#6
Nach ihrem Geburtstag kehrte wieder ein geschäftiger Alltag in Dakotas Leben ein. Wieder mit den zusätzlichen Stunden in Zaubertränke und Verteidigung gegen die dunklen Künste war ihr Stundenplan so voll wie eh und je und das gefiel Xavier offensichtlich überhaupt nicht, aber was sollte er schon dagegen tun?
Nachdem Dakota ihn das letzte Mal ziemlich lange hatte baumeln lassen, traute er sich offenbar nicht mehr, seinen oder ihren Eltern zu schreiben und deswegen bekam Dakota keinen weiteren Brief von ihrer Mutter, in dem sie ihr vorschrieb, diese Stunden nicht mehr zu besuchen.
Dakota nahm den Unterricht einfach wieder auf, als wäre sie nie weg gewesen und andere in den Klassen wisperten aufgeregt untereinander, als sie das erste Mal wieder wie gewohnt zu den Stunden kam. Dakota kümmerte sich nicht direkt um Gerüchte, aber sie behielt sie dann schon ganz gerne im Überblick. Zum Glück wussten wenige Leute über die wahren Umstände Bescheid, warum sie einige Zeit lang nicht zum Unterricht von Professor Fuego und Lupin gekommen war, und darüber war Dakota auch ganz froh. Sie wollte nicht wissen, wie viele in dieser Schule die Chance genutzt hätten, um ihr Leben noch ein wenig nervtötender zu machen, indem sie wieder ihren Eltern petzten.
Der Schulalltag ging einfach weiter, bis natürlich auf die absolut irrelevante Veränderung, dass Weasley nun Dakota immer wieder einfach vor oder nach den Stunden oder auch einfach nur auf den Gängen oder in der Großen Halle ansprach und mit ihr redete – über die banalsten Themen. Wie ihr Tag bisher war. Wie schön sie ihre Jacke fand. Woher sie diese Schuhe hatte. Dass sie einen Artikel über Verwandlung gelesen hatte und da hatte sie an Dakota denken müssen und deswegen hatte Weasley ihn aus dem Magazin ausgeschnitten und ihr mitgebracht, vielleicht wollte sie ihn ja selbst einmal lesen – und wie Dakota ihn las! Es war tatsächlich ein interessanter Artikel über die Verwandlung von Holzmöbel in lebende Wesen und der Unterschied zu Wesen, die aus Stein gemacht worden sind.
Aber die Höhe war, als Weasley sie in Verwandlung zurückhielt.
Dakota war gerade dabei, zu ihrer nächsten Stunden zu gehen und bereitete sich mental auf die Alchemie-Stunde vor, in der sie endlich wieder eine Pause von Feli haben würde, als Professor Malfoy sie ansprach.
„Miss Valentine", sagte er zu ihr und Dakota – die gerade hinausgehen wollte – stockte so abrupt, dass Feli in sie hineinrannte. Einen Moment lang stand Dakota einfach nur in der Tür – ihr Tag war bisher schon nicht so gut gewesen und sie fragte sich, ob sie die mentale Kapazität haben würde, um nun auch noch ein Gespräch mit Malfoy zu überstehen – bis ihr auffiel, dass sie schon zu lange gezögert hatte, um einfach so zu tun, als hätte sie ihn nicht gehört.
Sie seufzte also leise, verdrehte die Augen und drehte sich dann zu ihrem Professor um.
Professor Malfoy hatte gerade noch mit Weasley gesprochen und die Tatsache, dass nun beide erwartungsvoll zu Dakota blickten, war überhaupt kein gutes Zeichen.
Dakota hätte ihn einfach ignorieren sollen. Der Anblick von Professor Cain war ihr eindeutig lieber.
„Professor?", fragte Dakota aber trotzdem in einem Ton, der Malfoy hoffentlich verriet, dass sie nicht gerne hierblieb, aber sie es musste, weil sie eine gute Schülerin war.
Malfoy sagte nicht sofort, was er von ihr wollte, sondern winkte sie nur beinahe schon geheimnistuerisch zum Tisch heran, also war es wohl etwas, das sich nicht mit nur einem Satz klären ließ.
