Teil III -Riley 80
Mit meiner Schwimmtasche über der Schulter verließ ich genervt die Umkleide. Coach Henderson hatte an keinem von uns heute ein gutes Haar gelassen. Violet, die seit einem Jahr im Team war, wirkte frustriert. Dave und Lucas motzten, weil Henderson ihnen Trockenübungen aufgebrummt hatte: Sie sollten übermorgen im Gym der Schule Krafttraining machen.
„Ich kann euer Gejammer nicht ganz nachvollziehen", sagte ich achselzuckend zu den beiden Jungs. „Wenn ihr erfolgreich sein wollt, braucht ihr mehr Kraft. Dass der Coach euch ins Gym holt, heißt doch, dass er offenbar noch Potential bei euch sieht."
Unsere Schritte hallten im leeren Gang wider. Violet nickte den beiden Jungs zu. „Riley hat recht. Dass Henderson überhaupt seine Ferien für uns opfert, ist schon ein Zeichen. Er holt uns drei sicher wieder zu Riley ins Wettkampfteam, wenn wir uns anstrengen!" Sie drehte ihr nasses, blondes Haar nach oben und steckte es mit einer Klammer fest.
„Aber ist schon anstrengend. Er ist so anspruchsvoll", jammerte Dave. Oder Luca. Die beiden waren Zwillinge und obwohl sie sich nicht glichen wie ein Ei dem anderen, war ich nie sicher, wen ich vor mir hatte. Beide hatten dunkelbraune Augen, kastanienbraune Haare und ein ovales Gesicht. Ausgeprägte Muskeln, den Ansatz eines Sixpacks und die üblichen Arme und Beine. Nichts Herausragendes, was mir geholfen hätte, die beiden auseinander zuhalten.
Inzwischen hatten wir den Ausgang erreicht und die Jungs verabschiedeten sich. Violet und ich gingen zu den Fahrradständern.
„Was für Weicheier!", stellte Violet fest und sah den Jungs aus ihren sturmgrauen Augen verständnislos nach. Dann stieß sie mir in die Rippen. Ihr Kopf ruckte bedeutsam nach links. „Der da hinten hätte gegen ein bisschen Krafttraining sicher nichts einzuwenden."
Ich folgte ihrem Blick und mein Herz hüpfte in meiner Brust, als ich das Bild von einem Mann erfasste. An seinen Pick-up gelehnt, stand Dawson auf dem Parkplatz und verfolgte jede meiner Bewegungen. Die Arme hatte er vor der Brust verschränkt, was sowohl seinen breiten Brustkorb als auch die gut trainierten Oberarme zur Geltung brachte. Seine Augen schimmerten dunkelgrün und seine Mundwinkel hoben sich leicht. Sofort wünschte ich mir, auf ihn zulaufen zu dürfen und mich in seine Arme zu werfen. Meine Finger in dem unordentlichen Haar zu vergraben und ihn zu küssen bis mir schwindelig wurde und ich dieses süße Sehen in meiner Körpermitte spürte.
„Kennst du den?", erkundigte sich Violet flüsternd. Ich schüttelte meine Starre ab und verdrängte die Gedanken an starke, schwielige Hände auf nackter Haut.
„Ja, ist ein Kumpel von Staceys Bruder. Ich schau mal rüber und frag, was er will. Komm gut nach Hause!", wimmelte ich Violet ab. Hätte mir grad gefehlt, dass sie Dawson vorgestellt werden wollte oder sowas.
„Bis Montag!", verabschiedete sie sich jedoch ohne Umschweife und fuhr davon.
Dawson rührte sich keinen Millimeter, als ich auf ihn zuging. Nur seine Augen wanderten über meinen Körper. Seine Musterung war mir unangenehm und gleichzeitig war sie so aufregend, dass sie mir wackelige Knie bescherte und den Wunsch in mir weckte, ich hätte nicht nur meine ausgewaschenen Jeansshorts und ein nichtssagendes Top an, sondern wäre vielleicht geschminkt und ordentlich gekleidet. Irgendwie attraktiver.
„Hey, meine Schöne", begrüßte er mich und ließ seinen Blick kurz über die Umgebung schweifen. Im nächsten Augenblick legte er einen Arm um mich und zog mich an sich.
„Was machst du schon hier?", murmelte ich in sein Shirt, und schlang meine Arme um seine Taille. „Ich dachte, du kommst morgen erst."
„Ich hatte schreckliche Sehnsucht nach dir", gab er zurück und küsste meinen Mundwinkel. Ein Kribbeln blieb an der Stelle zurück, wo er mich berührt hatte. „Außerdem ist heute ein ganz besonderer Tag", fuhr er fort. Grübelnd sah ich zu ihm hoch. Seine grünen Augen funkelten, um seinen Mundwinkel zuckte es. „Gib es zu Riley, du hast keine Ahnung, oder?", neckte er mich.
„Keinen Schimmer", gab ich seufzend zu. „Dein Geburtstag ist es jedenfalls nicht. Was dann?"
„Wart's ab", sagte er spitzbübisch und zog mich zum Auto. Nur ungern bremste ich ihn. Schon gar nicht mit dem Thema, das ich jetzt unweigerlich aufbringen musste.
„Ich hab jetzt nur leider keine Zeit. In einer halben Stunde muss ich bei Melissa sein." Sofort verfinsterte sich Dawsons Blick.
