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„Dad hat sich die Schleifmaschine geholt. Er will den hinteren Zaun abschleifen. Dafür braucht er mindestens vier Tage. Was habt ihr angestellt?" Sam lehnte in der Tür der Werkstatt. Die Hände hatte sie vor der Brust verschränkt. Das pushte ganz ordentlich. Für einen Augenblick starrte ich auf die runden Brüste und überlegte, was ich damit alles anstellen könnte.

„Ich hab Grady anständige Arbeit gegeben. Er kann hier nicht wochenlang putzen und Werkzeug anreichen." Rourke zuckte desinteressiert mit den Schultern.

Sie musterte mich eingehend und ermahnte Rourke: „Dann sieh zu, dass er nichts kaputt macht. Das zieht Dad dir sonst vom Lohn ab."

„Als ob", knurrte Rourke.

Ich war jedenfalls zufrieden mit dem Ausgang des Tages. Ich hatte einen Motor, den ich Stück für Stück zerlegen durfte und einen Fachmann an meiner Seite, der mir half, wenn ich nicht weiterwusste. Und eine Sam, die mir, jetzt wo ich bis zu den Ellbogen dreckig war, Kaffee und Wasser brachte. Ab und zu blieb sie stehen, sah mir ein bisschen zu und verschwand dann wieder im Büro. Ich starrte ihr natürlich nie hinterher und auch nie auf den Hintern, der in engen Jeans steckte, die Spekulationen unnötig machten. Sam zeigte in dieser Hose alles, was es zu sehen gab, in Bestform.

Rooney amüsierte sich ein wenig über meine Methodik, jedes Teil schematisch anzuordnen, damit ich den Motor am Ende wieder zusammensetzen konnte, ohne dass etwas übrigbleiben würde. Schließlich widmete er sich aber wieder seiner eigenen Arbeit.

Das Abendessen verlief sehr schweigsam. Abraham, der sonst einen Großteil des Gespräches bestritt, aß mürrisch den undefinierbaren Eintopf, den Sam uns vorsetzte. Sicher hatte sie sich Mühe gegeben und er machte auch satt. Aber gut war er nicht wirklich. Chad hatte mich da schon immer sehr verwöhnt. An Sharons Kochkünste mochte ich gar nicht denken. Dann lief mir das Wasser im Munde zusammen und mein Magen starb vor Sehnsucht nach einer anständigen Mahlzeit.

„Wir fahren morgen in die Stadt", teilte Sam beim Essen mit. Rourke lachte. „So weit reicht dein Tank doch gar nicht." Sam verdrehte die Augen.

„Wer redet mit dir, alter Mann?", fragte sie süßlich und klimperte mit ihren langen Wimpern.

Beleidigt verzog Rourke das Gesicht. Jetzt sah Sam mich direkt an.

„Also, noch mal von vorne", seufzte sie dramatisch und sah mich aus ihren blauen Augen genervt an.

„Wir fahren morgen in den nächsten Ort, den die meisten als Stadt bezeichnen würden. Nur nicht Rourke. Warum er trotzdem jeden Freitag mitfährt, wo es sich ja nicht um eine Stadt handelt, weiß nur Gott alleine. Wir haben überlegt, ob du mitkommen willst?"

„Wer ist wir?", erkundigte ich mich.

„Dad. Rooney. Rourke. Berta. Ich." Die Aufzählung endete an dieser Stelle ohne jegliche Erklärung und machte eine Nachfrage unumgänglich.

„Wer ist Berta?"

„Meine Holde", warf Rourke ein.

„Okay. Und da tun wir was?", bohrte ich weiter.
Sam sah mich an, als sei ich ein bisschen blöd im Kopf.

„Trinken. Darten. Rauchen. Trinken. Tanzen. Mehr trinken. Billard. Trinken. Sex haben", zählte sie mit funkelnden Augen auf.

Ich verschluckte mich und sah sie erschrocken an. Meine Ohren wollten mich grade verarschen, oder? „Wie?" Ich warf einen schnellen Blick zu Abraham, der schmunzelnd den Kopf schüttelte.

„Müssen wir dir das echt noch erklären?" Rooney musterte mich befremdet.

„Nein, also... ich war nur grad etwas überrascht."

Sams Lippen kräuselten sich amüsiert und sie zog die Augenbrauen hoch. „Weil man in Alabama Sex an einem Freitag haben kann und nicht nur samstags?"

„Nein, Sam. Weil du ein Mädchen bist und nicht mit ihm über Schweinkram reden solltest. Schon gar nicht beim Abendessen, wenn ich daneben sitze", rettete mich Abraham und schlug ihr sanft in den Nacken. „Bei meiner Erziehung war wohl nicht alles optimal. Ihre Mutter ist einfach zu früh gestorben."

Ein „Das tut mir leid" sparte ich mir. Keiner, der einen Elternteil verloren hatte, wollte das hören. Also zog ich lediglich einen Mundwinkel hoch und schenkte Sam einen Blick Mitgefühl und eine Portion Verstehen, was sie mit einem leichten Heben der Augenbrauen quittierte.

„Wir müssen nur mal nachdenken, wie er in die Stadt kommen soll", murmelte Abraham. „Ihr glaubt nicht wirklich, dass ich ihn auf dem Kinderspielzeug mitnehme? Dann lachen uns ja alle aus!"

„Er könnte zu Fuß gehen, dann lachen sie nur ihn aus", meinte Rourke pragmatisch und wischte mit seinem Brot die Reste aus seinem Teller.

„Ich find sein Bike nicht so übel", sprang mir Rooney zur Seite, nur um dann zu sagen: „Wenn er am Ortseingang parkt, würde es sicher gehen."

