2. Absturz
Sie hatten Glück, denn sie fanden schnell was sie suchten, mussten aber ein wenig länger an der Kasse anstehen. Dann bahnten sie sich mit ihrem Einkauf einen Weg zurück durch die gut gelaunte Menschenmenge. Alecs Blick fiel noch einmal auf die Tanzmatte, aber der faszinierende Unbekannte war nirgends zu sehen.
Als sie ihren Zeltplatz erreichten, hatten die anderen schon den Tisch gedeckt und warteten ungeduldig.
„Wo habt ihr denn gesteckt?" fragte Clary vorwurfsvoll. „Wir verhungern hier noch!"
Jace warf Simon die Einkaufstüte zu, ging zu Clary und viel fast mit ihr hinten über, als er sie stürmisch küsste.
„Bäh!" kam es von Isabelle. „Nehmt euch gefälligst ein Zimmer." Und sie lachten allesamt.
„Sorry, Baby, dass ich dich so lange alleine gelassen habe. Aber hier gibt es einfach zu viel Ablenkung. So viele bekloppte Leute auf einen Haufen, habe ich noch nie gesehen. Den Vogel hat ein Typ im lilafarbenen Glitzer-Tank-Top abgeschossen. Der hatte sogar Glitzer auf den Augen." Jace verdrehte die Augen und grinste dann.
„Ich glaube, Alec hat einen Blick auf ihn geworfen."
Alec schoss die Hitze in den Kopf bei Jace Worten, er fasste sich aber schnell wieder.
„Ja, wenn du meinst.", erwiderte er betont gelangweilt. „Ich glaube, wir sollten später zusammen losziehen. Es gibt wirklich viel zu sehen. Sie haben sogar ein Discozelt. Vielleicht können wir uns da auf den morgigen Festivalbeginn einstimmen.", versuchte er vom eigentlichen Thema abzulenken. Ein einvernehmliches Murmeln erklang.
Durch Simons Geschick, war der Grill schnell entzündet und Steaks und Würstchen brutzelten auf der Holzkohle. Nachdem sie alles mit Ketchup und Brot vertilgt hatten, fühlte Alec sich besser. Er war wieder klarer im Kopf und konnte gar nicht mehr verstehen was ihn an dem Unbekannten so fasziniert hatte. Der war wirklich ein Paradiesvogel gewesen und somit das komplette Gegenteil von ihm.
Nachdem Clary und Izzy sich partytauglich gemacht hatten, schnappte sich jeder noch ein Bier und sie machten sich zusammen auf den Weg den Campingplatz zu erkunden. Sie waren noch gar nicht weit gekommen, als sie auch schon zu einer Partie Flunkieball aufgefordert wurden, von einer fünfköpfigen Studentengruppe aus Princeton, auch drei Männer und zwei Frauen. Alec und die anderen ließen sich nicht lange bitten. Sie gingen alle auf die NYU und konnten es nicht erwarten der Princeton-Gruppe in den Arsch zu treten. Alec, als auch Jace, Simon und Izzy waren gute Werfer. Sie ließen die anderen ganz schön laufen, hatten schnell ihre Biere geleert und somit das erste Duell gewonnen. Die andere Gruppe wollte natürlich eine Revanche und diesmal verloren sie ganz knapp, aber mit einem Unentschieden konnten sie dann doch alle gut leben. Sie verabschiedeten sich überschwänglich und setzten ihren Weg, jetzt schon leicht angetrunken, fort.
Bevor sie an ihrem eigentlichen Ziel, dem Discozelt ankamen, hatten sie noch ein paar Runden Flunkieball hinter sich gebracht und mit wildfremden Menschen, mit irgendwelchen Schnäpsen angestoßen. Alle hatten sehr viel Spaß und Alec merkte, wie locker und entspannt er sich fühlte. Oft fühlte er sich anders wegen seiner sexuellen Orientierung, aber hier fühlte er sich ungewohnt frei. Das lag wahrscheinlich an der ganzen Atmosphäre, vielleicht aber auch am Alkohol. Jeder um ihn herum schien einfach nur Spaß zu haben und glücklich zu sein und er ließ sich gerne mitreißen.
