K A P I T E L ♥️ 10


»Hört man das Lachen eines Menschen zum ersten Mal und ist fasziniert davon, wie es klingt,
dann ist dieser Mensch etwas Besonderes. Und besondere Dinge sollte man nicht gehen lassen. Sie sind viel zu kostbar.«

»Woher stammt die Idee für dieses Zimmer?«, fragte ich nach dem ausgiebigen – Leckeren! – Frühstück, als wir uns zurück ins Wohnzimmer begaben und dort weiter Konversation hielten.

Die wichtigsten Dinge übereinander waren uns jetzt bekannt und auch, wenn mir die gesamte Lage nicht behagte, konnte ich nicht leugnen, wie verräterisch sich meine Gedanken um Nathaniel sponnen. Mein Herz verfiel ihm, ohne ihn zu kennen und ich glaubte, die Sehnsucht nach ihm würde mit jeder Sekunde stärker.

Es war beinahe so verrückt, dass ich laut auflachen und mich selbst auf dem Friedhof der Clowns begraben wollte.
Meine Stimmung schwankte gefährlich zwischen Nähe und Abstand.
Das hielt niemand aus.

Als ich keine Antwort erhielt, sah ich zu Nate, der sich, mit weniger Abstand als mir lieb war, links von mir niedergelassen hatte.
Unsere Augen trafen aufeinander und es schien, als hätte er mich schon die gesamte Zeit angesehen.

»Die Idee stammt von dir«, verriet er und ein breites Schmunzeln überfiel seine Lippen, als sich mein Gesicht von Verständnislosigkeit überzog.
»Von mir? Wie sollte sie von mir stammen?«
Ich griff nach dem Tee auf dem kleinen Tisch vor meinen Beinen und umklammerte die Tasse, weil mich ein Schauer von Kälte überfiel.
Nate ließ sich Zeit beim Antworten, hielt mir ein Taschentuch hin und fuhr erst fort, als ich es ihm aus der Hand nahm.
Dieser Mann wusste, was es brauchte, um mich gesund zu pflegen. Als könne er meine Gedanken lesen.
Gruselig.

»Ich habe dich schon oft gesehen. Verschwommen und nie so wunderschön, wie du wirklich aussiehst, aber ich habe dich in meinen Träumen bei mir gehabt.
Zu wissen, dass du existierst und mich nachts aufsuchst, hat mir das Warten leichter gemacht. Aber erst jetzt, wo ich dich auch wahrhaftig bei mir habe, kann ich behaupten, dass ich glücklich bin.«
»Und in deinen Träumen habe ich dir gesagt, dass du das Wohnzimmer umgestalten sollst?«
Ich kicherte. Das war absurd und lustig zugleich, vor allem, weil er mir anscheinend gehorcht hatte.
Er schüttelte von meinem Kichern angesteckt den Kopf.
»Nein, Engelchen, in diesem Traum, hast du das Zimmer so eingerichtet, wie es jetzt ist. Du hast eine Schwäche, für niedliche Dinge und Sachen, die von Herzen kommen, und weil ich das wusste, bevor ich dich kannte, habe ich das Haus nach dir gerichtet. Ich wollte, dass du dich wohl fühlst.«
Er schien sich nicht dafür zu schämen, mir derartige Komplimente zu machen.
Mich in Verlegenheit zu bringen, war wohl genau die Art, die er zu reden bevorzugte.
Er umwarb mich, beinahe schleimend, und irgendwie fand ich es lustig. Vielleicht gerade, weil es gar nicht nötig war.

»Hast du es dir bei deinen Worten nicht selbst unmöglich gemacht, dass ich dich lieben könnte?«, fragte ich provozierend und trank brav einen Schluck von meinem
Tee.
Er hob eine Augenbraue.
»Wie soll ich das verstehen? Glaub mir, Engel, du wirst dich Hals über Kopf in mich verlieben.«
Wie selbstverliebt, dieser Kerl. Er würde sich noch wundern. Auch, wenn er vielleicht, ganz eventuell, recht behielt.

»Du hast es selbst gesagt. Ich habe eine Schwäche für niedliche und süße Dinge. Du bist weder das eine noch das andere. Wie soll ich dann anfangen, dich zu mögen?«
Ich wandte meinen Blick ab und hob meine Nase einen Zentimeter höher.
Sein knitterndes Gesicht entging mir trotzdem nicht.

