auf meinen Rücken steigen und dich nicht erschrecken.«

Ich nickte.
Kein Problem.

»Dann los.«

Ich drehte mich weg von ihm und hielt mir die Augen zu.
Man musste ja nicht gleich übertreiben.
Er stieß einen amüsierten Seufzer aus und tat, was er geplant hatte.
Ich hörte den Reißverschluss seiner Jacke aufgehen und das Kleidungsstück mit den anderen zu Boden fallen, ehe mich mit einem Mal ein Schauer überfiel, der nicht einem üblichen Windhauch entsprach.

Dieser Schauer ging mir unter die Haut. Er kränzte sich wie eine Blumenranke um mein Herz und ich spüre förmlich, wie es aufflammte und etwas völlig Neuem Platz machte.
Ich war wie verzaubert.
Ohne Kontrolle drehte ich mich um und sah zu der Gestalt eines pechschwarzen Wolfes, der nur an den Ohren und Fußknöcheln weiße Spuren in seinem langem Fell aufwies.

Ich war hypnotisiert.
Noch nie war mir ein so großer und so schöner Wolf gegenübergestanden.
Er sah unglaublich aus.
Mächtig.
Stolz.
Respektvoll.
Für mich aber auch unglaublich liebevoll und anziehend.

Nates Augen durchbohrten mich. Sie waren so blau, wie auch in seiner Menschengestalt.
Und verdammt ich liebte sie.

Er war zögerlich.
Ich spürte das.
Er wollte mich nicht erschrecken oder mir einen Grund geben abgeneigt von ihm zu sein.
Seine Sorgen waren unbegründet.
Denn ich war zutiefst eingenommen von seiner Schönheit, als das ich hätte verhindern können, wie meine Beine auf ihn zuschritten und sich mit meinem Körper an seine Brust lehnten.

»Du bist wunderschön.«

Ich fuhr mit meinen Fingern durch sein tiefes, dickes Fell und schmunzelte, als er deswegen zufrieden zu brummen begann.

So wie Asher und Hail ...

Mir war danach zu weinen.
Und gleichzeitig war ich so fasziniert und bewundert, dass meine Augen trocken blieben.

Die Zeit blieb still.
Es gab nur Nate und mich.
Er war warm. Unglaublich, kuschelig warm.
Und ich wollte ihn nicht loslassen. Selbst, wenn das absolut gegen meine Grundsätze schlug.

Mir war egal, was folglich geschehen würde.
Der Moment behielt ihn und mich.

Er ließ sich nach einer Weile auf den Boden sinken und machte es mir damit leichter mich abzustützen und auf seinen Rücken zu klettern.

Ich fühlte mich geborgen.
Es war wie ein Instinkt, der mir versicherte, dass mir bei Nate nichts geschehen konnte.
Sein Herz pochte unter mir und ich beobachtete seine aufmerksamen Ohren, als er sich langsam in Bewegung setzte.
Ich brauchte mich nicht an ihm festhalten.
Ich wusste, wie man Balance hielt und außerdem würde ich niemals von seinem Rücken fallen. Es gab Dinge, die wusste ich, würde er niemals zulassen.

Da war es egal, ob ich ihn zu Tode nervte oder verletzte oder verabscheute.
Wir gehörten zusammen.
Wir litten bitter unter Abstand.
Und ich nahm damit einiges auf mich, wenn ich Nate verließ.
Aber manche Opfer mussten gebracht werden.
Auch, wenn man selbst das Opfer war.

Ich ließ mich auf den Bauch sinken und kuschelte mich an die Wärme, die von Nathaniel's Körper ausging.
Er rannte mittlerweile in riesigen Schritten durch den verschneiten und eisigen Wald und preschte elegant an Bäumen und Büschen vorbei.

Ich verlor meinen Blick nach einigen Minuten an den vorbeifliegenden Objekten und schloss meine Augen.
Das Tempo und die eingespielten Bewegungen wogen mich nach und nach in einen sachten Schlaf aus dem ich erst gerissen wurde, als ich plötzlich in die Luft geworfen und mich nach einem erschreckten Aufschrei, wieder aufgefangen in Nathaniels Menschenarmen befand.
Er grinste schief, als ich mich trotz seiner Nacktheit verschlafen und verängstigt an seinen Hals klammerte und erst nach einigen Sekunden verstand, dass er mich bloß abgeworfen hatte, um sich zu verwandeln und mich in seinen Armen zu halten.

»Guten Morgen, Engelchen«, säuselte er amüsiert und hauchte mir einen Kuss auf die Wange, ehe ich mich aus seinen warmen und stark definierten Armen rekelte und mir die Augen zuhielt.

»Zieh dir etwas an, Adam.«

Er lachte leise.

»Wie Sie wünschen, Eva.«

»Wo ist denn jetzt dieser tolle See von dem du nie genug bekommen kannst? Ich möchte mich geehrt fühlen, als erste deiner Eroberungen hier zu sein.«
Ich zog eine Grimasse und sah, den mittlerweile wieder angezogenen, Nathaniel mit sarkastischem Blick entgegen.

Er lächelte, aber das Wort ›Eroberung‹ schien ihm zu missfallen.
Heute aber hatte ich aus Provokation gefragt. Er sollte reagieren, wie er reagierte.

»Du, mein lieber Engel, bist nicht die Erste, sondern die Einzige, die ich jemals hierherbringen werde. Und du bist auch keine Eroberung, sondern ein Geschenk.«

»Jetzt hast du mich zu einem Objekt gemacht«, schmollte ich ironisch weiter und kniff Nate empört in die Wange.
Er rollte die Augen.
Dann küsste er meine, mit seiner verschränkten, Hand.

