28. Painful Reunion

Painful Reunion

Haymitch starrt auf den Fernseher, der eine Sekunde zuvor von allein aufgeflackert war. Er seufzt. Eine weitere Hinrichtung. Sie sind nicht mehr ganz so häufig, wie am Anfang des Krieges, doch ab und zu gelingt es dem Kapitol einen weiteren Rebellen zu entlarven. Er dreht den Kopf und schaut zu Katniss, die beim Aufleuchten des Fernsehers stocksteif geworden ist. Die braunen Haare fallen ihr in fettigen Strähnen ins Gesicht. Sie hat Tage nicht geschlafen und langsam beginnt Haymitch sich Sorgen um sie zu machen. Nicht dass er sich nicht schon vorher Sorgen um sie gemacht hätte, aber er hat bereits genug Probleme die Katniss betreffen. Jedes weitere macht diese Rebellion nur noch komplizierter.

„Dir ist klar, dass du gehen kannst, oder Süße?", bemerkt er und beobachtet sie, während er einen Schluck aus seiner Tasse nimmt. Gott, wie sehr er seinen Alkohol vermisst. Als Katniss nicht antwortet fügt er noch hinzu: „Ich werde dich nicht anlügen."

„Wenn sie ihn töten, dann will ich es sehen. Ich muss es sehen." Ihre Stimme ist nicht mehr als ein heiseres Flüstern. Das Mädchen hat keine leichten Wochen hinter sich. Er seufzt erneut, nickt jedoch.

Sein Blick wandert wieder zum Fernseher. Sie zeigen den üblichen Raum. Das Logo des Kapitols hängt an der weißen Wand. Haymitch spürt, wie die Spannung in Katniss Gliedern nachlässt. Das Logo des Kapitols bedeutet, dass es sich nicht um Verräter aus einem der Distrikte handelt. In den Fällen verwenden sie ein anderes Logo. Dieses wesentliche Detail ist den beiden mit der Zeit und Vielzahl an Hinrichtungen aufgefallen.

Während Katniss sich entspannt, wird das erdrückende Gefühl um sein Herz stärker. Für einen Augenblick schließt Haymitch die Augen und ruft sich den Tag des Trainingscenters wieder ins Gedächtnis. Es war das letzte Mal gewesen, dass er sie lebendig gesehen hatte. Es war das letzte Mal gewesen, dass er die Wärme ihrer Haut und den regelmäßigen Schlag ihres Herzens gespürt hat. Seitdem er das Trainingscenter verlassen hat, hat er kein Lebenszeichen von ihr gehört. Er hätte erwartet, dass jemand Plutarch im Falle ihrer Gefangennahme kontaktieren würde, aber Effie ist mit dem Tag seiner Flucht von der Bildfläche verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Niemand weiß, wo sie sich befindet und ob sie überhaupt noch lebt. Während sie bei den anderen gefangenen Tributen eine Gewissheit haben, tappt er bei ihr immer noch im Dunkeln. Sie könnte schon seit Wochen tot sein, ohne dass er davon weiß. Du bist es selbst schuld. Du hieltst das Kapitol für den sichersten Ort für sie.

Haymitch und Katniss schauen schweigend zu, wie sie zwei zappelnde Gestalten auf die Bühne schupsen. Dann wird ihr Urteil verlesen. „Heute wird ein weiteres Urteil gesprochen, bei dem ganz Panem zuschaut. Vor euch knien heute zwei Mitverschwörer, die die Straftaten einer Verräterin des Kapitols und Unterstützerin der Rebellion gedeckt und verheimlicht haben. Solch ein Verhalten wird vom obersten Gerichts Panems nicht mehr geduldet." Verräterin des Kapitols.

Haymitch kann anhand des Körperbaus der beiden Gestalten nicht ausmachen, ob eine der beiden Personen tatsächlich Effie sein könnte. Er spürt, wie sein Herz anfängt, schneller zu schlagen. „Deshalb hat es sich für folgendes Urteil entschieden. Die Angeklagten Marcus und Lyssandra Trinket wurden für schuldig befunden und werden zum Tode verurteilt. Das Urteil wird sofort vollstreckt."

Nun spürt er, wie sein Herz für einen Augenblick aussetzt. Er versucht zu atmen, doch die Luft will seine Lungen nicht mit Sauerstoff versorgen. Katniss ist aufgesprungen. Sicherlich nicht, weil sie Effies Eltern jemals persönlich gesehen hat, sondern wegen ihrer Namen. Trinket. Verräterin des Kapitols und Unterstützerin der Rebellion. Der Friedenswächter redet von Effie.

