56.1. Come On, Let's Get You Home

Song Inspiration für dieses Kapitel: Hold On, We're Going Home (feat. Majid Jordan) – Drake


Come On, Let's Get You Home

Wie sich herausstellt, ist es nicht ganz so bald vorbei. Haymitch hat unterschätzt, was Katniss mit Coins Ermordung ausgelöst hat. Die Rebellen sind außer sich. Präsident Snow ist tot, getötet in der Menge aufgebrachter Zuschauer. Das große Schauspiel, welches im ganzen Land übertragen wurde, zunichte gemacht. Der Wechsel der Regierung ist nicht gelungen, wie man es sich ausgemalt hat.

Schon am Tag darauf beginnt Katniss' Prozess und Katniss darf nicht dabei sein. Man hat sie weggesperrt. Eine Tatsache, die sowohl Haymitch als auch mich zur Weißglut treibt. Wir haben nichts mehr zu sagen. Niemand interessiert sich für unsere Stimmen. Im neuen Panem gibt es derzeit zwei Seiten, die Gehör kriegen. Zum einen sind da die treuen Anhänger von Coin, die Katniss tot sehen wollen. Glücklicherweise ist eine Mehrheit unter der Führung von Commander Paylor der Ansicht, dass Katniss nach ihren Spielen und der Rebellion die Kontrolle über sich selbst verloren hat. In ihren Augen ist sie nicht mehr als ein achtzehnjähriges Kind, unzurechnungsfähig durch die traumatischen Ereignisse, die ihr Leben geprägt haben.

Da Katniss' Mutter sich nach Prims Tod völlig aus dem Alltag auszuklinken scheint, bleibt Haymitch nichts anderes übrig, als ihren Platz vor Gericht einzunehmen. Gemeinsam mit Plutarchs Unterstützung baut er Katniss' Verteidigung und kämpft für ihre Straffreiheit. Wir alle wissen, dass eine Straffreiheit an die Unmöglichkeit grenzt. Dafür hat Coins Tod ein zu lautes Echo hinterlassen.

Während Haymitch sich um Katniss kümmert, kümmere ich mich um Peeta. Er war bei der Hinrichtung anwesend. Er hat Katniss davor bewahrt, sich das Leben zu nehmen. Das ist alles, was er dazu sagt. Wenn Johanna oder ich nachhaken wird er unruhig und zornig und beginnt, wie ein eingesperrtes Tier durch sein Zimmer zu laufen. Nichts anderes als das ist er auch. Die Hinrichtung war eine von Coin angeordnete Maßnahme. Die Ärzte lassen ihn sein Zimmer nicht verlassen, außer für zwei kurze Spaziergänge pro Tag an der frischen Luft.

Peeta und ich gehen durch den Präsidentengarten. Abseits des Rosengartens, denn er weigert sich, diesen zu betreten. Es schneit dicke, weiße Flocken auf die feuchte Erde und wir sind in warme Mäntel gehüllt, während wir im trüben Mittagslicht zwischen den grünen Büschen und kargen Bäumen hindurch spazieren. Eine Soldateneskorte folgt uns auf einige Meter Entfernung.

„Du bist unruhig", stellt Peeta sachlich fest und mustert mich aus dem Augenwinkel. Seine hellen Iriden reflektieren das schwache Sonnenlicht, welches sich durch die grauen Wolken hindurchkämpft.

„Nur Kopfschmerzen, nichts weiter", sage ich, die Lüge leicht auf meinen Lippen. Heute wird Katniss' Urteil gesprochen und weder Haymitch noch Plutarch haben irgendeine Ahnung, wie der Prozess ausgehen wird. Sie glauben nicht an ein Todesurteil, wissen aber, dass es irgendeine Form der Strafe geben muss. Auch wenn sie nicht wissen, was die Richter sich ausdenken werden. Katniss' Prozess ist ein Thema, das ich nicht mit Peeta besprechen soll.

Peeta antwortet nicht, nickt zwar, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass er mich durchschaut. Vielleicht hat er die Wahrheit irgendwo aufgeschnappt. Selbst wenn nicht. Er war immer gut darin, die Gefühlslage anderer zu lesen. Er ist einer der aufmerksamsten Menschen, die ich kenne.

