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Wasch Hund? Echt jetzt?

„Dir auch einen guten Morgen! Ja, ich habe sehr gut geschlafen. Danke der Nachfrage! Und selbst? Nein, es macht mir nichts aus, dass Hund und ich dreckig sind bis auf die Haut. Ich will mich aber gar nicht erst umziehen, weil ich nass und voller Erde bin!", maulte ich vor mich hin.

Sauer drehte ich Dawson den Rücken zu. „Komm Ferkel. Wir gehen dich waschen. Na los! Komm schon!"

„Nicht immer reden, Riley. Klare Befehle. Was anderes versteht er nicht. Und jetzt beeil dich. Wir haben nicht ewig Zeit", gab Dawson ziemlich grob von sich.

Ohne Worte. Wirklich. Ich war einen kurzen Moment völlig ohne Worte. Und ich hatte noch in etwa so viel Geduld wie Hund saubere Haare am Körper, zusammengefasst bedeutete das in etwa gar keine. Tief atmete ich durch. Dann noch einmal. Nur half das nichts.

„Klare Befehle, Dawson?", fragte ich äußerlich ruhig und als er nickte, explodierte ich. „FICK DICH DOCH, DU BLÖDES ARSCHLOCH!" Damit war ich seinem Anspruch nach weniger „um den heißen Brei reden" gerecht geworden, fand ich, und hatte ihn zu unser beider Überraschung dabei ziemlich überrumpelt. Die Riley, von der er sich vor zwei Jahren getrennt hatte, wäre im Leben nicht auf die Idee gekommen solche Ausdrücke zu verwenden. Sie hätte seine blöden Sprüche geschluckt.

Selten hatte ich Dawson sprachlos erlebt. Doch nun sah er mich aus großen Augen an. „Riley, sei doch nicht..."

„Halt einfach den Mund, Dawson. Bitte. Sag einfach nichts mehr. Das ist besser, glaub mir", empfahl ich etwas leiser, bevor unser Streit aufs Neue Zaungäste anlockte. Dann griff ich nach Hunds Halsband. „Komm, du altes Ferkel!", befahl ich und wirklich: er trottete los.

Ich hob das Ende des Gartenschlauches, stellte dort die Düse auf einen weichen Strahl ein. Hund musterte mich interessiert und als ich den Strahl auf ihn richtete, sprang er zur Seite und schnappte nach dem Wasser, das er versuchte mit seiner Zunge zu schlabbern. Mein Bauchgefühl warnte mich, dass Hund und ich ein ziemliches Spektakel mit Gebell, Gezeter und nasser Kleidung abliefern würden, wenn mir nicht schleunigst etwas einfiel, wie ich Hund waschen könnte.

Unter Dawsons kritischem Blick kniete ich mich in die Wiese und befahl Hund sich ebenfalls zu setzen. Sein Maul mit den großen Zähnen schwebte direkt vor meinem Gesicht und sein warmer Atem verursachte mir ein mulmiges Gefühl. Hoffentlich schnappte er nicht nach mir! Dann war es das mit der Fotosession in zwei Wochen. Vorsichtig griff ich nach Hunds Pfote und ließ Wasser über meine Hand fließen. Damit wusch ich das Fell an Pfoten und Beinen. Argwöhnisch beäugte Hund meine Hand, die ihn abrubbelte und sah, dass das nicht übel war. Selbst dann nicht, als ich unter viel gemurmeltem Lob den Strahl höher richtete und Hund über Brust, Rücken und Flanken fuhr.

„Sieht doch viel besser aus, mein Hübscher", lobte ich, als es mir endlich gelungen war, sogar seinen Kopf von der Erde zu befreien. In dem kurzen weichen Fell um die Ohren herum hing der Matsch fest wie Kaugummi, aber selbst dort waren wir schließlich erfolgreich. Als ich einen Schritt zurücktrat, schüttelte Hund sich. Wasser und ein paar letzte Erdklümpchen flogen in einem braunbunten Glitzerregen um den Hund und mich herum. Er leckte sich hier und da sein Fell, dann machte er sich auf den Weg in die Sonne, wo er sich zum Dösen legte. Hund müsste man sein. Sein Plätzchen wirkte sehr gemütlich.

