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Frisch geduscht und mit zwei Bieren in der Hand lief ich nach unten und setzte mich etwas höher als Riley auf die Treppe. Ihr zu nahe zu kommen, war aktuell keine gute Idee. Nicht bevor ich meinen Körper, der sich gerade benahm wie der eines Teenagers, nicht vollständig im Griff hatte.
Ich bot ihr ein Bier an, das sie nach kurzem Zögern annahm und sah ihr zu, wie sie das Getränk gierig runterschüttete. Sie hatte einen ganz ordentlichen Zug. Konnte ich ihr nach der Plackerei heute aber nicht verdenken. Genussvoll seufzte sie und lehnte sich nach hinten, stützte ihre Ellbogen auf der Stufe hinter ihr ab. Stoisch starrte ich auf ihr Profil, nicht auf den Ausschnitt, der mir in dieser Position einen perfekten Ausblick auf ihre Brüste in dem anthrazitfarbenen BH bot.
Ihr Blick hob sich und wie hundertmal heute erwartete ich, dass sie sofort wegsehen würde, doch dieses Mal nicht. Ihre schönen Augen ruhten still wie tiefes Wasser in meinen und die Galaxien kleiner Sprenkel sogen mich in eine Welt, in der ich nichts mehr zu suchen hatte, wenn ich wusste, was gut für sie war. Ich stand auf und ging. Das war das einzige, was mich davon abhalten konnte, die Hand zu heben und über die weiche Haut ihrer Wangen zu streicheln und meine Lippen auf ihre zu drücken.
Bis Riley fertig war mit der Dusche, schaute ich bei Rourke vorbei. „Die Schutzfolien sind beim Karosseriebauer beauftragt und er sieht ein, dass es dringend ist. Kostet uns aber einen Zuschlag von gut zwanzig Prozent, dass er unser Baby vorzieht. Und selbst mit Zuschlag kann er erst am Samstag per Kurier verschicken. Die Folien müssten dann am Montagmorgen hier sein."
Und Dienstag sollte ich die Maschine bereits am Luftfrachtschalter abliefern. Das roch nach Rückenschmerzen und einer sehr langen und klebrigen Nacht.
„Ich kann am Montag aber ein bisschen länger bleiben. Dann können wir zumindest zu zweit anfangen", bot mir Rourke an.
„Das wäre super, danke. Ich hab echt Sorgen, dass ich sonst nicht fertig werde."
„Ich auch", stellte Rourke mit seiner absolut trockenen Art fest.
„Wie sieht es morgen aus? Gehen wir trotzdem alle in die Bar, oder will das junge Gemüse unter sich bleiben?"
„Ist schwierig unter sich zu bleiben, wenn es nur eine Bar gibt", sagte ich.
Terence lehnte an der Tür, seine Haare ringelten sich feucht und auf seinem Shirt waren nasse Tupfen zu sehen, wo er sich nicht ordentlich abgetrocknet hatte.
„Du kannst dann", informierte er Rourke. Dieser machte sich nickend auf den Weg zur Dusche. Terence und ich gingen in die Küche und halfen Sam beim Tisch decken.
„Riley isst hier mit, oder?" Unschlüssig stand Terence vor dem Geschirrschrank und versuchte zu ergründen, wie viele Teller er brauchte. Ich zähle derweil das Besteck ab.
„Hat sie zumindest gesagt", gab ich zurück und ein zufriedenes Lächeln erhellte sein Gesicht.
„Grady, beinahe hätte ich es vergessen!" Sam sah von den Tomaten auf, die sie schnitt und streifte sie ohne hinzusehen in die riesige Salatschüssel auf der Arbeitsfläche.
„Ich bin heute Abend unterwegs. Kannst du Riley nach dem Essen zu mir fahren?"
„Dein Ernst jetzt? Was ist mit Izzie? Du weißt, das heute mein Sportabend ist!", gab ich angenervt zurück.
„Dad passt auf sie auf, bis du von deiner Runde zurück bist. Alles schon geklärt."
Ein Arrangement, das ich nicht besonders mochte. Ich legte Wert auf ein Mindestmaß an Privatsphäre und das war schwierig, wenn der Großvater meiner Tochter gewissermaßen in meinem Schlafzimmer saß, meinen Fernseher benutzte und dabei nur einen halben Meter von meinen Pornoheften und dreißig Zentimeter von meinen Kondomen entfernt war. Wenn er pinkeln ging, stand er direkt neben meiner Schmutzwäsche und wenn er Izzie wickelte, tat er es auf meinem Bett.
„Sam du weißt doch...", begann ich, kam aber nicht weiter, weil just in diesem Moment Chad und Lio gefolgt von Riley in die Küche kamen. Sie amüsierten sich köstlich über etwas, das Riley gerade sagte und meine Laune rauschte noch weiter in den Keller.
Nur noch ein paar Wochen, tröstete ich mich. Dann wäre das Problem gelöst. Das mit Riley und das mit der Privatsphäre.
Lionel übernahm am heutigen Abend das Tischgebet. Abraham war sehr zufrieden, dass er das souverän meisterte.
„Was ist jetzt mit deinem Mister Miller?", erkundigte sich Sam, der mein mürrisches Gesicht nicht entgangen war, als sie gesagt hatte, dass ihr Dad auf Izzie aufpassen würde.
„Morgen kann ich mir das Haus ansehen. Gegen sieben hab ich einen Termin mit seiner Tochter."
