Kapitel 73

Ich saß neben Pete auf dem Beifahrersitz meines Autos. Basti fuhr uns voraus, in dem Wagen, mit welchen er und Pete nach Hamburg gekommen waren. "Alles wieder in Ordnung bei dir Kleines?" fragte Pete, während wir über die Autobahn rasten.
"Ja." ich steckte ihm und mir eine Zigarette  an. "Ihr hättet nicht extra her kommen brauchen."
Er griff nach der Kippe,  die ich ihm hin hielt. "Da drüber mag ich jetzt echt nicht mit dir diskutieren."
"Hm..."
"So wie es dir gestern ging Chelsea, hatte ich mir vorgenommen, dich nicht mal eine Minute aus den Augen zu lassen." er bog auf die Ausfahrt, die Basti vor uns genommen hatte. "Und dann haust du heute einfach ab. Ich wäre fast gestorben vor Angst um dich."
"Du wolltest nicht diskutieren Pete. Also lass es bitte." motzte ich. Ich schaute aus dem Fenster in die dunkle, mir fremde Ferne. Lichter von anderen Autos. Das rote , unregelmäßige Blinken der Windräder, die mitten auf irgendwelchen Feldern standen. Nicht ein Stern erhellte den Himmel.
Warum war ich grad so genervt von Pete? Er tat alles für mich. Konnte ich seine Sorge um mich denn nicht verstehen? Vielleicht war es auch nur die Tatsache,  dass ich ihm eine Chance gab auf mich aufzupassen. Ich hatte diese Chance umgekehrt noch nie von ihm bekommen. Nee, ich musste immer nur akzeptieren, dass er los fuhr. Ich hasste dieses Hoffen, dass alles gut ging. Nie wusste ich wirklich wo er war. Erwartete seine beschissenen Anrufe, die mich aufatmen ließen. Ja, genau das war es, was mich so schrecklich sauer machte. Dieses Wissen,  dass er die volle Kontrolle über mich hatte, während er  auf gewisse Weise jede Freiheit genoss. "Ich will nicht, dass du mich kontrollierst!"
"Tu ich nicht." er bog nach links ab. "Ich passe nur auf dich auf, weil du mir was bedeutest und du ab und zu nicht zurechnungsfähig bist."
"Also hälst du mich für gestört?"
"Ab und zu schon."
"Danke, echt Pete." ich platzte fast vor Wut. Was bildete er sich eigentlich ein? "Ach, aber du bist normal oder was?"
"Hab ich das gesagt?" eine winzige Pause. "Aber ich habe auch nicht vor mich ständig selbst zu verletzen oder mich umzubringen."
"Stimmt Pete! Du stürzt dich lieber alle paar Wochen in nen Kugelhagel. Das hat so gar nichts mit Selbstzerstörung zu tun."
"Willst du wirklich schon wieder streiten?"
"Ja Pete, will ich! Denn ich seh keinen Unterschied." er hatte hinter Basti, vor einem großen Tor gehalten. Eine Frau, sie erinnerte mich ein wenig an Olivia, kam angerannt, um es zu öffnen. Pete antwortete mir nicht. Fuhr auf den Hof. Parkte mein Auto und stieg einfach aus. Wie ich diese Art an ihm hasste. Ich wollte eine Antwort. Wollte meinetwegen auch streiten. Oder durfte ich nicht anderer Meinung sein als er?
Ich atmete tief ein. Dann stieg ich aus. Ging zu Pete. Griff nach seiner Hand. Lächelte, obwohl ich stink sauer war. Das letzte Wort war auf jeden Fall noch nicht gesprochen. Aber jetzt schluckte ich die Wut erst mal hinunter. Begrüßte die Mitglieder des Chapters freundlich. Immerhin boten sie uns kurzfristig für die Nacht ein Dach über dem Kopf an. Sie konnten nichts für Pete's und meine Meinungsunstimmigkeiten. Das Vereinsheim hier war kleiner, als das in Berlin. Aber es war gemütlich eingerichtet. Die Bar war sauber und bot eine Menge Platz für durstige Männer und Frauen. Pete hatte mich an einen Tisch gedrängt, nachdem er zwei Bier für uns geordert hatte. Er wirkte nachdenklich, als er einen Schluck aus der Flasche nahm. "Der Unterschied ist, dass ich leben will Baby."
"Und trotzdem begibst du dich in unnötige Gefahr."