„Geh schon einmal", wandte Dakota sich an Feli, die wie in Schockstarre ebenfalls im Klassenraum geblieben war, offenbar unfähig, ohne Dakota weiterzugehen. Sobald sie aber die Erlaubnis hatte, flüchtete sie – Feli war niemand, der freiwillig länger Zeit in einem Klassenraum verbrachte.
Dakota ging zu Malfoy und Weasley, die sie beide so ansahen, als würden sie etwas wissen, das Dakota nicht wusste und Dakota hasste das. Sie wusste gerne Dinge – deswegen lernte sie auch so viel. Wenn aber jemand anderer sich einbildete, sie mit Unwissenheit zu strafen, wurde sie schnell ungeduldig.
„Worum geht es, Professor?", fragte Dakota – sie ignorierte Weasley. Probierte es zumindest, denn Weasley lächelte sie schon wieder so dämlich an und Dakotas Blick blieb einen Moment lang auf ihre eisblauen Augen, die hinter den dicken Brillengläsern so wundervoll in der Sonne glänzten,... Aber dann konzentrierte Dakota sich schnell wieder – für solche Gedanken hatte sie partout keine Zeit!
„Um deine Noten", sagte Professor Malfoy.
Dakota runzelte die Stirn – was stimmte mit ihren Noten nicht, sie schrieb immer und überall Bestnoten.
„Genau genommen um die Note in deinen ZAG-Ergebnissen", klarifizierte Malfoy.
Das leuchtete Dakota noch eher ein. Sie dachte nie gerne an dieses eine Erwartungen übertroffen in ihrem sonst lupenreinen Zeugnis.
„Ich werde mich bei meinen UTZ bessern, Sir", sagte Dakota steif.
„Eigentlich hat Miss Weasley hier mich auf eine Unklarheit mit dieser Note aufmerksam gemacht", gestand Malfoy und Dakota blickte kurz zu Weasley, die ganz rot wurde, wie ihre Haare. „Wie Sie sich bestimmt selbst erinnern können, haben Sie Ihre praktische Prüfung bestimmt mit voller Punktezahl bestanden, immerhin haben Sie alle Aufgaben mit Bravour und dazu noch mit Sonderaufgaben meistern können", erinnerte sie Malfoy – aber daran musste Dakota nicht erinnert werden. Sie erinnerte sich noch daran, wie sie bei dieser – und allen anderen praktischen Prüfungen – ohne Schwierigkeiten alle Probleme hatte lösen können. Bestimmt war diese Note nicht der Grund für das Erwartungen übertroffen in ihrem Endzeugnis.
„Ja, Sir", sagte Dakota, „Es muss wohl meine schriftliche Prüfung gewesen sein, die mir diese Note verdankt..."
„Aber genau das ist es, das ich bisher übersehen habe und auf das Miss Weasley mich aufmerksam gemacht hat", redete Malfoy weiter, „Um ein Erwartungen übertroffen im Zeugnis zu rechtfertigen, wenn Sie eine so perfekte praktische Prüfung aufgesagt haben, hätten Sie in Ihrer schriftlichen Prüfung ein Annehmbar haben müssen. Noch nie, Miss Valentine, haben Sie auf dieser Schule je eine Note geschrieben, die mit einem Annehmbar gleichzusetzen gewesen wäre."
Dakota dachte einen Moment darüber nach. Natürlich stimmte das – deswegen war sie ja auch so beleidigt gewesen, als sie ihre schlechte Note in Verwandlung in ihren ZAGs gesehen hatte.
„Mit Ihrer Erlaubnis würde ich gerne Zugriff auf das Archiv im Zaubereiministerium bekommen", erklärte Malfoy weiter, „um selbst einen Blick auf Ihre schriftliche Prüfung zu werfen. Vielleicht zeigt sich so, ob das Erwartungen übertroffen gerechtfertigt ist."
