Drittes Kapitel

Drittes Kapitel
Match made in heaven
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Ich halte nicht viel von Klasseneinteilungen – immerhin ist jeder Mensch individuell. Aber durch meinen Posten als stille Beobachterin kann ich die Menschen in meiner Schulklasse in drei grobe Typen unterteilen – oder eigentlich zwei, denn der dritte Typ besteht nur aus den Leuten, die sich nicht in die ersten zwei Gruppen einordnen lassen.

Jedenfalls sind die erste Gruppe die Polarisierenden. Die, die nicht nur jedem Trend nachlaufen, sondern viel mehr Trends setzen. Die, die man sofort vor Augen hat, wenn man an die »Coolen« der Schule denkt. Merle ist eine davon; sie polarisiert mit ihrem Aussehen, wie auch mit ihrer Art. Jules ist auch einer davon, denn er gehört zu den »Hamburger Raben« — eine Basketballmannschaft, bestehend aus einigen Jungs und Mädchen, die sich hobbymäßig am Wochenende treffen und gegen andere uneingetragene Mannschaften spielen. Oliver ist auch einer davon, einer von den Spielern, mit der Nummer sieben, weshalb er von manchen auch nur Rabensieben genannt wird.

Die zweite Art von Leuten sind die, die sich für die aller Intelligentesten halten. Ich will nicht unbedingt Nerds sagen — eher Klugscheißer.

Die dritte Art von Mitschülern sind einfach alle anderen — die, die sich nicht aufgrund eines Merkmales festmachen lassen. Die, die unsichtbar durch die Gänge streifen. Davon gibt es nämlich mehr, als man denkt.

Wieder einmal habe ich das Gefühl, nirgendwo davon reinzupassen. Ich bin zwar mit Merle befreundet, aber ich polarisiere nicht. Ich bin zwar manchmal ein Klugscheißer, aber ich mache mir nichts vor: Es gibt immer schlauere, bessere, schönere oder tollere Leute. Und der Rest? Tja, wie sich gestern in dem Café gezeigt hat, bin ich weniger unsichtbar, als ich bislang dachte.

Ich kapiere immer noch nicht, warum sich dieser Levin neben mich setzen musste. Ich meine... Mache ich irgendwie einen besonders redseligen Eindruck? Habe ich eine so tolle Aura, dass man sich neben mich setzen will?

Es ist nicht so, als hätte ich kein Selbstbewusstsein und würde mich deswegen schlechtreden. Nein, bei den meisten Dingen, die ich über mich selbst behaupte, bin ich mir sehr sicher.

Es ärgert mich, dass ich heute, am Freitag, noch immer an diese komische Begebenheit denken muss, die ich gestern Nachmittag hatte. Nach wie vor schiebt sich pausenlos Levins Visage vor mein inneres Auge. Wie kann jemand so... so random sein? Langsam habe ich das Gefühl, dass deine Eigenheit meiner eigenen ganz schön nahe kommt.

Ich starre missmutig die Vokabel an, als mich jemand von der Seite anstupst. Es ist Merle, die mir gerade einen klein gefalteten Zettel zuschiebt. Überrascht blicke ich auf das kleine Papier — mein Name steht als Adressatin darauf. Normalerweise ist die einzige Person, die während des Unterrichts den Drang hat, mir etwas mitzuteilen, Merle, und die sitzt sowieso neben mir.

»Von Jules«, formt sie mit den Lippen. Na gut, das erklärt wenigstens eine Sache. Die viel interessantere Frage ist jedoch: Was schreibt er?

Ich öffne den kleinen Zettel.

Hey Mila,

— Gott, dieser Kerl hat eine unfassbar unleserliche Schmierage,

cool, dass du und Merle gestern beim Battle dabei waren! Vielleicht habt ihr ja Lust, heute Abend zum Match gegen die Schottis und danach ins B175 zu kommen? Wir rappen wieder und ich glaube, Oli würde sich auch freuen, wenn ihr kommt!

J.

Interessant.

Was ich nämlich wirklich für höchstinteressant und ein bisschen fraglich halte, ist die Tatsache, dass Jules mir schreibt, nicht Merle.

»Schottis« — den Ausdruck habe ich auch nich nie gehört, allerdings sind das dann wohl die Schottenbrünn-Jungs. Während unsere Basketballmannschaft nämlich aus Jungs und Mädchen besteht, sind es bei ihnen nur Jungs. Das Schottenbrünn-Gymnasium war bis vor 15 Jahren eine reine Bubenschule, weshalb zum Großteil nach wie vor Jungs auf diese Schule gehen.