Haymitch starrt in die beiden Gesichter von Effies Eltern. Ihren Vater, Marcus, erkennt er sofort wieder. Er erinnert sich noch gut wie Effie ihn vorstellte. Er erinnert sich an das Lächeln in ihrem Gesicht, als sie von ihrem Vater sprach. Er erinnert sich an den Stolz in ihrer Stimme. Haymitch erinnert sich auch an die Worte, die Marcus Trinket damals an ihn richtete. Ich hoffe Sie behandeln meine Tochter mit Anstand, Haymitch, ich werde Sie im Auge behalten. Und was hat er getan? Er hat sie im Kapitol zurückgelassen, dem sicheren Tod überlassen.

Lyssandra Trinket erkennt er erst auf den zweiten Blick. Sie hat kaum noch etwas mit ihrer Public- Persona gemein, die er im Kapitol getroffen hat. Sie sieht völlig anders aus, entstellt und um Jahre gealtert. Haymitch muss an Effie denken, die ohne die vielen Schichten von Make-Up viel hübscher aussieht. Bei ihrer Mutter ist dies nicht der Fall.

„Verdammt, Haymitch", flüstert Katniss neben ihm, schaut ihn jedoch nicht an. Sie starrt wie gebannt auf den Fernseher. Haymitch hebt beinahe erstaunt die Augenbraue. Katniss hat sich Effie gegenüber nur selten freundlich verhalten. Ihr Verhältnis im ersten Jahr hat auf Katniss' Abhängigkeit Effie gegenüber beruht und zum Jubeljubiläum hat das Mädchen sich ihr gegenüber meistens neutral, aber vereinzelt auch feindselig, gezeigt. Sie hat nichts für das Kapitol übrig, Haymitch teilt ihre Meinung, aber Effie hatte zu jedem Zeitpunkt nur Katniss' Bestes im Sinn.

Die Friedenswächter entsichern ihre Waffen und drücken sie an die Köpfe der beiden Verurteilten, die ihre Panik kaum verbergen können. Sie wissen wahrscheinlich nicht, wie mit ihnen geschieht. Sie reden durcheinander und versuchen die Soldaten von ihrer Unschuld zu überzeugen. Aber es hat keinen Zweck. Die Soldaten fahren mit der Prozedur fort.

Wenige Sekunden vor der Vollstreckung gleitet die Aufmerksamkeit ihrer Mutter plötzlich fort von den Friedenswächtern. Direkt auf die Kamera, wie es zuerst scheint. Nein, etwas dahinter. Die Angst weich Überraschung. Dann wird der Blick auf Lyssandras Gesicht auf einmal weich. Ein trauriges Lächeln breitet sich auf ihren Zügen aus und für einen Moment wundert er sich, ob die Frau nun im Angesicht des Todes den Verstand verliert. Doch dann sieht er es; sieht, wie sie mit ihren Lippen Worte formt. Ich liebe dich. Die Friedenswächter drücken den Abzug und Lyssandra und Marcus fallen wie Puppen in sich zusammen.

„Sie lebt", kommt es plötzlich von Katniss, als der Fernseher grau zu flimmern beginnt. „Effie lebt."

Effie lebt tatsächlich, dessen ist Haymitch sich in diesem Moment bewusster als in all den Wochen seitdem er Distrikt 13 betreten hat. Ich liebe dich. Lyssandra meinte wohl kaum den Kameramann oder einen anderen Friedenswächter. Sie war dort. Sie haben sie gezwungen, zuzuschauen.

Eine unbeschreibbare Leere breitet sich in Haymitchs Gliedern aus und für einen Augenblick tritt selbst der Wunsch nach Alkohol in weite Ferne. Der Bildschirm flackert erneut. Das Wappen des Kapitols erscheint ein weiteres Mal und dann erhellt das Bild einer Bühne den Raum. Es ist die Bühne, auf der die Tribute Jahr für Jahr ihre Interviews halten. Die Kamera zeigt Caesar Flickerman, der winkend und mit seinem überschwänglich triumphierenden Lächeln auf einem weißen Sofa sitzt. Dann schwenkt die Kamera heraus, das Bild der Bühne wird größer.