Dakota blinzelte überrascht. „Natürlich", sagte sie noch immer ein wenig verwirrt und überwältigt, „Danke, Sir."
„Bedanken Sie sich bei Miss Weasley", schlug Malfoy vor, „Sie hat das alles in Gang gebracht. Und nun ab mit Ihnen – ich werde Ihnen mitteilen, sollte ich Ergebnisse haben, Miss Valentine."
Dakota und Weasley verließen zusammen das Klassenzimmer und einen Moment lang gingen sie schweigen nebeneinander her – keiner von beiden wusste so genau, was sie sagen sollte.
„Danke", brachte Dakota schließlich heraus, „Das hättest du nicht tun müssen..."
„Ich wollte aber", gestand Weasley sicher, „Du hast das verdient, Dakota... nur das Beste..."
„Aber es wird nichts bringen", sagte Dakota in einem gleichgültigen Ton, „alle werden sich umsonst Arbeit machen. Ich sollte einfach akzeptieren, dass ich in diesem Fall versagt habe."
„Aber ich denke nicht, dass das so ist", widersprach Weasley ihr eilig, „Erinnerst du dich noch daran, wer dein Prüfer gewesen ist?"
Dakota erinnerte sich nicht an seinen Namen. „Ein älterer Herr... mit grauen Haaren..."
„Professor Hinton", bestätigte Weasley nickend und Dakota erinnerte sich wieder daran, dass das tatsächlich der Name des Prüfers gewesen ist, „Ich erinnere mich – ich war ebenfalls an der Reihe, als du im Raum gewesen bist. Und zufälliger Weise hat ihn auch Rabia als ihren Prüfer gehabt. Und Rabia war eigentlich gar nicht so schlecht – jedenfalls nicht dafür, dass sie Verwandlung eigentlich hasst. Es wäre bestimmt ein Annehmbar geworden, wenn du mich fragst – oder Professor Malfoy. Und ihre schriftliche Prüfung war ebenfalls ein Annehmbar! Und jetzt rate, welche Note sie in ihrem Zeugnis bekommen hat!"
Dakota hasste solche Ratespiele, aber seufzend sagte sie: „Wahrscheinlich kein Annehmbar, wenn du mich schon so fragst..."
„Sie hat ein Mies bekommen!", rief Weasley ein wenig zu aufgeregt aus, „weil Professor Hinton ihr in den praktischen Prüfungen ein Schrecklich gegeben hat! Rabias Schwester arbeitet im Ministerium, da hat sie selbst nachsehen können, deswegen weiß ich das."
„Und was bedeutete das für mich und meine Note?", fragte Dakota misstrauisch, „Du willst doch nicht andeuten, dass dieser Hinton allen eine viel schlechtere Note gibt, als sie verdient haben?"
„Genau das will ich damit sagen", bestätigte Weasley aufregt, „Und deswegen habe ich Professor Malfoy auch darum gebeten, es noch einmal zu kontrollieren. Wenn sich nämlich herausstellt, dass deine schriftliche Prüfung perfekt gewesen ist und er sich daran erinnert, dass deine praktische Prüfung perfekt gewesen ist..."
„Das wäre unglaublich!", sagte Dakota begeistert – zu begeistert für ihren Geschmack, aber in diesem Moment konnte sie ihre Gefühle nicht wie sonst so unter Kontrolle halten, wie sie wollte, „Danke, Minerva!"
Weasley wurde ganz rot im Gesicht und schob sich nervös ihre Brille höher ihren Nasenrücken hinauf. „Keine Ursache", murmelte sie leise.
„Wenn du Recht hast", sagte Dakota, „dann schulde ich dir etwas. Egal was."
„Egal was?", fragte Weasley nach und sofort bereute Dakota ihre Worte, aber sie war eine Slytherin – sie stand zu ihrem Wort.
Also nickte sie. „Egal was."
Weasley wurde so rot, Dakota machte sich schon beinahe Sorgen um sie.
„Okay!", quickte sie aufreget. Sie waren beim Klassenraum für Alchemie angekommen und Weasley rannte beinahe gegen die Tür, so neben der Spur war sie.
