7. Willkommen in der Vergangenheit
Ein lautes Scheppern, ließ den im Lesen vertieften grauhaarigen Zauberer aufschrecken. Vorsichtig rückte er seine Brille mit halbmondförmigen Gläsern zurecht und erhob sich bedächtig, von dem sich vor dem Kamin befindlichen Lesesessel.
Das Geräusch, welches so plötzlich aufgetaucht und dann wieder verklungen war, schien aus seinem Arbeitszimmer gekommen zu sein. Mit einem Stirnrunzeln legte der Zauberer das Buch, das er immer noch in der Hand gehalten hatte, zur Seite und lauschte an der Tür des angrenzenden Bürozimmers.
Zunächst vernahm er nichts außer dem Knistern des Kaminfeuers, doch dann hörte er deutlich ein erneutes Poltern und das leise Fluchen, einer wie es ihm erschien weiblichen Stimme. Es befand sich also tatsächlich jemand in seinem Arbeitszimmer, die Frage war nur warum? Mit einem Kopfschütteln öffnete er die Tür zu seinem Büro und sah sich in dem kleinen Raum um. In der Ecke, wo seine unzähligen Bücher und einige magische Gerätschaften von seinen Reisen, in großen Regalen verstaut gewesen waren, herrschte blankes Chaos.
Alles war kreuz und quer im Zimmer verstreut und inmitten des ganzen Durcheinanders stand ein blondes, lockenköpfiges Mädchen, welches sich den Kopf rieb, als hätte sie Schmerzen. Ihr schulterlanges, goldenes Haar hing ihr wirr ins Gesicht und ihre Kleidung saß merklich schief. Durch den Luftzug der geöffneten Tür aufgeschreckt, blickten saphirblaue Augen dem Professor angespannt entgegen. Ein entschuldigender Ausdruck trat augenblicklich auf das Gesicht des Mädchens, welches ihn mit melodischer Stimme ansprach.
"Bitte verzeihen Sie Professor, ich werde das schnellstens wieder in Ordnung bringen".
Und noch ehe er etwas erwidern konnte, hatte sie mit gezücktem Zauberstab, das Chaos auch schon beseitigt und alle Gegenstände wieder ihrem angestammten Platz zugeführt. Nachdem sie schließlich auch ihren Umhang abgeklopft und zurecht gerückt hatte, begegnete das Mädchen dem amüsierten Blick des Professors. "Und welchem Umstand verdanke ich Ihren Überfall?"
Fidea schmunzelte, dieses Verhalten war so typisch für den Dumbledore, den sie kannte und seine jüngere Ausgabe schien sich hierbei nicht sonderlich von seinem älteren Ich zu unterscheiden. Statt aus der Haut zu fahren und sie anzuschreien, was sie hier eigentlich machte, nahm er alles wie immer mit einer Portion Humor.
"Nun ja Professor, eigentlich verdanken Sie meinen Besuch sich selbst. Zumindest einer älteren Version von Ihnen höchstpersönlich". Nun war es an Dumbledore zu schmunzeln "So so, mir selbst also, wie interessant".
Er musterte die Umhänge und das blau-bronzene Abzeichen Fideas nachdenklich. "Sie scheinen in Ravenclaw zu sein, allerdings habe ich Ihr Gesicht noch nie auf Hogwarts gesehen". Statt zu antworten, reichte das goldgelockte Mädchen dem Professor, einen fein-säuberlich verschlossenen Briefumschlag.
Dumbledore nahm diesen wortlos entgegen und betrachtete ihn gespannt von allen Seiten. Er stutze dann, als er unter dem roten Wachssiegel von Hogwarts, unverkennbar seine eigenen geschwungenen Schriftzüge erblickte.
Die Neugier des grauhaarigen Zauberers war nun definitiv geweckt worden und so öffnete er rasch den dicken Briefumschlag und zog ein ordentlich verschnürtes Dokumentenbündel hervor. Eine umfangreiche Pergamentnotiz, die an ihn adressiert war, klebte vorne an dem Bündel, welche er nach einem kurzen Blick auf das, gerade ihre Haare ordnende Mädchen zu lesen begann. Eilig huschten seine Augen über die schwungvoll geschriebenen Worte und als er fertig gelesen hatte, bedeutete er Fidea sich zu setzen, während er selbst hinter seinem Schreibtisch Platz nahm.
