»𝟸𝟸«
Ich fühle seine Überraschung, denn erst reagiert er nicht so recht, dann aber erwidert er den Kuss.
Zu Beginn sanft und unschuldig, doch er wird immer fordernder, lässt seine Zunge in meinen Mund gleiten. Ich fühle seinen unglaublichen Hunger nach mir, als er mich immer näher an sich drückt. So als hätte er ihn schon viele Jahre verdrängen müssen.
Im nächsten Moment zieht er mich an den Hüften zu sich hoch und drückt mich zwischen sich und die Wand der Dusche.
Aus irgendeinem Grund wird in diesem Moment die Brause in der Dusche ausgelöst und wir befinden uns unter strömend heißen Regen.
Ich befürchte schon, dass Noah jetzt aufhört, doch er reagiert nicht einmal darauf, sondern küsst mich immer weiter. Er hält mich unglaublich fest bei sich und küsst mich so leidenschaftlich und innig, als würde er mich sonst für immer verlieren.
Meine Nägel krallen sich unter seinem Shirt in seinen Rücken und meine Fingerspitzen fühlen seine nackte Haut.
Die Luft um uns besteht nur noch aus heißem Nebel und unseren verzweifelten Atemzügen.
Ich stöhne auf und lege den Kopf in den Nacken, als er hastig Küsse auf meinem Hals verteilt.
Ich genieße es, den vollen Druck von Noahs starkem Körper auf meinem zu fühlen. Er hat nicht wie Lucas Angst, mich zu zerdrücken, er denkt nicht darüber nach, steckt all seine Aufmerksamkeit in diesen Kuss. Und ich mag es, wie er mich mit seinem starken Körper förmlich fesselt, mich bei sich hält. So als wüsste er, dass es genau das ist, was ich brauche.
Seine Hand wandert in Richtung meiner Brüste und ich kann es kaum erwarten, bis er dort ankommt. Ich halte es kaum aus, mein ganzer Körper steht unter Strom.
Doch dann, als Noah nach dem Träger meines Schwimmanzugs greift, hält er plötzlich inne.
Erschrocken öffne ich meine Augen und blicke ihn an. »Was ist los?«, flüstere ich verunsichert.
Langsam lässt er mich an seinem Körper nach unten gleiten und ich stehe wieder auf meinen Beinen.
»Ich bin mit Jelena zusammen«, sagt er plötzlich die schmerzenden Worte und weicht dabei meinem Blick aus. »Und ich will deswegen schließlich nicht in die Hölle kommen«, fügt er dann aber noch hinzu und sieht mich mit einem plötzlichen Grinsen an. Da ist sie wieder. Seine perfekte Maske.
Ich versuche mich ebenfalls an einem Lächeln, doch ich kann nicht aufhören, daran zu denken, dass diese Worte in seiner Situation eine ganz andere Bedeutung haben. So viele Worte ändern in seiner Situation völlig ihre Bedeutung. Wie kann er nur so sehr im Moment leben? Wie kann er die ganze Sache einfach verdrängen und gleich weiter machen wie immer? Party machen, trinken, seine Freundin betrügen.
»Ich wart' dann bei den Trocknern auf dich«, sagt er dann so beiläufig, als wäre das hier gerade nie passiert.
Ich schnappe nach Luft, doch ich bin so perplex von seinem Verhalten, dass ich gar nichts erwidern kann.
• • •
Wir sind im selben Pub, in dem Marlene Jelena vor ein paar Wochen eine gescheuert hat. Verrückt, all das scheint mir jetzt so fern.
Weil Noah mit dem Auto hierher gefahren ist und auch wieder zurückfahren wird, setzt er sich gleich an den Tisch, als wir bei den anderen ankommen.
Ich gehe an die Bar, um mir ein Glas Wein oder Bier zu holen. Als ich mich am Tresen abstütze, will ich gerade die Hand heben, als Marlene plötzlich neben mir auftaucht.
»Alles okay?«, fragt sie mich fürsorglich und streicht mir über die linke Schulter.
»Er ist mit ihr zusammen«, murre ich und deute auf Jelena, die ihre Beine über Noah geschlagen hat und ihren Kopf immer wieder auf seine Schulter legt. Ich fühle den Schmerz, der sich quälend in meinem Inneren ausbreitet. Was, wenn er mir all das nur vorgespielt hat? Ist das der Grund, warum er das mit Jelena gesagt hat? Wollte er mich nur einmal »ausprobieren«? Nur sehen, wie es so ist, mich zu küssen?
