,,Alles gut?", nehme ich die Stimme von Sina war und schüttle leicht meinen Kopf. Mir geht es gerade gar nicht gut. Ich merke einen Arm, welcher mich aufrichtet. 

So stützt Sina mich weiter, bis wir auf einer ruhigeren Straße sind. Keuchend lasse ich mich an der Wand hinabsinken und beobachte die schwarzen Flecken. Gleich werde ich gar nichts mehr sehen. Aber ich möchte nicht schon wieder so eine Vision haben! 

,,Ava", höre ich Sina's Stimme wie durch Nebel. 

Ich entgleite. 

,,Ava." Es ist kaum mehr als ein Flüstern. 

Meine Augenlider wollen sich schließen, sich dem Drang hingeben, was dazu führt, dass sie unruhig flattern. Schließlich schließen sich meine Augen.

Ich schaue den Jungen mit schräg gelegtem Kopf an. Er möchte hier nicht sein, ebenso wie ich. Vielleicht sollte ich ihm von meinem Plan erzählen? Nein! Wenn er mich dann verrät, bin ich dran und komme hier ganz sicher nicht raus. ,,Ava!", ruft Frau Jed und geht mit lauten Schritten auf mich zu. Erschrocken weiche ich zurück. Bitte nicht! Erneut mache ich einen Schritt nach hinten, aber da ist die Wand. Ich ducke mich und sehe ihre Hand welche zum Schlag ausholt. Wie in Zeitlupe schnellt sie nach vorne, so dass ich alle Details genau erkennen kann. Mein Blick ist auf ihre Hand gerichtet. Auf einmal fängt ein Junge an zu schreien. Sofort lässt sie von mir ab und wende sich ihm zu, als wäre nichts gewesen. Ich werfe ihm einen kurzen Blick zu. Es ist derjenige, welcher auch fliehen möchte. Er hält Frau Jed seine Hand hin und ich sehe das frische Blut, was sich verteilt. Sofort eilt die Frau davon, um Verbandszeug zu holen. Ich nutze dies und renne ebenfalls weg. Wer hat ihn nur verletzt?

,,Ava!" 

Jemand rüttelt mich an den Schultern. 

,,Ava!" 

Haben sie mich gefunden? Wissen die wer ich bin? 

,,Ava!" 

Aber woher? Natürlich, sie haben mir die Kapuze abgenommen und dann war es klar. 

,,Ava, bitte!"

 Verwirrt schlage ich meine Augen auf und lege erschrocken eine Hand an mein Herz. Mir gegenüber sitzt Sina, niemand sonst. Sie schaut mich erleichtert an. 

,,Es war, als wärst du tot gewesen", keucht sie und lehnt sich neben mir gegen die Wand. 

Ich nicke nur abwesend - in Gedanken bin ich bei dem Ausschnitt aus meinem Leben. Es war bevor ich ausgebrochen bin. Automatisch wandern meine Hände an meinen Kopf. Irgend etwas übersehe ich. Aber was?! Mein Kopf möchte mir etwas klar machen, aber ich bin zu dumm um es zu kapieren. 

,,Geht es dir besser?", fragt die Fünfzehnjährige sanft nach und legt eine Hand auf meine Schulter. Ehrliche Sorge schwingt in ihrer Stimme mit, so dass ich ihr kurz die Wahrheit sagen möchte. 

Schnell entscheide ich mich aber um und entgegne nur schlicht:,,Ja." Mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich sehe zu ihr rüber und sehe Verwirrung in ihrem Blick, welche aber schnell wieder verschwindet. Sie glaubt mir nicht. Vorsichtig stehe ich auf und halte ihr eine Hand hin. Sie nimmt diese an und ich ziehe sie hoch. 

Vielleicht sollten wir zurück. Das Selbe sagt sie in dem Moment und ich nicke. 

Langsam kämpfen wir uns durch die Massen wieder zurück. Den Robotermann sehen wir dabei nicht mehr. 

