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„Wohin gehen wir denn nun?", wollte sie wissen. Mann, sie war mir wieder viel zu nahe, meine Finger krochen erneut über ihre nackte Haut unter dem Shirt und meine Nase lag in ihrer Halsbeuge. Wie konnte sie nur immer so gut duften?

„Lass dich überraschen", murmelte ich an ihrer Haut und saugte sanft daran.

Sofort fühlte ich wie ihr Brustkorb sich unter meinen Händen schneller hob und senkte, spürte wie mein eigener Herzschlag sich erneut beschleunigte, während ich meine Lippen über ihren Hals und den Kiefer entlang bis zu ihrem Mundwinkel zog und einen sanften Kuss auf ihre Lippen hauchte.

Dann dirigierte ich sie weiter bis zur Hauptstraße, den Fußweg entlang und an der Pferdekoppel vorbei. Nur noch ein paar Meter und ein Trampelpfad trennten uns von dem, was ich ihr zeigen wollte.

„Vorsicht, drei Stufen!", warnte ich Riley an der unbeleuchteten Veranda und tastete unter der Fußmatte nach dem Schlüssel. Dann sperrte ich auf und tappte auf den Schalter des Garderobenlichtes, das nur gedämpft leuchtete.

„Wir können doch hier nicht einbrechen!", protestierte Riley.

„Tun wir auch nicht. Ich hab es gekauft", gab ich schmunzelnd und mit einigem Stolz zurück.

Sie schlug die Hand vor den Mund. „Das ist dein Haus? Und dazu so ein riesiges Grundstück?"

Beinahe hätte ich gesagt: "Klar, wo soll sonst dein Pool hin?", verkniff mir das dann aber gerade noch. Dass letzte was ich heute wollte, war, Riley unter Druck zu setzen.

„Da ist ein Teppich", wies ich Riley hin, damit sie nicht stolperte, als wir durch die Dunkelheit schlichen. Dann führte ich sie die Treppe hoch und hielt unter der Luke zum Dachboden, die ich öffnete, die Leiter herabzog und dann hinauf kletterte.

„Komm", flüsterte ich, obwohl es keinen Grund gab leise zu sein. Wir waren allein im Haus. In meinem Haus. Weit und breit konnte uns niemand hören. Selbst nicht wenn wir brüllen und lauthals singen würden.

Auf dem Dachboden öffnete ich das Fenster, dann stieg ich hinaus und half Riley, ebenfalls auf das Schrägdach zu steigen. Die Schindeln waren noch von der Sonne gewärmt und dort neben dem Fenster setzten wir uns.

Von hier aus behinderte der Wald die Sicht nicht und die nächste Ortschaft lag in unserem Rücken. Samtschwarz erstreckte sich der dunkle Himmel über uns und mehr Sterne als ich je gesehen hatte, spannten sich über uns auf. Der Anblick erfüllte mich mit unglaublicher Ehrfurcht. Gleichzeitig waren Sterne für mich untrennbar mit den winzigen Zimtgalaxien in Rileys Augen verbunden.

„Gefällt es dir?" Andächtig blickte ich in den Himmel.

Riley antwortete nicht sofort, sondern legte ihren Kopf auf meine Schulter und ihre Arme um meine Taille. „Ich würde gerne für immer hier mit dir sitzen. Oder ist das zu lange?"

Pures Glück überschwemmte mich. „Für immer klingt perfekt, Riley." Zärtlich küsste ich sie und hielt sie dann im Arm. Ich kam mir so Scheiße vor, weil mir das nicht mehr reichte. Ich wollte mehr mit ihr teilen als ein paar Küsse und Umarmungen. Nach einer Weile fühlte ich, wie Riley sich in meinen Armen entspannte. Ihr Atem ging ruhiger. „Willst du schlafen gehen?", fragte ich sie und an meiner Schulter nickte sie.