Katniss stockt erneut. Links von Caesar sitzt Peeta. Er trägt einen weißen Anzug, seine Haare sind ordentlich gekämmt und er wirkt dünner, als Haymitch es für gut befinden würde. Katniss macht mehrere Schritte auf den Bildschirm zu, bleibt direkt darunter stehen und starrt Peeta mit riesigen Augen an. Haymitch ist sich nicht sicher, ob sie noch atmet.

Ein Keuchen klingt aus den Lautsprechern des Fernsehers. Haymitch hebt den Kopf und spürt, wie sein Herz wieder anfängt zu rasen. Zwei Friedenswächter betreten die Bühne, eine Frau in schwarzem Kleid im Schlepptau. Sie stolpert den Friedenswächtern hinterher, wie wenn es sie nicht interessieren würde, wohin sie sie bringen. Ihre Augen wirken abwesend, Tränen laufen ihr über die Wange. Ihre blutigen Hände zittern und ihr Gesicht ist ausdruckslos. Haymitch kennt diesen Blick zu gut. Er weiß, was er bedeutet. Weiß sie, dass sie live im nationalen Fernsehen zu sehen ist? Wohl kaum.

Die Friedenswächter schupsen Effie unsanft in Richtung des Sofas und verschwinden dann rasch von der Bühne. Effie scheint es nicht wahrzunehmen, sie ist immer noch wie in Trance. Eine unkontrollierbare Wut kocht in Haymitch hoch und für eine Sekunde legt sich ein roter Schleier über seine Augen. Das Blut pocht in seinen Ohren und blendet Katniss' lauten Atem aus.

Er erkennt sie kaum wieder. Sie hat immer noch dasselbe hübsche Gesicht, dieselben tiefblauen Augen, doch sie leuchten nicht wie früher. Sie sind matt und Zeuge all der Dinge, die sie hat durchmachen müssen. Die Art wie sie sich bewegt, wie sie auf ihre Umgebung reagiert, sind für ihn Ansatzpunkt genug, um zu wissen, dass er sich seine Entscheidung niemals verzeihen wird. Er wird sich für ihre Qualen niemals vergeben.

„Sie sind so dünn", krächzt Katniss. „Sie beide sind so dünn." Sie hat recht. Effie ist so mager wie nie. Seine Hände beginnen zu zittern. Sein gesamter Körper steht unter Strom. Er weiß, dass er etwas unternehmen muss. Er weiß, dass er sie dort rausholen muss. Er hätte es schon viel früher tun müssen. Nach allem, was passiert ist. Er hätte sie beschützen müssen.

„Wir müssen die beiden dort rausholen. So schnell wie möglich."

oOo

Ihre Körper fallen in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Ihre Muskeln erschlaffen, man kann es deutlich sehen und für einen Augenblick scheinen sie federleicht in der Luft zu fliegen. Doch dann treffen sie auf dem harten Boden auf.

Mein Schreien hat sich in ein hysterisches Kreischen verwandelt. Ich kann nicht aufhören. Ihr Bild verschwimmt vor meinen Augen, Tränen laufen mir übers Gesicht und ich halte sie nicht zurück. All die Emotionen, die ich seit einer gefühlten Ewigkeit in mir aufgestaut habe, platzen aus mir heraus, ohne dass ich es verhindern kann. Die Welt um mich herum dreht sich schnell wie ein Karussell und es fühlt sich an, als würde es gerade erst an Fahrt gewinnen. Aus der Ferne spüre ich meine Fäuste gegen das Glas schlagen, bis meine rissige Haut an den Knöcheln aufplatzt. Aber es interessiert mich nicht. Ich schlage weiter gegen das Fenster, schaue zu wie sie die Körper meiner Eltern in schwarze Müllsäcke stopfen. Ohne Achtung, ohne Respekt. Als wären sie Tiere.

Ich kreische immer noch, als sie sie längst weggebracht haben. Meine Beine zittern wie verrückt und ich weiß, dass sie bald unter mir nachgeben werden. Das Fenster vor meinem Gesicht ist blutverschmiert, man kann kaum noch hindurchsehen. Der Schmerz in meiner Brust hört nicht auf, er wird nur noch stärker und scheint mich von innen heraus zerreißen zu wollen. Meine Lunge versucht keuchend nach Luft zu schnappen, aber es ist kaum noch Sauerstoff zum Atmen da.

Die Friedenswächter zerren mich vom Fenster weg, raus aus dem Raum und zurück auf die Studiofläche. Ich versuche mich zu wehren, doch der Schmerz hat mich bereits so sehr ausgelaugt, dass ich ihnen nur stolpernd folgen kann. Meine Wangen glühen, meine Augen sind feucht und ich weiß, dass mein Make-Up ruiniert sein muss.