Vor Scham sichtlich sterbend eilte sie dann eilig in die Klasse und setzte sich schnell. Dakota folgte ihr mit einem amüsierten Gesichtsausdruck und als Minerva das kleine Lächeln auf ihren perfekten Lippen sah (für das sie verantwortlich war – irgendwie), hätte sie auf der Stelle zerfließen können, so glücklich war sie.
„Entschuldigt unsere Verspätung", sagte Dakota für sie beide, scheinbar ohne Probleme und ohne zu stammeln oder zu stottern, ohne beschämt zu sein oder unterwürfig – als müsste Professor Cain glücklich darüber sein, dass sie überhaupt anwesend war, als wäre das allein schon die größte Ehre, die die Professorin in ihrem ganzen Leben je erleben würde. Minerva fragte sich, ob Dakota überhaupt bewusst war, welche Ausstrahlung sie hatte. So, wie sie sich selbst hielt, wusste sie es ganz bestimmt, blieb aber trotzdem zurückhaltend und bescheiden. „Professor Malfoy hat Miss Weasley und mich noch aufgehalten."
Miss Weasley. Minerva hätte auf der Stelle sterben können, so viele Schmetterlinge flatterten bei diesen beiden kleinen Worten in ihrem Magen herum. Sie erinnerte sich daran, wie Dakota sie heute auch schon Minerva genannt hatte. Es musste wohl der schönste Tag in ihrem ganzen Leben sein.
„Du machst es schon wieder", zischte Rabia Minerva zu und riss sie damit aus ihren Tagträumen über Dakota.
„Hu?", fragte Minerva verwirrt.
„Du starrst sie schon wieder so dämlich an", grinste Rabia amüsiert, „Pass auf, sonst bemerkt sie es noch!"
Minerva wäre schon zufrieden gewesen, wenn Dakota sie irgendwie bemerken und nicht nur Professor Cain anstarren würde, als hätte sie die Sterne an den Himmel gesetzt.
„Halt doch einfach die Klappe", zischte Minerva beleidigt zurück und stieß Rabia leicht von sich.
Minerva versuchte, sich auf den Unterricht zu konzentrieren, aber das war gar nicht so einfach, wenn sie sich an Dakotas Lächeln erinnerte. Es war so selten, dieser Moment war wirklich wertvoll gewesen. Und Minerva dachte gerne daran und hoffte, sie würde Dakota in Zukunft noch häufiger zum Lächeln bringen.
Und wenn sie hundert Fälle von unfairer Behandlung während der ZAGs ans Tageslicht bringen musste. Obwohl Minerva das viele Stunden der Arbeit, viele Befragungen und noch mehr Frustrationen gebracht hatte, als sie anfänglich erwartet hatte.
Aber wenn Dakota sie dafür beachtete, ihren Namen nannte und dann auch noch lächelte – dann war's das auf jeden Fall wert!
Drei Tage später hielt Professor Malfoy Dakota nach dem Unterricht wieder zurück, aber dieses Mal war sie eindeutig kooperativer. Vielleicht lag das auch daran, dass Weasley dieses Mal nicht dabei war, aber Dakota dachte gar nicht an diesen Umstand.
Auf seinem Schreibtisch lag ein dicker Umschlag aus dem Zaubereiministerium, wie man an dem Siegel erkennen konnte, und darin befand sich, wie Dakota sich schon denken konnte, ihre schriftliche Prüfung für Verwandlung aus dem letzten Schuljahr.
Äußerlich war sie absolut ruhig und gefasst, aber innerlich verspürte sie tatsächlich eine kleine Unruhe und Aufregung, obwohl sie eigentlich nichts an dem Ergebnis ändern konnte.
Eigentlich war sie sich sicher, was sie in dem Umschlag finden würde: Eine – vielleicht nur fast, aber auf jedenfalls – Prüfung Ohnegleichen. Bestimmt hatte sie – wenn überhaupt – nur sehr wenige Fehler und das würde beweisen, dass ihre mündliche Prüfung unter unfairen Bedingungen stattgefunden hatte, immerhin hatte sie da ebenfalls – mindestens – ein Erwartungen übertroffen verdient, wie sie selbst von sich sagte.