Im Discozelt angekommen schallte Ihnen „The Offspring" entgegen. Alec war mittlerweile schon sehr angetrunken und ließ sich von Isabelle und Clary widerstandslos auf die volle Tanzfläche ziehen. Auf dem Festival nahmen sie es wohl nicht sehr genau mit der Alterskontrolle, denn Simon und Jace gesellten sich schnell zu ihnen, nachdem sie eine Runde Cocktails besorgt hatten. Ausgelassen feierten sie miteinander und obwohl Alec Bier bevorzugte, schmeckte ihm der Cocktail wirklich gut und er leerte zügig sein Glas. Die Musik wechselte irgendwann zu RnB und die beiden Pärchen begannen eng umschlungen miteinander zu tanzen. Alec fühlte sich plötzlich fehl am Platz und der Schwindel den er fühlte, trug auch nicht gerade zu seinem Wohlbefinden bei. Er verließ leicht torkelnd die Tanzfläche und brauchte zwei Anläufe um sich auf einen Hocker an die Bar zu setzen. Er ließ seinen Blick über die Tanzfläche schweifen, nahm aber keine scharfen Konturen mehr wahr. Alles verschwamm zu einem Brei aus Farben und zuckenden Lichtern. Vielleicht hätte er sich den Cocktail sparen sollen. Der dröhnende Bass sorgte letztendlich dafür, dass sein Magen rebellierte und sich Schweiß auf seiner Stirn bildete. Er musste hier raus.
Alec erhob sich und torkelte zum Ausgang. Er rempelte ein paar Leute an, dessen Gesichter er nicht mehr erkennen konnte und nuschelte mehrere Male ein „tschuldigung...!". Als er das Discozelt verließ, lief er in irgendeine Richtung, von der er glaubte, dass sie ihn zu seinem Zeltplatz führen würde. Als er in die Gassen der Zelte einbog, rebellierte sein Magen immer noch. Viele waren noch auf den Beinen und feierten ausgelassen miteinander. Alec kürzte eine Abbiegung ab und stolperte plötzlich über ein Abspannseil eines Zeltes. Eigentlich wäre er hart auf dem Boden aufgeschlagen, wenn ihn nicht zwei starke Hände mit schwarzem Nagellack und mehreren Goldringen aufgefangen hätten.
„Hey, Vorsicht, mein Hübscher!", hörte Alec noch eine tiefe, angenehme Stimme. Dann beugte er sich zur Seite und erbrach sich. Er stemmte die Hände auf die Knie und entleerte seinen kompletten Mageninhalt, während der Fremde ihm beruhigend über den Rücken strich.
„Lass alles raus, dann geht's dir besser.", sagte er mitfühlend.
Alec wischte sich umständlich mit seinem T-Shirt den Mund ab und richtete sich auf. Ihm war immer noch schwindelig, aber sein Magen rebellierte nicht mehr. Dann viel sein Blick auf seinen Retter und er erstarrte. Zwei schwarz umrandete haselnussbraune Augen mit Glitzer auf den Lidern blickten ihn fragend an.
„Alles okay mit dir? Brauchst du Hilfe?" Alec merkte, wie er rot wurde.
„Ich...Äh...ja...ich muss in mein Zelt!", lallte er.
Die ganze Situation war ihm furchtbar peinlich. Nicht, dass es nicht reichte, dass er dem Typen fast vor die Füße gekotzt hatte, richtig artikulieren konnte er sich auch nicht mehr.
„Nun ja, wenn es denn unbedingt dein Zelt sein muss. Du hättest hier nämlich ne riesige Auswahl." Alec starrte ihn nur an und wusste nicht, was er sagen sollte. Der Fremde lachte ihn an.
„Hey, das war nur ein Witz. Ich bin Magnus. Wenn du mir sagst, wo dein Zelt ungefähr liegt, kann ich dir ja helfen, es zu suchen." In dem Moment taumelte Alec zur Seite und Magnus beugte sich rasch nach vorne, um ihn aufzufangen.
„Okay, vielleicht ist Laufen aber gerade keine gute Idee." Er legte einen Arm um Alecs Taille und legte sich seinen Arm über seine Schulter. Alec spürte die Wärme die der Körper neben ihm ausstrahlte und die fühlte sich gut an. Erst jetzt bemerkte er, wie kalt ihm eigentlich war. Trotzdem war ihm immer noch schwindelig und er war dankbar dafür, dass Magnus ihm half.
„Komm," sagte Magnus. „Ich bring dich in mein Zelt, du musst dich erstmal ne Runde aufs Ohr hauen." Dann lief er mit ihm vorsichtig ein Stück den Weg entlang und bog dann zwischen zwei Zelten ein. An seinem Zeltplatz angekommen löste Magnus sich von ihm, hielt ihn an seinen Schultern fest und blickte ihn fragend an.