„Dann komm", ich kletterte voraus und half ihr zurück ins Haus. Schleppend stieg sie die Treppe runter und nur Gott allein wusste, wie anstrengend ihre Woche gewesen war. Gott, und natürlich sie selbst. Es war inzwischen fast halb zwei. Soweit ich mich erinnerte, ging sie normalerweise spätestens um elf ins Bett, abgesehen von wenigen Ausnahmen.

Statt zur Treppe ins Erdgeschoss, schlug ich den Weg nach links in den kleinen Vorraum ein und schob dort die rechte Tür, die zum Schlafzimmer führte, auf. Das Bett war bezogen, weil ich in der Nacht nachdem Kauf unbedingt hier hatte schlafen müssen, damit es sich real anfühlte, ein eigenes Dach über dem Kopf zu haben. Nun war ich froh darüber, so sentimental gewesen zu sein.

„Könntest du dir vorstellen, hier zu schlafen?"

Voller Anspannung wartete ich auf ihr Urteil. Auch wenn ihre Antwort vielleicht nur bedeutete, dass sie nicht wieder zurücklaufen wollte.

„Ich hab doch nichts zum Schlafen dabei!", murmelte sie verlegen.

„Du kannst mein T-Shirt nehmen", bot ich ihr an. Das schien den endgültigen Ausschlag zu geben. Nickend griff sie nach dem Shirt, das ich über den Kopf zog und ich drehte mich um, zog meine kurze Hose aus, während sie Shorts und ihr Oberteil ablegte.

Dann krabbelte sie zu mir unter die Decke und ich zog sie in meine Arme, wo sie sich an meine Brust kuschelte. Ich drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel. Wünschte, sie könnte die widerstreitenden Gefühle darin lesen. Den Wunsch mit ihr nach all der langen Zeit zu einer untrennbaren Einheit zu verschmelzen, der dem entgegenstand, sie nie wieder zu verletzen. Wie zur Hölle sollte das denn zusammengehen?

„Gute Nacht", wünschte ich ihr und streichelte zärtlich über ihren Arm. Ihre Antwort bestand in einem schläfrigen Brummen und darin, dass sie sich noch ein wenig näher an mich kuschelte.

Riley schlief in meinen Armen. Entspannt. Und friedlich. Ich betrachtete ihr schemenhaftes Profil. Verlor jedes Gefühl für den Arm, auf dem ihr Kopf ruhte und doch war ich zu träge, um mich zu bewegen und diesen Zustand zu ändern.

Mit meiner freien Hand fuhr ich immer wieder über die seidigen Strähnen ihres braunen Haares. Irgendwann wurde ich selbst dafür zu müde und legte meinen Kopf auf ihren Scheitel. Trotz der Müdigkeit wollten meine Gedanken keine Ruhe geben.

Ich hatte mir vor zwei Jahren geschworen mich von ihr fernzuhalten. Da konnte man mal sehen, wie weit mich dieser Vorsatz gebracht hatte. Ich starrte blicklos in die Dunkelheit und gestand mir ein, dass die Idee nur bekloppt gewesen war und ich sie und mich um viele wunderschöne Momente gebracht hatte. Zum Beispiel um diesen Homecoming Ball, den Lio erwähnt hatte.

Und genauso zum Scheitern verurteilt waren meine heutigen Versuche, das unvermeidliche hinauszuzögern. Sie war kein Kind mehr, sondern eine erwachsene Frau. Mehr oder weniger. Sie zog mich einfach zu sehr an. Körperlich. Wie auch nicht! Sie war fleischgewordene Versuchung. Aber das war nicht alles. Jede ihrer Berührungen ging tiefer. Unter meine Haut und noch viel weiter, bis in meine kaputte Seele. Die Blicke aus ihren Augen zogen mich noch immer in tanzende fremde Galaxien und wenn sie lachte war es wie Musik.

Außer sie lachte mit Terence. Oder Leroy. Dann ging mir das einfach voll auf die Eier.

Bei dem Gedanken an Leroy hing ich eine ganze Zeit fest. Nicht nur wegen seines Kommentars über Rileys tödliche Blicke. Viel mehr, weil er der Inbegriff des Lebens in den vergangenen zwei Jahren war, das ich nicht mit Riley geteilt hatte und nie teilen konnte.

