K A P I T E L ♥️ 11


•NATHANIEL•

»Es ist Liebe, wenn du gewollt bist zu morden und es dennoch nicht tust, weil es ein Herz brechen würde.

Ein Herz, das so wichtig ist, dass du es nicht aushalten könntest, wenn es nur einen Kratzer bekäme.

Und darum hälst du die Luft an, nickst dem bösen Spiel nur zu und nimmst es hin.

Hin, dass niemand leidet, nur du selbst.
Liebe ist Selbstmord.«

Magny, Magny, Magny!
Sie sah aus wie ein Engel.
War auf dem Sofa eingeschlafen und träumte lautlos, als ich durch die Haustür schneite und meine Stiefel von den Füßen streifte.
Ihre Lippen zierte ein Lächeln.
Friedlich.
Selig.

Mein Engel.

Ich trat näher an sie heran.
Sie trug meinen Pullover.
Einen weißen Pullover, der ihr bis über die Oberschenkel reichte.
Sie sah fabelhaft aus.
Und ich hoffte, sie wusste das.
Wusste, wie wunderschön sie war.
Wie wunderschön ich sie fand.
Wie zauberhaft sie war.
Wie verzaubert ich von ihr war.

Die Zeit stand still, während ich sie lächelnd beim Schlafen beobachtete. Aber so schnell wie mein Lächeln gekommen war, zerbrach es wieder.

Ihr Gesicht lag auf keinem Kissen. Und ihre Hände krallten sich nicht an den Stoff meines Pullovers.
Nein, sie kuschelte mit diesem Fetzen von Pullover. Mit diesem widerlichen Gestank!

Ich spürte die Eifersucht in mir aufkochen.
Und ich konnte mich nicht wehren, so sehr verletzte es mich, sie damit anzusehen.

Welcher Mann war es, der sie beanspruchte?
Liebte sie ihn?
War er das, was sie von mir fernhielt?
Liebte sie jemanden mehr, als mich, der doch dazu bestimmt war, zu ihr zu gehören?

Wieso, Engelchen, gehörst du nicht zu mir?

Es brannte höllisch, zu wissen, dass sie vermutlich niemals zu mir gehören würde.
Sie wollte es nicht.
Und sie sah nicht das, was ich sah. Fühlte nicht wie ich.

Sie war so ahnungslos.

Wann immer sie den Raum verließ, begann mein Herz zu schmerzen.
Wenn sie nicht lächelte, zerbrach es.
Und wenn sie weinte, dann begann es zu brennen.

Sie ermordete mich, wenn sie litt.
Und sie brachte mir denn Himmel zu Erden, wenn sie es nicht tat.
Wenn sie glücklich war.

Ich steckte in einer widerlichen Zwickmühle.
Denn so sehr ich diesen Geruch und die Person, der er gehörte, auch hasste. Ebenso sehr konnte ich ihn nicht zerstören.
Weil er ihr wichtig war.
Weil sie ihn liebte.

Und Dinge, die sie glücklich machten, waren es, die auch mich von Freude füllten.
Weil sie dann lächelte.
Weil sie dann leuchtende Augen bekam.
Weil sie mein Herz besaß. Und es nur dann nicht bluten ließ.

Es war schrecklich schwer, sie so zu sehen.
Aber irgendetwas ließ mich ihren Anblick ertragen.

Vielleicht die Tatsache, dass, egal wer es am Ende war, für den sie sich entschied, sie immer würde strahlen lassen.

Ich hoffte, dieser Mann wusste, dass er sie niemals verdient hatte.
Denn Magnys Vollkommenheit verdiente niemand.
Sie war unbezahlbar kostbar.

Ich setzte mich neben sie auf die Couchlehne.
Seufzend streichelte ich ihre weiche Haut. Berührte mit dem Finger ihre Lippen und fühlte ihre Stirn.
Das Fieber war verschwunden.

Und mit ihm seit einigen Tagen auch die letzte Schwäche, die ihren Körper besessen hatte.
Ich war froh, dass sie wieder zu Kräften gekommen war.
Erst gestern hatte ich den Rudelarzt herbestellt, um sie zu untersuchen.

