VIII
Nach der sechsten Stunde packte ich meine Mathesachen zusammen, streckte mich und stöhnte erleichtert.
,,Gehen wir jetzt zum Mittagessen?" Fragte Sam, während sie noch schnell die letzten Rechnungen von der Tafel abschrieb.
,,Ja, ich hab einen Riesenhunger." Antwortete ich gähnend. Wir bahnten uns einen Weg durch die Schülermeute, die zur Kantine strömte und blieben schließlich vor dem Buffet stehen.
,,Es gibt Burger?!" Rief ich laut. Wie Hammer war das denn? Burger in der Schulkantine!
Sam griff blitzschnell nach einem Brötchen mit Kürbiskernen und legte sich die größte auffindbare Bulette darauf, während ich mir lieber etwas Weißbrot dick mit Gurken, Tomaten und Salat belegte, bevor ich die obere Hälfte des Brötchens zuklappte.
,,Bist du vegetarisch?" Fragte Sam, als wäre es etwas total ekliges, kein Fleisch zu essen.
,,Ja." Erwiderte ich. ,,Wieso?"
,,Ich finde, Fleisch gehört zu einer gesunden Ernährung dazu." Behauptete Sam, griff mach der Ketchupflasche und drückte sie zusammen. Mit einem lauten pffffff! entwich der Flasche ein großer roter Klecks, der auf ihren Teller tropfte.
,,Ich mag kein Fleisch." Angewidert zog ich die Nase kraus. ,,Allein schon, wenn ich daran denke, dass mein Essen mal gelebt hat, nein danke!"
Sam zuckte mit den Schultern. ,,Selbst schuld. Du weißt nicht, was du verpasst."
Ich nickte unheimlich verständnisvoll und goss mir ein Glas Apfelsaft ein. Mir konnte man sagen, was man wollte, ich aß lieber kein Fleisch.
An unserem Stammtisch saß bereits - wie versprochen - Noah, der von Sam mit einer überschwänglichen Umarmung begrüßt wurde. Über ihre Schulter hinweg warf mir Noah einen entgeisterten Blick zu, den ich mich einem Achselzucken und Augenverdrehen quittierte. Noah hatte sich an Salat gehalten, auf seinem Teller tummelte sich ein ähnliches Menü wie auf meinem, nur ohne das Brot. Ich setzte mich neben ihn und deutete auf seinen Teller.
,,Auch Vegetarier?"
,,Nein, Veganer." Er blinzelte zweimal. ,,Aber nicht so streng. Wenn ich Hunger auf beispielsweise ein Ei habe, dann esse ich auch eins."
,,Könnt ihr mal aufhören über eure merkwürdigen Essgewohnheiten zu reden und euch stattdessen mit mir unterhalten?" Unterbrach Sam uns und grinste uns genauso freundlich wie genervt an. ,,Bitte!" Schob sie noch nachdrücklich hinterher.
,,Äh... Kann ich mich zu euch setzen?"
Die Stimme kam von hinter mir und Noah und ich drehten uns synchron nach hinten. Jay stand hinter unserem Tisch, sein Tablett fest umklammert. Er hatte die Schultern schüchtern hochgezogen und sah so aus, als wäre er am liebsten ganz weit weg.
,,Klar!" Sam rutschte samt ihrem Stuhl ein Stück nach links. ,,Komm neben mich."
,,Danke." Murmelte Jay und setzte sich zögernd neben meine Freundin. Diese beobachtete ihn ungeniert, so lange, bis Jay ihren Blick aus seinen grünen Augen erwiderte.
,,Was bist du?" Fragte Sam unvermittelt und senkte den Blick auf ihren Teller.
,,Wie, was bin ich?" Jay zog fragend die Augenbrauen hoch und strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn.
,,Na, Elementbändiger, Werwolf oder Vampir." Sam verdrehte die Augen, als könnte sie es nicht fassen, wie man so eine Frage stellen konnte.
,,Oder Elfe." Warf ich ein. Sam's Blick flog zu mir, sie verdrehte abermals die Augen, bevor sie grinsend sagte:
,,Nein du Dummkopf, es gibt fast nur weibliche Elfen! Deswegen gibt es auch kaum noch reinrassige Elfen." Sie guckte Jay schräg an. ,,Sag bloß, du bist wirklich ein Elf!"
