Kapitel 75

Wir waren wieder in Berlin. Hatten einen Termin beim Frauenarzt gehabt, zu dem Pete mich begleitet hatte. Stolz und voller Glück hatten wir unser kleines Wunder auf dem Monitor bestaunen dürfen. Erst in diesem Augenblick begriff ich, dass ein perfekter kleiner Mensch in mir heranwuchs. Ich wollte alles dafür tun, dass es meinem Baby immer gut ging. Wollte gegen die Ängste, die in mir tobten, ankämpfen. Wollte alles dafür tun, dass mich die Zwänge, mich selbst zu zerstören nicht mehr besiegten. Ich war es meinem Kind schuldig.
Arbeiten ging ich noch nicht wieder. Einige Tage wollte ich mir noch Zeit nehmen. Zeit, um endlich mit der Vergangenheit abzuschließen und die Zukunft zuzulassen. Pete war jede Sekunde für mich da. Hörte mir stundenlang zu, wenn ich ihm von meinen Gefühlen erzählte. Er wusste, dass sich der Jahrestag näherte. Das ich Angst vor diesem Datum hatte. Er hatte mir versprochen, mich an diesem Tag nicht loszulassen. Mich im Arm zu halten und mir damit zu zeigen, dass ich in Sicherheit war. Doch als wir am Morgen aufwachten, war alles ganz anders, denn ich ertrug seine Nähe mal wieder nicht. Hatte ihn angebrüllt, dass er verschwinden sollte, als er mich in den Arm hatte nehmen wollen. Er war aufgestanden und hatte das Schlafzimmer verlassen. Ja man, er tat mir leid. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, dass ich so schrecklich abweisend zu ihm war. Aber was sollte ich denn machen? Mich selbst zwingen von ihm im Arm gehalten zu werden? Nein, mit Sicherheit nicht. Ich lag also in unserem Bett. Die Decke bis zum Hals gezogen. Mir war viel zu warm. Aber das war egal. Es war besser, als die Kälte, die sich in meinem Herzen ausgebreitet hatte. Leise Regentropfen trommelten gegen die Fensterscheiben. Sie passten zu den Tränen auf meinen Wangen. Heute vor einem Jahr hatte mein Tag ganz normal begonnen. Ich war die naive, glückliche Chelsea gewesen. Hatte unbefangen die Welt begrüßt. War ohne etwas böses zu ahnen auf Arbeit gefahren. Ein ganz normaler Tag, bis - ja bis... Nein, daran wollte ich nicht denken. Ich wollte nur noch gute Gedanken zulassen. Mein Baby sollte nicht die traurige Mama spüren.
"Wenn du mich brauchst, ich bin für dich da." las ich eine Nachricht von Pete auf meinem Handy. Ich legte es wieder weg, ohne ihm geantwortet zu haben. Vergoss stattdessen lieber noch einige Tränen, die mir die Müdigkeit schenkten, dass ich bald wieder einschlief.
Als ich wieder wach wurde, saß Pete neben mir am Bett. Er hatte sich einen Stuhl hingestellt. Die Distanz bewahrt, die ich mir gewünscht hatte.  Ich blinzelte ihn durch meine rot verquollenen, vom weinen, brennenden Augen an. Ihn, der all das mit mir ausgehalten hatte. "Geht's dir besser Kleines?"
"Hm."
"Kann ich irgendwas für dich machen?" ich zuckte mit den Schultern. "Magst du was essen oder trinken? Oder möchtest du in die Wanne? Oder wollen wir irgendwo hin fahren und spazieren gehen?"
"Du bist süß." lächelte ich ihn an. Streckte meine Hand nach ihm aus. "Komm einfach her." und zog ihn zu mir. Genau jetzt war es an der Zeit, dass er mich im Arm hielt. Ich wollte ihn nicht reden hören, sondern einfach nur meinen Kopf auf seine Brust legen und seinem Herzschlag lauschen. Es war das beruhigenste Geräusch, welches ich kannte. Seine Arme, wie ein schützender Panzer, wenn sie um mich lagen. Seine Wärme, die den Eisklumpen in meiner Brust zum schmelzen brachte und es sich wieder anfühlte, wie ein Herz. Er hatte vorsichtig eine Hand auf meinen Bauch gelegt. Schenkte unserem Baby die selbe Liebe wie mir. Pete war nicht nur der perfekte Mann für mich, sondern auch der perfekte Papa für unser Baby. Ich zweifelte nicht mehr daran, dass es nicht passen könnte. Bereute schon, dass ich in Hamburg so sehr gegen unser Wunder angekämpft hatte. Noch hatten wir unser süßes Geheimnis Niemandem erzählt. Wollten unser Glück noch ein paar Tage allein genießen.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top