Nichts was ich bisher durchmachen musste, nichts dem sie mich unterzogen haben, hat so wehgetan wie dieser Moment. Jeder meiner Atemzüge lässt mich aufkeuchen, mein Körper fühlt sich an als stünde er in Flammen und mein Herz existiert nicht mehr, die vergangenen Minuten haben es in tausende Stücke zerfetzt. Ich dachte, Effie Trinket sei vor langer Zeit im Gefängnis gestorben, doch nun wird mir klar, dass ich gerade tatsächlich gestorben bin. Die Person, die ich einst war und bis vor wenige Augenblicke irgendwie gewesen bin, existiert nicht länger. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als mit meinen Eltern zu tauschen, denn dieses Leben ist schlimmer als der Tod. Ich wäre lieber tot, als dieses Leben noch eine Sekunde länger zu führen.

Ich achte nicht darauf, wohin mich die Friedenswächter bringen, zu versunken bin ich in meine Trance, die mich aufzusaugen droht. Mein eigener Körper fühlt sich so weit entfernt an, dass ich ihn kaum noch erreichen kann. Als hätte ich ihn verlassen. Mein Herz rast noch wie verrückt, als mir plötzlich Aurelia in den Sinn kommt. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie noch lebt? Warum haben sie sie nicht gemeinsam mit meinen Eltern hingerichtet? Mein Magen zieht sich bei dem Gedanken an den toten Körper meiner Schwester zusammen. Ich kann es mir kaum vorstellen, sie kalt und reglos vor mir zu sehen. Allerdings hätte ich mir auch nie erträumt, meine Eltern vor meinen Augen sterben, geschweige ihre toten Körper zu sehen.

Ich versuche mir einzureden, dass ihre Ehe Aurelia womöglich gerettet hat. Ihr Mann Caius ist ein sehr einflussreicher Mann im Kapitol, das Kapitol würde seine Frau nicht einfach hinrichten. Oder sie haben sie einfach beide hingerichtet. Mein Vater war auch ein sehr einflussreicher Mann und nun ist er tot.

Die erste Schockwelle schwillt langsam ab. Ich merke, wie meine Sinne schärfer werden. Die Gefühle in meiner Brust werden taub, wie ein weit entferntes Pochen in meiner Brust. Irgendwie ist es so sogar noch schlimmer, weil ich das trügerische Gefühl bekomme, dass nichts geschehen ist. Dabei weiß ich es so viel besser. Vielleicht hat mein Körper aber auch einfach entschieden, dass ich in den letzten Monaten zu viel Schmerz durchlebt habe und nun genug ist.

Die Friedenswächter schleifen mich eine Treppe hinauf und ich falle beinahe auf die Knie, bei dem Versuch, mit ihnen Schritt zu halten. Sie halte mich immer noch in ihrer Mitte, ihre Finger tief in meine Oberarme gedrückt. Ich frage mich, ob es mir etwas bringen würde, mich auf die zu stürzen. Oder es zumindest zu versuchen. Aber diesen Weg kann ich nicht in Erwägung ziehen. Ich bin nicht so stark wie Katniss. Ich wurde zwar mein Leben lang wohl ernährt, doch das ändert nichts an der Tatsache, dass ich gegen einen von ihnen ein Federgewicht sein muss. Und ich bin um einiges kleiner als sie. Und ich weiß nicht, wie man sich angemessen zur Wehr setzt. Ich weiß ja kaum, wie man anderen Schaden zufügt. Du hast schon einmal einen von ihnen getötet.

In diesem Augenblick wird mir plötzlich klar, dass ich es wieder tun würde. Wenn ich könnte, wenn ich die Gelegenheit hätte, dann würde ich es wieder tun. Ich würde wieder töten. Dieser Gedanke erschreckt mich so sehr, dass ich meine Eltern für den Bruchteil einer Sekunde vergesse. Was hat dieser Ort nur mit mir gemacht?

Bevor ich meinen Gedanken beenden kann, lassen mich die Friedenswächter plötzlich los und schubsen mich nach vorne. Ich strauchele nach vorn und schwanke kurz in der Luft. Dann hebe ich den Kopf und muss ein qualvolles Keuchen unterdrücken. Ich stehe am Rand einer altbekannten Bühne. Grelle Studiolichter blenden mich und ich muss meine Hand heben, um sie schützend vor meine Augen zu halten. Es ist die Bühne der Hungerspiele. Die Bühne, auf denen die jährlichen Interviews der Tribute stattfinden, auf denen ich zwischen den Spielen oft genug gesessen und über mögliche Chancen für Distrikt 12 philosophiert habe.

