Kapitel 48

Taehyun wusste nicht, wie lange er schon so saß.

Die Hände am Rücken fest gebunden, wie seine Füße am Boden. Die Ketten waren so fest, dass sich seine Haut geöffnet hatte und mittlerweile entzündet war. Es tat weh.

Jedoch nicht so sehr, wie das was sie mit ihm machten.

Jeden Tag um Mittag kam jemand und fragte ihn Fragen. Dann ging die Person wieder und irgendwann, es war nie zur gleichen Zeit, tauchten die Mädchen auf. Manchmal zu dritt, zu zweit oder auch alleine. So wie es anscheinend am besten passte.

Sie stellten ebenfalls Fragen, doch fassten ihn auch. Er wusste gar nicht mehr, wie oft er schon geschnitten, mit dem Eisen verbrannt wurde oder sie ihn in Ummacht schlugen.

Er wusste, dass er immer schwächer wurde. Schwächer als sonst.

Taehyun war nicht umsonst das Hirn hinter jeden Mission. Er konnte keine Schläge abwehren oder jemanden auf den Boden bringen. Selbst die Waffen waren nur im äußersten Notfall für ihn akzeptabel. Er sprach lieber, hackte sich in Systeme und fand Sachen heraus. 

Dass sie ihn vom Motorrad herunterbekommen hatten und ihn hier festhielten, war keine Überraschung. Wirklich nicht.

Taehyun wusste auch, dass Mino verletzt war und wahrscheinlich im Komma lag oder schlimmer. Deswegen war er aus seinen Versteck gekommen und wollte zu ihnen fahren. Er hatte alles auf den Kameras gesehen und wollte helfen. Einfach bei der Seite seiner Brüder sein.

Nun war er eben hier und verkniff sich jedes Wort und jeden Laut.

Ab und zu entkam ihm ein Schrei oder Wimmern, aber nur an den ganz schlimmen Tagen. Seine Zunge war zerbissen und brannte die ganze Zeit. 

Sein Körper war am Ende.

Die schwere Tür öffnete sich und durch die Absätze wusste er, dass es nur eine von den Mädchen war.

CLs Mädchen. 

Er hatte sie gesehen. Eine hatte die Nase gebrochen bekommen, als sie zu stark genervt hatten. Ihm hatte das nicht so gefallen, weil er die ganze Gewalt nicht ab konnte, aber verstanden hatte er das schon.

"Bist du wach?", fragte eine Stimme, die ihm mittlerweile so vertraut war, wie die seiner Brüder.

Es war Jenny.

Unsanft nahm sie seine Augenbinde ab und ließ sie achtlos auf den Boden fallen.

Unangenehm stach ihn das dumpfe Licht von den schlechten Lampen in den Augen und ließ ihn unkontrolliert Zwinkern.

"Du siehst echt beschissen aus.", kommentierte sie und ging aus seinem Blickfeld. Kurz darauf tauchte sie wieder auf.

Ihn überraschte es immer wieder, wie modisch gekleidet die Mädchen auftauchten, wenn sie ihn foltern oder befragen wollten. Sie verbrachten eindeutig zu viel Zeit mit CL.

"Die anderen Beiden kümmern sich gerade um den Bastardbruder deines Boss. Ich habe Schnick, Schnack, Schnuck verloren und muss hier bleiben." Gelangweilt schaute sie auf ihre perfekt gemachten Nägeln. "Auch hat uns Rosè, du kennst sie bestimmt vom Sehen, angerufen. Bald ist dieses unnötige Treffen aller Familien und wir müssen noch ein paar Sachen vor Ort erledigen." War es schon so lange her, seit alles passiert war? "Nun heißt es Abschied von Japan zu nehmen und zurück nach Korea."

Augenblicklich beschlich ihn ein Gefühl und als er ihr Grinsen sah, war er sich sicher.

Taehyun würde heute sterben.

"Dein Boss wird sich bestimmt Ärgern. Klar, hat er die größeren Schäden und alles erzielt, wenn es darum geht unser Geschäft zu ruinieren, doch die Zahl der toten Mitglieder ist bei ihm eindeutig höher. Vor allem im näheren Umfeld.", sagte sie amüsiert und zog eine Pistole aus ihrem Gürtel. Gekonnte entsicherte sie diese und drehte ihren Hals, der leise knackste.

"Noch etwas wichtiges zu sagen? Irgendein Abschied oder Nachricht an deine Leute?", fragte sie und zog einen gespielten Schmollmund, als würde sie unter den jetzigen Lauf der Geschichte leiden.

Taehyun wollte tatsächlich so viel sagen.

Er wollte sich bedanken, dass Mino und die anderen ihn damals geholfen hatten, als er mal wieder von anderen Jungs verprügelt worden war. Sie waren die ersten gewesen, die reagiert hatten. Er wollte auch sagen, wie glücklich er sich gefühlt hatte, als sie ihn gefragt hatten, ob er ein Teil ihres Teams sein wollte. Wie oft er sich geliebt und sicher gefühlt hatte und immer gespürt hatte, dass sie ihn bei sich haben wollten. Das war nicht immer selbstverständlich gewesen. Nicht in seiner Familie, nicht in der Schule oder sonst wo. 

Sie hatten ihn akzeptiert und seine Stärken geschätzt. Nie waren sie zu müde gewesen, um zu betonen, wie sehr sie ihn brauchten und wollten.

Eigentlich wollte Taehyun nur sagen, dass er keinen Moment, seit sie ihn aufgenommen hatten, bereut hatte und selbst jetzt, wo er wusste, dass er sterben wird, nie etwas anders gemacht hätte.

Würde man ihn vor die Wahl stellen, würde er immer wieder "Ja!" zu ihnen sagen.

Weil sie seine Familie waren. Die Beste die er hätte bekommen können. Sie hatten sein Leben perfekt gemacht.

"Schade. Ich hätte es ihnen so gerne gesagt." Jenny zuckte gelangweilt mit den Schultern und die Pistole auf sein Gesicht.

Stolz und provokant zugleich schaute er ihr ins Gesicht und wartete.

Doch zu seiner Überraschung zögerte sie. Nur um dann die Pistole zu senken und auf sein Bauch zu richten.

"Du hast es verdient."

Er hörte den Schuss, bevor er ihn spürte. 

Qualvoll und höllisch schnell lähmte er seinen Körper und ließ ihn aufkeuchen.

Er konnte das warme Blut auf seiner Haut spüren. Wie es aus ihm strömte.

Atemlos lehnte er sich so weit nach vorne, wie ihm das mit den Ketten möglich war.

Doch der Schmerz blieb. Solange, bis er spürte, dass ihn die Kraft verließ und sein Umfeld schwummrig wurde. Schwarze Punkte vermehrten sich vor seinen Augen und machten das Sehen schwer. Laut rauschte es in seinen Ohren und übertönte seine Gedanken, wie das Meer eine Stimme. Seine Lunge schrie nach Luft, aber war zu schwach für jeden Atemzug. Bis kein Hauch mehr in seinen Körper kam oder ihn verließ.

Taehyung starb leise und schmerzvoll.

Doch selbst als sie ihn losbanden und anfingen zu verbrennen, war Jenny genervt.

Auch als sie das Bild seiner Leiche an jeden dieser Hurensöhne schickte, verbesserte sich ihre Laune nicht.

Sie konnte einfach nicht das Lächeln vergessen, welches seine blutigen Lippen umspielt hatten. 


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