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Angespannt kaute ich auf meinem Daumen, während ich wartete, dass sich am anderen Ende jemand meldete. Vielleicht war er schon schlafen gegangen. Mein Finger schwebte über dem roten Hörer, als er endlich ranging.
„Weißt du wie spät es ist?", grummelte Thomas in den Hörer.
„Elf Uhr fünf", antwortete ich und Thomas lachte leise.
„Was kann ich für dich tun?", brummte er dann. „Um elf Uhr fünf?"
Er klang amüsiert, während ich Mut aus allen Ecken zusammenkratzte. Besonders viel kam da nicht zusammen. Mit Dawson hatte ich bereits eine Menge Mut verbraten.
„Ich mach es", stieß ich hervor.
„So? Und was sagt Dawson dazu?"
„Er muss es nicht wissen", sagte ich beschwörend. Thomas Lachen am Ende der Leitung ließ mein Trommelfell beinahe platzen.
„Das ist sehr kurzsichtig gedacht. Der Plan ist doch, dass du die Fotos machst und er bekommt dafür Ratenzahlung. Wie willst du ihm das erklären?"
Einen Moment war es still. Ich räusperte mich. „Du hast gesagt, er bekommt es sofort, wenn ich unbekleidet..."
„Und du meinst, dass lässt sich besser erklären? Ich denke, du bringst dich da in gewaltige Schwierigkeiten." Diese Warnung verpuffte an meiner neu gewonnenen Einsicht, wie wichtig das Bike für Dawson war. Wie sehr er diese fragile Verbindung zu seinem Vater brauchte. Selbstbewusster als ich mich fühlte, machte ich Thomas einen gewagten Vorschlag.
„Du könntest behaupten, du willst die Maschine nicht, weil sie nicht mehr Original ist."
Wieder war es still in der Leitung und ich bangte. Mach keinen Rückzieher, betete ich still und wurde erhört.
„Komm am Freitagabend", wies er mich an.
„Das geht nicht" stotterte ich. Tränen schossen mir in die Augen, weil ich meine Felle davon schwimmen sah. Die ganze Anspannung war zu viel. „Dawson kommt nach der Uni und..."
„Dann mache ich den Donnerstagabend frei. Das sollte gehen. Komm ungeschminkt."
„Danke", murmelte ich.
„Wir sehen uns."
Dann war die Verbindung tot. Ich ließ das Telefon sinken. Glücklich aber auch bis zum Zerreißen angespannt starrte ich zum Fenster. Beobachtete die Wolken, die schnell über den Himmel zogen. Donnerstag. Noch vier Tage und Dawsons Welt wäre wiederein bisschen mehr in Ordnung.
Die Tage, bis ich zu Thomas fuhr, waren zäh wie Melasse. Als ich klingelte, konnte ich mich nur verschwommen an die verstrichene Zeit erinnern. Der Wettbewerb war gut gelaufen. Zwei erste Plätze. Ein Dritter. Und bei der Staffel war Justin mir nicht ins Kreuz gesprungen. Das Gespräch mit ihm war an mir vorbeigezogen wie Rauch im Wind. Eine Entschuldigung. Dann die Eröffnung, dass er nicht zur Rettungsstaffel zurückkehren würde. Auf die Schultage konnte ich mich überhaupt nicht mehr besinnen. Die meiste Zeit hatte ich vor mich hingestarrt und mir Gedanken über das Shooting gemacht. Es war mir schon schwergefallen, mich vor Dawson zu entblößen. Dabei war es dunkel gewesen und ich war nicht nackt gewesen. Heute würde auch die letzte Barriere, mein Höschen, fallen.
Das Tor schwang zur Seite und als ich auf die Haustür zuschritt, verengte sich meine Sicht, als würde ich durch einen Tunnel gehen.
Thomas erwartete mich an der Tür. „Hey", sagte er. Mit zitternden Knien folgte ich Thomas durch sein Foyer, dann in den ersten Stock.
„Hier kannst du dich umziehen", sagte er und hielt mit die Tür auf.