„Dann fahr ich dich hin und seh mir den Typen bei der Gelegenheit gleich mal an", brummte er und ich lachte auf.
„Du meine Güte! Du benimmst dich, als wärst du mein Vater oder so", äußerte ich spöttisch und erntete einen strengen Blick.
„Genau, Riley. Ich bin offensichtlich dein ‚oder so'. Und jetzt steig endlich ein, bevor ich dich einfach auf die Ladefläche werfe." Schwungvoll riss Dawson die Tür der Beifahrerseite auf und ich verbiss mir ein weiteres Lachen.
„Was ist so lustig, hm?", erkundigte er sich, als er auf dem Fahrersitz saß und den Zündschlüssel drehte. „Bist du angeschnallt?"
„Du bist lustig", gab ich lächelnd zurück. „Wenn du so..." Einen Augenblick überlegte ich, was der richtige Ausdruck war. Herrisch? Einschüchternd? Bestimmend?
„Wenn ich...?", fragte er ungeduldig nach.
„...so dominant bist", gab ich dann vorsichtig zurück. Wieder bekam ich einen schrägen Blick, aber einen etwas weicheren. Seine Mundwinkel hoben sich nun auch leicht.
„Dominant? Dir geb ich gleich dominant!", murrte er. „Also, was ist jetzt? Schnall dich endlich an!"
Dawson blinkte, als das Gurtschloss klickte. „Tss, dominant", murmelte er nochmal und fuhr los.
Keine Ahnung, woher er wusste, wohin er mich bringen musste. Aber wenn ich raten sollte, dann hatte Dawson Thomas Bowbridge gegoogelt. Jedenfalls fuhr er ohne Nachfrage verdächtig zielstrebig zur richtigen Adresse und parkte sein Auto am Straßenrand.
„Schon krass, wie viel Asche man mit Fotos verdienen kann", sinnierte Dawson. „Meine Mutter kann sich die Hypothek nicht leisten und wir könnten nicht mal Schlümpfe sammeln. Und der Typ verdient genug, um Motorräder zu horten!"
In Dawsons Stimme schwang kein Neid mit. Er klang eher niedergeschlagen.
„Bestimmt lässt er mit sich reden. Vielleicht kannst du eine Anzahlung machen und den Rest in Raten abbezahlen", versuchte ich Dawson aufzumuntern.
„Wir werden sehen. Jetzt kümmere du dich mal um deinen Unterricht. Wann soll ich dich abholen?"
Irritiert sah ich Dawson an. „Kommst du denn nicht mit rein? Du wolltest dir den Typen doch anschauen?"
Obwohl mein Ton neckend gewesen war, fiel Dawsons Antwort sehr ernst aus.
„Ich kann mich doch nicht einfach selbst einladen!"
Ohne auf seinen Einwand zu reagieren, drückte ich auf die Klingel und das elektrische Tor glitt zu Seite.
„Jetzt komm schon! Sei keine Memme", forderte ich Dawson auf, der protestierend schnaubte und zog ihn an der Hand die Einfahrt hoch. Melissa kam uns auf halbem Wege entgegengerannt. Als sie Dawson erblickte, blieb sie stehen und musterte ihn eingehend.
„Ich kenn dich", sagte sie nachdenklich. „Du warst bei Riley am See. Als meine Mum ertrunken ist", stellte sie überaus sachlich fest. „Willst du auch schwimmen lernen?"
Dawson schüttelte den Kopf. „Ne, ich kann schwimmen. Ganz gut sogar." Die Aussage brachte uns dem Grund des Besuches noch nicht näher.
„Dawson liebt Motorräder und wollte mit deinem Dad über etwas reden."
Melissa legte den Kopf schief. „Okay, Dad ist im Garten", sagte sie dann einfach und ging voraus.
„Siehst du. War doch easy bis jetzt", wisperte ich und schenkte Dawson ein beruhigendes Lächeln, woraufhin er mich dankbar ansah und sanft meine Hand drückte, bevor er sie wieder losließ. Heimlichtuerei. Wie immer.
„Bei dir ist immer alles so einfach", murmelte Dawson ebenso leise.
„Das glaubst auch nur du!" Ich drückte meinen Ellbogen in seine Rippen. „Jede Millisekunde beim Schwimmen ist hart erkämpft. Ich habe keine Brüste. Ich bin schlecht in Mathe und in Schach noch schlechter. Ich kann nicht Motorrad fahren. Wenn du genauer hinsiehst, dann wirst du bemerken: Mein Leben ist ein einziges Jammertal, Dawson!" Theatralisch seufzte ich und entlockte Dawson damit ein erneutes Lächeln. Ich mochte es wenn sich seine Mundwinkel fröhlich hoben. Er sollte viel öfter lachen. Es stand ihm. Dann bildeten sich kleine Fältchen unter seinen Augen und ein Grübchen an seiner Wange. Nicht tief, aber tief genug, dass es trotz des Bartschattens auffiel.
„Ich mag deine Brüste" wisperte Dawson und zwinkerte mir zu. Meine Wangen färbten sich sofort dunkelrot. Hatte ich das mit der mangelnden Oberweite echt laut gesagt? Vor Inbetriebnahme des Mundwerks sollte ich mal mein Hirn besser einschalten.
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