»Entschuldige, meine Königin

Er zwinkerte und zerstörte den Moment.
Ich entriss ihm meine Hand.

»Wir stehen im Nirgendwo«, lenkte ich das Gespräch in eine andere Richtung.
Außer einem Berg von Schnee und einigen Bäumen, die sich aus der zugeschneiten Umgebung heraushoben, konnte ich weit und breit nichts spektakuläres festmachen.

»Du siehst nicht genau hin«, murmelte Nate und stand plötzlich hinter mir.
Er legte seinen Kopf von hinten auf meine Schulter und, Wange an Wange, lenkte er meinen Blick zwischen den Bäumen her in die nahe Ferne.

»Das Blood-Moon Territorium ist riesig.
Nach Norden zieht es sich Kilometer lang.
Die Häuser des Rudels wurden im Tal gebaut.
Von dort sind es nur zehn Minuten mit dem Auto, um in die Stadt zu kommen.
Wir allerdings sind an den nördlichsten Grenzen.
Fünfhundert Meter und wir beide stehen in einem feindlichen Gebiet.«

»Und was wollen wir hier? Unsere Nachbarn besuchen?«

Ich war ein wenig beunruhigt.
Ein Fehltritt und wir würden mit Sicherheit gejagt werden.
Es gab Dinge, bei denen fanden auch die friedlichsten Wölfe keinen Spaß.

Wäre Nate nicht mein Mate gewesen und hätte mir geholfen, wäre ich vor einer Woche auch ohne Weiteres hingerichtet worden.
So war das in unseren Kreisen. Die Regeln waren strikt.

»Schließ die Augen!«

Ich hob eine Augenbraue und sah ihn fragend an.

»Vertrau mir, Engel. Es wird dir gefallen«, raunte er an mein Ohr und lachte über mein scheues Zurückweichen.
»Du bist wirklich etwas Besonderes«, lachte er rau in die Stille und griff dann nach meiner Hand, um mein blindes Ich zu führen.

Ich hörte den Schnee knarzen. Wir liefen einige Meter und schlängelten uns durch das Labyrinth von Bäumen, bis sich der Boden irgendwie härtete und glatter wurde.
Regentropfen fielen auf meinen Kopf und ich öffnete verwirrt ein Auge nur um dann staunend auch noch das zweite zu heben.

Wow.

Wir standen in einer vollkommen zugeisten Höhle, die sich glasig und endlos zierte und von Eiskristallen nur so glitzerte und funkelte.
Sie ragten aus den Decken und Wänden, glitzerten und glänzten von allen Seiten auf mich nieder und fingen die Farben des Regenbogens in ihren Formen auf.

Ich hielt fasziniert die Luft an, verstand, warum es plötzlich regnete und lächelte deswegen.
Dieser Ort war wunderschön.
Und ein verdammtes Klischee.

Ich grinste dämlich.

»Eigentlich ist das hier eine ganz normale Tropfsteinhöhle. Aber im Winter ist es so kalt, dass sich die Eiskristalle die Wände und Decken entlangschlängeln und alles mit sich reißen.

Nate schob mich mit einer Hand an meinem Rücken noch ein Stückchen tiefer ins Höhleninnere.
Die verschiedensten Farben spiegelten sich auf meiner Haut und den Haaren wieder und ich drehte mich lächelnd im Kreis, um die Lichter wie bei einer Discokugel an den Wänden entlanggleiten zu lassen.

»Ich komme nicht dem Klischee nach und gehe hier her, um meine Seele baumeln zu lassen. Ich komme hier nur auf Patrouillen vorbei und halte Ausschau nach Wild, dass sich manchmal in diesen Räumen niederlegt.«

Ich konnte Nate nur mit einem Ohr zuhören.
Es tat mir leid, aber ich war so fasziniert von den spitzen Eiszapfen und dem glasklaren Eis, auf dessen Oberfläche sich blumenförmige Muster zeichneten. Es war wunderschön.

»Das hier ist besser, als jedes Klischee, auch wenn du unser Kommen zu einem machst.«
»Du gibst also zu, dass ich meine zukünftige Braut hierhergeführt habe?«
Nate hob amüsiert eine Augenbraue und sah von der Seite zu mir.

Innerlich schrie mein Herz nach einem JA! und auch meine Glieder und Gefühle, lachten erfreut bei diesem Gedanken aus.
Nur mein Kopf sträubte sich und bewahrte Klarheit.
Das würde niemals geschehen.

»Nein. Ich gebe niemals etwas zu.«

Er grinste, wusste wahrscheinlich, dass meine kühle Miene einbruchgefährdet war.
Scheiße ...

Ja, scheiße, als Nate mich am Arm zurückhielt weiterzugehen und mich stattdessen einen Schritt zurück an seine Brust stolpern ließ. Ich hielt mich verschreckt an seinem Pullover fest, um nicht auf den Boden zu fallen.
Nate's Hände umfassten meine Taille und so standen wir Nase an Nase aneinander gepresst. Ich sah mit großen Augen zu ihm auf.

Unsere Augen spielten ein wildes Spiel miteinander.
Und ich versank, ohne mich dagegen wehren zu können.
Mir war warm. Meine Haut stand in Flammen. Alles reagierte und beobachtete Nathaniel.

»Das brauchst du auch gar nicht. Deine Augen sprechen tausend Bände.«

Und damit lagen seine Lippen ...

auf meiner Nase.

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