„Kannst du stehen?" Probeweise ließ er seine Schultern los. Alec schwankte, lallte ein „Geht schon" und kippte zur Seite. Magnus legte ihm sofort wieder die Hände auf seine Schultern, um ihn aufrecht zu halten und lachte.
„Okay, vielleicht setzen wir dich lieber hin." Er grinste und half Alec auf einen Anglerstuhl. Dann kniete er sich vor sein Igluzelt, öffnete den Eingang und sah Alec an.
„Bevor ich dich in mein Zelt lasse, musst du mir aber noch deinen Namen verraten."
„A...Alec.", lallte er.
„Okay, A...Alec, dann lass uns dich mal in die Horizontale verfrachten." Er grinste, stand auf und half Alec ins Zelt. Als der auf der großen Luftmatratze lag, die fast den kompletten Zeltboden einnahm, zog Magnus ihm die Schuhe aus und legte einen Schlafsack über ihn.
„Schlaf gut, Alexander!", sagte Magnus und zog den Reißverschluss von außen zu. Alec konnte nichts antworten und während er darüber nachdachte, woher Magnus wusste, dass Alec die Abkürzung für Alexander war, glitt er in einen tiefen traumlosen Schlaf.
Als Alec erwachte war ihm warm und er hatte einen komischen Geschmack im Mund. Er öffnete vorsichtig die Augen und blickte an ein lilafarbenes Zeltdach. Lila? Sein Zelt war doch grün! Er schoss erschreckt hoch, was er gleich wieder bereute. Kurzer Schwindel ergriff ihn und ein kleiner Schmerz fuhr durch seinen Schädel. Er griff sich an die Schläfen und stöhnte kurz auf. Dann blickte er sich um. Er saß auf einer pinkfarbenen Luftmatratze, über ihm lag ein neongrüner Schlafsack. Neben der großen Matratze stand eine dunkelrote Reisetasche, die voller Klamotten zu sein schien. Daneben stand ein geöffneter Schminkkoffer aus silbernem Glitzer. Alec sah darin verschiedene Kajalstifte, Puder, Rouge, ein paar Lipglosse und diverse Badartikel. Er kannte sich ein wenig damit aus, weil Isabelle sehr viel wert auf ihr Äußeres legte und als ihr großer Bruder, bekam man halt Einiges mit. Ein paar andere Klamotten lagen noch herum, unter anderem ein lilafarbenes Tank-Top, und ein paar Flaschen Wodka und Martini, aber im Großen und Ganzen, war alles recht geordnet und aufgeräumt.
Wo war er bloß und wie war er hier hergekommen? Sein Blick fiel noch einmal auf das Tank-Top und es fiel ihm schlagartig wieder ein. Oh, nein. Er hatte dem Paradiesvogel fast auf die Füße gekotzt und der hatte ihn dann hierher gebracht. Alec meinte sich zu erinnern, das er sich als Magnus vorgestellt hatte. Er hielt sich wieder die Schläfen und schüttelte den Kopf. Keine gute Idee, denn schon wieder durchfuhr ihn ein unangenehmer Kopfschmerz. Er stöhnte erneut, begann dann aber den Reißverschluss des Zelteingangs zu öffnen. Er blinzelte mehrmals, als die Sonne auf sein Gesicht fiel, um sich an die Helligkeit zu gewöhnen. Zuerst sah er einen Klapptisch und einen grünen Anglerstuhl, der ihm vage bekannt vorkam. Sie standen unter einem neongelbem Pavillon, unter dem eine kleine Discokugel hing. Dahinter stand ein schwarzer Kleinbus mit blauen Flammen an der Seite und vor der geöffneten Tür stand Magnus mit dem Rücken zu ihm. Er trug nur eine schwarze Haremshose und hatte ein Handtuch in der Hand, dass er über die geöffnete Schiebetür hing, um es zu trocknen. Seine Haare hingen nass herunter und ein paar Tropfen Wasser bahnten sich ihren Weg seinen muskulösen Rücken hinunter. Alec starrte ihn kurz an, wandte dann den Blick ab und sah seine Schuhe am Zelteingang stehen. Er zog sie sich an und krabbelte hinaus. Magnus drehte sich um und strahlte ihn an.
„Ah, da ist jemand von den Toten erwacht. Geht's dir besser?", fragte er fröhlich und ging auf ihn zu.
„Ja, danke. Leichte Kopfschmerzen, aber sonst geht's.", erwiderte Alec.
„Haben wir zusammen in deinem Zelt geschlafen?", fragte er dann neugierig.
„Nein, keine Sorge. Ich habe in meinem Auto geschlafen."