Eine Gestalt aus der Bühnenmitte macht einen Schritt auf mich zu und streckt ihren Arm nach mir aus. Meine Augen sind von all den Tränen, die von jetzt auf gleich verschwunden sind, aufgequollen und ich benötige einen Moment, um meine Augen auf die Person zu fixieren. Dann erkenne ich ihn. Es handelt sich um niemand geringeren als Caesar Flickerman.

Und als hätte der Tag nicht schon schrecklich genug sein können, hat das Kapitol einen Weg gefunden, ihn noch unvergesslicher zu machen. Caesar trägt einen hellgrauen Anzug und eine passende Perücke dazu. Sein Gesicht wirkt für die gegenwärtige Situation viel zu lebhaft. Glücklich. Gespannt. Falsch.

„Und da ist sie ja, unsere reizende Miss Trinket", spricht er schließlich mit glückseliger Stimme und kommt einen Schritt auf mich zu. „Kommen Sie nur näher, setzen sie sich zu uns." Während er spricht, deutet er auf das lange runde Sofa, in dessen Mitte er steht.

Ich spüre, wie sich die Kameras auf mich richten, gierig und unnachgiebig. Sie wollen einen Blick auf die langverschollene Effie Trinket erhaschen. Wer weiß, was für Gerüchte im Kapitol über mich gestreut wurden. Meine Augen wandern durch den großen Saal, der üblicherweise bis zum letzten Sitzplatz belegt ist. Doch heute gibt es kein Publikum. Für einen Moment fühle ich den Zwiespalt in mir hochsteigen. Ein Fragment meines alten Ichs, das mich daran erinnern will, die Maske aufzusetzen. Kurz ziehe ich es tatsächlich in Erwägung, lehne es dann jedoch ab. Ich denke nicht, dass das Verstecken meiner Gefühle noch irgendeinem Zweck dient. Es lässt mich nur unantastbar und arrogant wirken.

Caesar bemerkt mein Zögern und wiederholt seine letzten Worte. All das hier überfordert mich. Das Bild meiner Eltern will nicht aus meinem Kopf verschwinden und nun soll ich mich neben Caesar setzen, um ganz Panem an meinem Leid teilhaben zu lassen. Und wozu das ganze? Ich bin wohl kaum von Interesse für die Rebellen oder für die Distrikte. Oder soll das hier als gefundenes Fressen für die Menschen im Kapitol dienen, um sie vom Krieg und den wahren Problemen abzulenken?

Schließlich setzen sich meine Füße langsam in Bewegung und wie in Trance mache ich einige kleine Schritte auf ihn zu. Das Bild der Bühne verschiebt sich. Caesar nimmt nicht mehr das Zentrum meiner Sicht ein, er steht nun weiter rechts, aber immer noch in der Mitte des Sofas. Hinter Caesar kommt eine andere Person zum Vorschein, die bisher von der Gestalt des Moderators verdeckt wurde.

Es handelt sich um einen jungen Mann. Er trägt einen weißen Anzug, der jedoch nicht seinen magernden Körper darunter verbergen kann. Blond-braunes Haar. Blaue Augen, die zwar an der Oberfläche freundlich erscheinen, jedoch eine tiefgehende Leere verbergen. Mein Gehirn braucht mehrere Augenblicke, um ihn zu erkennen. Er hat sich kaum verändert und doch sieht er dem jungen herzlichen Mann kaum noch ähnlich, den ich einst kannte. Nur wenige Meter vor mir sitzt Peeta. Ein leichtes Lächeln ziert seine Lippen und trotzdem sehe ich den Anflug von Mitleid und Schock in seinem Blick.

Seltsamerweise kommen mir Johannas Worte als erstes in den Sinn. So war das alles nicht geplant. Ich verstehe nicht, warum du hier bist. 


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Hallo und willkommen zurück zu einem neuen Kapitel!

Wie hat es euch gefallen? Seid ihr überrascht? Wie fandet ihr den Teil aus Haymitchs Perspektive? Welchen Zweck verfolgt das Kapitol mit diesen Interviews? Welche Fragen wird man ihnen stellen? Ich bin gespannt auf eure Ideen!

Liebe Grüße

Skyllen :)

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