Ich trat in den Raum. Auf Kleiderständern hingen verschiedene Ensembles. „Wir fangen hiermit an." Er hielt mir ein Sommerkleid entgegen. „Daisy kommt gleich und schminkt dich."
Er schloss die Tür und ich starrte auf das Holz. Daisy. Ich war davon ausgegangen, mit ihm allein zu sein. Erleichterung erfasste mich, als ich das Kleid über einen Stuhl legte, was Minuten später dazu führte, dass eine mollige Dunkelhaarige quiekte. „Das gibt Knitter!", schimpfte sie.
Dann kam sie ohne Begrüßung auf mich zu. Resolut hob sie meine Arme, inspizierte die Achselhöhlen. Dann zog sie ungeniert meinen Slip zur Seite.
„Naja", murmelte sie. „Daran müssen wir arbeiten. Du solltest Wachs benutzen. Nicht rasieren."
Sie half mir in das Kleid, dann bekam ich dezentes Make-up, bevor sie mich ins Atelier schickte.
„Komm her, setz dich. Wir machen ein paar Probeaufnahmen, dann wird es ernst."
Ähnlich wie die Schultage verschwamm das Shooting. Wie eine Modepuppe wurde ich geschminkt, ausgezogen, angezogen. Nach und nach wurde die Kleidung weniger und knapper. Als Thomas mich schließlich nur noch mit kaum vorhandenen Hotpants und einem weißen Spitzen-BH bekleidet in sein Schlafzimmer führte, raste mein Herz.
„Keine Sorge, Riley. Ich werde dich nicht anrühren!", versuchte er mich zu beruhigen, doch die gut gemeinten Worte wirkten nicht.
„Knie dich aufs Bett", forderte er und ich kletterte auf die dunkel bezogene Decke.
„Rücken zu mir. Nein, stopp nicht ganz so weit. Daisy, hilf ihr mal, ja?"
Daisy drehte mich. Formte mich, bis Thomas zufrieden war und den Auslöser drückte.
„Zieh ihr den BH aus. Kopf mehr in den Nacken. Genau. Perfekt. Hände auf die Oberschenkel." Sanft strich Daisy über meine Haare, bis alles glatt lag. „Du machst das toll!", lobte Daisy. Dann hörte ich den Auslöser.
„Heb die Hände. Auf die Brust. Ellbogen runter. Nase höher. Mehr Hohlkreuz." Ich kam mir vor wie ein Biegepüppchen, als Daisy zurücktrat.
„Was hab ich gesagt?", hörte ich Thomas wispern. „Ist sie unglaublich? Würde ich mehr auf junge Dinger stehen, ich würd sie ficken, bis sie nicht mehr laufen kann."
Daisy kicherte. Ich lief knallrot an, fand aber endlich die Beruhigung die ich brauchte. Dann waren beide wieder ernst.
„Gästezimmer. Die weißen Panties. Passender BH. Ich komm gleich nach. Ich brauch nur die zweite SD Karte und die andere Kamera."
Wie in Trance ließ ich mich von Daisy auf dem schmaleren Bett drapieren. Beine an der Wand hochgestreckt. Meine Haare hingen wie ein Vorhang bis auf den Boden. In dem überheizten Raum begann mein Körper zu schwitzen. Meine Hände und Füße aber blieben eiskalt.
„Super Arbeit, Daisy", lobte Thomas und kam mit der Kamera näher. Er änderte die Beleuchtung. Experimentierte mit verschiedenen Perspektiven.
Dann löschte er das Licht. Es war finster im Raum. Ich hörte eine Tür klappern. Daisy ging. Wir waren allein. Nur noch Thomas Rascheln und mein Atem füllten den Raum mit Leben.
„Zieh dich jetzt bitte aus, Riley." Der Befehl kam kurz, knapp und kühl, fühlte sich absolut professionell an. Mit flatternden Fingern befolgte ich ihn.
Ein Licht zu meiner rechten flammte auf. Dann kam Thomas näher.