Hinter uns beginnt ein Comlink der Soldaten zu piepsen. Nichts Ungewöhnliches. Doch dann dringt die Stimme eines Rebellen an unsere Ohren. „Miss Trinket, Mister Abernathy wünscht Sie unverzüglich zu sprechen."

Mein Herz setzt einen Schlag aus. Es ist also so weit. Das Urteil ist gefallen. Ich wende mich Peeta zu, der mir einen kritischen Blick zuwirft und ich weiß, dass er weiß, worum es geht. Ich mache keine Anstalten, es ihm zu erklären, oder Entschuldigungen zu suchen. „Soll ich dich noch zurück zu deinem Zimmer begleiten?"

Peeta schüttelt den Kopf, etwas vehementer als gewöhnlich, was darauf hindeutet, dass er angespannt ist. In seinen himmelblauen Augen spiegelt sich eine Dunkelheit, die meine Mundwinkel automatisch nach unten rutschen lässt. „Geh nur", sagt er und läuft dann weiter, ohne mich weiter zu beachten. Die Soldaten folgen ihm.

Ich seufze in mich hinein. Er muss es hassen, aus allem ausgeschlossen zu werden. Dieses Leben im goldenen Käfig setzt ihm zu und jetzt, wo alles angeblich vorbei ist, sollte es besser werden. Uns wurde so lange versprochen, dass es jetzt endlich besser wird. Aber davon ist weiterhin nichts in Sicht.

Zurück in unseren gemeinsamen Räumen wartet Haymitch bereits auf mich. Er trägt eine schwarze Cargohose, ein weißes Shirt und eine schwarze Bomberjacke. Sein blondes Haar ist von einer grauen Wollmütze verdeckt. Ein Outfit, mit dem man definitiv nicht vor Gericht erscheinen sollte. Aber das scheint ihn natürlich nicht zu interessieren. Er sitzt auf der Bettkante, als würde er jeden Moment aufspringen und davonlaufen. Als ich die Tür aufmache und er mich sieht, spüre ich einen Stich in meiner Brust. Der Ausdruck in seinen silbernen Augen behagt mir nicht. Keine Leere, aber Ernüchterung. Das, was er mir sagen wird, wird mir nicht gefallen.

„Das Gericht hat sie begnadigt", sagt Haymitch ohne um den heißen Brei herumzureden. Der Knoten in meinem Hals hat sich schon halb gelöst, als er weiterspricht. „Man verlangt, dass sie aus dem Fokus der Aufmerksamkeit verschwindet. Zumindest für eine Weile. Sie schicken Katniss zurück nach Zwölf."

„Nach Zwölf?" Meine Stimme schwankt verwundert. „Aber da ist nichts in Zwölf."

Haymitch zuckt die Achseln. „Es kehren jeden Tag mehr Leute dorthin zurück. Die Aufräumarbeiten haben in den meisten Distrikten begonnen. Sie schicken jede Woche Züge mit Nahrungsmitteln runter. Sie halten es für besser, wenn Katniss für eine Weile der Öffentlichkeit fernbleibt. Sie muss die Dinge selbst alle erst verarbeiten." Meint er mit den Dingen Prims Tod, den Sieg der Rebellen oder die vergangenen zwei Hungerspiele und die Leben, die Katniss in den Arenen nehmen musste? In ihrem Leben ist so viel geschehen, dass man leicht vergisst, wie viel sie eigentlich tatsächlich durchgemacht hat.

„Dann ... ist das Urteil doch gar nicht so schlimm, oder?" Der Gedanke, allein in ein zerstörtes Kapitol zurückkehren zu müssen, wo mich jeder Schritt an all die Toten erinnert, lässt meinen Magen zusammenfahren. So viele Geister, denen Katniss sich dort stellen müssen wird. Wird die Isolation dort wirklich dafür sorgen, dass sie heilt?

„Das ist noch nicht alles", gibt Haymitch nach einigen Sekunden des Innehaltens zu und meine Kehle zieht sich erneut zusammen. „Katniss muss in Obhut einer Aufsichtsperson bleiben. Damit sie sich nichts antut und ihr Wohlergehen gewährleistet ist. Ihre Mutter hat sich geweigert, zurück nach Zwölf zu gehen."