Der Blonde lachte nervös.
,,Nee, Erde." Murmelte er.
,,Ach so." Sam's Interesse an Jay verlosch genauso schnell, wie es gekommen war. Stattdessen wandte sie sich Noah zu. ,,Du bist Wasserbändiger, stimmt's?"
Noah grinste frech und nickte. ,,Kleine Kostprobe gefällig?"
,,Aber sicher." Sam stützte ihr Kinn auf die Handfläche und stierte Noah solange an, bis er sich unsicher räusperte und schließlich seine linke Hand über sein Glas mit Wasser streckte.
,,Bist du Linkshänder?" Quasselte Sam sofort dazwischen.
,,Ähm... ja?" Noah zog seine Hand zurück und versteckte sie unter dem Tisch.
,,Moment mal!" Ging ich dazwischen. ,,Kann man Elemente nur mit der Schreibhand kontrollieren?"
,,Damit ist es einfacher, ja." Noah lächelte. ,,Kann ich jetzt anfangen?"
,,Ja, 'tschuldige. Ich bin schon still." Meinte Sam. Ich zog skeptisch die Augenbrauen hoch.
Noah hob wieder die Hand über sein Glas, bewegte den Zeigefinger in Kreisen in der Luft und das Wasser wirbelte nach oben, bis es Noah's Finger erreichte. Der Wasserbändiger drehte daraufhin die Handfläche nach oben und ließ den Wasserstrudel in die Höhe steigen. Als die Flüssigkeit ungefähr auf Augenhöhe der Zuschauer angelangt war, schnipste Noah abrupt mit den Fingern und das Wasser wurde zu einem Eisblock, der nach unten fiel und punktgenau in Noah's ausgestreckter Hand landete.
,,Bitte sehr." Noah hielt den Eisblock in die Höhe, sodass alle am Tisch in sehen konnten. Staunend beugte ich mich vor. Das Eis sah aus wie der Strudel vorher, nur, dass es komplett hart geworden war.
,,Cool." Entfuhr es mir. ,,Kann ich das auch?"
,,Was bist du denn?" Fragte Noah.
,,Feuer." Murmelte ich so leise, dass es einem Wunder gleichkam, dass Noah mich überhaupt hörte, geschweige denn verstand.
,,Feuer, hm?" Hakte er nach. Kurz dachte ich, dass er genauso reagieren würde wie Corey und Aiyana, aber Noah zuckte nicht mit der Wimper.
,,Bis auf das Einfrieren, ja." Sagte er bloß. Ich lächelte unsicher und stopfte mir schnell meinen Burger in den Mund.
,,Kann ich mal anfassen?" Rief Sam laut und streckte fast sofort die Hand aus, um das Eis in Noah's Hand zu betatschen. Dieser legte das Ergebnis seiner Vorstellung schnell zurück in sein Glas, wo er es verflüssigte und anschließend einen großen Schluck trank.
,,Schade." Sam zog einen Schmollmund, war jedoch im nächsten Moment sofort wieder guter Dinge.
,,Das ist voll cool, wir machen heute Praxis. Also wir Elfen." Verkündet sie.
,,Und was macht man da so?" Erkundigte sich Jay gehorsam, woraufhin Sam wild gestikulierend zu einer Erklärung ansetzte.
,,Also, wir üben, mit den Tieren hier auf dem Gelände zu sprechen, sie hervorzulocken und so."
Jay brachte vorsichtshalber sein Glas in Sicherheit, bevor er fragte:
,,Tiere? Was für Tiere?"
,,Alles mögliche!" Sam fuchtelte aufgeregt mit ihren Händen in der Luft herum, während sie aufzählte. Ich rutschte mit dem Stuhl ein Stück vom Tisch weg, um nicht eine Backpfeife von Sam zu kassieren.
,,Mäuse, Kaninchen, Hasen, Vögel wie Amseln, Raben, Spatzen, manchmal Füchse oder sogar Rehe, oder..."
Sam setzte zu einer weiteren langen Liste an, doch bevor sie dazu kam, alles vom Tisch zu fegen, kriegte ein Mädchen ihre Hand mitten ins Gesicht, als es gerade an unserem Tisch vorbeigehen wollte.
,,Hey!" Es war Trish, die nun vorwurfsvoll ihre Hände in die Seiten stemmte und Sam ärgerlich ansah.