»Findest du mich etwa nicht süß?«
»Ich finde Schokoladeneis süß, Nathaniel.«
»Oder niedlich?«
Ich bekam das Gefühl, dass er sich darüber lustig machte.
Er sprach jedenfalls nicht enttäuscht über meine Feststellung. Leider.
»Katzenbabys sind niedlich. Deine Chance, dass ich dir und nicht irgendeinem anderen Mann verfalle, steht also eins zu ein paar Milliarden.«
Damit hatte ich ihn.
Denn erfahrungsgemäß ließen Männer sich niemals dazu nieder mit einer Frau, die sie zu beeindrucken versuchten, über andere Männer zu sprechen. Ich wollte mich nicht darauf festsetzen, dass Nate genau das beabsichtigte, aber er schien dennoch aufgebracht.
Ein leises Knurren erklang von seiner Seite des Sofas und schon kurz darauf spürte ich seine Nähe Millimeter von mir entfernt.
Andere Männer waren es also, die sein Ego zertrampelten.

Na, das war doch ein Anfang.

»Du wirst niemals einen Mann lieben, der nicht ich bin!
Kein anderer Mann wird je mit dir ausgehen, mit dir tanzen, dich küssen oder dich gar ... berühren. Er unterschreibt sein Todesurteil, wenn er dich nur aus der Ferne begehrt, Engel. Lass dir das gesagt sein.«
Mich überfiel eine eigenartige Gänsehaut, als seine sprühenden Worte an mein Ohr schlugen und er gleich darauf meinen Hals mit kleinen Küssen übersäte.
Mir blieb alle Luft weg und ich musste ihn von mir stoßen, um nicht in einem Wirbelsturm von Hingerissenheit zu zerreißen.
Wieso war dieses Leben auch so verdammt kompliziert?
Wieso konnte ich es nicht einfach genießen, jemandem nahe zu sein, der bestimmt war, mir treu und lieb zu bleiben?
Wieso quälte man mich mit der Liebe zu meinem Blut und mit dem Band von mehr als Wasser?
Wieso?

»Das werden wir ja noch sehen. Und ... wer weiß, vielleicht liebe ich schon andere Männer.«
Ich schmunzelte. Natürlich liebte ich keine anderen Männer, die grundsätzlich nicht meine Familie waren.
Dass konnte Nate natürlich nicht wissen. Genau darum reagierte er gehässig auf diese Antwort.

Besitzergreifend umfasste er meine Taille und zog mich auf sich, während er sich in die Ecke des Sofas zurückbequemte.
Nun lag ich mit dem Kopf auf seiner Brust und meinen Beinen zwischen seinen.
Die Hitze schlug mir ins Gesicht, weil wir uns so nahe waren. Sein Herzschlag war laut und rauschend und ein aufgeregter Vergleich zu meinem eigenen.

Was passierte hier?

»Weißt du, mein Engel, ich versuche wirklich, dir mehr Raum zu geben, als ich eigentlich will. Aber mit solch provozierenden Kommentaren machst du es mir wirklich schwer. Selbst, wenn du mich nur nerven möchtest.«
Ich grinste ihn an und legte meinen Kinn auf seiner Brust ab, um ihn ansehen zu können.

Kleine Strähnen waren in sein Gesicht gefallen, seine Augen glitzerten und musterten mich intensiv.
Er war so nahe.
Und seine Lippen ...

Untersteh dich!

Ich biss mir auf die Unterlippe.
Die Versuchung überrollte meinen Körper mit der gleichen Intensität, wie auch mein Harm, der mich wild dazu aufforderte aufzustehen und wegzurennen.
Weg von der Wärme.
Geborgenheit.
Vielleicht sogar Liebe.

»Es kann ja auch nicht immer alles leicht sein«, murmelte ich und kämpfte innerlich mit meinen Augen, um sie von diesen roten, sündhaften, Lippen zu lösen.
Eine kleine Weile grinsten wir uns spitz an.
Auge in Auge.
Meine Hände auf seinen Schultern. Seine an meiner Taille.

Der Moment war schön.
Unsere Herzen beruhigten sich langsam. Wir waren beide hypnotisiert von einander.
Es war ein unglaubliches Gefühl, das uns durchlebte.
Neu.
Aufregend.
Einzigartig.
Innig.