Es dauert, bis die Worte zu mir durchsickern. Ich starre Haymitch an, meine Lippen öffnen sich ungläubig, als ich begreife, was er getan hat. Er hat sich entschieden. Gegen unsere gemeinsame Zukunft und für das Leben in Einsamkeit, welches er schon die letzten fünfundzwanzig Jahre geführt hat. Ich weiß sofort, dass es unfair ist, so zu denken, aber ich kann es nicht verhindern.

„Du gehst mit ihr zurück nach Distrikt Zwölf."

„Ich konnte das Mädchen nicht im Stich lassen, Süße." Natürlich nicht.

Es fühlt sich so an, als würde der Boden unter meinen Füßen wegrutschen, aber ich halte mich mit aller Kraft aufrecht. Ich verstehe, weshalb Haymitch es tut, aber ein Teil von mir kann nicht greifen, dass er tatsächlich einfach so geht. „Wann?", kommt es mir leise über die Lippen.

„Noch heute Nacht." Seine Stimme klingt gequält, denn er weiß genauso wie ich, was das für uns bedeutet. Haymitch ist nun weiter an Distrikt 12 gebunden. Wenn wir wirklich eine gemeinsame Zukunft haben wollen, dann nirgendwo sonst als dort. An einem Ort, wo die Menschen mich hassen, wo uns zu jeder Zeit alles an eine Vergangenheit erinnern wird, die für unsere Dämonen verantwortlich ist. Ich habe mir noch keine großen Gedanken darüber gemacht, wie es weitergehen soll. Aber mir war klar, dass ich keinesfalls nach Distrikt 12 zurückkehren würde und bis jetzt dachte ich, dass dasselbe ebenso für Haymitch gilt.

„Wenn ich dich frage, ob du mich begleitest, wirst du Nein sagen, hab ich recht?" Er weiß es, ebenso wie ich. Das Kapitol ist meine Heimat, aber nicht länger mein Zuhause. Ich wollte der Stadt gemeinsam mit ihm den Rücken kehren, weil Haymitch niemals hierbleiben könnte. Nicht mit all den Traumata, die diese Stadt verursacht hat. Aber nicht nach Distrikt 12.

Allmählich schüttele ich den Kopf und senke den Blick. „Ich bleibe bei Peeta", sage ich, auch wenn das keine Antwort auf seine Frage darstellt. „Jemand muss ihn bei seiner Genesung unterstützen."

Haymitchs silberne Augen trüben sich, als er die stumme Bestätigung für seine Vermutung erhält. Nein. Ich werde ihn nicht nach Distrikt 12 begleiten. Ich warte darauf, dass er weiterspricht, dass wir darüber reden, wie es dann mit uns weitergehen wird. „Und danach?"

Ich mache einige Schritte in den Raum, verschränke meine Finger ineinander und drehe Haymitch den Rücken zu. Ich streife mir den warmen Wintermantel ab und schaue dabei zu, wie auch die letzten Schneeflocken in meinem goldenen Haar zu Wasser werden. „Ich weiß es nicht. Bis dahin ist noch Zeit. Ich muss ohnehin noch einiges an Papierkram mit Aurelia klären, was das Erbe angeht. Ich kann jetzt keine Entscheidung treffen."

Haymitch versucht noch zwei Mal, eine genauere Antwort aus mir herauszubekommen, aber meine Worte bleiben vage wie beim ersten Mal. Es ist tiefe Nacht, als ich ihn und Katniss zum Bahnhof begleite. Die Szene erinnert mich an das Ende der vierundsiebzigsten Hungerspiele, als ich Katniss, Peeta und Haymitch am selben Gleis verabschiedet habe. Damals haben uns Reporter und Kameras begleitet. Jetzt sind es nur Katniss' Wachen, die uns beobachten. Der Zug, der nach 12 fährt, ruht bewegungslos und einsam auf dem Gleis. Niemand ist hier. In der Ferne laden einige Arbeiter die letzten Waren in einen Wagon. Katniss wird in das Personenabteil geführt, nachdem ich sie flüchtig umarmen kann und ihr alles Gute wünsche. Dann sind Haymitch und ich allein auf dem Gleis.

Der Wind ist eisig. Meine kahlen Finger frieren, meine Wangen sind gerötet. Haymitch überbrückt den Abstand zu mir, schließt mich in seine Arme und drückt seine kalte Nase gegen meinen Hals. Meine Kehle droht, in Schluchzen auszubrechen. Das letzte Mal, als wir uns getrennt haben, habe ich ihn für Monate nicht gesehen; haben sie mich für Monate ins Gefängnis gesteckt.

