12

Terence, der gerade von seinem Bier trank, verschluckte sich und Dawson sah angepisst über den Tisch. Ich grinste in mich hinein. Den letzten Satz hatte Dawson wohl gehört. Die nächste Kugel versenkte er trotzdem.

Lio hob eine Augenbraue. Verwirrung stiften. Schon klar. Ob das bei Dawson allerdings funktionierte, wagte ich zu bezweifeln, bei Terence möglicherweise schon.

Ich hob meine Haare und band sie zu einem hohen Pferdeschwanz, drehte sie dann zu einem Knoten, während ich Dawson meine Rückansicht präsentierte. Irritierenderweise hatte das bereits einen nicht zu verachtenden Effekt.

„Verdammt", fluchte Dawson. Ich sah über die Schulter. Wütend funkelte er mich an. Seine Kugel lag jetzt richtig bescheurt, direkt an der Bande, und noch etliche Zentimeter von der Tasche entfernt.

Für mich hatte sich durch seinen Patzer ebenfalls nicht viel verändert. Die Kugeln waren noch immer ungünstig verteilt. Dafür war ich um die Erkenntnis reicher, dass Dawson meinen Rücken wohl recht ansprechend fand. Darauf hätte ich auch eher kommen können. Wenn wir uns früher geküsst hatten, war er immer zuerst mit seinen großen, warmen Händen unter mein Shirt geschlüpft und hatte meinen Rücken gestreichelt. Hitze flammte bei dem Gedanken in mir auf und wie hypnotisiert starrte ich auf Dawsons Hände, die sein Bierglas umfassten. Ein schwacher Nachhall des Kribbelns, das seine Berührungen ausgelöst hatten, zog gemächlich durch meinen Körper und mündete in einem Ziehen im Bauch und etwas tiefer. Was war bloß los mit mir? Ich sollte spielen und starrte stattdessen Dawson an, wie er Bier trank und er musste es natürlich bemerken. Unter Dawsons amüsiertem Blick erhitzten sich meine Wangen. Zum Glück zwinkerte er mir nur neckisch zu. Bei einem Kommentar wäre ich im Boden versunken.

„Hau einfach drauf", schlug Lio vor, doch damit war Dawson natürlich nicht einverstanden. Mit einem Ruck wich sein Blick von mir zu Lio und er schüttelte den Kopf. „Nur die Halben dürft ihr anspielen."

Fein. Er wollte mich richtig vorführen. Zähneknirschend suchte ich mir eine Halbe, die außen lag und spielte diese mit ziemlich viel Schwung an. Die Kugeln verteilten sich ein wenig und warum auch immer, fand eine Halbe den Weg in eine Tasche. Nicht die, die ich hatte spielen wollen, aber wer fragte schon danach. Ich ging um den Tisch herum, besah mir alle Kugeln. Dann wählte ich die, bei der ich Dawson und Terence am meisten nacktes Bein präsentieren konnte. Dass ich sie nicht versenkte, machte mir nichts aus. Ich hatte die Aufmerksamkeit von Terence, das reichte. Halbherzig zielte er, während er beobachtete, wie ich zu Lio ging und versiebte den Stoß dementsprechend.

Lio, rettete uns, indem er drei Kugeln versenkte und Dawson seufzte genervt. Seine rote Kugel lag noch immer genauso blöd an der Bande wie zu vor. Die schwarze Kugel die als letztes zu spielen war, lag am anderen Ende des Tisches.

Nicht machbar. Dennoch warf Dawson mir einen triumphierenden Blick zu. Ich war nach ihm dran und mir konnte es gar nicht gelingen drei Kugeln in Folge zu versenken. Nackter Rücken hin oder her, er und Terence würden gewinnen. Daran, dass der Jüngere die Schwarze einlochen konnte, bestand kein Zweifel.

„Hab wirklich selten jemanden dermaßen schlecht spielen sehen", bestätigte Terence mir nach der Partie und gab sein Queue an Chad weiter, der mit Sam eine Runde wagen wollte. Lachend sammelten die beiden gerade die bunten Bälle ein und drapierten sie in dem schwarzen Rahmen auf dem Tisch.