„Ich werde dich nicht berühren. Keine Sorge."
Von der Erregung, die Dawsons Stimme in dunkle geschmolzene Schokolade verwandelt hatte, war bei Thomas nichts zu hören. Er strahlte nur diese kühle Professionalität aus. Pure Berechnung. Entweder hatte er sich gut unter Kontrolle oder ihn machte das wirklich kein bisschen an, dass ich nackt auf dem Bett lag.
Licht. Schatten. Mal um Mal wechselte er die Beleuchtung. Mal war ich in sanften Schimmer getaucht, mal entstanden harte Schatten. Mal lag ich auf dem Bauch mal auf dem Rücken.
„Umfass Brust, die andere Hand leg auf den Oberschenkel, als wolltest du es dir selbst machen."
Überfordert sah ich ihn an. Ich hatte keine Ahnung, was er da verlangte. Als er es bemerkte, fuhr er sich durch die Haare. „Riley, sag nicht, du hast das noch nie gemacht! Dawson würde töten dafür, dich bei deinem ersten Mal zu sehen. Wetten?" Langsam kam er näher. Er ging neben mir in die Knie.
„Du wirst eine unglaubliche Frau, wenn du irgendwann nicht mehr ganz so verklemmt bist. Du könntest einen Engel in Versuchung führen, Riley."
Einen Moment verharrte er in der Position, schien über etwas nachzudenken. Mein Herz raste.
„Leg deine Hand so hin. Das reicht." Er führte mir vor, wie er es meinte. „Der Rest ist dann nur Perspektive und Wunschdenken."
Er trat hinter die Kamera.
„Fleischgewordene Phantasie, Baby. Perfekt, meine Schöne."
Nach einigem Klicken forderte er mich auf, den Rücken durchzubiegen. Dann ging das Licht wieder aus.
„Zieh dich an. Dann verschwinde."
Ich schlüpfte in die geborgte Wäsche. An der Tür drehte ich mich um.
„Was ist mit dem Motorrad?", fragte ich leise. „Du hast gesagt..."
Der Auslöser klickte.
„Wir werden sehen, ob mir die Fotos hundertachtzigtausend wert sind. Du hörst morgen von mir. Und jetzt raus hier, bevor ich dich doch ausversehen vögle."
Galle stieg mir in den Hals.
„Du bist unglaublich fotogen und unfassbar sexy, Kleine", sagte Daisy, als ich zu ihr in das Ankleidezimmer kam. Sie reichte mir die Kleidung, mit der ich gekommen war. „Du könntest Geld wie Heu machen. Denk mal drüber nach", schob sie nach. Dann brachte sie mich zur Tür.
Erst auf halbem Weg nach Hause erfasste ich, dass ich es wirklich getan hatte. Ich hatte mich nackt fotografieren lassen. Das war nie mehr zu ändern. Die Endgültigkeit meiner Entscheidung trieb erneut Tränen in meine Augen, Galle stieg in meinen Hals. Neben einer Hecke hielt ich mit zitternden Knien mein Rad an. Gerade so schaffte ich es, abzusteigen, dann übergab ich mich. Tränen rannen über mein Gesicht wie Sturzbäche, als mein Magen leer war. Mein Hals schmerzte vom trockenen Würgen. Aufsteigen konnte ich nicht mehr. Dafür war ich zu flattrig, daher schob ich mein Rad nach Hause, atmete tief und unterdrückte die Panik, die in Wellen durch meinen Körper schwappte.
An Schlaf war in dieser Nacht nicht zu denken. Ich wälzte mich hin und her. Betete, dass meine Fotos Thomas genug Wert waren. Hundertachtzigtausend. Das war eine unfassbar horrende Summe für ein bisschen Körper mit magerer Brust. Ich konnte mir fast nicht vorstellen, dass Thomas sich an den Deal halten würde. Gleichzeitig war es der einzige Strohhalm, den ich hatte. Alles, woran ich mich klammern konnte, um nicht den Verstand zu verlieren.
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