Aber es machte mir auch Angst.
Angst mit jeder Sekunde, die ich merkte, dass wir uns näher kamen.
Mit jeder Sekunde, die wir uns kennenlernten, anlachten, triezten und berührten.
Mit jeder Sekunde, die ich auf der Couch versauerte.

»Ich ... ich sollte duschen gehen«, stotterte ich mit Einsicht und stemmte mich an seinem muskulösen Oberkörper hoch.
Seine Hände ließen nur widerwillig von mir los.
Irgendwie benommen blieb ich noch einen Moment stehen, ehe ich verwirrt von ihm abließ und die Treppe hinaufrannte.

Ganz. Schnell. Weg.

Als ich das Badezimmer gefunden hatte und endlich unter dem heißen Wasser stand, taute ich wieder aus der Benommenheit auf.
Mit geschlossenen Augen massierte ich das gefundene Shampoo in meine Haare und wusch mir all die Erschöpfung, Schwäche und Kränklichkeit von der Haut.
Es ging mir deutlich besser, als ich nach einer halben Stunde das Wasser abstellte und in ein Handtuch gewickelt das Bad verließ.

Bei meiner schnellen Flucht hatte ich vergessen, meinen Rucksack zu suchen. Das fiel mir ein, als ich im Flur innehielt und keinen Ort wusste, an dem ich mich umziehen konnte.
»Nate?«
Es war komisch seinen Namen in den Mund zu nehmen.
Naja, seinen Spitznamen.
Aber ich musste ihn nicht zweimal rufen, so schnell standen seine lodernden, irgendwie dunkler gewordenen Augen, vor mir.

Ich fühlte mich nicht komisch unter seinem Blick.
Nicht einmal unbehaglich.
Irgendwie war es mehr, dass ich mich zu begehrt fühlte.
Seine Augen waren größer geworden und ich sah ihn schlucken, obwohl das Handtuch mich wie ein Kleid bedeckte und nur meine Schultern und Beine etwas Haut zeigten.

»Du hast keine Ahnung, was dein Körper und diese sündhafte Unschuld mit mir machen«, brummte er leise und versuchte sichtlich mit seinem Anstand zu kämpfen.
Ich lachte leise auf.

Männer ...

»Ich wollte dich eigentlich nur fragen, wo mein Rucksack ist. Ich ... habe nichts zum Anziehen.«

Er sah aus, als wäre die Tatsache kein Problem für ihn. Dann aber rührte er sich, besann sich, und ging an mir vorbei ins Schlafzimmer.
Auf der stückverzierten Kommode fand sich mein Rucksack, den er nahm und mit zum Bett trug.

Ich wollte ihn selbst öffnen, da zog er den Reißverschluss schon auf und hielt inne.
Seine Miene dunkelte sich und er rümpfte die Nase.
Schneller als ich reagieren konnte, zog er die großen Pullover aus der Tasche und hielt sie in die Luft.

Es waren offensichtlich nicht meine. Sie waren viel zu groß und trugen nicht meinen Geruch. Er war ein Werwolf. Er wusste, dass sie nicht zu mir gehörten.

»Wessen Pullover sind das?«
Ich schluckte bei seiner dunklen, bedrohlichen Stimme.
»Ich ... es ... es sind meine!«
Was hätte ich sonst sagen sollen? Im Grunde genommen waren es meine. Das waren sie allerdings nicht immer.
»Für so dumm willst du mich also verkaufen, Magny? Oh, ich bitte dich!«
Er sah verächtlich zu mir hinüber und trat dann einen bedrohlichen Schritt auf mich zu. Von der eben noch mit Spaß und Unbeschwertheit gefüllten Luft, war nichts mehr zu spüren.
Ich war erschrocken.
Seine Augen sahen jetzt gefährlich aus und er knurrte, je länger er den Pullover vor sich hielt.

»Ich frage dich einmal und du solltest es nicht provozieren und mich zwingen zu wiederholen, was jetzt über meine Lippen kommt.
Welchem Bastard gehören diese Pullover und welches Recht hat er, dass du in ihnen schläfst?«
Er funkelte böse und drückte mich gegen die Wand.
Ich war angsterschrocken, so autoritär und grimmig war er mit einem Mal.

Ich hatte recht gehabt.
Bei fremden Männern verstand er keinen verdorbenen Spaß. Kein liebender Wolf sah gerne einen anderen Mann in der Nähe seiner Mate. Das ging einen großen Schritt zu weit. Und ich steckte in diesen Fußstapfen fest.

