Kapitel 91
Edward war das ganze Wochenende bei mir geblieben. Hatte versucht mich mit Gesprächen abzulenken. Seine Anwesenheit hatte mir gut getan. Hatte mich nicht auf die Idee kommen lassen, mich selbst zu verletzen. Er war der tollste, beste Freund, den ich mir wünschen konnte.
Den Montag hatte ich im Tattoostudio verbracht. Hatte Skizzen angefertigt. Hatte mich ab und zu mal in einen der hinteren Räume verkrümelt, um einigen Tränen freien Lauf zu lassen. Edward hatte mir frei geben wollen, aber das wollte ich nicht. Die Ablenkung tat ganz gut. Und doch war ich froh, als ich Feierabend hatte. Fuhr nach Hause. Diesmal allein. Nicht, weil Edward mich nicht begleiten wollte, sondern weil ich allein sein wollte. Ich wollte mich auf die Beerdigung am nächsten Tag vorbereiten. Fragte mich, wie Pete auf mich reagieren würde. Wie und ob ich auf ihn zugehen sollte.
Die Nacht war schlaflos. Zu viele Gedanken quälten und verfolgten mich. Ich wälzte mich von rechts nach links und wieder zurück. Hatte ernsthaft überlegt, mitten in der Nacht ins Vereinsheim zu fahren, um meinen Pete zu sehen. Aber er wollte Abstand von mir. Wieder von ihm weggeschickt zu werden, wäre tausend mal schlimmer gewesen, als diese Sehnsucht nach ihm. Morgen, ja morgen, nachdem Matt beerdigt war, blieb vielleicht etwas Zeit zum reden. Vielleicht bekam ich dann die Antworten, die ich mir so sehr erhoffte. Vielleicht gab er uns noch eine Chance, wenn alles vorbei war. Das es ihm mit seiner momentanen Situation nicht gut ging, wusste ich von Ben. Wir hatten in den letzten Tagen täglich miteinander geschrieben. Er hatte mir berichtet, dass es Pete körperlich schon wieder besser ging. Aber der Tod von Matt nagte an ihm. Oft hatte er Ben gefragt, ob er wisse, wie es mir ging. Pete wusste genau, dass Ben und ich Kontakt hatten. Und auch wenn ich Ben am Anfang vorgelogen hatte, dass es mir gut ging, war ich irgendwann mit der Wahrheit raus gerückt. Pete sollte ruhig wissen, dass es mir ohne ihn richtig beschissen ging. Sollte er sich doch Sorgen machen, zumindest wenn ich ihm noch so viel Wert war. Ich liebte diesen scheiß Kerl. Daran hatte sich nichts geändert. Und auch wenn er uns aufgegeben hatte, zumindest schien es so, glaubte ich noch immer an uns. Wir konnten nicht durch diese Hölle gegangen sein, für nichts. Konnten nicht all das durchgemacht haben, um am Ende getrennte Wege zu gehen. Nein! Nein! Nein! Das wollte ich nicht zu lassen. Wollte um Pete kämpfen. Gut, wenn er Zeit brauchte, sollte er sie bekommen. Er hatte mir damals auch die Zeit eingeräumt, die ich gebraucht hatte. Ich wollte ihn danach mit offenen Armen empfangen. Ihm keine Vorwürfe machen, sondern ihm zuhören, wenn er Jemanden zum reden brauchte. Ihn auffangen, wenn auch er mal glaubte, die Welt würde ihm den Boden unter den Füßen weg reißen.
Viel zu früh war ich aufgestanden. Hatte mich langsam fertig gemacht. War eine Weile durch die Straßen von Berlin gefahren. Nur um die Zeit rum zu bekommen. Kurz vor um 10.00 Uhr parkte ich beim Friedhof. Lief zu den Trauergästen. Begrüßte sie alle so herzlich wie immer, bis ich vor Pete stand. Traute mich nicht, ihm in die Augen zu schauen. "Hi Kleines!" seine warme, vertraute Stimme, die ich so vermisst hatte. Er hatte nach meinen Händen gegriffen. Erst jetzt blickte ich auf. Seine azurblauen Augen, die mich ansahen. Sein Gesicht, welches meinem näher kam. Ein winziger Kuss auf meine Lippen. So sanft, dass ich glaubte mir würde schwindelig werden. Ein Kuss, der Hoffnung machte, dass auch er immer noch an uns glaubte.
Hand in Hand gingen wir in die Kapelle, gefolgt von den Anderen. Cora stand im Türramen. Ihre Augen beide blau. Auf der Nase einen Gipsverband. Ich spürte die Anspannung in Pete, als er sie sah.
"Alles gut Pete. Bleib ruhig." flüsterte ich. Sah, dass Sam zu ihr gegangen war. Mit ihr redete und sie kurze Zeit später wieder ging.
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