Kapitel 81

Wir hatten nie wieder über unsere Tochter geredet. Waren zwei Tage später wieder in unser Schloss zurück gekehrt. Hatten versucht unseren Alltag so zu leben,  wie er  vor der Schwangerschaft war. Er lebte für den Club. Ging zu den Treffen. Produzierte Pornofilme. Kümmerte sich um den Werkstattbetrieb. Sam, der Präsident des Clubs war, hatte Pete die Fahrten vorerst verboten. Hielt ihn für zu unkonzentriert. Ob es mich erleichterte? Ja, auf jeden Fall und trotzdem wusste ich, dass es Pete nicht glücklich machte. Er war oft nach Arbeitsschluss im Vereinsheim geblieben. Trank ein - zwei Bierchen und kam dann erst nach Hause. Er brachte mich nicht mehr zur Arbeit oder holte mich ab. Er lachte nur selten. Und wenn er lachte, war es kein ehrliches Lachen. Es tat mir unendlich weh ihn so deprimiert zu sehen. Ich wollte meinen alten Pete wieder. Aber durch Nichts ließ er sich ablenken. Ganz tief im Inneren konnte er das Gefühl, für den Tod unseres Babys verantwortlich zu sein, nicht ablegen.
Ich sehnte mich jede Nacht nach dem nächsten Morgen. Wollte weg von ihm und diesen traurigen Augen. Wollte mich in meine Arbeit stürzen, um mit dem Grübeln aufzuhören. Machte Überstunden, nur um nicht nach Hause zu müssen.
So konnte es einfach nicht weiter gehen. Also beschloss ich heute nach Feierabend ins Vereinsheim zu fahren. Lenkte mein Auto unkonzentriert durch den Berufsverkehr. Ich überlegte schon während der Fahrt, was ich ihm sagen wollte. Liebte jede sonst so verhasste rote Ampel. Sie gab mir Zeit Entscheidungen zu treffen. Denn ich zweifelte daran, ob es richtig war, zu ihm zu fahren. Hätte all das ja auch zu Hause mit ihm klären können. Doch ich wollte nicht zu Hause mit ihm streiten,  falls es zu einem Streit kam. Wollte nicht mit ihm allein sein, wenn ich ihn auf seine innersten Gefühle ansprach.
"Hi Chelsea!" Bruno begrüßte mich auf dem Parkplatz, des Werkstattbetriebs, mit einem Küsschen auf die Wange. Sein Vollbart stachelte die Haut in meinem Gesicht.
"Hi!"
"Suchst du Pete?" ich nickte nur. "Der ist an der Bar und..." mit einer Handbewegung deutete er mir, das Pete schon wieder Bier trank. Es sah lustig aus, als sein schulterlanges, graues, gelocktes Haar nach hinten wippte, während er seinen Kopf zurück lehnte. Sauer presste ich meine Lippen zu einem schmalen Spalt zusammen. Drehte mich dann um. Ging, ohne Bruno noch etwas gesagt zu haben, zum Haus. Das Basti, Matt und auch Ben mich über den Hof aus beobachteten, interessierte mich nicht. Vielleicht hätte ich sie begrüßen müssen. Doch in mir brodelte so sehr die Wut. Mit einem Ruck riss ich die Tür auf. Pete saß nicht an der Bar, sondern an einem Tisch in der hintersten Ecke. Er schmunzelte, als er mich sah. Zwinkerte mir zu, als er einen Schluck von seinem Bier nahm. Und egal, wie wütend ich ja eigentlich war, lächelte ich zurück. Ließ mir von Max ebenfalls ein Bier geben, bevor ich mich zu Pete an den Tisch setzte.
"Na Kleines!" ein winziger Kuss. "Hast de mich vermisst?"
Ich hätte ihm eine scheuern können für diese arrogante Frage. Atmete stattdessen aber einmal tief durch. "Ja! Aber ich vermisse nicht den Pete, der hier sitzt, sondern den, der du mal warst."
