Kapitel 84
Wir hatten uns wieder zusammen gerauft. Mal wieder! Die Risse, die unsere Liebe schon ertragen musste, waren gefüllt mit dem Kleber der Hoffnung. Alles was uns mal geschwächt hatte, hatte uns auch ein Stück weit stärker werden lassen. Pete nahm sich wieder mehr Zeit für uns. Ließ auch die traurigen Gedanken zu, die ihn ab und zu quälten. Manchmal sprach er mit mir darüber. Manchmal ging er aber auch runter in den Keller. Er hatte sich dort ein kleines Fitnessstudio eingerichtet. Ließ dort, an dem Sandsack, der von der Decke hing, seine ganze Wut raus. Jedes kleine Gefühl von Hass, prügelte er in dieses Leder. Es war seine Art mit Dingen klarzukommen. Und ich akzeptierte es. Ließ ihn in Ruhe, bis er fertig war. Bis er frisch geduscht, danach meine Nähe suchte. Ich hielt ihn. Küsste ihn. Zeigte ihm, dass er lebte, auch wenn man sich in einigen Momenten tot fühlte.
Er hatte mich irgendwann gefragt, wo wir hin fahren wollten, von dem Geld vom Club.
"Los Angeles." hatte ich spontan geantwortet. Ihm auch gleich dazu erklärt, dass ich genau dort heiraten wollte. Der Strand dort, schien mir nahezu perfekt. Ich wollte Evelyna, Sam und die Jungs vom Club dabei haben. Edward sollte mein Trauzeuge sein. Ich erinnerte mich daran, wie Pete mir mal von unserer Hochzeit erzählt hatte. Wie er sich mich im Brautkleid vorgestellt hatte. Bald, ja bald sollte dieser Traum in Erfüllung gehen. Bald sollten wir Mann und Frau sein. Welch wunderbare Vorstellung. Wenn ich Pete so anschaute, konnte ich mir das alles noch gar nicht wirklich vorstellen. War er wirklich bereit dafür? War er bereit, mir immer treu zu sein? Mich zu lieben und zu ehren, bis das der Tod uns schied? Wir lebten zwar ein gefährliches Leben, aber trotz allem ging ich davon aus, dass wir noch eine Weile lebten.
"Und du bist dir ganz sicher, dass du bereit für die Ehe bist?" hatte ich ihn deshalb irgendwann mal gefragt.
"Ich schon." hatte er gelächelt. "Aber du scheinst dir nicht sicher zu sein."
"Oh doch! Ich bin mir total sicher." Und ja, das war ich auch. Er war immer noch alles, was ich wollte. Er war mein Leben. Er war der Halt, den ich brauchte, wenn ich glaubte die Welt würde sich zu schnell drehen. Wenn ich glaubte den Boden unter den Füßen zu verlieren, war er es, der mich auffing. Er trocknete meine Tränen geduldig, egal wie oft ich wegen der selben Sache weinte. Er hatte nie aufgehört mir zuzuhören, ganz egal wie oft ich ihm das Gleiche erzählte. Er war der Jenige, der immer versuchte die richtigen Worte zu finden. Der aber genauso gut wusste, wann es besser war zu schweigen. Wenn ich mir bei ihm nicht sicher war, bei wem sonst? Nie hatte ich vergessen, was er alles für mich getan hatte. Wir hatten unsere gemeinsame Vergangenheit, in der nicht immer alles toll war. Und doch hatten wir immer wieder zueinander gefunden. Hatten uns die gegenseitigen Verletzungen nie vorgeworfen. Sie gehörten dazu. Wir hatten Beide genug Fehler gemacht. Aber wir waren jung und Fehler gehörten zum Leben dazu. Wir hatten aus ihnen gelernt. Sie waren nicht mehr rückgängig zu machen. Ja und? Alles nicht so schlimm, so lange wir uns hatten.
Pete hatte immer noch keine Fahrten mehr angenommen. Selbst eingesehen mittlerweile, dass er eine Gefahr für sich und seine Bro's war. Es war ihm zwar nicht mehr alles so scheiß egal, aber er war nicht konzentriert genug. Würde in Gefahrensituationen womöglich falsche Entscheidungen treffen. Entscheidungen, die sein oder das Leben einer seiner Jungs kosten konnte. Die Verantwortung die er hatte, wäre zu groß gewesen. Also kümmerte er sich um den internen Kram des Clubs. Kümmerte sich um das Pornogeschäft und wenn dann noch Zeit blieb, arbeitete er in der Werkstatt. Die Arbeit in der Werkstatt war mir immer noch die Liebste, denn es war die Normalste. Und auch wenn mich das stupide Normale auf Dauer wohl sehr gelangweilt hätte, tat ein wenig Normalität zwischendurch doch recht gut.
Zur Zeit war ich am liebsten auf Arbeit. Der Umgang mit den Kunden tat mir unglaublich gut. Ihre strahlenden Gesichter, wenn sie das Studio mit ihrem neuen Tattoo verließen, war einfach unbezahlbar. Oft quatschte ich auch mit Edward, wenn grad mal nicht so viel los war. Er war ein guter Zuhörer. Sah Dinge oft unparteiisch, da er ein Außenstehender war. Oft zauberte er mir ein Lächeln ins Gesicht. Ganz einfach mit seiner herrlich naiven Art. Diese naive Art, die ich auch mal besessen hatte, bevor ich mit Pete zusammen gekommen war. Bevor ich die Welt voller Hass und Aggressionen kennengelernt hatte.
Mit Tränen in den Augen, hatte ich mir auf der linken Seite, entlang den Rippen, ein Gedenktattoo für mein Sternenkind von ihm stechen lassen. "Ich wollte nicht, dass du ein Stern in der Unendlichkeit des Universums bist. Ich liebe dich!" ein Schriftzug eingeramt von kleinen Sternen. Nur einer etwas größer und in rosa. So blöd wie das klingen mag, aber durch dieses Tattoo fühlte ich mich ihr so nah. Es tat gut, sie auch am Tag bei mir zu wissen und nicht nur in der Nacht.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top