11
Unschlüssig stand ich vor dem halbleeren Schrank. Für eine lange Jeans war es mir zu heiß. Das einzige Sommerkleid, das ich dabei hatte, war mir ein wenig zu schick für eine Bar.
Am Ende fiel meine Wahl auf einen dunkelroten Rock der im Gegensatz zu den gegenwärtigen Hotpants bis Mitte Oberschenkel ging, und ein schwarzes Top, das bis über den Bund reichte. Es wurde im Nacken von einem Band gehalten und war vorne bis zu meinem Schlüsselbein geschlossen, dafür rückenfrei. Wenn ich die Haare offenließ, sah man davon aber nicht allzu viel. Hektisch wühlte ich mich durch meine Unterwäsche auf der Suche nach dem schwarzen Neckholder-BH. Dawson stand derweil mit gekreuzten Armen am Türstock und beobachtete mich. Mit einem tadelnden Blick ging ich an ihm vorbei ins Bad. Wenn er jemanden prügeln sollte, dann sich selbst, wenn er unverhohlen alles verfolgte, was ich tat.
„Bin gleich soweit", informierte ich ihn. „Könntest du nur vielleicht versuchen die Klimaanlage auszuschalten? Ich hasse diese Dinger."
Natürlich nahm ich mir ein bisschen Zeit zum Umziehen und frisch machen. Sollte er ruhig warten, wenn er es schon nicht konkret sagen konnte, dass mein Kommen am Abend erwünscht war.
Unentschlossen sah ich in den Badspiegel. Noch ein bisschen nachschminken. Wimperntusche hatte ich am Morgen benutzt, aber nach einem Tag Gartenarbeit und der Dusche sah man die fast nicht mehr. Für einen Lidstrich fehlte mir die ruhige Hand. Einen Dawson, der vor meinem Bad wartete, hatte es bisher nie gegeben und der Umstand machte mich extrem nervös. Lipgloss in einem Kirschton war aber sicher kein Fehler. Den konnte ich selbst mit flatternden Fingern auftragen.
Zögernd griff ich nach der Kette um meinen Hals, deren herzförmiger Anhänger von dem dunklen Oberteil übermäßig auffällig betont wurde und legte sie neben meinen Zahnputzbecher. Ich hatte sie, seit Dawson mir den Schmuck geschenkt hatte, nie abgelegt, außer beim Schwimmen. Jetzt, wo sie auf dem Waschtisch lag, sah mein Hals nackt aus. Fühlte sich nackt an. Seufzend legte ich die dünne Kette wieder um. Sollte er doch darüber denken, was er wollte.
„Besser?", fragte ich Dawson, als ich fertig war. Er nickte, wirkte aber noch immer nicht ganz überzeugt.
„Die Klimaanlage ist aus", informierte er mich und öffnete mir die Tür. Als ich an ihm vorbei ging, schnappte er hörbar nach Luft.
„Hätte mich echt gewundert, wenn du mal nicht halbnackt rumläufst", murmelte er kaum hörbar. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. Ich hatte meine Reize, das war mir klar. Vor allem dann, wenn ich sie nicht in buttergelb servierte.
Bis zur Bar waren es nur wenige Schritte. Die unvermeidliche Alterskontrolle brachte ich zähneknirschend hinter mich und bestellte mir zur Feier des Abends Cola statt meines üblichen Wassers. Terence, der jüngere der Mitarbeiter, den ich kaum älter als mich geschätzt hätte, flätzte mit einem Bier in der Hand lässig in seinem Stuhl. Lio und Chad waren in ein Gespräch vertieft, sahen aber auf, als ich an den Tisch trat.
Lio erhob sich und umarmte mich. „Für wen hast du dich denn heute hübsch gemacht? Doch nicht etwas für mich, Baby?", scherzte er und kniff mir frech in den Hintern. Dafür kassierte er einen kräftigen Knuff in die Rippen. Terence beäugte uns neugierig, als ich mich zwischen Chad und Lio niederließ.
