Epilog
6 Wochen später
Stacey stand an der Tür zu meinem Zimmer und sah mich mitfühlend an. „Und du bist ganz sicher, dass du nicht mitkommen möchtest? Wenn wir uns beeilen, dann könnten wir es noch immer schaffen."
Mein Blick huschte zwischen Stacey und dem Kleid an meinem Kleiderschrank hin und her. Dann schüttelte ich den Kopf.
„Vielleicht würde es dir guttun. Raus kommen aus dem Haus. Ein bisschen unter Leute gehen und ein paar nette Komplimente abstauben."
Wieder schüttelte ich wortlos den Kopf. Ich wollte keine Komplimente von irgendjemandem, der mir nichts bedeutete. Dessen Worte nur oberflächliche Schmeicheleien waren und die gähnende Leere, die in mir klaffte, fütterten. Ich wollte auf keinen Home-Coming-Ball in einem Kleid, das mir egal war und von dem ich mich fragte, warum ich es überhaupt gekauft hatte. Ich wollte mich nicht aufbrezeln, nicht lächeln, nicht tanzen. Schon gar nicht wollte ich wie ein bemitleidenswerter Tropf den ganzen Abend auf die Tür starren und hoffen, dass Lionel sich irrte und Dawson vielleicht doch nach Hause kam.
Ich wollte, dass Stacey, Miles und Lionel endlich zu dieser Party verschwanden und Justin mitnahmen, der angeboten hatte, mir zu Hause Gesellschaft zu leisten, obwohl ich doch nur endlich allein sein wollte, damit ich in meinem Schmerz baden konnte, bis ich in ihm ertrank.
„Ich versteh dich nicht", sagte Stacey stockend. „Wenn du nicht gehen willst, wozu dann das Kleid? Die neuen Schuhe. Die hübsche Unterwäsche? Das könnte dein Abend werden! Du wirst Ballkönigin, Riley, daran besteht kein Zweifel. Alle Jungs werden dir zu Füßen liegen."
Lustlos hob ich die Achseln und ließ sie wieder sinken. Wie sollte ich denn erklären, dass ich all den Zauber betrieben hatte, weil ich so sehr gehofft hatte, Dawson würde sich wieder einkriegen. Endlich ans Telefon gehen und mich erklären lassen, was bei dem Fototermin wirklich geschehen war. Nur war das nicht passiert. Meine Wünsche, meine Träume, alles war zerplatzt wie eine Seifenblase, weil ich eine winzige in seinen Augen falsche Entscheidung getroffen hatte. Okay, eine große falsche Entscheidung.
Damit hatte ich Dawson nicht nur enttäuscht, sondern den Prozess beschleunigt, den ich am meisten gefürchtet hatte. Er war zurückgekehrt zu Sam, zu seiner Tochter, zu seiner Arbeit in dieser Werkstatt. Er hatte sich in einem Leben eingerichtet, zu dem ich keinen Zutritt hatte und ich hatte noch nicht einmal das Recht, ihm Vorwürfe zu machen. Er tat nämlich genau das, was man von einem Vater erwartete: er kümmerte sich um seine Familie. Etwas, das ich mir von meinen Eltern in diesem Augenblick mehr wünschte als alles andere.
„Lass sie doch einfach, wenn sie nicht will", erklang Miles Stimme von der Tür. „Sie ist schon ein großes Mädchen, Stacey. Wenn sie nicht möchte, hat sie sicher gute Gründe. Wenn wir nicht zu spät kommen wollen, dann sollten wir langsam fahren. Hol deine Tasche ich komm gleich nach, okay?"
Stacey nickte. „Ich hätte mich sehr gefreut, Riley." Ich hörte die Traurigkeit in ihrer Stimme, wünschte, ich könnte ihr einfach erzählen, warum ich nicht hinwollte. Ich wollte mich gerne jemandem anvetrauen können, ohne Konsequenzen für Dawson zu fürchten. Doch stattdessen schwieg ich eisern, schütze, was es noch zu schützen gab: ihn und seine kleine Familie irgendwo weiter unten im Süden. Noch einmal blickte ich auf das dunkle Display meines Handys auf meinem Oberschenkel, während Miles mit meiner Freundin den Platz tauschte.
Ohne ein Wort zu sagen, legte er einen Arm um meine Schultern und zog mich an seine Brust. Leise schniefte ich.
„Du heulst jetzt aber nicht mein Hemd voll, oder? Keine Wimperntusche bitte, sonst muss ich mir das von Stacey wieder ewig vorhalten lassen", ermahnte Miles mich. An seiner Brust schüttelte ich den Kopf.
„Es tut mir leid, Riley", sagte er darufhin leise. „Ich hab wirklich gehofft, das mit dir und ihm... ich dachte es könnte klappen, wenn ihr es beide so sehr wollt. Wenn ihr beide bereit seid, ein gewisses Risiko einzugehen."
Ein Schluchzen stieg in meiner Kehle empor und für einen Moment überlegte ich, ob ich die Wahrheit sagen sollte. Ob ich ihm erzählen sollte, woran die Beziehung letztlich zerbrochen war. Dass ich zu viel Risiko eingegangen war und Dawson damit vertrieben hatte. Nur hatte ich Angst. Ich hatte schreckliche Angst, dass Miles ebenso ausflippen würde wie Dawson. Er war mein Bruder, im Stich lassen würde er mich nicht. Da war ich mir sicher. Aber er würde Mum und Dad von den Fotos erzählen und dann würde Thomas ihnen von Dawson erzählen und am Ende hatte ein kleines Mädchen keinen Vater und Ernährer mehr, weil er verhaftet und eingesperrt wurde. Schlimm genug, dass mit Miles und Thomas zwei Menschen zu viel wussten, dass Dawson und ich zusammen gewesen waren. Das war schon Risiko genug und konnte Dawson irgendwann auf die Füße fallen. Egal wie blöd er sich benahm, ich wünschte ihm und seiner kleinen Familie in Alabama nichts Schlechtes!
„Ich werde drüber wegkommen, Miles", wiederholte ich mechanisch, was mein Bruder mir seit der Trennung in Dauerschleife erzählte, um mir Mut zu machen und einen Moment wurde der Druck um meine Schultern fester. In einer anderen Situation wäre die Geste meines Bruders tröstlich gewesen. Zu einer Zeit, als ich noch nicht diese seltsame Müdigkeit gefühlt hatte, die tief in meinen Knochen saß und selbst das Ein- und Ausatmen zu einem Kraftakt werden ließ. Ich wollte keine Nähe. Von niemandem. Ich wollte meine Decke über den Kopf ziehen, die Augen schließen und mich in eine Zeit und an einen Ort träumen, als ich noch nicht die zersplitterten Reste meines Herzens krampfhaft zusammenhielt, unfähig es wieder zusammenzusetzen.
„Ich glaube fest daran!", antwortete Miles voller Zuversicht.
Woran nochmal glaubte er? Achso, genau. Ich würde darüber weggkommen!
Ich wünschte, ich hätte diesen Glauben teilen können....
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