„Pass auf Peeta auf, Süße", murmelt Haymitch gegen meinen Hals. „Und pass auf dich auf. Du lässt dich von niemandem verarschen, klar? Jetzt wo ich nicht mehr in der Stadt bin, kann es sein, dass das Klima in deine Richtung sich wandelt."

„Oh bitte, Peeta und ich werden bestens zurechtkommen." Ich verdrehe die Augen, schenke ihm aber schnell ein Lächeln. „Pass auf dich auf", murmele ich dann und streiche Haymitch in einer leichten Bewegung über die Wange. Sein Bart ist immer noch außer Kontrolle, aber es gibt Schlimmeres. „Kümmer dich gut um Katniss, ja? Das Erste was du machst, sobald du in Zwölf bist ist, dein Telefon zu reparieren."

„Sir, ja, Sir!" Haymitch hebt die linke Hand an die Stirn und salutiert.

„Und trink nicht zu viel", fahre ich fort. „Ich meine es ernst, Haymitch. Wenn wir uns wiedersehen und du dich wieder in den Trunkenbold von vor der Rebellion verwandelt hast, dann weiß ich nicht, wie das hier weitergehen kann."

Haymitchs Gesicht verdüstert sich und nimmt einen ernsten Zug an. Langsam beginnt er zu nicken. Dann verschränkt er seine Finger mit meinen. Ich drücke seine Hand, spüre die trockene Haut, die über seine Knöchel spannt. Das Bild von ihm, ganz allein inmitten des Chaos von Distrikt 12 – inmitten seines unordentlichen, schmutzigen Hauses – zieht den unsichtbaren Draht enger um meine Kehle.

„Hör auf, dir Gedanken zu machen, Prinzessin." Haymitch schmunzelt und drückt mir einen flüchtigen, schwerelosen Kuss gegen die Lippen. In seinen stürmisch grauen Augen funkelt die Zuversicht, auch wenn ich weiß, dass er tief in sich Enttäuschung und Ungewissheit verspürt. Aber er lässt diese Emotionen nicht nach außen dringen.

In der Ferne tönt aus dem Fahrerhaus des Zugs ein hohes, piependes Geräusch. Mein Kopf fährt zu den Arbeitern, aber die sind verschwunden und die Waggons verschlossen. Der Zug ist abfahrtbereit. Ich seufze und schaue der Kälte dabei zu, wie sie sich über meinen warmen Atem hermacht.

„Ich werde mir immer Gedanken machen und das ist auch gut so", erwidere ich und versuche, heiter zu klingen. Früher konnte ich dieses Schauspiel besser. Ich grinse, merke aber, dass es meine Augen nicht erreicht. „Einer von uns muss ja nachdenken."

Haymitch schlingt seine Arme ohne weitere Umschweife um meinen Rücken und zieht mich zu sich heran. Ich umarme ihn, was bei unseren dicken Wintermänteln schon eine halbe Herausforderung darstellt. Für einen Augenblick vergesse ich die Tatsache, dass ich gleich allein zurück in den Präsidentenpalast fahren muss und lasse mich von der Wärme seines Körpers in eine falsche Realität abgleiten.

„Ich ..." Haymitchs Stimme klingt heiser. Er schüttelt den Kopf in meiner Halsbeuge. Seine Arme drücken sich so stark, dass ich mir nicht sicher bin, ob er mich tatsächlich loslassen wird. Als er es schließlich tut, muss ich die Tränen aus meinen Augen fortblinzeln. „Versprich mir, dass wir uns so schnell wie möglich wiedersehen."

Haymitch weiß, dass ich ihm dieses Versprechen nicht geben will. Nicht, weil ich unser nächstes Treffen weniger herbeisehen als er, sondern weil ich weiß, dass es nicht im Kapitol oder an einem anderen, neuen Ort wird stattfinden können. Er weiß, dass die Chance besteht, in Distrikt 12 nicht glücklich zu werden. Die Dämonen und Geister, die uns verfolgen und heimsuchen, sind immer noch mächtig und unerbittlich, auch nach Ende der Qualen und Strapazen. In 12 wird alles so viel schwieriger sein.

