17
Am Mittwoch traf ich gegen Mittag einen sehr mürrischen und schweigsamen Dawson am Flughafen. Keine Ahnung, ob es meine Anwesenheit war, die ihn nervte oder die Tatsache, dass Sam und Abraham ihm gestern beim Abendessen noch mal klipp und klar gesagt hatten, dass sie von ihm erwarteten, Leroy fahren zu lassen. Vielleicht war er allgemein mies gelaunt, weil er schlecht geschlafen hatte, hormonelle Schwankungen oder, weiß Gott was sonst. Fragen wollte ich nicht, weil ich Angst hatte, wieder Antworten zu bekommen, die ich nicht hören wollte. Ich wählte also eine der beliebten Taktiken meiner besten Freundin Stacey, um der Realität kurzfristig zu entfliehen: ich kaufte mir ein Buch. Eines von den Anspruchslosen, die man, ohne viel Gehirn zu benutzen, einfach konsumieren konnte, aber dennoch gut unterhalten wurde.
Wann immer ich über den Rand meiner Lektüre spähte, starrte Dawson grimmig auf den Sitz vor sich, auf sein Handy oder aus dem Fenster.
Das war fast nicht zu ertragen! Selbst mit dem Buch nicht. Ich machte drei Kreuze, als wir endlich landeten und Dawson, seine Tasche über der Schulter, vor mir den Gang entlanglief.
„Ich hol mein Motorrad", informierte er mich knapp und zog einen gefalteten Frachtschein aus der Hosentasche.
„Ist gut, ich such schon mal Leroy! Wir holen dich dann beim Cargo-Ausgang ab." Bei dem Gedanken an den Dunkelhaarigen hob sich meine Laune, die unter Dawsons Stimmungstief gelitten hatte, sehr deutlich.
„Hm, ist gut", brummte Dawson und blickte auf die Anzeigetafeln.
„Du musst da lang", deutete ich Dawson den Weg an und bekam einen langen und fragenden Blick, den ich mit einem: „War schon mal hier", beantwortete.
Leroy lehnte draußen in der Sonne an einem Transporter, der den Farben nach, der Moretti-Gruppe gehörte. Aufmerksam hielt er den Ausgang im Blick und als er mich sah, hoben sich seine Lippen zu einem Lächeln und seine blauen Augen glitzerten mit den Piercings in seinem Gesicht um die Wette. Er bereitete die Arme aus und ich warf mich hinein. Er drückte mich ganz fest, bis ich meine Wirbelsäule knacken hörte. „Schön, dich zu sehen, du Model!", neckte er mich. „Wie war dein Flug?"
Ich schenkte ihm ein Lächeln. „Vermutlich wie deiner? Hoch und langweilig!"
„Ach, obwohl du mit Adonis geflogen bist? Was hat er eigentlich zu meiner Bitte gesagt?"
Verlegen sah ich zu Boden. „Ich hab noch nicht... ich... hatte... noch nicht die Gelegenheit, es zu klären."
„Ist kein Problem. Hat ja noch ein bisschen Zeit."
Erleichtert lächelte ich.
„Aber du fährst trotzdem morgen?"
Leroy antwortete mit einer Gegenfrag.
„Du versprichst trotzdem zu fragen, selbst wenn ich meinen Teil der Abmachung schon erfüllt habe?"
Ich nickte. „Natürlich. Es ist nur gerade schwierig zwischen ihm und mir. Und ich wollte einen Moment abwarten, wo es günstig ist." Das war wohl irgendwann zwischen nie und zu keiner Zeit, was ich nicht laut äußerte. Ich hatte es versprochen und im Laufe der nächsten Tage würde ich es ansprechen. Nur eben nicht, wenn Dawson dumpf vor sich hinbrütete wie heute oder von Haus aus auf Krawall gebürstet war.
Leroy nahm mir meinen Rucksack ab und warf ihn hinten in den Wagen, dann rollte er Richtung Luftfracht, wo nach kurzer Zeit Dawson auftauchte.
„Hey!", begrüßte Leroy Dawson. „So schnell sieht man sich also wieder."
Dawson umarmte Leroy und klopfte ihm auf die Schulter. Für „den kann ich nicht abhaben", begrüßten sich die beiden sehr freundschaftlich und ich fragte mich, was zur Hölle ich verpasst hatte!
„Ihr kennt euch?", erkundigte ich mich erstaunt und Dawson nickte. Mein Blick zuckte zu Leroy. Warum wollte er, dass ich mit Dawson sprach, wenn die beiden sich ohnehin bereits kannten? Männerlogik, die für mich unverständlich war. Aber gut. Wie er meinte.
Dawson und Leroy luden die Izzie in den Transporter. Dann sicherten sie die Maschine und anschließend stieg Leroy auf den Fahrersitz und Dawson verzog sich auf die schmale Rückbank.
„Du wirst begeistert sein von unserem Zimmer, Riley!", berichtete Leroy, während er sich in den fließenden Verkehr einordnete. „Wunderschön sag ich dir und die Betten sind der Wahnsinn. Ich will unbedingt solche Matratzen zu Hause haben!", schwärmte er. Ich schmunzelte in mich hinein. Vor drei Wochen hatte er sich eine Wasserbettmatratze gekauft und mir versichert, bereits nach einer Nacht wären seine Verspannungen besser geworden. Gespannt wartete ich darauf, was Leroy an diesen Matratzen begeisterte.