Über seine gefalteten Hände hinweg, musterte er seine Gegenüber nun genauer. Diese schien sich jedoch in keinster Weise davon verunsichern zu lassen und begegnete dem Professor mit festem Blick.
"Meine Liebe, nach dem was ich soeben gelesen habe, wartet eine große und vielleicht sogar gefährliche Aufgabe auf Sie". Die Ravenclaw nickte, ohne auch nur eine Miene zu verziehen. "Sie scheinen das ganze ja relativ gefasst aufzunehmen" Dumbledore bedachte sie mit hochgezogenen Augenbrauen.
"Das Ausmaß einer Gefahr ist eine Sache der Definition. Selbst das Hinaustreten aus der eigenen Haustür, kann unter Umständen schon gefährlich werden".
Der Professor würdigte die Worte des Mädchens mit einem schwachen Lächeln. "Wie mir scheint, hat mein älteres Ich in dem Punkt ihrer geistigen Gewandtheit keines Falls übertrieben. Nun Miss..."
Der Zauberer begutachtete noch einmal das vor sich ausgebreitete Pergamentblatt. "Nun Miss Fountain, ich würde gerne mit Ihnen kurz alle Einzelheiten absprechen, sodass es zu keinen Missverständnissen in dieser Zeitlinie kommt".
Seine hellen blauen Augen betrachteten die Ravenclaw eindringlich über seine Brillengläser hinweg.
"Sie haben fünf Jahre lang die Beauxbatons Akademie besucht und sind jetzt aus familiären Gründen nach England zu Ihrer entfernten Tante Hestia Geneviève de Corbin gezogen".
Dumbledore stockte kurz beim Vorlesen dieses Namens, kam ihm doch sogleich die Verbindung dieser Familie mit der Hogwartsgründerin Rowena Ravenclaw in den Sinn. Doch noch bevor er diesbezüglich genauer nachfragen konnte, redete das vor ihm sitzende Mädchen auch schon schockiert auf ihn ein.
"Professor, es muss sich hierbei um einen Fehler handeln! Meine Tante Hestia gilt als nun ja, sagen wir etwas sonderbar. Wenn ich mit ihr in Verbindung gebracht werde, dann könnte dies Probleme verursachen, speziell wenn jemand Genaueres über mich herauszufinden sucht".
Der grauhaarige Zauberer schüttelte den Kopf. "Nein meine Liebe dieser Name steht hier schwarz auf weiß, es handelt sich also um kein Versehen. Keine Sorge Miss Fountain, außer in den Sommerferien werden Sie wohl keinen allzu großen Kontakt zu Ihrer Tante haben.
Aber wenn ich das mal so beiläufig erwähnen dürfte, genießt Ihre Tante besonders in gewissen akademischen Kreisen an Ansehen, auch wenn Sie manchmal durchaus etwas speziell in der Öffentlichkeit auftritt. Doch letztlich unterliegen wir alle bis zu einem gewissem Grad der Verrücktheit".
Der Professor zwinkerte, was jedoch den wenig erfreuten Gesichtsausdruck der Ravenclaw nicht wirklich aufbessern konnte. Das Mädchen atmete schließlich einmal beruhigend ein, glättete ihre Gesichtszüge und wartete dann darauf, dass Dumbledore weiter sprechen würde.
"Also wie ich bereits sagte, Beauxbatons war Ihre ehemalige Schule. In dem Brief steht, dass sie im ersten Schuljahr tatsächlich die Beauxbatons Akademie besuchten, also dürften Sie keinerlei Probleme mit eventuell auftretenden Fragen hierzu, von Seiten Ihrer Mitschüler oder gar Lehrer haben. Wenn jemand nach Ihrem nicht vorhandenen Akzent fragen sollte, betonen Sie die Tatsache, dass Sie zweisprachig aufgewachsen sind". Der grauhaarige Zauberer deutete kurz auf den blauen Umhang des Mädchens. "Sie werden zudem auch in dieser Zeitlinie dem Haus Ravenclaw zugeteilt, dem bei uns ihre Zauberkunstlehrerin Professor Amalia Ambrose vorsteht".
Bei seinen nächsten Worten, wurde die Stimme des Verwandlungslehrers jedoch deutlich ernster. "Nun und was Ihre Aufgabe betrifft, so wurde mir geheißen Ihnen zu jeder Zeit mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, falls Sie Hilfe bedürfen sollten".
Der grauhaarige Zauberer sah Fidea, welche den Kopf bei der Erwähnung ihrer Aufgabe leicht gesenkt hatte, mitfühlend an.