Schweigend gesellte ich mich zu Dawson, der inzwischen die ersten Stauden in das Beet gesetzt hatte und reichte ihm Sams Pflanzplan entsprechend die nächsten Pflanzen. Nach dem Schema arbeiteten wir wortlos bis weit nach Mittag. Mein ganzer Körper war bereits wieder von einer Erdkruste überzogen, mein dunkles Shirt hatte Salzränder und die Haut im Nacken spannte. Das fühlte sich verdächtig nach bösem Sonnenbrand an. Vom Schwitzen nasse Strähnen hingen mir wirr ins Gesicht. Ich legte den Spaten weg, mit dem ich gerade das Pflanzloch eines Lavendels geschlossen hatte und zog meinen Zopfgummi aus den Haaren. Mit den erdigen Fingern fuhr ich durch die feuchten Strähnen, fing alle wieder ein und drehte meinen Pferdeschwanz zu einem Dutt zusammen.

„Ist echt brutal heiß heute. Sollen wir Schluss machen?", fragte Dawson. Seine Stimme klang rau, weil er sie seit Stunden nicht benutzt hatte. Ich wischte mir mit dem Handrücken über die Stirn.

„Wird morgen nicht kühler sein, oder?" Ich blickte hinauf in den wolkenlosen Himmel, von dem die Sonne ohne Erbarmen herunterstach.

„Am Vormittag schon", behauptete Dawson. „Geh duschen", befahl er mir. „Danach fahr ich dich in die Stadt. Wenn du willst können wir bei Dave vorbeischauen, wegen des Autos für dich. Es sei denn du willst eins von den Motorrädern? Abraham meinte vorhin, ihm wäre es egal, welches du fährst."

„Hm, ne. Lieber ein Auto. Wenn ich nach dem Training k.o. bin, ist mir das lieber."

„Wie du willst." Er hielt mir seinen Schlüssel hin. „Geh du oben. Ich dusche schnell in der Werkstatt."

Die Bezeichnung „Stadt" war ein wenig hochgegriffen. Ich hätte es Örtchen genannt. Im Vergleich zu den dreizehn Häusern, die das Dorf bildeten, in den Sam wohnte und an dessen äußerstem Rand die Werkstadt lag, tobte hier jedoch das Leben. An einer langen Straße befanden sich Geschäfte und in den Geschossen darüber Wohnungen vor deren Fenstern Kästen mit in allen Farben blühenden Pflanzen hingen. In regelmäßigen Abständen waren Bäume auf dem Gehsteig gepflanzt, die Schatten spendeten und vor einer Konditorei mit angeschlossenem Café standen einige Tische und Stühle. Dawson erzählte mir gerade mit lebhaften Gesten irgendwas über Donuts mit Honigglasur, die es dort gab. Auf den genauen Inhalt seiner Worte zu achten, fiel mir allerdings schwer, wenn sein Gesicht strahlte vor Begeisterung und ich mir Mühe geben musste, ihn nicht zu offensichtlich anzuschmachten. Es war so einfach gewesen, mich in diesen lebhaften, lustigen Dawson zu verlieben. So leicht, ihm mein Herz zu Füßen zu legen. Ich sehnte mich geradezu schmerzhaft nach dem, was wir gehabt hatten. Nach diesem Gefühl, wenn er mich ansah, kurz bevor er mich küsste. Wenn er nur auf mich konzentriert war und das Strahlen seiner Augen meine Seele wie ein Leuchtfeuer wärmte. Wenn wir zum Dreh- und Angelpunkt unseres winzigen Universums wurden, in dem ER. Und ICH zu einem wir verschmolzen.

Wir.

Wie hatte es nur so enden können? Ich wendete den Blick ab, weil ich plötzlich nicht mehr ertragen konnte, ihn anzusehen. Ich ließ mich ein paar Schritte zurückfallen und folgte Dawson mit verschränkten Armen. Als könnte ich so mein Herz schützen und verhindern, dass ich mich wieder verliebte.