Ich beuge mich, ehe ich den Zettel zusammengefaltet in meiner Hosentasche verschwinden lasse, zu Merle rüber.

»Match. Jules fragt, ob wir zum Match und danach ins B175 kommen wollen.« Meine Stimme ist zwar ein leises Flüstern, doch Merle versteht sofort.

Das B175 ist ein Club — oder besser gesagt ein Keller, indem die Hamburger Raben ihr »Quartier« haben. Soweit ich weiß, gehört der Keller irgendeinem der Typen. Nach jedem Match wird dort ausgelassen gefeiert, ob Sieg oder Niederlage — der Trichter ist immer bereit.

Merle nickt natürlich begeistert. Sie lässt schließlich keine Gelegenheit aus, ihrem Schnuckelputz nahe zu kommen. Ich merke, wie auch mein Herz ein bisschen flattert, denn Jules hat geschrieben, dass sich Oliver freuen würde, wenn ich käme.

»Dann antworte ich ihm, dass wir gerne kommen?«, frage ich Merle. Sie nickt und ich hoffe sehr, dass Frau Kohlmaier nichts bemerkt. Sie ist nämlich eine von der Sorte Lehrer, die den Zettel nicht nur abfangen, sondern auch vorlesen.

Merle bejaht meine Frage, woraufhin ich ein Eck aus meinem Block reiße und meine Antwort zu schreiben beginne.

* * *

Ich war noch nie ein Freund von Menschenversammlungen. Demos besuche ich nur selten, generell ist alles am dreißig Mann plus schweißtreibend. Manchmal habe ich das Gefühl, die Menge erdrückt mich; ich ersticke. Ich verpasse leider viele Versammlungen – von Konzerten bis Matches – aber diesmal möchte ich unbedingt dorthin.

Basketball ist für mich etwas Anderes.

Es ist ein dynamischer Sport; es kommt gleichermaßen auf Geschwindigkeit, wie auch auf Taktik und Feingefühl an. Im Grunde genommen liebe ich alles, das mit Taktik zutun hat.

Die Regeln von Basketball hat mir mein Vater erklärt, als ich noch nicht einmal wirklich laufen konnte. Es gibt eine Schrittabfolge, man darf nicht doppelt dribbeln, ein Korb von der schwarzen Linien oder dahinter zählt drei Punkte, alles andere zwei. Mit dem Korbleger hat man fast immer einen Erfolg.

Basketball ist vielleicht auch deswegen ein Sport, der für mich persönlich von Bedeutung ist, weil ich mit meinem Vater immer Matches angeschaut habe – wir haben den Fernseher angebrüllt oder bejubelt. Eine Zeit, in der ich meine Gefühle noch nicht gehasst habe.

Eigentlich wollte ich heute noch kurz auf den Friedhof fahren, aber das muss ich nun auf morgen vertagen. Stattdessen klingle ich um halb sieben Uhr Sturm bei Merle. Ich warte ein paar Sekunden, bis sie die Türe öffnet, und prüfe noch einmal mein Outfit.

Blaue Jeans, die ich aus einem Second-Hand-Laden habe, meine Converse, auf denen ich bereits einige Da-Vinci-Zeichnungen verewigt habe, ein T-Shirt meiner Lieblingsband Good Charlotte, wobei das Schwarz schon sehr verwaschen ist, und schließlich mein Strickcardigan, weil es abends kühl sein kann.

Nein, wenn man mich auf der Straße sieht, würde vermutlich keiner denken, ich gehe auf ein Basketballmatch.

Ein paar Sekunden später erscheint Merles Goldlockenschopf im Türrahmen. Als ich ihr Outfit sehe, muss ich schlucken. Sie trägt eins dieser ulkigen Fan-Shirts, auf denen ganz groß und kaum zu übersehen Hamburg, Hamburg, Hamburger Raben! steht.

Hätte ich mich ein wenig... naja, mehr wie ein Fan kleiden sollen?

»Na? Schon nervös?«, frage ich schließlich, woraufhin Merle rot wird.

Okay, sie scheint es wirklich ernst mit Jules zu meinen.

»Ich... Äh—«, stottert sie, doch ich unterbreche sie mit einem Schulterzucken.

»Ist doch okay, dass du dein Herzblatt anfeuerst. Passiert den besten.«

Daraufhin lächelt sie.

