Amalia Pov.:
Es war später Abend als ich das Büro verlies. Ich war wütend und müde. Louis war eine halbe Stunde zu spät zu unserem Treffen erschienen und hatte sich komplett quer gestellt. Aus irgendeinem Grund wollte er nicht das ich zu Dietrich fuhr und versuchte die Arbeit als Vorwandt zu nutzen, damit ich nicht ging. Er hatte es nicht direkt gesagt, aber ich spürte das er etwas vor mir verheimlichte. Louis kannte meinen Vater und mich schon seit Jahren und war in viele Geheimnisse unserer Familie eingeweiht. Sicher gab es noch einige von denen ich nichts wusste.
Die Wut schürte meine Kräfte und wenn ich nicht bald ein Ventil fand würde wieder etwas schiefgehen.
In meinem Zimmer angekommen fiel mein Blick auf das Büchlein meiner Mutter und den Dolch.
Ich hatte so viele Fragen und keine Antworten. Dietrich könnte sowohl zu Undertaker als auch zu meinen Eltern mehr wissen. Mir kam das Bild bei Heller in den Sinn. Der unbekannte Mann auf dem Foto könnte nach Hellers Erzählungen Dietrich sein. Anscheinend hatten sie viel zusammen erlebt. Meine Entscheidung stand fest. Ich wollte nicht länger warten und Louis würde mich nicht aufhalten.
Mit einer fließenden Handgewegung lies ich meine Tasche zu mir fliegen, packte das Büchlein meiner Mutter zu meinen üblichen Sachen, band mir meinen Holster ums Bein und steckte den Dolch hinein.
Innerhalb weniger Minuten schlüpfte ich in Hosen und Hemd, schmiss ein einfaches Kleid, etwas zu trinken und ein paar Sachen die ich brauchen könnte in einen kleinen Beutel, den ich mir nach vorne umhing.
Zu dieser Zeit war das Haus schon sehr still. Es war also kein Schweres dem Personal auszuweichen und zum Dach zu gelangen.
Ohne weiter darüber nachzudenken welche Folgen mein kopfloses Handeln haben könnte, stellte ich mich an die Kante unseres Daches.
Die Nacht war klar und ein leichter Wind bließ mir durchs Haar.
Die Wut die noch immer nicht vollständig abgeklungen war machte es leicht zugriff zu meinen Kräften zu bekommen.
Innerhalb eines Augenblickes spürte ich sie durch meinen ganzen Körper strömen.
Mit einem gewagten Sprung stürzte ich mich in die Tiefe. Adrenalin pumpte durch meine Adern, während ich immer schneller fiel. Der Boden kam immer näher, doch erst wenige Meter vorher ließ ich meinen Kräften freien lauf und streckte meine Flügel aus. Mit einem selbst erzeugten Windstoß schoss ich wieder in die Höhe und flog hoch über den Baumwipfeln dahin.
Es war ein Gefühl der vollständigen Freiheit.
Allein in der Luft, dem Himmel näher als dem Boden überkam mich endlich eine innere Ruhe. Nachdenklich schaute ich in die Richtung zurück aus der ich kam. Mein Haus war kaum mehr als ein kleiner Punkt am Horizont, der sich rasch weiter entfernte. Jetzt wo meine Wut abgeflaut war und ich über meinen überstürzten Aufbruch nachgrübelte fing ich an zu zweifeln. Ich hatte Louis zum Ende hin kaum mehr zugehört, weil er sofort dagegen gewesen war. Ich hatte mich an dem Plan so festgebissen, das ich meinem engsten Vertrauten nicht vertraut hatte und ihm einiges an den Kopf geworfen hatte. Wieso hatte ich so hitzköpfig reagiert? Wenn ich so darüber nachdachte machte es überhaupt keinen Sinn, das ich so wütend geworden war, schließlich wollte ich seine Meinung wissen...
Seufzend wandte ich mich wieder in Flugrichtung um. Dazu kam, dass ich ein riesen großes Risiko eingegangen war, indem ich mich einfach vom Dach gestürzt hatte. Ich konnte meine Kräfte zwar schon besser kontrollieren, aber besonders was meine Engelsform anging hatte ich kaum geübt, weil ich Angst hatte das ich damit leichter die Kontrolle verlieren könnte.