„Ich bin sicher, auf diesen Matratzen hat man Weltklasse-Sex!"
Dawson hustete hinten und ich brach in schallendes Gelächter aus. „Gut möglich, Lee. Nur bitte nicht heute Nacht, wenn ich daneben liege. Erspar mir das."
Beleidigt sah er mich an. „Warum du mir immer so unverblümt sagen musst, dass du nicht interessiert bist! Das verletzt mich! Ich habe auch ein Herz!"
Er presste theatralisch die Hand auf den Brustkorb. „Ich weiß aber, was dich brennend interessieren wird." Mit leuchtenden Augen musterte er mich.
„So? Was denn?"
„Im Keller gibt es einen hammergeilen Wellnessbereich mit Fitnessraum. Und ein Schwimmbad."
Ich schnaubte und knuffte ihn tadelnd.
„Lee, wir bleiben nur eine Nacht! Warum buchst du denn diesen ganzen Luxus?"
Er sah mich von der Seite an. „Zwei Nächte, du hirnloses Model", zog er mich auf. „Dachtest du ehrlich, ich würde morgen gerne vor elf aufstehen, wenn ich neben einer schönen Frau schlafen darf? Kannst du mal voll vergessen! Klar hab ich uns das Zimmer länger reserviert."
Er warf mir ein Küsschen zu und ich hörte, wie Dawson hinter mir scharf einatmete.
„So, Baby, dann hab mal einen schönen Nachmittag ohne uns!" Leroy bremste scharf vor unserem Hotel und hinter uns hupte jemand.
„Ja, ja. Fick dich doch selber, Mann!", brüllte Leroy und streckte den Mittelfinger aus dem Fenster.
„Lee! Du musst blinken!", tadelte ich ihn.
„Ich blinke! Guck doch. Sogar auf beiden Seiten!"
Ich tippte ihm gegen die Stirn. „Du sollt blinken, bevor du bremst. Das geht mal irgendwann ins Auge."
„Wenn er noch Zeit zum Hupen hatte, statt zu bremsen oder auszuweichen, kann es nicht wirklich schlimm gewesen sein. Soll ich deinen Mist für dich rauftragen, oder schaffst du das alleine?"
„Kein Problem, Lee, ich schaff das!" Leroy gab ich eine schnelle Umarmung, Dawson nickte ich knapp zu. „Bis später, Jungs!"
„Mach's gut Knackarsch! Bis später!", rief Leroy mir launig nach. „Und brav sein! Nur gucken, nichts anfassen, okay?"
Wieder verdrehte ich die Augen und fing einen kritischen Blick von Dawson auf. Keine Ahnung, was ihn grad wieder störte. Genau solche, oder zumindest sehr ähnliche Sprüche, haute Lio ständig raus. Eigentlich sollte Dawson schon Hornhaut auf dem Trommelfell haben von den ganzen sexistischen Anspielungen.
Ich holte meinen Rucksack aus dem Laderaum, ließ meinen Blick noch mal kurz über das Motorrad wandern, dass Dawson komplett beklebt hatte. Das Teil sah wirklich heiß aus. Absolut verständlich, dass sich Leroy die Finger nach dem Bike leckte. Ich für meinen Teil hatte einen Mordsrespekt vor der PS-Schleuder, die dort in der Dunkelheit schlummerte und darauf wartete zum Leben erweckt zu werden. Schade, dass ich Razors Gesicht nicht sehen konnte. Leroys Chefmechaniker war bestimmt schon aus dem Häuschen, weil dieses Teil im Anflug war. Dawson beneidete ich allerdings nicht. Die nächsten zwei Stunden, oder eher noch länger, würden die drei in einer stickigen grell beleuchteten Wartungshalle verbringen und Razor würde sich jede Schraube, jede Dichtung und jeden Kleinscheiß anschauen, damit morgen kein Salz an Stellen geriet, wo es nicht hingehörte, alles fest saß, was sitzen sollte und sich alles bewegte, was musste.
Ich warf die Tür des Lieferwagens zu und betrat das Hotel. Okay. Vielleicht wäre es klug gewesen, etwas weniger Haut zu zeigen. Den Blicken nach, die ich bekam, war entweder meine Hose zu kurz, das Top zu eng oder vielleicht beides.
„Riley Thompson. Für mich und Leroy Fitz wurde reserviert", teilte ich der Rezeptionistin mit, die mich mit einem professionellen Lächeln begrüßte und nach meinen Wünschen fragte.
Ihr Blick ruhte kurz auf ihrem Bildschirm, dann huschten ihre Finger über die Tastatur. „Können sie mir bitte noch ihren Führerschein reichen?", bat sie mich. Nach einer kurzen Überprüfung schob sie eine Schlüsselkarte zu mir herüber.
„Der Aufzug ist dort vorne. Ihre Suite ist im dritten Stock, Nummer dreihundertsieben. Möchten sie, dass jemand sie hinaufbegleitet und sich um ihr Gepäck kümmert?"
„Nein danke. Ich komme zurecht."
Lächelnd verabschiedete ich mich und fuhr nach oben.
Leroy hatte recht. Unser Zimmer war toll, die Betten unglaublich bequem und was den Wellnessbereich anging, hatte er nicht übertrieben. Dort ließ es sich wirklich aushalten, bis die Jungs mit dem Schrauben fertig waren. Vielleicht konnte ich mir noch eine Massage oder etwas in der Art gönnen?
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