Kapitel 36
Ich weiß nicht warum, aber ich war aufgeregt, als Cora, Matt und ich aus dem Taxi stiegen. War ich bereit für diese Party? Auf die Blicke die mich trafen, als wir über den Parkplatz marschierten? Sam hatte ein Osterfeuer angezündet, weshalb die meisten draußen standen und nicht drin im Vereinsheim. Ben begrüßte mich mit einem Küßchen auf die Wange, als er mir einen Vodka-O reichte. "Ähm danke." brachte ich grad so über die Lippen, da mich seine Art etwas überrumpelt hatte. Am Thresen saß Pete. Er hielt eine Frau im Arm. Lange blonde Haare, groß und schlank. Seine linke Hand lag auf ihrem Po. Seine Lippen trafen ihre. Mein eh schon kaputtes Herz zog sich schmerzlich zusammen. Aber ich lächelte, als ich auf die Beiden zu ging. Pete begrüßte ich mit einem Kuss auf die Wange. Dieser Frau reichte ich die Hand. Dann drehte ich mich um und ging wieder raus zum Feuer. Trank meinen Vodka-O viel zu schnell auf den leeren Magen, der vor sich hin knurrte.
"Hier!" dieser Ben stand schon wieder neben mir. Tauschte ohne zu fragen die Becher aus.
"Willst du mich abfüllen?" lachte ich, aber er schmunzelte nur. "Ok, na dann."
Ich schaute wieder auf's Feuer. Ließ zu, dass dieser Ben mich mit Getränken versorgte. Denn es war schon praktisch. Wollte ich doch schließlich nicht selbst an die Bar.
"Hm, der flirtet ganz schön mit dir." Cora's grüne Augen funkelten mich neugierig an. "Der wäre doch was für dich."
"Aber das kann ich Pete nicht antun."
Sie lachte. "Du bist so blöd Chelsea." sie schaute nach links. Dort hin, wo Pete mittlerweile mit der Blonden auf dem Schoß saß und sie leidenschaftlich küsste. Seine Hand auf ihrem Oberschenkel. "Er nimmt auch keine Rücksicht auf dich."
"Das ist was anderes."
"Ja, ist klar. Jetzt sag ich dir mal was, als deine beste Freundin." ich sah, dass sie mich anschaute. "Fang endlich wieder an zu leben und vergiss Pete!"
Ich - Pete vergessen? Wie stellte sie sich das denn vor? Das wäre in etwa so, als würde ich von ihr verlangen, sie sollte nicht mehr atmen. Ich schüttelte den Kopf. Drückte Ben dann meinen leeren Becher in die Hand. "Wäre schön, wenn der wieder voll wäre, wenn ich vom Klo komme." sagte ich selbstbewusst. Dann drehte ich mich um, um kurze Zeit später in den sanitären Räumlichkeiten zu verschwinden. Ich atmete tief durch. Wühlte dann in meiner Handtasche nach der Rasierklinge. Ein viel zu tiefer Schnitt, diesmal wieder an meinem linken Unterarm. Aber ich fühlte nichts. Nicht mal den Schmerz der Wunde. Also ritzte ich noch mal und noch mal. Jedes Mal ein klein wenig tiefer. Jedes Mal ein Stückchen länger. Ich saß auf dem geschlossenen Klodeckel. Sah wie das rote, warme Blut über meinen Arm lief und dann auf den Boden tropfte. Aber das Gefühl, welches den Knoten in mir löste, blieb aus. "Scheiße!" flüsterte ich zu mir selbst. Packte die Klinge zurück in die Tasche. Mit Toilettenpapier wischte ich diese rote Flüssigkeit von meinem Arm. Band dann das Tuch, welches ich um den Hals getragen hatte, um die offenen Stellen. Säuberte den Boden ebenfalls mit Toilettenpapier. Schmiss das blutige Gelumpe dann in die Schüssel. Spülte es hinunter und verließ dann die Kabine, um mir noch schnell die Hände zu waschen.
"Geht's dir nicht gut?" ich war in dem kleinen Flur, von dem sich die Türen zu den Toiletten befanden, mit Pete zusammen gestoßen. "Du bist ganz blass."
Ich stieß die Hand, die er fürsorglich auf meine Stirn gelegt hatte, weg. "Alles gut!"
"Sicher?"