Aber ein kleiner Teil von ihr war sich doch unsicher. Ein Teil von ihr war sich sicher, dass sie diese Prüfung tatsächlich nicht so gut geschrieben hatte, wie sie anfangs geglaubt hatte.
Ein Teil von ihr glaubte, sie hatte das Erwartungen übertroffen in diesem Fach verdiente.
Aber in Dakotas Leben war kein Platz für Selbstzweifel und Unsicherheit, also kämpfte sie innerlich gegen diese an und verdrängte sie, um sie mit selbstsicheren und selbstüberzeugten Gedanken zu ersetzen.
"Nun", sagte Malfoy und tippte auf den Umschlag, „Hier sind die Ergebnisse... Wollen Sie sie zuerst allein ansehen?"
Das wollte Dakota tatsächlich, also griff sie nach dem Umschlag, riss ihn mit ihren dünnen, wunderschön manikürten Fingern auf und zog einige Pergamentblätter heraus. Sie erkannte sie natürlich sofort, immerhin war es genau die Prüfung, die sie erst letztes Jahr geschrieben hatte und die Seiten waren mit ihrer feinen, ordentlichen Schrift gefüllt. Quer über die Blätter flackerte immer wieder eine Art magisches Wasserzeichen auf, das die Wörter „Kopie des Zaubereiministeriums" zeigte, um deutlich zu machen, dass das nicht die originalen Unterlagen waren, sondern nur Kopien zur Einsicht. Das Original befand sich bestimmt noch immer im Ministerium.
Dakota blätterte durch die Seiten und bei beinahe jeder Frage war ein smaragdgrünes Häckchen am Rand, das zeigte, dass die Frage korrekt und vollständig beantwortet worden war. Nur hin und wieder waren kurze Kommentare hinzugefügt worden und dazu noch eine kleine Minuszahl, aber meist wegen unvollständiger Beantwortung oder kleinen Fehlern.
Auf der letzten Seite war das Beurteilungsblatt und Dakota musterte es einen Moment lang kritisch, bevor sie davon wieder aufblickte.
Malfoy beobachtete sie neugierig – wahrscheinlich war das das Spannendste, das in seiner gesamte Karriere als Professor bisher passiert war und er musste geradezu platzen vor Aufregung, was das Ergebnis war.
„Natürlich", sagte Dakota schließlich, „wie zu erwarten. Ein Ohnegleichen."
Nun schien Malfoy doch überrascht zu sein und er nahm Dakota die Prüfung ab, blätterte sie – wie sie zuvor auch – schnell durch und stockte dann beim Beurteilungsbogen.
Dann sah er auf. „Ohnegleichen", bestätigte er in einem Tonfall, der Dakota verriet, dass er nicht direkt überrascht von diesem Ergebnis war, aber gleichzeitig wohl nicht damit gerechnet hatte, dass es wirklich so sein würde.
„Das kann nur bedeuten, dass der praktische Teil der Prüfung nicht den Maßstäben entsprechend benotet worden ist", erkannte Dakota und hob stolz den Kopf, „Ich denke, ich habe ein Recht auf eine Wiederholung der Prüfung!"
„Ich will ehrlich mit Ihnen sein, Miss Valentine", sagte Malfoy, „ich bin mir unsicher, wie in diesem speziellen Fall nun weiter vorzugehen ist. Aber ich werde heute noch mit der Schulleiterin darüber sprechen und ich werde persönlich dafür sorgen, dass Ihr Ehrgeiz belohnt wird. Aber jetzt stehen erst einmal die Weihnachtsferien bevor. Da sollten Sie sich keine Gedanken darüber machen."
Dakota hätte am liebsten widersprochen, wäre sofort zu Professor McGonagall gegangen und dann direkt zum Zaubereiministerium, nur um diese ganze Angelegenheit zu klären. Aber natürlich nickte sie nur steif und sagte: „Natürlich."