Wenige Meter hinter dem Café passierten wir eine Bar, in der alle aus der Werkstatt freitags Billard oder Dart spielten. Die Information quittierte ich mit einem lahmen Lächeln. Kurzdarauf bog er in eine schmale Seitengasse ein. Das Haus in dem die Pension lag, war ein schmuckloses dreistöckiges Gebäude, in einem sehr hellen blau gestrichen, das entfernt an Dosen von Babycreme erinnerte. Ein bronzefarbenes Schild neben dem Eingang war der einzige Hinweis, dass in diesem Haus Zimmer vermietet wurden.

Durch eine schwarze Kassettentür betraten wir den Eingangsbereich. Flauschiger Teppich dämpfte unsere Schritte und ein lackschwarzer Tresen, passend zur Eingangstür, verströmte einen eleganten Chic. Auf der Messingleiste, die um den Tresen lief, stellte ich meinen riesigen Rucksack ab und händigte meiner Vermieterin, die Dawson mir als Pearl vorstellte, meinen Führerschein und meine Kreditkarte aus, dazu nannte ich ihr, auf ihre Frage hin, noch meine Sozialversicherungsnummer. Im Gegenzug bekam ich einen Schlüssel für ein Zimmer im Erdgeschoss, das mich wirklich überraschte.

Klein, aber pikobello sauber und sehr hübsch eingerichtet. Man musste gar keine Suite in einem Vier- oder Fünf-Sterne-Hotel haben, um sich wohl zu fühlen.

Ein breites Bett, saubere Bettwäsche und ein antiker, fleckiger Spiegel reichten mir völlig. Ebenso wie geblümte Vorhänge, gelaugtes Parkett und ein in beigen Farben gehaltenes Bad. Und weiche Handtücher waren weiche Handtücher, egal ob sich die Unterkunft Pension oder Hotel nannte.

Neben dem Bett stellte ich meinen Rucksack ab und fischte eine kleine Tasche heraus, in der ich meinen Geldbeutel sowie den Zimmerschlüssel verstauen konnte und in der zusätzlich noch gerade eben meine Sonnenbrille Platz fand.

Glücklich über den schönen Raum, den ich die nächsten Tage bewohnen durfte, ging ich zurück zu Pearl und Dawson, stutzte jedoch, als ich sein Gesicht sah. Missmutig starrte er vor sich hin, dabei war er doch vor ein paar Minuten noch bester Laune gewesen und hatte den Fremdenführer gespielt. Seufzend stellte ich fest, dass seine Stimmungswechsel immer noch genauso rasant erfolgten wie früher und ich bei den Wendungen einfach nicht immer mitkam.

„Wir können dann zur Autovermietung fahren", äußerte ich möglichst neutral und sah fragend zu Pearl, die die Schultern in einer Geste der Ratlosigkeit hob. Offenbar wusste sie nicht besser als ich, was Dawsons Stimmungswandel ausgelöst hatte.

Mit einem gemurmelten Abschied folgte ich Dawson nach draußen. Wenn möglich, dann war es in der kurzen Zeit draußen nochmals um fünf Grad wärmer geworden.

„Dawson?", sprach ich ihn zurückhaltend an, bereits auf eine Explosion gefasst.

„Was?", kam es prompt etwas unwirsch zurück.

„Hab ich schon wieder was falsch gemacht oder hast du einfach deine miesen fünf Minuten?"

„Miese fünf Minuten?" Er runzelte die Stirn, holte bereits Luft, um mich anzumeckern, überlegte es sich dann offensichtlich anders. „Sowas in der Art", brummte er.

„Was hilft dagegen? Kaffee? Donut? Eine Flasche Schnaps?"

Seine grünen Augen nahmen mich ins Visier und ich hoffte ganz ehrlich, er würde sich ein wenig öffnen und mir verraten, was ihn verärgert hatte, oder wie ich mich verhalten sollte, damit wir besser über die Runden kamen. Doch dazu war er nicht bereit. Er kanzelte mich unfreundlich ab.

„Deine unverwüstliche gute Laune jedenfalls nicht", grummelte er und stapfte um das Auto herum.

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