»Echt, dieses vögelsüchtige Pack ist beziehungsfähig?«, entgegnet Marlene überrascht.
»Ja, Noah hat es mir grade gesagt, nachdem er mich geküsst und beinahe ausgezogen hat.«
»Was?«, quiekt Marlene und versucht ihren Schrei zu unterdrücken. »Er hat dich geküsst?« Ich sehe an ihrem Ausdruck, dass sie nicht weiß, ob sie entsetzt oder erfreut sein soll.
»Naja, ich hab ihn geküsst, aber er war ganz scharf auf mich und dann waren wir plötzlich unter Dusche, aber dann hat er mich ganz ohne mit der Wimper zu zucken fallen lassen«, knurre ich.
»Was für ein Arsch!«, zischt Marlene, die sich jetzt eindeutig für eine Seite entschieden hat. »Männer sind echt emotional behinderte Eisblöcke!«
»Sei du froh, dass du einen hast, den's nicht so hart erwischt hat«, erwidere ich verbittert.
»Ich weiß, dass ich mich glücklich schätzen kann. Ich weiß das, Leia«, sagt sie dann leise.
»Na gut und jetzt lass mal eine Runde Rotwein rüberwachsen«, kichere ich, weil ich genau weiß, dass ich nach ein paar Schlücken wieder zu jedem Spaß zu haben bin und ich will mich jetzt einfach nur noch betrinken, nicht mehr an diese ganzen beschissenen Dinge denken und Spaß haben. Ich sehe Marlene erwartungsvoll entgegen, doch die schüttelt den Kopf.
Ich werfe ihr einen irritieren Blick zu. »Alter, was los?«, rege ich mich auf.
»Komm her«, sagt sie dann und breitet ihre Arme aus.
»Schon gut, ich brauch keine Mitleidsumarmung von dir«, grinse ich, um ihr meinen Willen zur Fröhlichkeit zu demonstrieren, doch es wirkt bestimmt etwas erzwungen.
»Bist du dir sicher?«, erkundigt sie sich.
Ich winke ab. »Aber klar, wenn ich zwei Gläser trinke, dann tanze ich hier auf dem Tisch.« Ich deute auf den Tresen.
»Na gut, aber, was wenn ich heut ein bisschen Kuschelbedarf habe?«, nuschelt sie, zieht eine Schnute und kommt auf mich zu.
Und in diesem Augenblick, als mich Marlene in ihre Arme um mich schließt, da wird mir schlagartig ganz anders. Es ist so, als würde alle Anspannung der letzten Wochen von mir weichen und ich lasse mich fallen. Heiße Tränen laufen lautlos wie aus dem Wasserhahn über meine Wangen und tropfen auf die Schulter meiner besten Freundin.
»Hey, sabber mir nicht auf mein neues Top«, regt sich Marlene auf und will sich schon von mir lösen, doch da halte ich sie fest.
»Lass nicht los«, flüstere ich.
• • •
Schon komisch, am Morgen aufzuwachen und gar keinen brummenden Schädel zu haben. Voller Energie hüpfe ich aus dem Bett und stelle mich vor den Spiegel im Bad. Ich sehe auch gar nicht so scheiße aus wie sonst. Interessant, mein alkoholfreier Abend zeigt offenbar seine Wirkung.
Blöderweise fällt mir jetzt ein, dass ich meiner Mum genau eine Sache versprochen hab, nämlich am Rand der Terrasse ein paar Löcher für kleine Palmen zu graben, die angeblich schon in einem Jahr Schatten spenden werden. Keine Ahnung, warum das nicht der Gärtner erledigen kann, aber offenbar hat ihr das irgendein Guru auf so 'nem Seminar für Bekloppte eingeredet.
Immerhin kümmert sich Noah um das Setzen und da es jetzt noch früh am Morgen ist, treibt mich die Hitze wahrscheinlich noch nicht bis zum Kreislaufzusammensturz.
Eine halbe Stunde später stehe ich also mit Schaufel und Turnanzug im Garten und grabe um die Steinplatten der Terrasse herum ein Loch nach dem anderen. Echt eine Drecksarbeit!