Kalifornien. Sonne. Strand. Surferboys. Tausend Kilometer Entfernung. Und das mindestens für weitere zwei Jahre. Vielleicht konnte sie die Uni wechseln. Noch im selben Gedankengang verwarf ich die Idee. Sie war ein Teil eines unglaublich guten Schwimmteams. Wenn dann müsste ich... aber mein Job war hier. Und Izzie auch.

Fuck. Das war doch alles verdammte Scheiße. Ich vergrub meine Nase in Rileys Haar. Es gab eine Lösung. Bestimmt. Wir mussten sie nur finden. Aber nicht jetzt, denn dafür war ich einfach zu verdammt müde.

Mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln klammerte ich mich an den Halbschlaf, in dem ich im Morgengrauen dahintrieb. Ich hielt Riley in meinen Armen und genoss einfach, dass sie sich an mich kuschelte. Lauschte dem sanften Wispern ihrer tiefen Atemzüge und saugte die beruhigende Wärme ihres Körpers zusammen mit ihrem unvergleichlichen Duft in mir auf. Nur noch ein paar Minuten wollte ich die selige Illusion genießen, dass was immer zwischen mir und Riley war, einfach sein könnte. Dann küsste ich ihren Hals, ihre Schulter und weckte sie zärtlich, wie sie es verdiente.

Mit einem zuckersüßen Seufzen drehte sie sich und kuschelte sich fester in meine Arme. Ein Lächeln nistete sich in meinem Gesicht ein. Doch egal wie sehr ich wünschte, es wäre anders, die Zeit drängte. Ich musste ein Schlachtfeld hinter der Werkstatt in einen Garten zurückverwandeln. Einkaufen und... ach, Mann scheißegal. Das alles konnte noch warten. Ich vergrub meine Nase in Riley seidigem Haar und schloss die Augen wieder.

Ich erwachte vom Duft frischen Kaffes. Orientierungslos öffnete ich die Augen, blinzelte in die Helligkeit. Riley lehnte am Kopfende, eine dampfende Tasse in der Hand. Ihre nassen Haare hinterließen feuchte Flecken auf einem Shirt, das eindeutig das war, das ich ihr in der Nacht geliehen hatte und sie sah aus wie das blühende Leben.

„Guten Morgen, schöne Frau", murmelte ich und fuhr mir durch die Haare. Im Gegensatz zu ihr sah ich vermutlich wir ein Troll aus. Sie lächelte mich an. „Kaffee?", fragte sie und hielt mir den Becher hin, aus dem sie gerade selbst getrunken hatte.

„Hm", gab ich von mir und drapierte die Decke so, dass uns beide nichts in Verlegenheit bringen konnte. Dann nahm ich den Becher mit dem Lebenselixier entgegen. Während ich trank, musterte ich sie über den Rand der Tasse hinweg. Samstag. Und sie saß hier einfach rum.

„Heute kein Training? Nicht Laufen? Oder Tausend Sit-ups und fünfhundert Liegestütze oder sowas Krankes?", erkundigte ich mich und reichte den Becher an sie zurück.

„Ich war gestern Morgen noch lange im Kraftraum, weil ich wegen des Abschlusstrainings ein schlechtes Gewissen hatte."

Erklärte, warum sie gestern so müde gewesen war und brachte mich gleich zu einem der ernsten Themen über die wir reden mussten. Vorsichtig nahm ich ihr den Becher aus der Hand und stellte ihn auf den Nachtkasten.

„Was ist los mit dir, Riley? Seit wann schwänzt du denn wichtige Termine? Das sieht dir nicht ähnlich. Du hast den Sport immer ernst genommen."

Sanft legte ich meinen Finger unter ihr Kinn und drehte ihren Kopf zu mir. Ihre Augen schimmerten wässrig.

„Riley?" Alarmiert setzte ich mich auf. „Was ist los? Ist... ist etwas vorgefallen? Im Team?"

Sie schniefte leise. Mein Herz setzte aus. „Hat dir jemand etwas getan?"

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