"Ich weiß zwar auch nicht alle Einzelheiten, die Ihre Reise in diese Zeitlinie betreffen, allerdings kann ich nach dem, was ich bereits über Sie von meinem späteren Selbst gelesen habe, sagen dass Sie wohl nicht ohne Grund ausgesucht worden sind. Sie sollten sich also nicht zu viele Sorgen machen und alles auf sich zukommen lassen. Am Ende kommt einiges letztlich sowieso anders als ursprünglich gedacht".
Die Ravenclaw blickte schließlich auf und brachte ein schwaches Lächeln zu Stande.
"Um den Trank und die Terminberechnung für ihre Rückreise werde ich mich natürlich auch kümmern, machen Sie sich diesbezüglich also keine weiteren Gedanken. Sobald ich hierzu schon näheres weiß, werde ich Sie baldmöglichst in Kenntnis setzen".
Fidea gab durch ein kurzes Kopfnicken zu verstehen, dass sie soweit verstanden hatte. Der Professor schien damit zufrieden und erhob sich von seinem Arbeitstisch.
"Gut dann werden wir jetzt dem Schulleiter Professor Dippet ihre Unterlagen vorlegen und sie offiziell in Hogwarts einschreiben lassen".
♦♦♦
Schweigend lief Fidea neben Dumbledore, die ihr so schrecklich bekannt vorkommenden steinernen Gänge von Hogwarts entlang.
Das bekannte leise Murmeln der magischen Portraits und das Knistern der Fackeln an den Wänden, ließen sie fast schon daran glauben, wieder in dem Hogwarts ihrer Zeitlinie zu sein. Die Ravenclaw hätte sich nicht sonderlich darüber gewundert, wären ihnen bei der nächsten Abzweigung Harry, Ron und Hermine gutgelaunt entgegen gekommen.
Doch in Wahrheit, waren sie alle zu jener Zeit noch nicht einmal geboren worden und dass ihr so vertraut erscheinende Hogwarts, war in Wirklichkeit ein ganz anderes. Bald schon standen sie vor dem steinernen Wasserspeier, welcher das Schulleiterbüro auch in Fideas Zeit zu bewachen pflegte.
Nachdem Dumbledore das Passwort genannt hatte, betrat sie dem Professor folgend die Wendeltreppe zum Eingang des Büros. Der grauhaarige Zauberer klopfte oben angekommen, kurz an der hölzernen Tür und betrat dann vor dem Mädchen den runden, mit unzähligen Portraits gesäumten Raum.
Am Schreibtisch in der Mitte des Büros, saß ein schon älterer weißhaariger Zauberer in prächtigen violetten Roben, welcher unverkennbar eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Waldkauz aufwies. Der alte Schulleiter bedeutete dem Verwandlungslehrer und dem Mädchen mit einer kurzen Geste seiner rechten Hand, sich doch zu setzten. Auf seinen fragenden Blick hin in Richtung Fidea, reichte Dumbledore dem Schulleiter sogleich die Dokumente über den angestrebten Schulwechsel der Ravenclaw.
Natürlich erwähnte der Professor die Zeitreise mit keinem Wort, denn auch er hielt es für deutlich weiser, wenn so wenige Personen wie möglich von Fideas wahrer Geschichte Bescheid wüssten. Das Mädchen hörte bei der anschließenden Klärung der ganzen Formalitäten nicht wirklich zu, sondern widmete sich viel mehr der Betrachtung des Schulleiterbüros. Anders als zu ihrer Zeit, schwebten keine magischen Gerätschaften im Zimmer herum und auch die Regale, waren nur teilweise mit Büchern gefüllt. Das Büro wirkte zwar nicht so vollgestopft, wie jenes welches sie bereits kannte, machte jedoch einen deutlich trostloseren und kargeren Eindruck.
Als die beiden Professoren schließlich alles abgesprochen hatten, begrüßte sie der Schulleiter mit einem festen Händedruck und einem warmen Lächeln als vielversprechende, neue Schülerin in der Hogwartsschule für Hexerei und Zauberei. Da ihre jetzige Hauslehrerin Professor Ambrose erst heute Abend wie die anderen Schüler mit dem Hogwartsexpress ankommen würde, beauftragte der Schulleiter Professor Dumbledore damit, Fidea den Weg zum Ravenclaw Gemeinschaftsraum zu zeigen.
