Kapitel 67

Ich saß im Vereinsheim. Trank ein Bier, welches mir der neue Anwärter hingestellt hatte. Er war dick, hatte dunkle mittellange Haare, die struppig wirkten und die Brille, die er trug, ließen seine Augen doppelt so groß erscheinen, als sie eigentlich waren.
Ich polkte an dem Papier der Flasche. Wollte meine Ruhe und doch nicht allein sein. "Du bist ein blödes Arschloch!" hatte ich Pete eine Nachricht geschrieben, vom Auto aus, bevor ich hier her gefahren war. Das war vor circa einer Stunde gewesen. Eine Antwort hatte ich noch nicht erhalten. Wahrscheinlich war er zu beschäftigt mit diesen Schlampen und hatte noch gar nicht bemerkt, dass ich ihm geschrieben hatte. Genau so wenig, wie er bemerkt hatte, dass ich in diesem Filmstudio war.
"Na Chelsea!" Ben hatte sich lässig auf den Stuhl neben mich gesetzt. "Was'n los?"
"Nichts!"
"Pete und das Pornogeschäft?" erriet er richtig. Ich konnte ihm nicht antworten. Spülte stattdessen mit einem Schluck Bier das Bedürfnis runter, einfach drauf los zu heulen. "Red mit ihm!"
"Pff, was gibt's denn da zu reden?" mein Handy klingelte. "Ihr Kerle seid doch alle nur schwanzgesteuert." erst jetzt nahm ich ab.
"Was is'n das für'n blöder Text Chelsea? Warum bin ich nen blödes Arschloch?"
Ich war aufgestanden und in sein Zimmer gegangen. "Denk mal drüber nach Pete!"
"Hab ich, aber ich komm nicht drauf."
"Mach ma weiter mit deinen billigen Flittchen rum!" schrie ich in den Hörer, bevor ich einfach auflegte. Diese bescheuerte Unschuldsnummer konnte er mit Anderen abziehen, aber nicht mit mir. Das war sein erster Tag dort und schon flirtete er mit diesen - diesen... Hach Scheiß drauf. Ausfallend möchte ich jetzt nicht werden. Ich spürte den unbändigen Drang irgendwas einfach zerstören zu müssen. Irgendwas, was nicht nur ihn verletzte. "Nee Chelsea, das kannst du nicht machen!" schrien laute Gedanken in meinen Kopf. Also ging ich ins Bad. Stellte den Wasserhahn am Waschbecken an. Kaltes Wasser lief über meine Handgelenke.  Mein Blick in den Spiegel, vor mir, gerichtet. Ich hasste diese mir völlig fremde Person, die ich in ihm sah. Mit voller Wucht schlug meine rechte Faust in das Spiegelbild. Das Geräusch von splitterndem Glas. Blut, welches in das weiße Keramik tropfte. Ich lächelte, denn ich musste mich nicht mehr selber sehen. Lächelte, denn die Schnittwunden reichten aus, um mich frei zu fühlen. Und doch sackte ich auf den Boden. Mit dem Rücken gegen die Duschkabine gelehnt, die Knie nahe an meine Brust gezogen, sah ich dem Blut zu, wie es aus den Wunden auf den Boden tropfte.
Ich hatte mein Handy aus der Hosentasche gezogen, da es geklingelt hatte. "Chelsea?"
"Ja?" meine Stimme ganz ruhig.
"Baby hey. Was is'n los?"
"Nichts! Alles gut. Vögel da mal rum und gut."
"Was soll'n das jetzt Chelsea?"
"Ich war vorhin im Studio." irgendwie war mir schwindelig. "Ich hab gesehen, wie die Eine einen Arm um dich gelegt hat und du um sie. Du... Du hast nicht mal..." Das Sprechen fiel mir schwer. "Gemerkt,  dass ich da war."
"Chelsea, wo bist du?"
"Geht dich nichts an!"
Ich hörte ihn wütend schnaufen. "Du sagst mir sofort, wo du bist!" schrie er mich an. Ich sah eine Scherbe des Spiegels, die auf dem Boden lag und griff nach ihr. "Chelsea!"
"Ich liebe dich Pete und ich werde dich immer lieben, ganz egal wo ich sein werde."
"Chelsea, bitte..."
"Ab sofort kannst du wieder machen, was du willst. Ich werde dir nie wieder im Weg stehen."
Seine Stimme hysterisch, als sie durch den Hörer an mein Ohr drang. "Chelsea, stirbst du, dann sterbe ich." hörte ich ihn. Aber ich antwortete ihm nicht. Stellte das Handy auf Lautsprecher. Legte es zur Seite. "Chelsea Baby, ich liebe dich!" aus seiner Hysterie war ein Schluchzen geworden. "Chelsea... Antworte mir bitte!" Langsam setzte ich die Scherbe an. Drückte sie fest in den Unterarm. Konnte ich ihm das wirklich antun? "Chelsea, nein... Baby,  denk an unsere Träume." das war das Letzte was ich hörte,  dann hatte er aufgelegt. Ich hatte die Scherbe kurz abgesetzt. Mir bockig die Tränen aus dem Gesicht gewischt. So schwer konnte der Scheiß mit dem Sterben ja wohl nicht sein. Millionen Menschen starben jeden Tag, einfach so. Erneut setzte ich an...
"Chelsea!" Ben kam ins Bad gestürmt. Er hielt sein Handy am Ohr.
"Hau ab!" schrie ich, so weit das mit meiner tränenerstickten Stimme möglich war.
"Ja Pete. Willst du mit ihr sprechen?" Ben hatte sich zu mir runter gebeugt. Sein Handy auf Lautsprecher gestellt und es neben uns gepackt. Ich zog einen tiefen Schnitt  in mein Handgelenk. "Scheiße!" Ben's Reaktion. Dann nahm er mir das Glas aus der Hand.
"Ben was?" Pete's geschockte Stimme durch's Telefon.
Ben hatte mich in seine Arme gezogen. "Hier ist alles voller Blut!"
"Ok, binde irgendwas um die Wunden." kurzes Schweigen. "Hast du verstanden Ben?"
"Ähm ja." mit dem Fuß kickte er die Scherbe weg, als er aufgestanden war.
"Guck mal, im Schränkchen unter dem Waschbecken,  da ist Verbandszeug."
"Ja, ich hab's." Ben hatte sich wieder zu mir gedreht.
"Lass mich in Ruhe!"
"Chelsea!" Pete's Stimme an mich gerichtet. "Du wirst dir jetzt von Ben einen Verband umlegen lassen. Hast du verstanden?"
"Du hast mir nen Scheiß zu sagen Pete. Vögel mal ne Runde! "
"Gott Chelsea..." Ben hantierte an meinem Arm herum, während Pete mit mir sprach. "Ich sitze in nem gottverdammten Taxi und versuchte zu dir zu kommen."
"Oh wie toll. Bleib einfach weg! Ich will dich nicht sehen."
"Ich hab nichts gemacht Kleines. Ich kann nichts dafür, wenn die mit mir flirten Baby. Ich liebe nur dich und ich will von keiner Anderen was."
Ich hörte ihm schon gar nicht mehr zu, da mir so schrecklich schlecht war. "Boah, kannst du mal meinen Arm los lassen?" motzte ich stattdessen Ben an. Krabbelte auf allen Vieren zur Toilette, um mich zu übergeben.

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