"Lass mich doch bitte einfach in Ruhe Pete!" so genervt wie das rüberkam, wollte ich das gar nicht sagen. Aber Pete ließ mich nicht in Ruhe. Drückte mich stattdessen sanft aber bestimmt gegen die Wand, die genau hinter meinem Rücken war und küsste mich. Ich hatte doch gerade gesagt, dass er mich in Ruhe lassen sollte. Was hatte er daran nicht verstanden? Mit beiden Händen schubste ich ihn von mir weg. Dann traf ihn eine schallende Ohrfeige. "Wenn ich sage du sollst mich in Ruhe lassen, dann meine ich das so. Ok?" knallte ich ihm wütend an den Kopf. Erst dann ging ich zurück zum Feuer.
"Hier!" Ben hielt mir freudestrahlend meinen vollen Becher hin. Ich nahm ihn, ohne mich zu bedanken. Sah Pete, der dieser Blonden seine Hand entgegen streckte, während er ihr zu zwinkerte. Sie strahlte, als sie gemeinsam ins Vereinsheim gingen. Ich musste nicht groß nachdenken, um zu wissen, was da jetzt gleich zwischen den Beiden abging. Mit einem Schluck trank ich meinen Becher leer. So langsam begann sich alles in meinem Kopf zu drehen. Ich trank weiter und weiter. Bis die bescheuerten Gedanken wichen und der Leichtigkeit Platz machten. Es war mir komplett egal, als ich Pete mit dieser Tusse zurück kommen sah. Sie strahlte, während sie versuchte ihre zerzausten Haare zu richten. Rannte Pete hinterher, der sie aber nicht beachtete. Er war fertig mit ihr, stellte ich für mich fest. Aber wohl auch mit mir, nach dieser grandiosen Vorstellung von mir eben schon wieder.
"Ich geh nach Hause." lallte ich zu Cora.
"Sollen wir mitkommen?"
"Nein!"
Matt mischte sich ein. "Dann bringt dich aber Ben. Allein gehst du nicht!"
Ja gut. Sollte dieser Ben mich begleiten, wenn es Matt beruhigte. Er wurde auch gar nicht gefragt, ob er überhaupt Lust hatte. Denn er war Anwärter und hatte zu machen, was Matt ihm sagte. Also verließ ich mit diesem Typen den Hof. Er wollte ein Taxi bestellen. Ich jedoch lieber laufen. Also liefen wir. Es war kalt. Leichter Regen tropfte auf uns herab. Aber das störte uns nicht. Dieser Ben quasselte die ganze Zeit. Irgendwas davon wie toll er mich fand und solche Sachen. Boah, wie das nervte. Der sollte einfach aufhören. Zum Glück hatten wir die Wg bald erreicht. Mit eisigen Fingern schloss ich die Tür auf. Alle waren noch unterwegs stellte ich erleichtert fest. "Los, komm rein!" sagte ich zu diesem Ben. Er wirkte schüchtern. Tat aber, was ich wollte. Lachend reichte ich ihm ein Bier. Zog ihn dann in mein Zimmer. Irgendwas in mir verlangte das Unmögliche. Sollte ich diesem Drang nachgeben? Ohne weiter drüber nachzudenken ging ich einen Schritt auf Ben zu. Schaute ihm tief in seine blau grauen Augen. Meine Hände glitten zittrig unter seinen Pullover, den ich ihm auszog. "Chelsea..."
"Pst! Er wird es nicht erfahren." hauchte ich die viel zu leisen Worte, gegen seine nackte Brust. Erst dann zog ich ihm auch noch den Rest aus. Ließ zu, dass er das gleiche mit mir tat. Mich dann auf seine Arme hob und gegen die Wand drückte. Es schmerzte, als er in mich eindrang. Ich fühlte nichts, außer diesen Schmerz. "Alles ok?" stöhnte er seine Worte.
"Ja!" das war zwar eine Lüge, aber er musste weiter machen. Denn da war dieses Gefühl, welches den Knoten in mir löste und welches mir das Ritzen sonst brachte. Ich ekelte mich vor ihm, als er fertig war und von mir abließ. "Du kannst jetzt gehen!" meine Worte, während er sich anzog. Ich hatte mir meinen rosa Bademantel angezogen. Mich auf mein Bett gesetzt und die Nachricht von Pete gelesen.
"Wo bist du? Geht's dir gut?"
"Ja, alles bestens. Das mit vorhin tut mir leid. Ich kann meine Gefühle im Moment nicht kontrollieren." tippte ich. Schaute kurz auf. "Was ist?" fragte ich diesen Ben.