Sie verabschiedete sich und verließ eigentlich unzufrieden, aber doch irgendwie voller Genugtuung das Klassenzimmer, nur um zu sehen, dass Weasley ebenfalls noch auf sie gewartet hatte, obwohl sie ebenfalls zur nächsten Stunde hätte gehen müssen.
„Und?", fragte sie mit einem aufgeregten Blick und großen Augen – noch größer, als sie durch die Brille sowieso schon aussahen.
Einen Moment lang war Dakota abgeneigt, ihr irgendetwas zu sagen, immerhin war es nun eine Angelegenheit zwischen ihr und Professor Malfoy, aber dann erinnerte sie sich daran, dass es Weasley gewesen war, der sie das alles überhaupt verdankte. Und außerdem sah Minerva wirklich niedlich aus, wenn sie so aufgeregt war, da konnte Dakota eigentlich nicht Nein sagen.
Dakota runzelte die Stirn und verbannte solche Gedanken eilig aus ihrem Gehirn.
„In der schriftlichen Prüfung habe ich offenbar ein Ohnegleichen gehabt", erzählte Dakota.
Weasley klatschte einmal in die Hände und stieß dann eine Faust triumphierend in die Luft. Es war wirklich amüsant, wie sehr Weasley sich darüber freute, immerhin hatte es eigentlich gar nichts mit ihr zu tun. Dakota musste sogar ein wenig schmunzeln.
„Ha!", rief Weasley aus, „Ich hab es gewusst! Was hat Professor Malfoy sonst noch gesagt?"
„Er meint, dass er die weiteren Schritte noch mit Professor McGonagall besprechen muss", gestand Dakota und erlaubte sich sogar, kurz das Gesicht zu verziehen, „Wenn es nach mir ginge, würde ich sofort – heute noch – die Prüfung wiederholen und das alles hinter mich bringen."
„Es ist wenigstens ein Anfang", beruhigte Weasley sie aufmunternd, „Alles weitere wird sich dann schon fügen."
Da war Dakota sich sicher – sie selbst würde dafür sorgen. Sie öffnete gerade den Mund, um noch etwas zu sagen, aber da fiel ihr auf, dass weiter hinten im Gang noch jemand stand, der offenbar auf sie gewartet hatte.
Feli stand dort und blickte in ihre Richtung. Sie sah, wie Dakota sich mit Weasley unterhielt und an ihrem Blick konnte Dakota erkennen, dass sie all diese Informationen speicherte und archivierte, um sie später gegen sie zu benutzen.
Sofort war all die gute Laune, die Dakota bisher verspürt hatte, wie verpufft und ihre Miene wurde wieder kühl und neutral.
„Ich muss weiter, Weasley", sagte Dakota, ohne den Blick von Feli abzuwenden, „Wie sehen uns dann im Unterricht."
Weasley folgte ihrem Blick und ihre Schultern schienen geradezu zusammen zu sacken. „Klar", murmelte sie und schob nervös ihre Brille den Nasenrücken hoch, „Bis später."
Dakota stolzierte zu Feli, als wäre absolut nichts ungewöhnlich daran, dass sie mit einem Weasley sprach – und dann auch noch mit Minerva Weasley.
„Hast du auf mich gewartet?", fragte Dakota, als sie in Hörweite war.
Feli zögerte einen Moment, als würde sie sich überlegen, wie viel sie sagen konnte. „Was hast du denn mit diesem dreckigen Halbblut beredet?"
Dakota blickte kurz über ihre Schulter und sah, dass Weasley noch immer dort stand. „Nenn sie nicht so", tadelte Dakota Feli sofort. Sofort bereute sie es.
Bestimmt war Minerva schon außer Hörweite, es gab also keinen Grund für Dakota, sie zu verteidigen, aber es war beinahe schon instinktiv passiert.
Aber der Schaden war schon angerichtet und an Felis Blick erkannte Dakota, dass sie ihr gerade noch mehr Munition gegen sie gegeben hatte.
