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Liebevoll wuschelte ich meinem Bruder durch seine Haare. Genervt schlug er meine Hand weg.
„Spinnst du?" Er beugte sich über den Außenspiegel und inspizierte seine Frisur. „Das sollte ich mal bei dir machen!"
Ich zuckte mit den Achseln. „Mach ruhig", grinste ich. Meine langen, dunkelbraunen Haare waren immun gegen Unordnung. Sie hingen immer langweilig und arschglatt bis zu meiner Taille runter. Sie trotzten Haarschaum, Lockenstab und Wicklern. Es war mein Schicksal, die ödeste Frisur der Welt zu haben.
„Lass uns reingehen. Hilft ja doch nicht." Einen abgrundtiefen Seufzer später richtete Miles sich auf und gemeinsam liefen wir die letzten Meter zur Hütte. Im Inneren roch es bereits intensiv nach Party. Alkohldunst gemischt mit Rauch und Schweiß schlug uns entgegen.
„Wie ich es liebe!", grummelte mein Bruder und drängte sich durch eine Gruppe von bereits angeheiterten Jugendlichen. Ob er die Angetrunkenen oder den Mief meinte, war ich nicht sicher.
Wir schlugen uns zur Küche durch und nahmen uns jeder eine Flasche Cola aus dem Kühlschrank. Ich trank ein paar Schlucke, füllte die Flasche dann mit Tennessee-Whiskey auf.
„Mach langsam, okay?", ermahnte mich mein Bruder, während sein Kopf bereits zu grottenschlechter Countrymusik nickte. Kenny Rogers? Wer hörte denn sowas noch? Und welche Idioten grölten da bitte grade mit? Die mussten alle schon ganz schön einen in der Krone haben. Ich verdrehte meine Augen. Das würde ein verdammt langer und, wie es schien, sinnloser Abend werden. „Bis dahin", verabschiedete ich mich von Miles. Je eher die nervige kleine Schwester verschwand, desto eher würde sich ein Mädchen anpirschen, das dafür sorgte, dass Miles nicht langweilig wurde und ich meine Ruhe hatte.
Im Wohnzimmer stieß ich schließlich auf meine Freundin Stacey, die mich rasch in eine freudige Umarmung zog. „Rate mal wer da ist", säuselte sie in mein Ohr. Justin jedenfalls nicht.
„Der Weihnachtsmann?", riet ich voller Sarkasmus. Ich erntete einen irritierten Blick meiner Freundin.
„Riley, du Schaf! Wir haben Juli! Ich bin mir nicht sicher, ob du in der Zeit voraus oder hinterher bist", wies Stacey mich zurecht. Mit ihrem Zeigefinger tippte sie gegen meine Stirn. „Dawson natürlich." Sie legte sich eine Hand theatralisch auf die Brust. „Und er hat schlechte Laune!"
„Wann hat er das nicht?", fragte ich unbeeindruckt.
Stacey kicherte. „Nein, ich meine richtig schlechte Stimmung. Mein Bruder sagt, er hätte sich heute mit seiner Mum gezofft. Aber bitte, wie geht das? Seine Mutter ist ein Engel!"
Ich zuckte mit den Achseln. „Schätze mal, ob sie ein Engel ist, ist nebensächlich, wenn er sich mal wieder wie ein Arsch benimmt!"
„Zum Streiten gehören immer zwei, Riley", murrte eine dunkle Stimme hinter mir. Mein Blut gerann in meinen Adern. Mein Herz stockte, stolperte dann weiter. „Aber ich lasse mir wie immer gerne von einer kleinen Sechzehnjährigen die Welt erklären."
Stacey formte ein betroffenes „oh" mit den Lippen. Dann verschwand sie und ich stand alleine mit meinem fleischgewordenen Alptraum da. Verdammte Verräterin!
Nervös drehte ich mich um und blickte nach oben in ebenmäßige Züge. Dawsons grimmiger Blick ließ mich wünschen, ich hätte schon mehr getrunken und könnte mit seiner Gegenwart entspannter umgehen. Alternativ wäre auch ein großes Loch in der Erde okay, das mich schluckte und in einer anderen Galaxie wieder auskotzte.
Schuld war nur Miles. Wenn ich nicht unendlich lange hätte betteln müssen, wäre ich schon ein paar Whiskey-Colas weiter. Dann würde es mir vielleicht am Arsch vorbeigehen, dass Dawsons grüne Augen giftig auf mich herabblickten und ihm ein paar widerspenstige Strähnen seines haselnussbraunen Haares ins Gesicht hingen. Vielleicht hätte ich dann jetzt auch nicht sein höhnisches Lachen im Ohr.
„Riley, sieh dich an! Du bist noch ein Kind!"
„In der Welt, in der ich lebe, bist du ein rücksichtsloser, ignoranter Arsch, der andere Menschen mit seiner unsensiblen Art verletzt und ihre Gefühle mit Füßen tritt."
Überrascht sah er mich an. Dann fing er an zu lachen. Er lachte mich aus! Vor all den Leuten sah er überheblich auf mich herab und schüttete sich aus vor Lachen. Mit einer Mischung aus Abscheu und Faszination beobachtete ich seine Erheiterung.
„Genau das meine ich, du Idiot", zischte ich wütend. Ich drückte mich an ihm vorbei, bekam den feinen Hauch seines Aftershaves in die Nase. Aus Wut darüber, dass er immer so verführerisch roch, rammte ich ihm meinen Ellbogen in die Rippen und ließ ihn stehen.
Ich wollte einfach nur noch raus hier. Ihm nicht mehr beim Lachen zusehen, nicht mehr die Blicke der Umstehenden spüren. Schon gar nicht wollte ich in seine grünen Augen sehen oder in sein Gesicht, das ein dunkler Bartschatten zierte. Rücksichtslos schob ich die Leute zur Seite, die mir den Weg versperrten und flüchtete vor Dawson.
Als ich im Freien war, atmete ich tief durch. Tauschte sein Aftershave gegen den beruhigenden Geruch von feuchtem Waldboden. Der Bereich vor dem Haus bis zum Zaun wurde vom Lichtkegel einer Laterne erhellt, jenseits davon lag der Wald in stiller Dunkelheit. Nur hier und da leuchteten kleine unscheinbare Lichter in den am Waldweg geparkten Autos.
Mit den Augen suchte ich die Reihe der Wagen ab, die seit unserer Ankunft deutlich länger geworden war und steuerte auf Miles' BMW zu. Zwischen dem Wagen und der ersten Baumreihe ließ ich mich zu Boden sinken. Die Knie zog ich an, umschlang meine Beine mit meinen Armen. Obwohl wir Sommer hatten, war es hier draußen empfindlich kalt, doch der noch warme Motor strahlte eine angenehme Wärme in die Umgebung ab. Seufzend lehnte ich mich gegen den Autoreifen und schloss die Augen. Sofort tauchte Dawsons Bild vor mir auf. Er sah einfach unglaublich toll aus.
Langsam zweifelte ich an meiner Zurechnungsfähigkeit. Obwohl ich wusste, dass er kommen würde, war ich auf diese Party gegangen. Hatte meinen Bruder bequatscht, weil Mum mir verboten hatte, allein zu gehen. Und das alles nur, damit wir uns innerhalb von zwei Sätzen in die Haare bekamen und Justin nicht da war.
„Riley?", ertönte ein lauter Ruf von links. Unverkennbar Dawsons dunkle Stimme. Mir blieb wohl nichts erspart.
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