Auf der Suche nach Sam ließ ich meinen Blick durch die Bar schweifen und entdeckte sie schließlich mit ihrem Dad und Rourke an einem der Billardtische. Neben ihr stand eine Frau, die ich nicht kannte und die beiden berieten gerade, welche Kugel Sam anspielen sollte. Lios Blick folgte meinem.
„Nicht dein Ding, hm?", witzelte er neben mir und ich rümpfte die Nase.
„Ich verstehe nicht, warum man nicht die bunten Kugeln mit dem Queue einfach in die Löcher stupst." Im Ernst. Alles andere war doch einfach viel zu kompliziert. Solche Spiele waren nur entstanden, weil gelangweilte Männer zu viel Alkohol tranken und mit ihrer Zeit nichts Besseres anzufangen wussten.
„Wie? Du kannst nicht Billard spielen? Wirklich schwierig ist das doch nicht." Terence musterte mich über sein Bier hinweg ungläubig. War wirklich kaum zu glauben, dass es noch andere Lebensinhalte gab, als mit einem Bier in der Hand anderen zuzusehen, wie sie bunte Kugeln über den Tisch rollten oder Pfeile auf Scheiben warfen. Als wir noch alle Sammler und Jäger waren, machte letzteres vielleicht noch im Ansatz Sinn.
„Vergiss es, Terence. Wir versuchen, es ihr beizubringen, seit sie vierzehn ist. Das hat keinen Sinn. Alles was nichts mit Wasser zu tun hat, ist an Riley Zeitverschwendung." Großspurig winkte Lio ab.
„Dann seid ihr die Sache einfach falsch angegangen. Meine Schwester kann das und die ist erst zwölf."
Ich schmunzelte. Der Gute hatte wirklich keine Ahnung, wie blöd ich mich anstellen konnte.
„Und du hast es deiner Schwester beigebracht, du Fuchs?", mutmaßte Dawson. Seine Stimme triefte nur vor Spott. Wie gemein von Dawson, sich über den schmächtigen Terence lustig zu machen.
„Wir können es mal auf einen Versuch ankommen lassen. Auch wenn ich keine große Lust habe, mich mal wieder zum Gespött einer kompletten Bar zu machen", kündigte ich meine Kapitulation an.
„Keine Sorge, Schätzchen. Bei dem Rock schaut keiner auf die Kugeln auf dem Tisch. Dein Hintern ist viel spannender", hänselte mich Lio.
„Außerdem wissen die meisten hier aus sicherer Quelle, dass du vermutlich noch schlechter einparken kannst, als du Billard spielst." Dawson grinste mich boshaft an.
„Witzig, ihr Zwei. Echt. Macht mal ein paar Bemerkungen über jemand anderen. Wie wäre es mit Chad?"
Der Genannte zuckte erschrocken zusammen und wandte seine Augen vom Billard zu uns. „Was war?"
Er hatte Glück, dass Dawson und Lio sich seit Jahren auf mich eingeschossen hatten. Sonst wäre ihnen Chads flammender Blick, der sicher schon auf Sams Haut brannte, nicht entgangen. Das Stück Normalität, das er für sie präsentieren wollte, war sicher seiner Neugier geschuldet, wohin dieser verfluchte Drache sich wand, der an ihrem Bein begann, und dessen Kopf an ihrem Ausschnitt endete. Ich hatte nie gleichgeschlechtliche Neigungen gehabt. Nicht mal eine Phase davon und trotzdem hätte ich Sam damals am See zu gerne ohne Bikini gesehen, um den Drachen, und nur um den ging es mir, im Ganzen zu sehen. Keine Ahnung, was solche Phantasien mit einem Kerl wie Chad anstellten. Oder Dawson. Oder allen Männern, deren Blicke zwischen ihrem Bein und dem Dekolletee wechselten, wenn Sam sich über den Billardtisch beugte.
Als Sam und die drei anderen den Tisch räumten, stand Terence auf und ich folgte ihm, Dawson und Lio waren nur wenige Schritte hinter uns.