„Okay. Das reicht. Er soll einfach mit Mums Maschine fahren. Die kann mal einen Ausritt vertragen."

„Gute Idee", pflichtete Abraham seiner Tochter zu. „Dann kann er sich gleich mal an das Feeling einer A. SMITH gewöhnen."

So kam es, dass ich keine vierundzwanzig Stunden später den Schlüssel zu einem baugleichen Modell des Motorrades in der Hand hielt, das auch mein Dad gefahren war und kurz darauf Abraham und seiner Tochter den ausgefahrenen Weg zur Landstraße folgte.

„Mach langsam, okay? Ich will dich nicht von der Straße kratzen", brüllte mir Abraham über den Motorenlärm hinweg am Ende des Feldweges zu.

Ich nickte. Meine Knie waren schon etwas weich, wenn ich an die PS dachte, die in dem Motor schlummerten und die zum Spielen raus wollten. Zusammen mit dem Gewicht würde die Maschine sicher in der Kurve ein ordentliches Eigenleben entwickeln, wenn man übertrieb. Kaum vorstellbar, dass eine Frau mit diesem brutalen Gerät gefahren war. Noch abwegiger war, dass ich auf diesem Teil fahren würde.

Der Weg war nicht allzu weit und wir machten einen Höllenlärm, als wir durch die ersten beiden Örtchen hindurch fuhren. Ein paar Leute drehten sich nach uns um, der eine oder andere hob grüßend den Arm. Abraham, der unsere kleine Motorradgang anführte, blinkte brav an jeder Abzweigung und wir folgten ihm wie kleine Küken der Mutterhenne, bis wir schließlich eine Bar erreichten.

„Und?", fragte Abraham, als ich abstieg. „War es so, wie du es dir vorgestellt hast?"

„Dad, das ist doch ganz was anderes." Sam drückte meine Schulter. Sie hatte recht. Es war ein super Fahrgefühl. Aber die Bindung fehlte. Das war einfach ein Motorrad. Eines von Millionen.

Einer Antwort enthoben folgte ich den vier anderen. Rourke ging auf eine blonde Frau zu, bei der es sich wohl um Berta handelte. Sie hatte Locken bis zur Taille, war irgendwo in den Fünfzigern wie Rourke. Trug ein weißes weich fallendes Kleid mit einem tiefen Ausschnitt, der ihre riesigen Brüste betonte und war extrem geschminkt. Und passte zu Rourke wie die Faust aufs Auge. Sie begrüßte mich mit einer Stimme, die vom Rauchen knarzte und umarmte dann Sam, Rooney und Abraham.

„Irgendwelche Touris hocken an unserem Tisch", informierte sie uns und stöckelte auf ihren hohen Schuhen davon. „Der ist aber auch schön, oder?" Mit einer ausladenden Geste zeigte sie auf einen freien Tisch aus dunklem Holz.

„Schön? Na ich weiß nicht", murrte Rourke. „Aber er ist waagerecht. Also werde ich mein Bier darauf abstellen können."

„Gut, dann mal den Ausweis her", sagte eine dunkle, weiche Stimme hinter mir und streckte mir die Hand entgegen.

„Alles klar. Siehst viel jünger aus, sorry. Also, was soll es sein?"

Ich bestellte Bier, alle anderen ebenfalls. Auch Sam. Dabei war ich mir ziemlich sicher, dass sie noch keine einundzwanzig war.

„Euer Pool-Tisch ist in einer halben Stunde frei" informierte die Bedienung uns.

Sam hatte den Abend im Vorfeld perfekt beschrieben. Wir darteten. Tranken. Spielten Pool und langsam aber sicher spürte ich die Wirkung des Alkohols. Dass ich noch fahren musste, verdrängte ich in einer Ecke meines angerauschten Gehirns und trank noch ein Bier, das Abraham bestellte, obwohl ich definitiv schon längst genug hatte.

Anschließend ließ ich mich von Berta und Rooney zum Tanzen überreden und nicht viel später hatte ich plötzlich Sam im Arm und tanzte mit ihr Stehblues. Sie kuschelte sich an meine Brust, als wäre es das Selbstverständlichste, und genau der Ort, an den sie gehörte. Ich schluckte. Da gehörte sie nämlich überhaupt nicht hin. Sie war die Tochter von Abraham, bei dem ich Schulden bis über beide Ohren hatte. Sie anzugraben würde etwas komisch aussehen. Komisch im Sinne von berechnend.

Meinen Körper interessierte diese Überlegung aber gar nicht. Sie war eine Frau. Eine sehr hübsche noch dazu. Alles an ihr fühlte sich weich und weiblich an und wenn ich ehrlich war, dann war ich Freitagssex gegenüber äußerst aufgeschlossen. Oder zumindest Freitagsfummeln gegenüber.

Dass ich die Heimfahrt überlebte, grenzte an ein Wunder. Ich brauchte die komplette Fahrbahnbreite und hatte das Gefühl, mich schlimmer anzustellen, als bei meiner ersten Fahrstunde. Abraham bog bereits zweihundert Meter vor der Auffahrt zur Garage überraschend nach rechts ab. Übrig blieben nur Sam und ich, die sichergehen wollte, dass die Maschine und ich den Weg über die ausgefahrene Zufahrt überlebten, ohne dass die nächste Grady-A.SMITH-Kombi Totalschaden erlitt.

In dem Zustand zu fahren war völlig bescheuert gewesen. Man musste alles mal probiert haben, aber nicht wiederholen. Das stand fest.

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