,,Sorry." Meinte die und ihre Stimme verriet, dass es ihr überhaupt nicht leid tat. Trish beachtete Sam gar nicht weiter, sondern konzentrierte sich auf mich.
,,Hey Faye, hast du Lust, nachher mit mir, Amy und Sara durch die Schule zu laufen?"
,,Meinst du echt mich?" Ich konnte es nicht wirklich glauben. Wir vier schienen so wenig gemeinsam zu haben, dass eine Freundschaft beinahe unmöglich zu sein schien.
,,Na klar, sonst seh ich hier keine Faye." Trish grinste. ,,Nach Schulschluss in unserem Zimmer, okay?"
,,Gut, okay." Erwiderte ich immer noch ziemlich verdattert. Als Trish gegangen war, wurde ich von allen am Tisch neugierig angestarrt.
,,Was war denn das?" Noah legte fragend den Kopf schief, woraufhin Sam den Blick von mir abwandte und Noah verträumt ansah. Anscheinend hatte sie sich jetzt schon hoffnungslos in ihn verguckt. Der arme Junge.
,,Keine Ahnung." Sagte ich wahrheitsgemäß. ,,Trish und so haben sich bisher nicht so wirklich für mich interessiert." Ich lachte kurz auf. ,,Allerdings waren sie mir wohl genauso gleichgültig wie ich ihnen."
,,Jetzt wollen sie jedenfalls was von dir." Noah räusperte sich. ,,Ähm... mit dir machen, meine ich."
Ich lächelte abwesend und driftete mit meinen Gedanken ab, während Sam Noah berichtete, wie sie ihre ersten Freunde hier gefunden hatte.
Ich musste mal wieder an Maddy denken und daran, dass wir uns gestritten hatten, woran in erster Linie natürlich ich schuld war. Ich seufzte und lehnte mich zurück. Maddy hatte es nicht verdient, von mir angelogen zu werden. Ich musste mich wirklich bei ihr entschuldigen und ihr die Wahrheit sagen. Es war mir egal, dass Mom mir das eigentlich verboten hatte. Maddy war meine Freundin und als solche hatte sie ein Recht darauf, nicht belogen zu werden.
,,Faye?" Sam wedelte mit ihren Händen vor meinem Gesicht herum. ,,Hast du mich gehört?"
,,Nein, sorry." Ich schüttelte mich kurz, um wieder klar im Kopf zu werden. ,,Was hast du gesagt?"
,,Ich habe gesagt, dass wir gleich zu den individuellen Kursen müssen und habe dann gefragt, wo du heute hast." Sam fuchtelte mit ihren Armen in der Luft herum. ,,Hast du nicht zugehört?"
,,Nee." Antwortete ich kurz angebunden. ,,Und ich weiß nicht, wo ich heute habe."
,,Aber ich!" Noah stand auf, nahm sein Tablett und blickte in die Runde. ,,Faye, Jay, soll ich euch hinbringen?"
,,Gerne." Auch Jay stand auf, froh darüber, nicht mehr Sam's wilder Art zu erzählen ausgesetzt zu sein. Diese folgte uns noch aus der Kantine hinaus, dann wandte sie sich nach links.
,,Ciao, ich hab ja Praxis." Sam winkte noch einmal stürmisch, bevor sie um die Ecke hüpfte und verschwand.
,,Mann, ist das Mädchen anstrengend!" Stöhnte Noah und ich pflichtete ihm bei.
,,Das kannst du laut sagen. Obwohl sie manchmal ganz okay sein kann."
Noah zuckte skeptisch mit den Schultern und ging dann los Richtung der Klassenräume. Wir betraten einen zu Biologie-Zwecken eingerichteten Raum, der komplett übervölkert war mit Schülern. Gut drei Dutzend Jugendliche tummelten sich hier. Etwas überrascht blieb ich im Türrahmen stehen.
Gestern in der Turnhalle war mir nicht aufgefallen, wie viele Elementbändiger es eigentlich in unserem Jahrgang gab, aber jetzt fühlte ich mich definitiv eingeengt. Noah verabschiedete sich mit einem Lächeln und den Worten ,,Dahinten sind Kumpels von mir, ich muss weg" von uns und durchquerte das Zimmer.
,,Tja, bleiben wohl nur noch wir zwei." Meinte Jay.