Sie hatte mich beruhigen wollen und behauptet, das müsse alles nicht sein.
Aber ich brauchte auf meine krankhafte Sorge, sie noch einmal in Lebensgefahr zu erleben, die Bestätigung, dass sie aus diesem Zustand heraus war.

Und das war sie glücklicherweise.

Weil das aber so war, bedeutete das auch, dass der erste Verwandlungsprozess jede Sekunde zurückkehren konnte.
Sie war zu schwach gewesen, sich beim ersten Mal zu verwandeln.
Jetzt aber war ihr Körper bereit dafür, ein Werwolf zu werden.

Ich setzte mich zu ihr an die Sofakante.
Wo ich einmal ihre Haut berührte, konnte ich mich nicht mehr davon lösen.
Sie ließ mich wie so oft in einer Starre versinken.
Und ich ertrank in ihrem Anblick.

Wieso nur bist du nicht mein?

Meine Liebe war so sinnlos.
Eine Woche war uns mittlerweile gegeben und ich tat Dinge, die sinnlos waren.
Ich frühstückte mit ihr, lachte mit ihr, war eifersüchtig wegen ihr, ließ sie meine Kleidung tragen, schaute abends einen Film mit ihr, schlief in einem Bett mit ihr.

Und wofür? Weswegen?
Weil ich sie liebte.
Weil ich hoffte.
Und weil ich diese liebe Hoffnung trug, betend, dass sie doch bei mir bleiben würde.

Was hatte dieser andere, was ich nicht hatte?
Wie konnte sie sich überhaupt gegen mich wehren?
Ich hatte Fehler gemacht. Allemal.
Aber ich bereute noch heute.
Und sie konnte nicht so hässlich nachtragend sein.
Was glaubte sie, konnte niemand sonst ihr geben, als ein anderer?
Ich würde ihr alles geben.
Sie besaß doch längst alles, was ich besaß.

Sie hatte mich schon besessen, längst bevor wir einander persönlich begegnet waren.
Von ihr geträumt hatte ich.
Beinahe jede Nacht. Und nur dann hatte ich schlafen können.
Mein verdammtes Haus hatte ich nur für sie gebaut, nur für sie eingerichtet. Weil ich gewusst hatte, was sie wohlfühlen ließ. Weil ich immer gewollt hatte, dass sie hier ein Zuhause fand.
Bei mir.

Und das alles war nicht genug?
Was fehlte denn noch?

Oh, Engel, warum quälst du mich so ...?

Ich wandte mich ab, rannte förmlich in die Küche, als meine Augen wässrig wurden.
Vielleicht hatte die Mondgöttin es so gewollt.
Vielleicht waren wir zwei Sterne dazu bestimmt, an verschiedenen Himmeln zu leuchten.
Aber wie ich ohne sie leuchten und glücklich sein sollte, war mir ein Rätsel.
All die Jahre hatte ich auf sie gewartet, hatte nach ihr suchen lassen, hatte mein Leben dafür aufgegeben, ihr nur einmal wahrhaftig zu begegnen.
Und das war der Dank.
Sie erwiderte meine Liebe nicht.

»Nate?«

Ihre Stimme weckte mich aus meinen traurigen Tagträumen.
Ich stand mit dem Rücken zu ihr. Die Hand krampfhaft um meine Kaffeetasse geschlungen.

Sie war erwacht.
Ich hörte ihre, mittlerweile, so vertrauten Schritte durch den Flur tapsen und im Türrahmen zur Küche innehalten.

»Nate?«

Ich liebte dieses Kürzel.
Aus ihrem Mund.
Und ich liebte auch, dass sie den Pullover auf dem Sofa liegen gelassen hatte.
Und ich weinte trotzdem.

»Bist du schon lange zurück?«

Ich versuchte damit aufzuhören.
Aber sie tat mir so unglaublich weh.
Jede Nacht, wenn sie aufstand und mit diesen Kleidern zurückkam.
Jede Sekunde, die sie sie doch heimlich überzog.
Jede Minute, die sie mich hoffen ließ, dass wir einander inniger lieben würden, als je ein Paar zuvor.