Die letzten Wochen hatte ich nicht viel davon mitbekommen, aber anscheinend schlummerte diese Gefahr immernoch in mir. Umso besser das ich jetzt Antworten bekommen würde. Meine innere Stimme sagte mir, dass es die richtige Entscheidung gewesen war zu gehen, also schlug ich ein paar Mal mit den Flügeln, um an Tempo zuzulegen. Wenn ich ohne Pause flog müsste ich im Morgengrauen Dietrichs Wohnsitz erreichen.
Eine Kirchuhr schlug vier, als ich in einem nahegelegenen Waldstück landete. Erschöpft ließ ich mich auf dem Ast eines großen Baumes nieder. Der Flug hatte mich viel Energie gekostet. Meine Flügel fühlten sich steif an und schmerzten fürchterlich, aber schlimmer war, wie ausgelaugt ich mich fühlte. Wahrscheinlich hatte ich mich an meine Grenzen getrieben. Ich war noch nie so lange geflogen und dazu kam das ich meine Kräfte genutzt hatte, um ab und zu mithilfe des Windes schneller voran zu kommen.
Von hier müssten es nur noch einige Kilometer bis zu Dietrich sein.
Der Wald war sehr dicht, sodass ich nicht einfach darin landen konnte und außerdem wusste ich nicht genau in welchem Teil des Waldes das Anwesen lag, jedoch müsste es vom Dorf aus nicht allzu weit sein.
Ich konnte schon die ersten Menschen auf den Straßen sehen, die ich nach der Richtung fragen könnte.
Ungelenk ließ ich mich zu Boden gleiten, ehe ich meine Flügel noch einmal ausstreckte und dann verschwinden ließ. Nun konnte ich meinen Umhang überwerfen und mich ins Dorf wagen. Innerhalb kürzester Zeit hatte ich den Marktplatz erreicht, auf dem schon die ersten Leute ihre Stände aufbauten. Ich näherte mich dem erstbesten Stand und grüßte die ältere Dame.
"Guten Morgen, ich hoffe sie können mir weiterhelfen. Ich suche das Weizäcker Anwesen, wissen sie wie ich dorthin gelange?"
Mit einem Funkeln in den Augen, lächelte sie mich an und zeigte auf ihre Waren. "Oh sie sind nicht von hier. Ja ja ich kann ihnen sagen wie sie dorthin kommen, aber wollen sie sich nicht ersteinmal stärken? Ich hab frisches Obst im Angebot."
Mein Lächeln wurde sofort eine Spur dünner. "Nein, danke ich werde erwartet und habe leider kein Geld dabei", wich ich ihren Verhandlungen aus.
Doch sie wollte einfach nicht nachlassen.
"Wir finden sicher eine Lösung. Hier nehmen sie!" Nach und nach war sie immer näher an mich herangetreten und drückte mir jetzt einige Früchte in die Hände.
Irgendetwas in mir schnappte um.
Wütend lies ich meine linke Hand vorschnellen und umschloss den Kragen der Dame. Das Obst kugelte achtlos über das Pflaster des Marktplatzes, nur einen Apfel hielt ich noch in der Rechten.
"Jetzt hörn sie mir mal zu. Ich will nichts von ihren gottverdammten Waren!" Meine Stimme war schneidend, aber nicht laut genug um großes Aufsehen zu erregen. "Ich frage jetzt noch einmal freundlich nach dem Weg und wenn mir ihre Antwort nicht gefällt könnte das ganz unschön für sie enden. Haben sie mich verstanden?!" Meine rechte Hand umschloss den Apfel fester, bis er mit einem schmatzenden Geräusch zerplatzte und nichts als ein bisschen Mus und Saft davon übrig blieb. Kalkweiß blickte sie mich völlig verängstigt an und nickte wie wild, um mir verstehen zu geben, dass sie verstanden hatte.
Leicht lockerte ich meinen Griff und grinste sie bösartig an. "Na sehen sie, wir verstehen uns doch. Also, wo ist das Anwesen?"
Sie gab mir eine kurze Wegbeschreibung und erläuterte mir worauf ich achten musste. "Na geht doch!", sagte ich zufrieden und lies sie los. Sofort wich sie einige Schritte zurück, doch ich hatte mich schon längst abgewandt. Mit erhobener Hand wank ich rückwärts zum Abschied und lies dabei den Stand durch einen Windstoß zusammenbrechen.
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