»Und du? Wie sieht es mit dir und Oliver aus?«, fragt Merle, nachdem sie abgesperrt hat und wir die kleine Steintreppe, die vor ihrem Haus ist, runter gehen.

»Puh... Ich glaube nicht, dass jemand wie er jemanden wie mich mögen könnte«, murmle ich, während wir die Straße entlang schlendern.

»Mila, jetzt mach' dich nicht ständig runter. Wieso sollte er jemanden wie dich nicht mögen? Du bist ganz normal! Außerdem bist du die coolste Person, die ich kenne – und ich glaube, das sehen viele so!«, sagt Merle und zieht die Augenbrauen streng zusammen. 

Die coolste Person?

»Blödsinn«, widerspreche ich. »Ich bin einfach nur real und genervt von den Menschen um mich herum. Wenn sie Leute suchen, um eine Population auf dem Mars zu beginnen, bin ich die erste Freiwillige.«

Und gedanklich füge ich hinzu: Außerdem kenne ich seit gestern eine Person, die noch verschrobener ist, als ich. Levin.

In diesem Moment wird mir eines klar, woran ich zuvor keinen einzigen Gedanken verschwendet habe: Levin ist einer der Schottenbrünn-Jungs. Zwar hat niemand gesagt, dass er Basketball spielt — aber woher sollen Jules und er sich sonst kennen?

Gott, ich hoffe wirklich, dass er heute nicht da sein würde.

Das Match findet am Sportplatz der Schule statt. Dieser befindet sich nämlich etwas abseits, sodass der pingelige Hausmeister nichts hört oder sieht. Der illegale Weg führt durch einen kleinen, verwucherten Garten, direkt durch ein mannshohes Loch im Zaun. Der legale Weg führt durch die Türe — nur leider haben dazu nur die Sportlehrer Schlüssel.

»Kommst du?«, fragt Merle. Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich langsamer geworden bin. Rasch nicke ich und hohle auf. Vorne bei dem Zaun hat sich einer der Schottenbrünn-Jungs hingepflanzt und verkauft Tickets. Um nämlich bei den Matches zuzusehen, braucht man ein Ticket – á fünf Euro. Meiner Meinung nach ein teurer Spaß, aber Merle zieht einen glänzend roten Zehner aus dem Portemonnaie und winkt ab.

Habe ich erwähnt, dass sie Geld hat? Viel Geld. Denn sie wohnt nicht nur in der Innenstadt in einem riesigen Haus, sondern besitzt auf dem Dach auch einen Pool, den man im Winter beheizen kann. Ihr Haus ist das reinste Architekturparadies. Kein Wunder, denn ihr Vater ist ein berühmter Schauspieler, Herbert Klingenberg, den kennt in Deutschland schließlich jeder.

Gemeinsam passieren wir die Zaunlücke und gehen zu den Tribünen hinüber, die gut versteckt hinter den Pinien liegen. Die Sonne taucht den Sportplatz in orangenes Abendlicht, noch immer warm, aber schon deutlich schwächer als tagsüber. Gott, ich liebe diese Stadt.

Merle zieht mich zu den vorderen Tribünen, von wo aus wir einen guten Überblick auf das Spielfeld haben. Noch ist es leer, doch in gut 15 Minuten wird sich das ändern.

Ich verstaue das Ticket in meiner Hosentasche und widme mich Merle.

»Du wärst doch bestimmt auch ohne persönliche Einladung von Jules gekommen, oder?«, frage ich sie.

Sie zuckt mit den Schultern, doch ich sehe diesen rosaroten Glanz auf ihren Wangen.

»Hm. Also ja. Ich weiß gar nicht, ob ich das für Oliver getan hätte...«

Naja. Eigentlich weiß ich es schon, schließlich bin ich in der Vergangenheit bei keinem Match gewesen.

Es fühlt sich bei mir und Oliver sowieso anders an, als bei Merle und Jules. Aber vielleicht gehört das ja so.

»Schau, es beginnt!« Merle boxt mich unsanft in die Seite, woraufhin ich japse.

»Was beginnt?«

»Was für eine dumme Frage. Das Match natürlich«, erwidert sie augenrollend und deutet mit dem Kinn zum Platz. Tatsächlich, in diesem Moment laufen die Hamburger Raben, begleitet von tosendem Applaus, auf den Basketballplatz. Merle klatscht wie verrückt; wohingegen ich mich ein bisschen zurückhalte.