,,Nee, nur du." Ich hatte Corey und Aiyana entdeckt und, obwohl sie mich offensichtlich nicht allzu gerne mochten, beschloss ich, zu ihnen zu gehen. Als ich mich kurz umdrehte, stand Jay immer noch in der Tür und starrte ziemlich verloren ins Leere. Unwillkürlich musste ich schmunzeln. Ich winkte Jay zu, bedeutete ihm, mitzukommen und sah, wie er sich augenblicklich zu entspannen schien.
Corey verengte ihre Augen zu schmalen Schlitzen als ich mich neben sie stellte, musterte mich misstrauisch und verzog das Gesicht zu einer missmutigen Fratze. Aiyana hingegen senkte nur den Blick und machte sich noch kleiner, als sie schon war.
,,Hallo." Begrüßte Jay die beiden Mädchen ahnungslos und sah so gekonnt über die frostige Stimmung hinweg, dass ich mich fragte, ob er sie überhaupt bemerkt hatte.
,,Seid ihr Freundinnen von Faye?"
,,Nicht so wirklich." Corey's Stimme war so kalt und hart, dass mir ein Schauer über den Rücken lief. Dieses Mädchen verstand etwas davon, andere einzuschüchtern.
,,Dabei ist sie doch so nett." Meinte Jay mit einem Seitenblick auf mich, der mir sagte, dass er nicht hundertprozentig hinter seinen Worten stand. Ich verzog den Mund zu einem widerwilligen und ziemlich schiefen Lächeln, bevor ich sagte:
,,Corey, ich hab keine Ahnung, was du gegen mich hast. Aber ich finde dich eigentlich nett und würde gerne wissen, was dein Problem mit mir ist. Dann kann ich die Situation vielleicht aufklären."
Corey schnaubte, Aiyana machte einen unsicheren Schritt rückwärts, ganz so, als hätte ich gedroht, ihr etwas anzutun.
,,Mein Problem mit dir? Als ob du das nicht selbst wüsstest!" Corey schnaubte und schleuderte ihre Haare zurück. Sie gehörte wirklich zu jenen Menschen, die sogar stinksauer und schnaufend noch sexy waren.
,,Du, wie auch immer du heißt." Corey wandte sich an Jay, der überrascht hochguckte. ,,Weißt du, mit wem; mit was du dich da anlegst? Sie ist gefährlich!"
Jay schüttelte lahm den Kopf. ,,Inwiefern?"
,,Sie wird uns alle umbringen!" Schrie Corey plötzlich so laut, dass die gesamte Klasse zu uns schaute. Corey schickte ein entschuldigendes Lächeln durch den Raum und die Schüler wandten sich wieder ihren Gesprächen zu.
,,Ich rate dir, dich von ihr fernzuhalten." Fuhr die Wasserbändigerin mit gesenkter Stimme fort. ,,Oder du wirst es bereuen."
Damit drehte sie sich schwungvoll um und stolzierte zu Aiyana, die sich ängstlich auf die Fensterbank gequetscht hatte. Jay tippte sich kurz an die Stirn.
,,Die hat ja voll einen an der Waffel." Stellte er trocken fest und grinste.
,,Jedenfalls Danke, dass du mich verteidigt hast." Murmelte ich.
,,Kein Problem." Jay fuhr sich durch die Haare. ,,Setzen wir uns hier hin?"
,,Klar." Ich nahm am Fenster platz und Jay setzte sich neben mich. Wir packten unsere Sachen aus und blickten schweigend aneinander vorbei, bis M. Aprice schwungvoll die Tür aufstieß und in den Raum stürmte.
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(2074) Fertig!
Ich weiß nicht, was es zu sagen gibt. Ach ja, Widmung:
_x_Layla_x_ .
Weil wir uns so lange nicht gesehen haben und dann vor ein paar Wochen auf einem Geburtstag. Gut, wenn ihr das lest, ist es vermutlich schon ein paar Monate her.
Und ach ja, ich bin keine Vegetarierin, ich esse gerne Fleisch. Allerdings habe ich schon mal überlegt, zumindest für eine Zeit lang kein Fleisch mehr zu essen, den Tieren zuliebe. Damit, dass mein Essen mal gelebt hat, habe ich kein Problem.
🖤MissWriter13
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