„Ich mache mir keine Sorgen...", sagte Alec hastig.
„Ach nein? Und wieso fragst du dann?"
Magnus stand nun eine Armlänge von ihm entfernt und blickte ihn fragend an. Er war völlig ungeschminkt und der asiatische Einschlag war jetzt noch deutlicher zu sehen. Er hatte weiche Züge und wohlgeformte Lippen und das Braun seiner Augen war wirklich sehr schön.
„Ich kann mich irgendwie nicht mehr an alles so gut erinnern, was gestern passiert ist."
„Das habe ich mir schon fast gedacht. Du hattest ziemlich viel getankt. Hi, ich bin Magnus!", stellte er sich lächelnd vor und hielt ihm seine Hand hin.
„Du bist Alexander, richtig?"
„Ja, schon, aber woher weißt du das? Eigentlich nennt mich jeder Alec.", antwortete er und ergriff Magnus Hand.
„Intuition würde ich sagen. Allerdings bin ich nicht jeder, Alexander!" Magnus lächelte ihn schelmisch an. Dabei ließ er kurz seinen Daumen über Alecs Handrücken fahren. Alec spürte wie er rot wurde und wie die kurze Berührung irgendetwas in ihm kribbeln ließ. Er zog seine Hand zurück und blickte zu Boden. Magnus wirbelte herum und griff sich eine Thermoskanne vom Tisch.
„Kaffee?", fragte er. Er schenkte einen Becher ein und drückte ihn Alec in die Hand. Der wusste nicht was er erwidern sollte. Magnus schüchterte ihn irgendwie ein, mit seiner Anmut sich zu bewegen, seiner überschwänglichen Art und seinem offensichtlichen Selbstbewusstsein.
„Was ist? Brauchst du Milch und Zucker?", fragte Magnus. Alec versuchte sich zusammen zu reißen.
„Äh, nein, schwarz ist okay. Danke."
„Na, da haben wir ja schon mal was gemeinsam." Magnus lächelte ihn an und goss sich selbst auch einen Becher Kaffee ein, ließ sich geschmeidig auf den Anglerstuhl sinken und schlug die Beine übereinander. Alec trank vorsichtig einen Schluck und bemerkte sofort die belebende Wirkung, als der heiße Kaffee in seinen Magen floss.
„Willst du dich nicht setzen?", fragte Magnus und deutet auf einen freien Stuhl neben sich.
„Danke, dass du mir geholfen hast, aber ich muss zurück zu meinen Geschwistern. Die machen sich bestimmt schon große Sorgen. Wie spät ist es eigentlich?", fragte Alec, ohne auf sein Angebot einzugehen. Magnus machte ihn nervös.
„Ungefähr elf, würde ich sagen."
„Elf? Ach, du scheisse. Die werden mich umbringen." Er griff in seine Tasche und holte sein Handy hervor. Keine neuen Nachrichten oder Anrufe. Gott sei dank. Noch niemand war in Panik geraten.
„Ich danke dir wirklich, aber ich muss jetzt los." Er stellte den Becher ab und hastete los.
„Wenn du am Weg bist links und dann die nächste rechts, hübscher Alexander.", rief Magnus ihm noch hinterher. Aber Alec drehte sich nicht mehr um, weil ihm schon wieder die Röte ins Gesicht schoss, während er davoneilte.
Magnus sah ihm hinterher und lächelte. Eigentlich war es sehr schade, dass Alexander so schnell aufgebrochen war. Er gefiel ihm sehr gut und er hätte sich gerne länger mit ihm unterhalten. Gestern Nacht war ein richtiges Gespräch leider nicht möglich gewesen, aber es war schon ziemlich süß wie Alexander betrunken gelallt hatte. Er hätte nichts dagegen gehabt mit ihm die Nacht im Zelt zu verbringen, aber er war ein Gentleman und er würde niemals jemanden im betrunkenen Zustand ausnutzen. Er war in der Regel sehr hilfsbereit und Alexander brauchte Hilfe, aber ihn zu sich in sein Zelt mitzunehmen, war doch eher eine spontane Idee gewesen. Irgendwas an ihm hatte etwas in Magnus berührt. Vielleicht seine schüchterne Art und wie süß er aussah, wenn er rot wurde. Vielleicht aber auch einfach nur, dass er einen halben Kopf größer war als er und Magnus gefiel, was sich unter seinem engen T-Shirt abzeichnete.
Egal was es war. Er hoffte, dass Alexander ihm noch einmal begegnen würde.
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