„Wer spielt mit Riley zusammen?", erkundigte Lio sich.
„Du, wenn du schon fragst", gab Dawson zurück und grinste boshaft. Ich verdrehte die Augen. So mies, wie er es darstellte, spielte ich doch gar nicht.
„Ich weiß gar nicht, was du hast, Dawson. Die weiße Kugel treffe ich inzwischen immer", grummelte ich.
„Na immerhin! Ein Fortschritt. Dann fang doch am besten gleich mal an." Er hielt mir mein Spielgerät entgegen. Das war jetzt gemein von ihm. Er wusste genau, dass ich die weiße Kugel niemals so gut traf, dass sich alle anderen Bälle großflächig verteilten. Nervös bestrich ich mein Queue mit blauer Kreide, obwohl das null messbaren Erfolg auf die Qualität meines Spiels hatte. Aber konnte ich wenigstens noch etwas Zeit schinden.
„Wird das heute noch, Riley?", frotzelte Dawson bereits wieder.
„Ich habe ein Queue in der Hand. Überleg also genau, was du sagst!", giftete ich ihn an und hob die Spitze drohend in seine Richtung.
Terence sah besorgt zwischen mir und Dawson hin und her. Lio lachte.
„Mach dir keine Sorgen. Solange sich die beiden anzicken ist alles gut."
Mehr als „okay", wusste Terence dazu nicht zu sagen. Ich zielte, traf wie befürchtet, nicht besonders gut. Zumindest einige Kugeln rollten in verschiedene Richtungen davon, die meisten blieben jedoch als Pulk in der Mitte liegen.
„Brillanter Zug, Riley. So versenkt Dawson sicher nichts!", lobte Lio zynisch.
„Dawson ist gar nicht dran, sondern Terence!", gab Dawson zurück.
Der lief grinsend einmal um den Tisch, versenkte dann zwei Ganze. Sehr schön, die Halben mochte ich lieber. Da traf ich zumindest ansatzweise, weil ich an der Kugel die Position, wo ich treffen wollte, besser visualisieren konnte. Zumindest bildete ich mir das ein.
Nachdem Terence patzte, konnte Lio eine Halbe ins Loch bekommen und dann eine weitere. Für Dawson, der als nächstes dran war, blieb nur eine Kugel, die ziemlich frei lag. Er beugte sich prüfend über den Tisch und versenkte sie nach einer kurzen Korrektur der Position seines Queues absolut perfekt mittig in der Tasche. Nicht, dass ich das bewunderte oder so. Aber irgendwie war es schon sexy, wenn sein Blick völlig konzentriert auf den Tisch starrte und er dabei leicht die volle Unterlippe zwischen seine Zähne saugte. Dann warf er mir einen säuerlichen Blick zu, weil er sich mit dem Pulk auf dem Tisch auseinandersetzen musste. Zwei Mal lief er um den Tisch, bis er mir schließlich den perfekten Blick auf seinen Hintern bot, als er sich tief über den Tisch beugte. Knackig. Hübsch in Szene gesetzt dank der schwarzen, wie angegossen sitzenden Jeans.
Seine nächste Kugel fand trotz erschwerter Bedingungen in die Tasche. Dann die nächste. Lio stöhnte, Terence jubelte verhalten. Ich war völlig emotionslos, was das Ergebnis des Spiels anbelangte. Ich war viel zu gefesselt von Dawson und den langen schlanken Fingern, die er auf den grünen Filz legte. Von dem prüfenden Blick seiner Augen und den entspannten Gesichtszügen, von seinem zufriedenen Lächeln, wenn sein Plan aufging und eine Kugel klackend in die Tasche fiel.
„Du musst Dawson mehr ablenken", schimpfte Lio neben mir. „Er macht uns fertig! Wofür bist du ein Mädchen, wenn du deine Reize nicht einsetzt?"
„Und wie soll ich das machen?", maulte ich.
„Egal, bewirf ihn mit Papierkugeln, hüpf auf und ab. Von mir aus zieh dich nackt aus!"
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