»Ich habe ja gehört, dass die Spiele gegen die Schottis ziemlich rasant sein sollen«, höre ich das Mädchen neben mir freudestrahlend sagen.

Ich ziehe die Augenbrauen zusammen. Ich bin echt alles andere als erpicht darauf, einer Schlägerei beizuwohnen – oder was immer das Mädchen auch immer gemeint hat.

Suchend sehe ich mich nach der Sieben um – Oliver. Ich entdecke ihn schließlich in der Mitte der Mannschaft; er fällt selbst in dem roten Trikot auf. Die hübschen, grünen Augen, die karamellbraunen Haare, er sieht wieder einmal toll aus.

Er sieht zwar ein bisschen unglücklich aus, aber ich schätze, dass das davon herrührt, dass er gleich gegen die Schottenbrünn-Jungs ein Match zu gewinnen hat.

Jules nickt dem Typen zu, der die Musik macht. Der Kerl trägt eine Sonnenbrille und ein Käppi, wodurch ich nicht erkenne, wer er ist. Außerdem hält er ein Mikrofon in der Hand, in das er kurz darauf spricht und die Menge anheizt.

»Sooooo...«, ruft er ins Mikro, »wir begrüßen euch zum ersten Match der Saison!« Das Publikum brüllt, pfeifft, alles – wenn ich nicht schon längst an den Ohren geschädigt bin, bin ich es spätestens jetzt.

»Wir begrüßen unsere Heimspieler, die Hamburger Raben!« Sein Rufen ist zwar laut, doch es geht im tosenden Applaus unter. »Gegen die... Schottenbrünn-Jungs!«

Die gegnerische Mannschaft kommt in diesem Moment auf den Platz gelaufen, woraufhin die gegnerischen Fans eskalieren. Die meisten stampfen so laut auf den Holztribünen, dass die Dielen vermutlich bald unter uns nachgeben.

»Leider jedoch haben wir eine unpässliche Nachricht. Chris, unser bisheriger Schiedsrichter, ist krank geworden — kennt sich irgendwer von euch gut mit Basketball aus und würde einspringen?«, fragt der DJ ins Mikro und untermalt die Stimmung mit einem Drop.

Ein Match ohne Schiedsrichter? Wenn das nicht in einem Gemetzel endet, dann weiß ich es auch nicht mehr.

»Naa, irgendwer?«, fragt der Typ.

Merle boxt mich nochmal in die Rippen. »Meld' dich, Mila!«, zischt sie, aber ich schüttle den Kopf. »Du kennst dich ausgezeichnet in Basketball aus!«

Ich widerspreche, doch da ist Merle bereits aufgesprungen.

»Hier! Emi–, äh, Mila Krause, sie meldet sich freiwillig!«, ruft sie laut.

Und auf einmal passiert das, was ich eigentlich vermeiden will: Alle starren uns an. Die Zuschauer heften ihre Blicke neugierig auf Merle und mich, aber auch die Basketballspieler sehen fragend drein.

Ja, niemand wusste vermutlich, dass ich mich gut mit Basketball auskenne. Woher auch? Das ist schließlich keine Info, die man eben mal in einem Gespräch einstreut. Da kommt jeder mit »Weird flex but OK«. Weird ja, flex nein.

»Merle...«, zische ich, aber da ist es schon egal, denn der DJ winkt mich zu sich.

Einen Moment lang wäge ich meine Möglichkeiten ab. Woher will der Typ wissen, dass ich mich wirklich damit auskenne? Ich könnte sonst irgendein Fangirl sein.

Na gut... Wie ein Fangirl sehe ich nicht gerade aus. Aber trotzdem!

»Komm mal her, Mila«, sagt der Kerl ins Mikrofon.

Widerwillig stehe ich auf, als Merle mich erneut in die Seite boxt. Wenn das so weiter geht, habe ich morgen dort einen blauen Fleck.

Ich schiebe mich durch die Mengen, wobei immer noch zu viele Augen auf mir und jeder Bewegung, die meinerseits erfolgt, kleben. Ich habe mich schon lange nichtmehr so unwohl gefühlt.

»Komm her«, nickt der Typ, diesmal nicht ins Mikrofon. Er lächelt und nimmt die Sonnenbrillen ab.

»Woher willst du wissen, dass ich mich mit Basketball auskenne?«, frage ich missmutig.