,,Sag mal: Was ist eigentlich passiert nachdem ich rausgegangen bin?", fragt Sina neugierig nach, während wir die Straße entlanggehen - neben uns ragen die Teamhäuser auf. 

Ich schließe meine Augen und die Bilder prasseln auf mich ein. Und dann fange ich an zu erzählen. Von dem Moment an wo sie rausgegangen ist, bis dem Roboter der Rücken aufgeschnitten wurde. 

Sina schaut mich geekelt an und wiegt nachdenklich den Kopf. ,,Irgend etwas stimmt hier ganz und gar nicht", stellt sie fest, nachdem ich aufgehört habe zu reden. 

Leise seufze ich. Darauf bin ich auch schon gekommen. Aber es wird immer verzwickter und enger für mich. Ich muss wirklich mehr aufpassen, sonst wird es bald aus sein mit mir und da habe ich keine Lust drauf. Natürlich, dieses komische Verbrecherleben wollte ich auch nie führen, allerdings ist es besser, als wenn ich im Knast sitze. Dann würde ich höchstwahrscheinlich Selbstmord begehen, da ich nichts Besseres zu tun habe. ,,Glaubst du eigentlich dass Lorcan sich erholt?" Wahrscheinlich klinge ich jetzt so als würde ich mir Sorgen um ihn machen. Okay, das mache ich auch. Zugegeben. Allerdings ist es nicht so, dass ich ihn vermisse und so einen Scheiß. Bis dahin wäre es noch ein langer Weg und diesen Weg werde ich wahrscheinlich nie gehen. Einen Freund zu haben wäre für mich aber auch Lebensgefährlich und für denjenigen auch. Ich möchte ungern jemanden in Gefahr bringen durch mich. Okay, Jessie, Thomas und Sina ignoriert man jetzt einfach. 

,,Ava?" 

,,Hm?" 

,,Wir müssen morgen abreisen." 

Was? Ich bleibe stehen und drehe mich zu Sina, welche ebenfalls stehengeblieben ist. ,,Wo wohnst du?", frage ich leise nach. Am Liebsten hätte ich sie hier gehabt - bei mir. Sie war mit mir im Kinderheim, kennt mich somit von früher und weiß, dass das Lorcan ist. Sie ist die Einzige Zeugin, von dem was heute passiert ist, welche auch eindeutig auf meiner Seite steht. Bei dem Mann bin ich mir nicht sicher. 

,,In Sachsen", flüstert sie leise und Reue schwingt in ihrer Stimme mit. 

Ich lege ihr einen Arm auf die Schulter. ,,Hey, wir können in Kontakt bleiben. Ich finde es zwar echt blöde dass du gehst, aber wir sehen uns bestimmt bald wieder." Klingt das unnett? Ich glaube schon. Aber egal, jetzt habe ich es gesagt und das kann ich auch nicht mehr rückgänig machen. 

,,Danke. Ava, aber eines musst du wirklich wissen. Du bist ein tolles Mädchen - dass du straftätig ist vergessen wir jetzt mal kurz - und du kannst etwas aus deinem Leben machen. Wenn du hier gewinnst kannst du wieder in dein zu Hause zurückkehren und in Frieden leben. Und eines Tages sehen wir uns bestimmt mal auf der Straße, oder wenn irgendwer von uns im Urlaub ist, okay?" 

Ich schließe meine Augen. Ein Abschied. Hier und jetzt. Auf der Straße. Ohne ein weiteres Wort umarme ich sie. 

Sina ist nett und sie hätte es verdient weiterzukommen. Im Gegensatz zu mir. 

Wir lösen uns wieder und schauen uns einmal fest in die Augen. Dann rennt sie davon und lässt mich zurück. 

Zurück auf der Straße.

Mein Wattpad hat herumgespinnt, so dass ich das Kapitel nicht hochladen konnte ...