Kapitel 88
Es war Freitag Morgen. Also rappelte ich mich auf. Egal wie gern ich bei Pete geblieben wäre, um ihn zu pflegen, heute musste ich noch mal zur Arbeit. Konnte Edward nicht schon wieder hängen lassen. Pete schlief noch. Nur ein winziger Kuss auf seine Stirn, dann stand ich auf, um mich fertig zu machen.
"Guten Morgen!" Evelyna begrüßte mich, als ich den Gastraum betrat.
"Morgen!"
"Kaffee?" ich nickte nur auf diese Frage. Setzte mich dann an den Thresen, hinter dem sie stand. Steckte mir eine Zigarette an. "Danke, dass du Pete das Leben gerettet hast."
"Hm..." das Einzige, was mir dazu einfiel. Ich wollte an den gestrigen Abend nicht denken. Musste meinen vollgestopften Kopf ein wenig frei bekommen. Brauchte fünf Minuten Ruhe und nicht, dass mich am frühen Morgen schon Jemand zu quatschte oder sich für etwas bedankte, was so schrecklich selbstverständlich war. Sie schien verstanden zu haben, dass ich nicht reden wollte. Zumindest war sie in die Küche gegangen und hatte mich allein gelassen. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass ich los musste. Immerhin musste ich heute zur Arbeit laufen. Mein Auto stand zu Hause. Genauso wie Pete seins. Und mit der Harley konnte ich nicht umgehen. Besaß nicht mal den dafür benötigten Führerschein. Schnell trank ich meinen Kaffee aus. Schnappte meine Sachen und verließ das Haus.
"Morgen Chelsea!"
"Hi Ben! - Na, gut geschlafen?"
"Ja. Und du?" ich zuckte nur mit den Schultern, denn es war keine besondere Nacht. Keine in der ich besonders gut, noch besonders schlecht geschlafen hatte. "Wo willst du hin?"
"Zur Arbeit."
"Na los, ich fahr dich!"
"Aber du hast doch schon Arbeitsbeginn."
Er lachte. "Jep. Aber mal ehrlich Chelsea. Würde Pete zulassen, dass du läufst, grad nach dem was gestern war?" Ich atmete tief ein. Schüttelte den Kopf, während mein Blick traurig auf den Boden schweifte. Die Blutflecken von Matt und Pete waren noch deutlich zu erkennen. Ja, Ben hatte Recht. Pete hätte nie zugelassen, dass ich laufe. Also nahm ich den Helm, den Ben mir reichte. Kletterte hinter ihn auf seine Harley, nachdem ich den Helm aufgesetzt hatte. Wir benahmen uns tatsächlich wie erwachsene Menschen, dachte ich, als wir durch die überfüllten Straßen Berlins fuhren. Aus der peinlichen Anspannung, nach unserem gemeinsamen Ausrutscher, war endlich so etwas wie Freundschaft geworden. Es tat gut zu wissen, dass ich mich auf ihn verlassen konnte. Er war einer der Jungs im Club, mit dem ich reden konnte. Der vieles verstand. Der mich manchmal einfach nur in den Arm nahm, wenn er merkte, dass es mir nicht so gut ging und Pete gerade nicht zur Stelle war. Ich mochte ihn.
Er hatte vor dem Studio geparkt. Nachdem ich abgestiegen war, reichte ich ihm den Helm. "Danke Ben."
"Kein Problem." ich hatte mich umgedreht. Wollte eigentlich rein gehen, aber Ben hielt mich am Handgelenk fest. Sofort musste ich an Pete denken. Daran, wie er damals einen Kuss gefordert hatte. Daran, wie sehr er um mich gekämpft hatte. Daran, wieviel Hoffnung in seinen Augen zu sehen war. Aber als ich mich umdrehte, war da nur Ben, nicht mein Pete.
"Was gibt's denn noch?"
"Ich wollte dir nur sagen, dass ich dich heut Nachmittag wieder abhole."
Ich nickte. "Ok." wieder drehte ich mich um. Ging zur Ladentür herein. Edward kam sofort angelaufen.
"Alles gut bei dir?"
Müde schüttelte ich den Kopf, den ich dann an seine Brust lehnte. "Matt ist tot. Pete musste notoperiert werden und ich... ich hab einen Menschen erschossen." Edward legte seine Arme um mich.
"Du verarscht mich grad."
"Ne Edward, leider nicht."
Er drängte mich auf einen Stuhl. "Ok, ich mach Kaffee und dann erzählst du mir alles von vorn."
Ja ok, das war in Ordnung. Obwohl ich nicht wirklich wusste, wie ich ihm alles erklären sollte. Es war so unfassbar viel, dass ich nicht wusste, ob ich alles zusammen bekam. Aber ich erzählte fast eine halbe Stunde. Versuchte Dinge zu erklären, die ich mal wieder selbst nicht begriff.
"Ihr kommt wohl auch nie zur Ruhe." war das Einzige, was er antwortete. Was auch sonst hätte er sagen sollen? Wieder fordern, dass ich mich von Pete trennen sollte? Das sein Leben nicht zu meinem passte? Genau das hatte er schon vor langer Zeit aufgegeben. Er wusste, dass Nichts und Niemand uns trennen konnte. Das wir zusammen gehörten, wie die Pole zweier Magneten. Es konnte uns nicht mehr einzeln geben. Und auch wenn Pete in vielen Dingen des Lebens stärker war als ich, war ich davon überzeugt, dass er auch nicht mehr ohne mich leben konnte. Die Liebe, Wärme und Geborgenheit die wir uns jeden Tag schenkten, war wie eine Droge. Wenn ich auf Arbeit war, sehnte ich mich so schrecklich nach all dem. Aber erst der Feierabend ließ meine Sucht stillen. Nämlich dann, wenn Pete durch die Ladentür kam. Mich frech anlächelte. Seine Hände um mein Gesicht legte und mich endlich küsste.
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