"Und, ist mir je was passiert, außer mal ein paar blaue Flecken?" seine Stirn hatte er gerunzelt. Er kannte die Antwort auf seine Frage, deshalb antwortete ich auch nicht. "Siehst du?"
"Und ist mir mal irgendwas passiert, wenn ich mich selbst verletzt hab?"
Er griff nach meinem Arm, der einen Verband trug. "Wenn Ben nicht bei dir gewesen wäre, wärst du gestern verblutet. Is dir klar, oder?"
So'n Quatsch ey. Ich und verblutet. Ich war ja nicht mal bewusstlos. Klar, ich hatte eine Menge Blut verloren.  Ja und? Ich lebte ja noch. Also was bitte war sein Problem? Vermutlich wollte ich an diesem Abend einfach nicht verstehen, was er mir sagen wollte. Es hatte keinen Zweck, weiter mit ihm über all das zu reden.
"Ich geh schlafen."
"Hm..." hörte ich, als ich vom Tisch aufstand. Wollte einfach nur noch meine Ruhe. "Chelsea?" er war aufgestanden. Hatte nach meinem Handgelenk gegriffen. "Verdammte Scheiße, wenn ich dich nicht so schrecklich lieben würde,  würde ich dir sogar helfen, wenn du so unbedingt sterben wollen würdest."
"Jep, würdest du..."
"Ja, es ist dein Leben." er hatte mich in seine Arme gezogen. "Und ich hatte mir selbst mal geschworen, dir jeden Wunsch zu erfüllen, weil ich wollte, dass du immer glücklich bist." seine Augen nicht mehr klar und rein, sondern verzweifelt und traurig. "Es tut mir leid, dass ich zu egoistisch bin und dir diesen einen Wunsch nicht erfüllen kann." seine Worte, keine süße Melodie die mich traf, sondern ein Schlag in meine Magengrube. Zumindest war mir auf einmal schlecht.
"Ich brauch nen Klo." brachte ich hervor. Pete deutete mit seinem Finger auf eine Tür hinter uns. Ruckartig drehte ich mich um. Schaffte es gerade noch bis zur Toilette, bevor sich der bitter schmeckende Mageninhalt auf den Weg nach draußen machte. Schon wieder überfiel mich diese Müdigkeit.
Als ich zurück in den Raum trat, in dem sich die Bar befand, sah ich Pete mit einer braunhaarigen an der Tür stehen. Sah, dass er ihr Geld zu steckte. Ihr ein Küsschen auf die Wange hauchte, bevor sie das Haus verließ. Wollte ich jetzt mit ihm klären, was ich dachte? Eigentlich schon. Aber ich war viel zu müde. Pete war zu mir gekommen. Hatte einen Arm um mich gelegt und war mit mir in das für uns vorgesehene Zimmer gegangen.
Ich machte mich  wortlos bettfertig.  Legte mich hin, ohne ihn zu beachten. Drehte ihm den Rücken zu, als er sich zu mir legte. "Was ist dein Problem Chelsea?"
"Ich hab keins."
"Ist es, weil ich Megan Geld gegeben habe?" ich zuckte nur mit den Schultern. "Weißt du warum?"
"Nö und ist mir auch egal."
Pete war aufgestanden, da es an der Tür geklopft hatte. Er unterhielt sich mit Irgendjemanden. Es war eine Frau, hörte ich an der Stimme. Toll, bestellte er sich jetzt schon solche Weiber in unser Bett oder was? So viel zum Thema er wäre mir immer treu.
"Chelsea?" er saß wieder auf dem Bett neben mir. Irgendwas raschelte. "Ich habe ihr Geld gegeben, weil sie das hier für uns besorgen sollte." jetzt drehte ich mich doch zu ihm. Sah einen länglichen Karton in seinen Händen, den er gerade aus einer Tüte gezogen hatte.
"Was ist das?"
Er lächelte verschmitzt. "Nen Schwangerschaftstest."
"Ah ja und den brauchen wir?" ich drehte ihm wieder meinen Rücken zu. Spürte das er sich zu mir lehnte. Mir ein Küsschen auf die Schulter hauchte.
"Deine Stimmungschwankungen, deine Übelkeit..."
"Ich bin nicht schwanger und gut." widersprach ich. Wollte von all dem nichts hören. Wie sollte ich mich um ein Baby kümmern, wenn ich nicht mal mit meinem eigenen Leben klar kam?

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