"Ähm..." fing er an zu stottern.
"Du weißt schon noch wo die Tür ist oder soll ich dich begleiten?"
Er senkte den Kopf. "Ne, ne, ich weiß schon noch wo die Tür ist." stammelte er. Ich hatte die Tastensperre währenddessen wieder raus gemacht. Noch mal gelesen, was ich bis dahin an Pete geschrieben hatte. "Sei mir bitte nicht böse." schrieb ich den Text zu Ende, bevor ich ihn abschickte. Als ich von meinem Handy aufschaute, war Ben verschwunden. Ich stand auf und ging ins Bad um zu duschen. Die Seife brannte wie lohderndes Feuer auf den offenen Stellen am Arm. Aber ich ertrug es, denn dank Ben, fühlte ich mich frei. Den Bademantel hatte ich in den Korb für die Dreckwäsche geworfen. Hatte nach dem duschen den Pullover von Pete angezogen. Den, den ich in meiner ersten Nacht hier in der Wg, im Arm gehalten hatte. Er war viel zu groß, aber er schenkte mir Geborgenheit. Ich griff nach meinem Telefon, als ich wieder in meinem Zimmer war. "Ich bin dir nicht böse. Vielleicht wären meine Handlungen genauso bekloppt, wenn mir das passiert wäre, was dir passiert ist."
"Ha ha, bekloppt - danke." schickte ich meine Antwort an ihn. "Kann ich dich anrufen?" eine Zweite, worauf hin mein Handy klingelte.
"Hey Kleines!"
"Hi Pete!" und plötzlich kullerten Tränen über meine Wangen. Da war wieder dieses - Kleines - , welches er schon so lange nicht zu mir gesagt hatte.
"Nicht weinen."
"Hm..."
"Soll ich vorbei kommen?"
"Ja!" schluchzte ich.
"Ok, bin gleich da." er hatte aufgelegt. Warum tat er das? Warum kam er sofort, immer dann, wenn ich ihn brauchte? Ich war ans Fenster ins Wohnzimmer gegangen, denn von hier konnte ich runter zum Eingang gucken. Der Regen war stärker geworden. Der Grund, weshalb Pete wohl auch mit dem Auto kam und nicht mit dem Motorrad. Ich drückte schon auf den Summer, noch bevor er geklingelt hatte. Wartete oben schon mit geöffneter Tür, als er noch auf der Treppe war. Er lächelte mich frech an, bevor er mich in den Arm nahm. "Schön, dass du her gekommen bist."
"Das hatte ich dir versprochen." sagte er, bevor wir in mein Zimmer gingen. "Hast du dich wieder geritzt?"
"Hm ja. Vorhin im Vereinsheim."
"Zeig her." er hatte schon nach meinem linken Arm gegriffen. Den Ärmel des Pullovers ein Stück nach oben geschoben. "Gott Chelsea."
"Tut... tut mir leid."
Er zog mich in seine Arme. "Zieh dir was an. Wir fahren ins Krankenhaus."
"Ich will nicht."
"Es ist so schrecklich tief Kleines, das muss genäht werden." seine Stimme klang ganz ruhig. Ich wollte ihn nicht noch mehr enttäuschen, also zog ich mich an. Ließ zu, dass er mich an die Hand nahm, als wir zum Auto gingen. Ich war müde. Wollte mich einfach an ihn kuscheln und schlafen. Aber dank meiner Wunden, saßen wir ja nun im Krankenhaus. Pete hatte an der Anmeldung alles Wichtige für mich geklärt. Mich dann ins Wartezimmer gedrängt. Mein Kopf lehnte an seiner Schulter. "Kommst du mit rein, wenn ich dran bin?"
"Ja Kleines, wenn du möchtest."
Er hielt meine Hand, als wir das Behandlungszimmer betraten. Es war die Ärztin, die mich nach der Vergewaltigung untersucht hatte. Sie begrüßte uns freundlich. Sah sich dann meinen Arm an. Sie erzählte irgendwas, aber ich hörte nicht zu. Ließ sie einfach machen, während ich mit der rechten Hand, die von Pete hielt. Zehn Stiche die eine Wunde, acht die Andere. Die restlichen waren nicht so tief, dass sie genäht werden mussten. Sie legte einen Verband an. Riet mir zu einer Therapie, dann verabschiedete sie sich von uns.
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