Sofort wandern meine Gedanken zu Noah. Zum Nachdenken wird man hier also auch noch animiert. Ein Aspekt, auf den ich zurzeit nur zu gut verzichten kann.
Aber ich kann nicht anders, als mich zu fragen, warum er denn nicht diese verdammte Chemo macht und sich nicht von dieser Sidebitch trennt. Denn wenn Noah die strahlende Sonne des Sommers wäre, dann wäre Jelena wohl die blutrünstige Steckmücke des Sommers.
Unweigerlich muss ich wieder daran denken, wie er sich am Poolrand so leidenschaftlich geküsst hat und ich gleich darauf eine Abfuhr von Alexander kassiert hab.
Eigentlich sollte ich Marlene das mit Noah auch bald sagen. Einfach, um damit nicht allein zu sein. Aber irgendwie hab ich Angst davor. Was, wenn Noah es rausfindet? Schließlich hat er mich darüber informiert, dass er es geheim halten will und wie ich ihn kenne, ist er ja nicht der friedlichste Mensch auf diesem Planeten.
Ich will gerade wieder mit dem Spaten in die harte Erde stoßen, da steht ganz plötzlich Sam vor mir. Ich fasse mir an die Brust. »Mann, du hast mich erschreckt.«
»Ich hab schon geklingelt, aber niemand hat aufgemacht, da bin ich einfach um das Haus herum«, erklärt er mir. »Aber Marlene müsste eh bald runter kommen, wir haben um zehn ausgemacht.«
Ich nicke.
»Na, was machst du da?«, fragt er dann, vermutlich, um die peinliche Stille etwas zu überbrücken. »Marlene hat mir gar nicht gesagt, dass Gartenarbeit so dein Ding ist.«
»Ist es auch nicht. Ich bin nur auf der Suche, weißt du«, entgegne ich und wische mir den Schweiß aus der Stirn.
Skeptisch blickt er mir entgegen. »Ach ja, nach was denn?«
Ich mache mit meinem Stoffhandschuh eine abwinkende Bewegung. »Ach, nichts Besonderes. Nur nach meinem Ex«, füge mit einem hysterischen Lachen noch hinzu.
»Okay, die Lache hat jetzt wirklich etwas psycho gewirkt...«, meint er mit einem nervösen Kichern.
»Tja, so regeln Marlene und ich das eben«, erwidere ich mit dem breitesten Grinsen, das ich zu bieten hab.
Sam schaut mir irritiert entgegen.
Marlene erscheint in diesem Augenblick in der Terrassentür und sieht ihn an. »Was ist denn passiert, Sam?« Marlenes Blick wandert im nächsten Augenblick prüfend zu mir und als sie meinen schmunzelnden Ausdruck im Gesicht bemerkt, weiß sie sofort, was Sache ist und auf ihren Lippen erscheint ein Grinsen. » Keine Sorge, Sam, sie meint das nicht so. Leider ist sie als Kind mal vom Wickeltisch gefallen.«
In diesem Augenblick erscheint Alexander mit müden Augen und Boxershorts auf der Terrasse. »Leia, du im Garten?!«
»Sie sucht nach ihrem Ex-Freund«, entgegnet Sam nüchtern.
Alexander nickt verständnisvoll. »Na da hat sie aber Glück, nicht in meinem Garten zu suchen, bei den ganzen Schlampen würd' ich echt den Überblick verlieren.«
»Sind unsere Freunde nicht die Besten?!«, fragt Marlene mit einem übertriebenen Grinsen.
»Die Allerbesten!«, pflichtet ihr Sam bei und verschwindet mit ihr im Haus.
»Was haben die denn?«, fragt Alexander schulterzuckend und setzt sich auf einen der Gartenstühle. »Wir sind eben konsequente Leute.«
Ich schirme meine Augen mit den Handflächen von der Sonne ab und grinse ihm entgegen und als sich unsere Blicke treffen, grinst er verschwörerisch zurück.
Und vielleicht ist auch genau das der Grund, warum ich es Marlene noch nicht gesagt hab. Jetzt kann ich noch immer so tun, als wäre alles noch gut.
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Na, was sagt ihr zu Noahs Verhalten? Hat sich jetzt eure Meinung über ihn verändert? Wie immer hoffe ich, euch hat das Kapitel gefallen. Wenn ihr wollt, sehen wir uns hier morgen wieder!
Eure Anna Vanilla ♡
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