"Ich bin immer noch der Selbe."
"Nein, bist du nicht."
"Bist du her gekommen um mit mir zu streiten?" er stand auf und ging an die Bar. "Dann kannst de dich gleich wieder verpissen."
Ich schluckte die Tränen, die raus wollten runter. Ich musste stark bleiben. "Hör endlich auf so scheiße abweisend zu mir zu sein."
"Bin ich nicht. Immerhin komm ich jeden Abend nach Hause."
Oh wie toll von ihm. Erwartete er Applaus dafür? Er ging raus vor das Haus. Ließ mich wie so eine Blöde einfach  am Tisch sitzen. Mit einem Schluck trank ich mein Glas leer. Und nun? Sollte ich hier sitzen bleiben und hoffen, dass er wieder rein kam? Sollte ich ihm hinterher gehen und noch mal versuchen mit ihm zu reden? Oder sollte ich einfach nach Hause fahren? Warten, bis er bereit war zu reden.
"Pete!" ich hatte mich dafür entschieden, ihm zu folgen.
"Man, was willst du denn?"
"Ich will wissen, warum du so zu mir bist! Liebst du mich nicht mehr?"
Das erste Mal seit Wochen schaute er mir direkt in die Augen. "Gebe ich dir echt das Gefühl?" seine Stimme plötzlich voller Gefühl.
"Ja Pete!" ich konnte die Tränen nicht mehr halten. "Ich versteh es nicht."
"Baby hey..." endlich nahm er mich in den Arm. Drückte meinen Kopf gegen seine Brust.
"Erklär mir endlich, was ich falsch mache."
"Nichts Kleines."
"Es ist jetzt zwei Monate her, seit das alles passiert ist. Seit dem bist du so anders... so... so... Gott Pete, an manchen Tagen hasse ich dich einfach nur noch und das bricht mir das Herz."
Er nahm mein Gesicht in seine Hände. Seine Daumen wischten mir die Tränen von meinen Wangen. "Es tut mir leid Baby." voller angestauter Emotionen der Kuss, den er mir schenkte. "Ich werde wieder für dich da sein."
"Hm."
"Ich weiß, dass ich scheiße war. Aber... naja, ich brauchte Zeit. Vielleicht hätte ich mit dir reden sollen." bei jedem Wort trafen seine Lippen meine Stirn. Ich wünschte mir in dem Moment,  dass es nicht nur leere Worte waren. Das wir wieder zusammen fanden. Das unser Leben wieder einfacher werden konnte. Das auch er den Tod von unserem Sternenkind akzeptieren konnte. Das er aufhörte, sich die Schuld an allem zu geben. Ich wünschte mir so sehr, dass er wieder der einfühlsame, verständnisvolle Kerl wurde, in den ich mich Hals über Kopf verliebt hatte. Das er sein schiefes Lächeln lächelte und mich verzauberte. Das jede kleine Berührung ein Kribbeln auslöste. Das er mich ohne Worte verstand. Es sollte aufhören, dass ihm einfach alles scheiß egal war. Und vor allen Dingen, dass ich ihm so egal war. Ich brauchte ihn doch. Es war auch mein Kind. Ich vermisste sie doch auch so unendlich dolle. Hatte am Anfang geglaubt, wir könnten uns gegenseitig trösten. Gemeinsam an sie denken. Ihren wunderschönen Stern beobachten. Pete hatte in den letzten Wochen jedoch so wenig zugelassen, dass er nicht mal von der Existenz dieses Sternchens am Himmel wusste. Er spielte plötzlich auch vor mir den harten Kerl, der er sonst nur in der Außenwelt war. Er hatte sich mir komplett verschlossen.
"Ich fahre jetzt nach Hause Pete."
"Ich... ich würde gern mitkommen. Oder möchtest du lieber allein sein?"
Ich schüttelte den Kopf. Hauchte ihm ein Küßchen auf die Lippen. "Es wäre schön, wenn du mitkommst."

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