Ist das einer der Momente, in denen ich sozial sein sollte und an das Wohl der Allgemeinheit denken sollte?

»Ich vertraue dir«, erwiderte der DJ.

»Ach ja? Na wenn das so ist... Die Vergangenheit hat uns ja gelehrt, dass Vertrauen der Grundstein ist.« Meine Stimme ist sarkastisch, weil ich gar keine Lust auf diesen Job als Schiedsrichter habe.

Meine Vernunft redet zwar auf mich ein, dass es nicht so schlimm sei, aber ich bin trotzdem nicht überzeugt. Erst, als Oliver neben uns auftaucht, beginnt mein Widerwille dahinzuschmelzen.

»Oliver...«, beginne ich, doch er legt mir seine große Hand auf die Schulter.

»Hey, Mila«, sagt er. Ob das eine Art Umarmung sein soll? Zu halbherzig, um als solche durchgehen zu können.

»Hey.«

»Bist du die neue Schiedsrichterin? Cool, dass du so schnell für Chris einspringen kannst! Ich habe schon immer gewusst, dass ich auf dich zählen kann!«, lacht er sonnig. Dabei zeigen sich seine weißen, strahlenden Zähne.

»Ich... Äh...«, stottere ich perplex. Der DJ sieht mich fragend an. »Klar...«

»Super! Dann komm mit!«, ruft Oli und zieht mich am Arm auf den Platz. Es gibt sogar einen eigenen Stuhl für den Schiedsrichter.

»Äh...«

Aber Oliver erstickt meine Sorgen, indem er seine Hand kurz auf meine legt. Mein Herz macht einen Satz bei dieser kleinen Geste.

»Danke, Mila«, sagt er rau. »Wirklich.« Dann wendet er sich den anderen Spielern und Spielerinnen zu. Ein Mädchen, das lasziv Kaugummi kaut, schaut mich abschätzig an.

Ähm, hallo? Kein Kaugummi beim Sport, schon mal gehört?

»Das ist Mila, unsere neue Schiedsrichterin«, ruft Oli den anderen lauthals zu. Ich zucke bei der Lautstärke zusammen.

Doch in diesem Moment höre ich die Stimme. Seine Stimme, rauchig und samtig zu gleich. Und dann sehe ich ihn, wie er mich mit verschränkten Armen mustert.

»Du bist unsere Schiedsrichterin?«, fragt er grinsend. Doch es ist kein freundliches Grinsen, sondern ein herablassendes.

Ich ziehe die Brauen zusammen. »Irgendein Problem damit, Levin

Er schüttelt den Kopf.

»Keines. Wirklich gar keines.«

»Dann ist ja alles geklärt. Und ich dachte schon, du heulst immer noch rum, weil ich dich im Café sitzen hab lassen.« Diesmal bin ich es, die grinst. Ich lasse mich auf den Hocker fallen und greife nach der Pfeife, die mir Oli reicht.

Hoffentlich wurde die desinfiziert...

»Ob ich deswegen traurig bin? Total.« Er fasst sich ans Herz. »Das eigentliche Wesen des Ehrgeizes ist nur der Schatten eines Traumes.*«

»Oh, wow. Also bist du nicht nur ein begnadeter Musiker, sondern auch ein Theaterliebling. Willst du vielleicht sonst noch eine Weisheit von dir geben, bevors losgeht?«

»Keine, aus der Shakespeare nicht ein tragisch gutes Stück machen könnte.« Levin grinst mich frech-freundlich an, dann dreht er sich um und rennt zu seiner Mannschaft zurück. Er trommelt alle zusammen, während ich ihn mit schiefgelegtem Kopf ansehe.

Ich bin total zwiegespalten — denn während ich ihn eigentlich ignorieren oder mit sarkastischen Sprüchen vollpumpen will,  brauche ich ihn ja noch. Deswegen darf ich ihn nicht vergrämen — schließlich ist er eine der Schlüsselfiguren in meinem Plan. Doch wie soll ich ihm das verklickern?

Vielleicht kommt er ja heute auch ins B175, dann... Ich schüttle den Kopf und konzentriere mich aufs Spiel. Nachher bleibt genug Zeit, um nachzudenken. Ich sehe Levin nach, nur kurz, aber doch. Seine hochgeschossene, schlanke Statur wirkt durch das viel zu große Trikot noch schmaler.

Eigentlich bewundere ich ihn. Ihm ist es nicht peinlich, anders zu sein. Er genießt es.



* Aus Hamlet

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