„Warum nicht?", fragte Feli gleichgültig, „Es stimmt doch!"
„Warum sollte man einfach herumgehen und Leute beleidigen?", fragte Dakota abwertend, und musterte Feli voller Abscheu und Missgunst, sodass Feli sich endlich wieder daran erinnerte, wer Dakota Valentine war, „Das ist doch Kinderkram! Ich finde, das gehört sich für eine anständige Dame nicht."
Feli wurde ein wenig rot und schien sich tatsächlich beschämt zu fühlen. „Stimmt... du hast recht", meinte sie, „Entschuldige."
Dakota machte eine abwinkende Handbewegung – alles vergeben und vergessen. „Warum hast du auf mich gewartet?"
„Was will Professor Malfoy die ganze Zeit von dir?", fragte Feli sie und begann nun vielsagend zu grinsen, „Du hast doch keine Affäre mit ihm, oder? Du kannst es mir sagen, ich werde auch nichts Xavier sagen!"
Dakota verzog angeekelt das Gesicht. „Natürlich nicht!", sagte sie bestimmt. Dakota überlegte sich, ob sie Feli erzählen sollte, was sich in den letzten Tagen ergeben hatte. Normalerweise sprach sie mit Feli und Xavier – oder sonst jemanden – nie über solche Themen. Aber dieses Mal hatte Dakota tatsächlich das Bedürfnis, ihrer besten Freundin zu erzählen, was mit ihrer Note war.
„Es hat sich herausgestellt, dass ich bei meiner Verwandlungsprüfung offenbar unfair benotet worden bin. Professor Malfoy versucht gerade zu organisieren, dass ich das ändern kann."
Feli runzelte die Stirn auf eine Art, die Dakota verriet, dass sie sie schon wieder überfordert hatte. Dakota konnte regelrecht die Zahnräder in Felis Kopf rattern hören.
„Aber... hast du in den ZAGs in Verwandlung nicht ein Erwartungen übertroffen gehabt?"
Dakota nickte. „Ja. Und?"
„Damit hast du dich für den Kurs qualifiziert", erinnerte Feli sie in einem Ton, als wäre Dakota zurückgeblieben, „also... warum die ganze Aufregung? Du hast so oder so bestanden!"
Dakota blinzelte. Professor Malfoy hatte ihren Ehrgeiz verstanden. Sogar Minerva – eine Ravenclaw – hatte es verstanden.
Aber Feli – eine Slytherin verstand es nicht und Dakota erinnerte sich wieder daran, dass Felis gesamter Ehrgeiz darauf beruhte, reich und einflussreich zu heiraten und so für Schulnoten oder sonstige Errungenschaften in ihrem Leben nichts mehr übrigblieb.
Sie – und Xavier auch nicht – würden nie verstehen, warum es Dakota so wichtig war.
„Wie auch immer", sagte Dakota zurückhaltend und schnaubte irritiert, „Ich muss gehen – ich habe jetzt eine Stunde."
„Willst du die nicht lieber schwänzen?", flehte Feli, „Ich muss bis zu meiner nächsten Stunde den Aufsatz für Zauberkunst fertig haben! Du könntest mir helfen!"
Dakota ging einfach, ohne auf sie zu achten. „Nein", sagte sie über ihre Schulter zurück und ließ Feli einfach stehen.
Sie hätte vor Frustration heulen und weinen und schreien können, aber sie war Dakota Valentine und sie heulte, weinte und schrie nicht. Sie blieb ruhig und zeigte nicht, was sie fühlte.
Aber den Frust wurde sie nicht ganz los und ein Teil von ihr war sich bewusst, dass sie und Feli in zwei verschiedenen Welten existierten.
Und warum musste Dakota dann auch noch in einer Welt existieren, in der sie nicht einmal mit Minerva sprechen konnte, ohne dass es einen kleinen Skandal in der Schule auslöste?
Dieses wundervolle Fan-Art verdanke ich @MooonlightFlower! In ihrem Buch findet ihr auch noch mehr Fanart, also schaut doch einmal dort vorbei!
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