»Nate?«

Ihre kleine Hand berührte meine Schulter.
Und ich brach förmlich zusammen.
Alles in mir sackte zu Boden.
Nur meine äußerliche Fassade stand noch immer erhaben auf den Beinen, rührte in der Kaffeetasse und weinte stumme Tränen.

Sie zwang mich umzudrehen, sie anzusehen.
Ihre Finger ließen mich nicht los. Brannten mir auf der Haut. Und sie ließen das Feuer dort.

Forschend betrachtete sie mich.
Ihre Augen durchforsteten mein Gesicht, meine Augen.
Und während mir das Herz qualvoll stehenblieb, ging ihr ein kleines Licht auf.

Ihr Gesicht verzog sich wehleidig.
Aber sie weinte nicht.
Die Tränen war ich ihr nicht wert.
So ist das also.

»Ich würde gerne weinen. Aber ich weiß, dass ich es nicht verdient habe, schwach zu sein, wo ich doch Auslöser deiner Tränen bin«, sagte sie leise und umfasste mein Gesicht mit ihren kleinen Fingern.

Wusste sie, was geschah, wenn sie mich so berührte?
Spürte sie diese Wärme, dieses Rauschen, diesen Nebel?
Fühlte sie sich betrunken, obwohl sie es nicht war?

Ich war seelisch berauscht, körperlich unfähig mich zu rühren.
Jede Faser meines Geistes lebte für diesen Moment.

»Es tut mir so leid, Nate.
Aber was Sache ist, kann ich dir nicht sagen. Es tut mir einfach nur weh. Und deswegen schweige ich und lasse dich leiden. Ich bin ein schrecklicher Egoist, ich weiß. Darum zwinge ich dich auch nicht, diese Qualen länger zu ertragen. Du musst nicht akzeptieren, dass ich dir Details verschweige, dir etwas vorenthalte, mich schlecht benehme und nicht wertschätze, was für gute Dinge du für mich tust. Du musst mich nicht tolerieren, mich verwöhnen. Ich bin dir dankbar, ungemein, aber nichts wird meine Lippen je so weit öffnen, als das ich mit dir vorzeitig darüber spreche.
Du musst das nicht verstehen.«

Sie senkte ihren Blick.
Zeigte mir ihre Anteilnahme und doch auch, dass meine Hoffnung sinnlos war.
Ich war so ein Narr.
Aber wenn das die Persönlichkeit war, die ich annehmen musste, um ihr nahe zu sein.

Dann ... dann wollte ich ein verdammter Narr sein!

Schniefend zog ich sie in meine Arme.
Schmiegte ihren Körper, der perfekt zu meinem eigenen passte, an mich.
Nahm ihren lieblichen Duft auf, küsste sie federleicht am Hals, hielt sie nahe an meinem Herzen.

Oh, Magny.

Ich war überrascht, als sie meine Umarmung mit einer heftigen Intensität erwiderte.
Ihre Arme klammerten sich förmlich an mich, vergruben sich an meinem Nacken und fuhren nach einer Weile meinen Hals hinauf in meine Haare.

Ich brummte zufrieden.
Denn für den Moment war ich das.
Die Gedanken an andere Männer und ihre Besitztümer an meiner Frau, gerieten in Vergessenheit. Verblassten.

»Lass mich für heute einfach nicht mehr los«, bat ich zerbrechlich. Aber sie nickte. Hatte mich gehört.
Mit Leichtigkeit hob ich sie hoch. Drückte sie an mich. Und sie vergrub ihren Kopf an meiner Halsbeuge. Ließ sich tragen. Schmiegte sich an mich.

Leise wanderte ich die Treppe nach oben.
Kletterte mit ihr ins Bett und warf dann eine Decke über uns.

Es war später Abend.
Ich war von einer Rudelbesprechung heimgekehrt in der ich verkündet hatte, dass unsere zukünftige Luna ihren Weg zu uns gefunden hatte.