Vor lauter Entsetzen war ich gar nicht fähig seine Frage sinnhaft aufzunehmen. Und schon gar nicht war ich fähig vor lauter zittern zu antworten.
Seine Arme stützten links und rechts von mir.
Mein Rücken drückte sich so weit es ging an die geschlossene Tür.

Er schien von meiner Stille noch erzürnter und schlug mit einem Mal wutentbrannt gegen die Wand.
Er war kaum zu beherrschen und das war es, was mich erschrocken los weinen ließ.
Stumme Tränen fielen mir aus den Augen und ich wimmerte leise.

»Wer, Engelchen? Wer ist es?«

Er atmete tief ein, ballte die Hände zu Fäusten, schlug aber nicht mehr.
Ich hatte ungeheuere Angst.

»Niemand«, wimmerte ich und bekam ruckartig seine Aufmerksamkeit.
Beinahe von Sinnen verwandelt, starrte er mit offenem Mund auf mein verweintes Gesicht.
Und die Reue schien ihn zu überfluten.

In Zeitlupe und als sei ich aus Glas, dass er bloß nicht kaputt machen wollte, hob er die Hand und fing eine meiner Tränen mit dem Finger. Fassungslos starrte er sie an.

»Es ... Es tut mir leid«, stotterte er und ließ seine Hände fallen.
Das war der Moment, den ich nutze, um von ihm loszukommen.
Stürmend raste ich an ihm vorbei, riss die Pullover an mich und drückte sie an meine Brust.

Mit glasigen Augen verfolgte ich jede seiner Regungen.

»Bitte, hab keine Angst vor mir«, flüsterte er leise und sah verzweifelt zu mir.
Er sah plötzlich so reuend aus, dass ich gar nicht dazu kam, weiter große Angst zu haben.
Ich sah es in seinen Augen.
Mir würde er niemals etwas antun.
Da war ich sicher.

Ich schüttelte den Kopf.
»Ich habe keine Angst.«
Aber er sollte Angst bekommen ...
»Aber du solltest sie haben, wenn du es wagst einen dieser Pullover zu zerstören. Ich ... Und ... Sie, sie sind mir wichtig«, stammelte ich brüchig und starrte flehend in sein Gesicht.
Konnte er nicht sehen, dass ich nicht die Kraft hatte, ihm alles zu erklären?
Sah er nicht, was ich wollte, aber einfach nicht schaffte?

Doch er schien es zu sehen.
Denn urplötzlich nickte er langsam. Ganz langsam. Aber immerhin.

»Okay.«
Okay.
Erleichtert atmete ich aus.
»Aber du wirst sie nicht tragen«, fügte er hinzu und kramte aus dem Kleiderschrank einen eigenen Pullover.

»Ich kann dich nicht in den Fängen eines anderen sehen, Engel

Okay.

Ich nickte einverstanden.
Solange er versprach sie mir nicht wegzunehmen.

»Du wirst sie nicht weg tun, verstecken, verbrennen oder waschen?«
Ein bisschen Skepsis musste sein.
»Ich verspreche es. Sie bleiben jeder Zeit bei dir. Nur ... nur tragen ...
Ich will nicht, dass du nach jemand anderem riechst.«

Er zog mich sanft in seine Arme, schloß seine Hände um meinen Rücken und vergrub sein Gesicht zwischen Hals und Schulter.
Ich entspannte mich augenblicklich in seiner Nähe.

Auch, wenn das vielleicht ein Fehler ist.

Die Auseinandersetzung war sofort wieder vergessen.
»Danke«, flüsterte ich.
Er trug für einen Seelenverwandten und eifersüchtigen Wolf, eine Menge Fassung und Verständnis.

Ich war in einem Rudel aufgewachsen.
Einen Kompromiss wie diesen, hätten nicht einmal die Hälfte der Mates akzeptiert, die ich im Laufe des Lebens kennengelernt hatte. Wir Wölfe waren bei diesem Thema sehr ... eigen.

»Werde ich dich an diesen Duft verlieren?«

Seine Stimme war nur ein gebrochener Hauch an meinem Ohr.
Er klang weinerlich.
Und das machte mich traurig.
Ebenso traurig wie mich auch die Tatsache machte, dass ich diese Frage nicht verneinen konnte.

Denn letztendlich wollte ich ihn genau deswegen verlassen.

Alles andere war Verrat.
Hochverrat unter den Augen meiner eigenen Brüder.

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