„Wenn Grady versucht hat es dir beizubringen, wundert mich das nicht. Drei von fünf Partien gewinne ich gegen ihn", behauptete Terence großspurig.

Entrüstet rempelte Dawson den Jüngeren an. „Du träumst wohl, hm?"

„Was nimmst du noch?", fragte mich Terence anstatt auf Dawsons Pöbelei einzugehen.

„Cola", antwortete ich und er hob einen Mundwinkel. „Okay. Und was soll in deine Cola rein? Rum? Whiskey? Cognac?"

„Eis. Und Zitrone", gab ich zurück.

„Hier interessiert das niemanden wirklich, wie alt du bist", mischte Abraham sich ein. „In dem Laden gibt es keine Kontrollen oder so. Der Sheriff sitzt grad selbst an der Bar", vertraute mir Abraham leise an und nickte mit dem Kopf in Richtung eines Typen um die Dreißig mit auffälligen Geheimratsecken. „Bestell einfach, was du willst. Bis ins Bett hast du es heute doch nicht mehr weit."

Er zwinkerte mir zu und wirklich bekam ich diesmal Cola mit Whiskey, ohne dass die Bedienung nur schräg guckte, als ich ihr meinen Wunsch mitteilte. Das war hier aber verdammt einfach!

Etwas später spielte ich mit Sam Darts, dann mit Abraham, Berta und Rourke noch mal Billard. Anschließend eine weitere Runde Darts mit Lio. Egal was ich tat, ich spürte Dawsons Blicke im Rücken und mehr als einmal erwischte ich ihn, wie er mich beobachtete. Zu fortgeschrittener Stunde kam jemand auf die Idee, ich fürchte die treibende Kraft nach drei Whiskey-Cola war ich, dass wir zu den schlechten Country-Songs tanzen könnten. Weil keiner mehr richtig nüchtern war, hatten wir überraschend viel Spaß dabei. Terence verschwand kurz nach Mitternacht mit einem Mädchen, deren Oberweite leicht mit Sams konkurrieren konnte, und das schon seit geraumer Zeit an ihm klebte wie ein Abziehbild im Album. Danach fiel unser Grüppchen recht schnell auseinander.

Lio und Chad machten sich auf den Weg zum Hotel, in dem es für mich kein Zimmer mehr gegeben hatte, Rourke und Berta gingen ebenfalls und schließlich wollten Sam und Abraham nach Hause. Dawson schloss sich ihnen an. Selbst etwas wackelig auf den Beinen folgte ich den dreien und atmete draußen erstmal tief durch.

„Ich bring Riley noch schnell nach Hause", informierte Dawson an Sam gewandt und die nickte daraufhin. „Bis morgen!", verabschiedete sie sich und es blieb offen, wen sie damit meinte. Mich, oder Dawson, vielleicht uns beide? Blubbernd erwachten die Motorräder zum Leben, mit denen Vater und Tochter, ohne auffällig zu schlingern, Richtung Landstraße verschwanden.

Wo Dawson schlafen würde, hatte ich keine Ahnung. Gut möglich, dass seine Freundin hier in der Nähe wohnte. Der Gedanke an eine Beziehung zwischen ihm und wem auch immer versetzte mir einen Stich. Ich wollte mir nicht vorstellen, wie er eine andere umarmte, sie küsste und all das tat, was uns der Umstände wegen verwehrt geblieben war.

Ich wagte einen Seitenblick zu Dawson, der definitiv zu viel getrunken hatte. Seine Schritte waren unsicher, seine Bewegungen etwas zu fahrig. Warum hatte er darauf bestanden, mich zu begleiten, wenn er ins Bett gehörte? Bis zur Pension waren es wirklich nur wenige Meter und auf der Straße begegneten wir keiner Menschenseele. Man hörte kaum einen Laut außer den zirpenden Grillen und unseren leisen Schritten auf dem mit Betonplatten belegten Gehweg. Das Schweigen zwischen uns wurde mit jedem Schritt unangenehmer und drückender.