Sam nickte. „Super. Dann würde ich sagen, wir sehen zu, dass wir vielleicht noch eine halbe Stunde früher als üblich essen und dann kannst du zu Miller fahren und wir machen uns schon mal auf den Weg zur Bar."
„Oder ich esse einfach nicht mit? Wie es euch lieber ist."
„Ne, ne Grady", entschied Abraham für uns alle. „Wir machen das einfach früher. Ist wichtig, dass du ordentlich isst. Nicht dass du uns vom Fleisch fällst. Sam, sieh einfach zu, dass wir um viertel vor sechs das Essen auf dem Tisch haben."
„Geht klar."
„Wer ist Miller und was für ein Haus?", erkundigte sich Chad. Ich warf Lio einen Blick zu. Schon wieder eine Sache, über die ich nicht gesprochen hatte und ich war mir schon sicher, dass das wieder ein Bumerang werden könnte.
„Miller ist vor ein paar Wochen gestürzt und er ist zu seiner Tochter gezogen. Das Haus steht seit einiger Zeit leer und es wäre von der Lage super. Nicht weit weg von der Werkstatt und von Sam. Wenn Izzie älter ist, könnte sie locker mit dem Fahrrad zwischen uns hin und herfahren, ohne über die Landstraße zu müssen."
„Klingt doch toll!" Riley sah mich prüfend an. „Wo ist der Haken?"
„Ich hab das Geld noch nicht zusammen. Miller meinte, es sei kein Problem und er könnte warten. Aber seine Tochter ist der Ansicht, wenn ich das Haus haben will, dann sollte ich es bezahlen können. Im Zweifel müsste ich eben mehr Geld aufnehmen. Die Bank lehnt einen höheren Kredit aber ab, weil mein Eigenkapital und mein Verdienst sehr niedrig sind."
„Und wie wir Grady kennen, will er sich natürlich nicht helfen lassen." Sam funkelte mich böse an. „Dabei ginge es nicht mal um Geld, sondern darum, dass Dad für ihn bürgen würde. Ist aber natürlich ein Unding."
Riley musterte mich und ich wäre jede Wette eingegangen, dass ihre Gedanken gerade in die gleiche Richtung gingen wie meine. Sie hatte mir helfen wollen. Dagegen war eine Bürgschaft allerdings wirklich ein Klacks.
„Wenn es dir lieber ist, dann kann ich für dich bürgen", bot Chad sofort an.
„Oder mein Dad", fügte Lio an.
„Du willst es aber unbedingt allein schaffen?" Fragend sah Riley mich an.
„Das war der Plan", sagte ich und sie legte den Kopf schief.
„Wie hoch ist der Preis, den du zahlst, wenn du das Haus nicht bekommst? Was verlierst du persönlich dadurch? Ist es das wert?"
Drei Fragen einer Achtzehnjährigen, die mich aus ihren bunten Augen musterte und ich begann an meiner Entscheidung, keine Hilfe anzunehmen, zu zweifeln. Wie zur Hölle schaffte sie es, immer wieder zum Kern der Dinge vorzudringen?
Nach dem Abendessen fuhr ich Riley zu Sam nach Hause. Immer wieder sah ich aus dem Augenwinkel zu ihr. Als sie außerhalb meiner Reichweite gewesen war und ich sie nicht ständig gesehen hatte, war meine Sehnsucht zu einem dumpfen Hintergrundgefühl abgeflaut, wie eine leise Melodie, die immer dudelte und die man irgendwann beinahe nicht mehr hörte. Wie der Zettel an der Tür in grellem rot, der an den Müll erinnerte, den man aber trotzdem ausblenden konnte und den Müll stehenließ.
Jetzt war Riley präsent und mein Fokus verschob sich von Stunde zu Stunde mehr in ihre Richtung. Der Gedanke, sie morgen früh wiederzusehen stimmte mich glücklich, gleichzeitig hatte ich Angst davor, wohin dieser Weg führen könnte.
Als ich am nächsten Morgen aufstand, war ich vollkommen übernächtigt. Ich hatte schlecht geschlafen und ich hatte absolut keine Lust, die nächsten Stunden mit Riley zu verbringen. Mit ihr hatte ich schon die Nacht verbracht. Oder besser gesagt mit Erinnerungen an sie, die meine Träume beherrschten. Müde wie ich war, konnte ich kein Mitleid empfinden, als ich Riley mit Hund gemeinsam im Dreck liegend vorfand. Ich war einfach genervt. Nicht von ihr, sondern von mir und meiner Gedankenspirale, die sich um Riley drehte. Riley bot mir dementsprechend ein willkommenes Ventil. Dass ich die Grenze des Anstandes überschritten hatte, wurde mir klar, als sie mich mit ein paar äußerst unflätigen Bezeichnungen überschüttete, bevor sie sich damit auseinandersetzte, Hund zu säubern und anschließend die Pflanzen zu reichen, die ich in die Löcher setzte, die ich mühsam wieder hergestellt hatte.
Riley arbeitete mir schweigend zu, wie am Vortag und litt still unter der brutalen Hitze. Mir ging es nicht viel besser, aber als ich sie beobachtete, wie sie ihre langen Haare wieder zusammenfasste und einen Blick auf den Sonnenbrand in ihrem Nacken erhaschte, beschloss ich, dass es für heute gut sein musste. Ich schickte sie nach oben zum Duschen und spülte mir selber in der Werkstatt den Schweiß von der Haut, dann fuhr ich mit ihr in die Stadt.
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