„Ich verspreche es", sage ich und bin mir nicht sicher, ob ich für sein Gewissen lüge, oder es der Wahrheit entspricht. Dem Ausdruck auf Haymitchs Gesicht nach zu urteilen, ist er sich ebenfalls nicht klar darüber. Seine Hände fahren hoch zu meinen Wangen und er zieht meine Lippen zu seinen heran.

Wir verlieren uns in einem Kuss, der mir jeglichen Atem raubt, mich in der Zeit zurückversetzt und mir etwas Neues, Ungewisses eröffnet. Ein Vorschlag, eine Bitte, so sanft und fordernd und flehend zugleich, dass ich in Haymitch hineinschmelze. Die Neonlichter des Bahnhofs verschwimmen mit der Finsternis der Nacht und alles, was ich sehe, sind strahlende Punkte aus Silber und matte Streifen aus Gold. Seine rauen Finger finden meine Halsbeuge und streichen das verschwitzte Haar fort, um über die heiße Haut zu streichen. Der Alkoholgeschmack, den ich mir in Distrikt 13 so oft eingebildet habe, bleibt aus, obwohl er getrunken haben muss. Stattdessen umgibt mich sein allgegenwärtiger Geruch von Kiefern und Seife in dem ich ertrinken könnte, wenn man mich ließe. Meine Muskeln geben nach, entspannen sich gegen ihn, weil mein Körper sich geborgen fühlt. Eine Illusion, die ich jede Sekunde genieße.

Haymitch drückt seinen Mund ein letztes Mal hart gegen meinen, dann lehnt er den Kopf zurück, außer Atem. Dieses typische, schalkische Grinsen spielt um seine Mundwinkel und ich habe das Bedürfnis, es fortzuküssen. Sein Daumen streicht über meinen Haaransatz, gemächlich, als hätte er alle Zeit der Welt. Ich frage mich, ob der Zug auf ihn wartet und hoffe innerlich, dass er jeden Augenblick einfach davonfährt und Haymitch dazu verdammt ist einen Späteren zu nehmen. Eine letzte Nacht in seinen Armen, von seiner Wärme umgeben, ist alles, was ich mir wünsche. Natürlich würde ich mir Morgen nur dasselbe wieder wünschen.

„Pass auf dich auf", sagt Haymitch und sein Ton sagt mir deutlich, dass er vorhat, in diesen Zug einzusteigen. Mein Herz zieht sich zusammen und ich kralle meine Nägel stärker in den Stoff seines Mantels. „Ich ..." Er bricht ab, schaut gen Himmel, als würde er nach den richtigen Worten suchen. Dann bringt er die identischen zwei Sätze hervor, die er damals vor all den Monaten im Penthouse gesagt hat; in der Nacht in der er mit den Rebellen nach Distrikt 13 geflüchtet ist. „Das hier ist die Wahrheit. Wir sehen uns schon bald wieder."

Haymitch macht einen Schritt zurück, berührt ein letztes Mal meine Wange und läuft dann zum Zug. Einen Wimpernschlag später ist er im Abteil verschwunden. Ich stehe allein in der Eiseskälte und schaue dabei zu, wie der Zug sich nur Sekunden später in Bewegung setzt. Er bewegt sich beinahe lautlos aus dem Bahnhof und ich kann förmlich fühlen, wie die Verbindung zwischen Haymitch und mir sich ausdehnt und auseinanderzieht. Wird sie der Distanz trotzen oder reißen?

Das hier ist die Wahrheit. Erst jetzt begreife ich, was er mir damit sagen wollte.

Ich habe den letzten Waggon schon längst aus den Augen verloren. Der Schnee hat wieder eingesetzt. Die Flocken schimmern im gelblichen Licht der Station. Ich schaue ihnen dabei zu, wie sie in der Ferne zu Boden fallen und die weiße Schicht verstärken, die sich durch die Sonne der letzten Tage beinahe aufgelöst hat. Ich habe keine Ahnung, wie viel Zeit vergeht, bis meine Füße sich endlich in Bewegung setzen und ich mich träge auf den Weg zurück zum Präsidentenpalast mache.


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Ich hab das Kapitel in halb gesplittet, weil es wirklich sehr lang ist. Ich hoffe, dass es euch bisher gefallen hat!

Skyllen :)

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