Dieser nahm sich dieser Aufgabe mit einem Lächeln an und innerhalb relativ kurzer Zeit standen sie bereits vor dem, ihr vertrauten Eingang zum Ravenclawturm.
Wie viele Male schon, war sie hier gestanden und doch fühlte es sich in diesem Moment und zu dieser Zeit so ungemein anders an.
Dumbledore ließ das Mädchen dann nach einigen letzten aufmunternden Worten und einer kurzen Erinnerung, an das am Abend stattfindende Festessen zum Schulanfang, vor dem Eingang zum Turm alleine.
Nachdem Fidea das Rätsel des magischen Türknaufs ohne großen Zeitaufwand gelöst hatte, betrat sie mit ihrer Reisetasche im Schlepptau, den blau gestrichenen Gemeinschaftsraum ihres Hauses. Alles sah auch hier aus wie immer. Die hohe Decke mit dem silber-blauen Sternenhimmel, verlieh dem sowieso schon großen Raum an noch mehr Weite und Eleganz und neben dem Eingang zu den Schlafräumen der Mädchen, stand wie eh und jäh die pompöse, weiße Statue Rowena Ravenclaws.
Ihr Haupt war Stolz erhoben und in ihrer rechten Hand hielt sie eine, das zu sammelnde Wissen symbolisierende Schriftrolle, während sie ihre linke Hand anklagend in Richtung der Sofas vor dem grauen Kamin erhoben hatte. Es schien fast so, als wolle sie jene Schüler zu maßregeln suchen, die sich nicht dem Anhäufen von neuen Weisheiten widmeten. Fidea hatte die Statue noch nie sonderlich leiden können, hatte sie doch stets das ungute Gefühl gehabt, von den steinernen, weißen Augen und der strengen Miene der Hogwartsgründerin, irgendwie verfolgt zu werden. Auch jetzt wie sie so im Raum stand, kam es dem Mädchen so vor, als würde ihre Hausgründerin und Vorfahrin mit unbarmherzigen Augen auf sie hinab sehen. Mit einem Kopfschütteln vertrieb die Ravenclaw diese unheimlichen Gedanken und schritt an den zahlreichen, vollgestopften Bücherregalen vorbei, zu den Schlafräumen der Mädchen, wobei sie darauf Bedacht war, der weißen Statue im Vorbeigehen nicht zu nahe zu kommen.
An einem Bronzeschild mit der Aufschrift 6. Klasse blieb sie letztlich stehen. Drei weitere Namen waren neben dem ihrigen bereits auf der Tafel vermerkt worden, die da lauteten: Jane-Mary Greystone, Esperanza Solas und Leokardia Lovegood.
Fidea stieß die edel verzierte Holztür auf und betrat ein rundes, helles Zimmer, in welchem vier mit blauer Seide bespannte Betten vorzufinden waren. Bei dreien klebten schon vereinzelt einige magische Fotos an den Wänden oder aber auch kleinere Gegenstände, waren die Sommerferien über auf den Nachttischen zurück gelassen worden.
Das schlanke Mädchen trat zu dem hintersten noch scheinbar unbenutzten Himmelbett bei den mächtigen, in dunklem Ebenholz gefassten Bogenfenstern heran. Sie legte ihre kleine Reisetasche auf dem Bett ab, öffnete diese und ließ mit einem Schlenker ihres Zauberstabs, alle Dinge ordentlich in ihrer Kommode angeordnet einen neuen Platz finden. Nur ihre Bücher hatte die Ravenclaw auf ihrem Nachttisch verweilen lassen.
Nachdem sie alles zufrieden an Ort und Stelle begutachtet hatte, ließ sich das Mädchen auf das herrlich weiche Himmelbett fallen und verschränkte ihre Arme hinter den Kopf. Ihre Augen huschten durch das Zimmer und blieben letztlich an den mächtigen Bogenfenstern und der sich ihr darbietenden Aussicht hängen.
Die Bäume erstrahlten, da es in dieser Zeitlinie erst September war, in sattem Grün, wobei sich jedoch vereinzelt bereits ein gelblicher Farbton hinzu zu mischen begann. Spatzen schwirrten zwitschernd an dem Bogenfenster vorbei und ergänzten den, ihr so vertraut und gleichsam so fremd erscheinenden Anblick.
Müde schloss Fidea die Augen und versuchte sich gedanklich auf das spätere Festessen und ihre bald beginnende Aufgabe einzustimmen.
So hier ein weiteres Kapitel. Besten Dank für bisherige Stimmen und freundliche Kommentare :)
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