Das war es nämlich, wozu Magny berufen war.
Ich glaubte nur, dass sie davon noch keine Ahnung hatte. Ich hatte nie offen behauptet, Alpha dieses Rudels zu sein. Und sie hatte nie den Anschein gemacht, als hätte sie etwas geahnt.

Diese kleine Rudelposition zu offenbaren war dann wohl auch noch eine Aufgabe, die ich zu erledigen hatte.
In den letzten Tagen war mir allerdings vor Eifersucht so manches mal still und heimlich der Kragen geplatzt, weswegen ich ihr noch nichts erzählt hatte.
Ich versuchte dagegen anzukämpfen, wollte nicht, dass sie wieder in Tränen ausbrach.
Aber das war ein Opfer, dass zuletzt auf mich zurückfiel.
Und es raubte mir alle Kraft.

»Ich verstehe langsam, was es bedeutet, seelenverwandt zu sein«, murmelte sie plötzlich neben mir, ihr Gesicht immer noch an mich gelehnt.
»Und was bedeutet es?«
»Dass egal, ob wir innerlich oder äußerlich leiden, wir immer beide durch die Hölle gehen. Hand in Hand.«
Sie fing wieder damit an, mir durch die Haare zu streicheln und führte ihre Finger schließlich durch mein Gesicht.
Ich war ihr auf allen Wegen verfallen.
Es war eine Versuchung sie hier und jetzt zu markieren, sie zu meinem zu machen.

Aber einen Biss würde sie mir niemals – niemals – verzeihen. Schon gar nicht, seitdem ich von ihrem anderen Liebhaber wusste.
Er machte die Sache unglaublich kompliziert.
Denn im Grunde genommen, hinderte er Magny beim Ergreifen ihrer Pflicht.
Wie konnte sie Luna sein, wenn sie sich in den Kopf gesetzt hatte, einen anderen zu lieben?

Ich wusste, dass das nicht untypisch war. Es gab allemal Mates, die getrennt lebten und liebten. Aber doch nicht Magny und ich. Das hatte ich nie gewollt.
Ich war schon immer so verliebt in sie. Und damals war sie nur eine Figur meiner Träume gewesen.
Die bittere Wahrheit fand sich nun, dass meine Liebe einfach nicht genug war. Nicht, wenn sie die ihre einem anderen verschrieb.

Oh, Magny, warum liebst du mich nicht?

»Du bist noch so unerfahren, Engelchen. Seelenverwandtschaft ist für einen Wolf noch so viel mehr.
Es ist ein unzertrennliches Band. Ein Puzzle. Wir Seelen atmen förmlich voneinander.
Es stirbt niemals nur einer.
Es ist sogar so kitschig, wie Jacob es in Twilight sagt.
Man wird nicht mehr von der Erde angezogen, sondern nur noch von ihr, seiner Mate. Und man würde alles für sie tun, alles für sie sein.«
Wie verdammt wahr.
Ich stupste sie müde an und genoss ihr leises Gekicher.
Sie war tatsächlich ein Engel.

»Dann würdest du auch eine Prinzessin für mich sein, wenn ich es wollte? Mit Glitzerkleid und Nagellack?«
»Wenn das dafür nötig wäre, dass du bei mir bleibst.«
»Und würdest du auch in die Rolle einer Katze springen?«
Wir Wölfe konnten die kleinen Tiger bekanntlich weniger gut leiden. Sie schmunzelte mich hämisch an. Aber sie hatte keine Ahnung, was ich alles für sie opfern würde.
»Ich würde mich sogar wie eine behandeln lassen, wenn du nur bei mir wärst.«
Ein verdammter Narr.

»Zum Glück bin ich das, auch ohne Kostüm, Halsband und Fellknäuel.«
Sie gähnte und schloss dann die Augen.
Die Köpfe aneinander gelehnt ließ niemand den anderen los.

»Fragt sich nur, wie lange«, sagte ich bedenkend in die Stille, als sie schon längst eingeschlafen war.

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