„Hast du es heute noch weit?", fragte ich schließlich genau das, was mich am meisten umtrieb.

„Wenn ich es schaffe, keine Schlangenlinien zu fahren, ist der Heimweg genauso lang wie sonst", gab Dawson launig zurück.

Ich blieb stehen wie angewurzelt.

„Du kannst unmöglich in dem Zustand nach Hause fahren", stellte ich mit Nachdruck fest.

„Was dachtest du denn? Dass ich den ganzen Weg zu Fuß gehe? Hast du eine Ahnung, wie lange ich dafür brauchen würde?" Er ging weiter und ich beeilte mich, wieder zu ihm aufzuschließen.

„Ich dachte, du hast vielleicht eine Freundin hier im Ort, bei der du übernachtest."

Meine Vermutung veranlasste Dawson zu einem Schnauben. „Nicht, dass ich mich an eine erinnern könnte. Du weißt doch, ich bin nicht besonders beziehungsfähig, Riley. Und jetzt mach mal ein bisschen schneller. Ich will ins Bett", maulte er.

„Dawson, vergiss es. Ich lass dich sicher nicht fahren!" Diesmal war er es, der stehen blieb. Beinahe wäre ich in ihn hineingerannt.

„Was willst du dagegen tun? Mich festhalten?" Seine Stimme war provozierend und sein Grinsen geradezu aufmüpfig. Der Ansatz ihn festzuhalten, war fragwürdig. Trotzdem überdachte ich ihn ernsthaft. Viele Möglichkeiten hatte ich nicht, wenn ich Dawson vom Fahren unter Einfluss abhalten wollte. Dawson war unter objektiven Gesichtspunkten betrachtet gut eineinhalb Mal so schwer wie ich. Mindestens genauso hinderlich war, dass ich ihm nur bis zur Schulter ging. Mein anatomischer Vorteil lag woanders.

„Ich hab sehr lange Arme. Ich könnte es zumindest versuchen", antwortete ich halb im Scherz.

Sein Blick wanderte tiefer.

„Und verdammt lange Beine. Damit hättest du möglicherweise sogar eine Chance."

Ich wusste, worauf das rauslief. Meine Arme um seinen Hals, die Beine um seine Hüften geschlungen. So hatte er mich gegen die Kabinenwand der Umkleide gedrückt und geküsst, bis mir schwindelig wurde vor Erregung. Verlegen sah ich zu Boden. Äußerst unpassend gerade jetzt an sowas zu denken. Noch unpassender war das Kribbeln in meinem Bauch, das diese Erinnerung auslöste.

„Ich kann noch fahren, Riley. Wirklich." Es sollte bestimmt beruhigend klingen. Der Blick aus seinen glasigen Augen war alles andere als das.

„Tu das nicht. Bitte. Ich könnte nicht damit leben, wenn dir etwas passiert. Schlaf hier. Bei mir."

Dieser Satz brachte die seltsame Stimmung zwischen uns endgültig zum Kippen. Dawsons Blick wanderte nach unten, zu der Stelle, wo ich ohne nachzudenken, meine schlanken Finger auf die gebräunte Haut seines Unterarmes gelegt hatte. Dann sah er zu meinem Hals. Vorsichtig griff er nach dem Anhänger, rieb ihn zwischen Daumen und Zeigefinger. Seine Knöchel lagen fest und warm auf meiner Haut. Dann fuhr genau diese Hand in meinen Nacken. Ich blickte zu ihm auf, erwiderte seinen brennenden Blick.

„Denkst du manchmal noch daran? An diesen ersten Tag?", wisperte er in der Dunkelheit, die vom Mondlicht eine frostige Romantik erhielt, die in krassem Gegensatz zu der sommerlichen Wärme stand, die vom Gehsteig und den umliegenden Häusern gespeichert wurde.

Ich nickte zaghaft. „Oft", gestand ich ihm leise. „Du nicht?"

„Jeden verdammten Tag, Riley", murmelte er heiser.

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