#4
Der Oktober kam und Dakota konzentrierte sich wieder auf jene Aspekte in ihrem Leben, die ihr etwas bedeuteten. Sie lernte viel, las Bücher und blieb aktuell bei ihren derzeitigen Stunden.
Sie verbrachte auch Zeit mit Xavier und ihren Freunden aus Slytherin, aber diese Zeit fühlte sich so distanziert an, als würde Dakota nur einen Film ihres eigenen Lebens sehen, während sie sich langweilte.
Mit Weasley und ihren Freunden sprach Dakota kein weiteres Mal, aber Weasley war trotzdem überall – in den meisten ihrer Stunden, in der Bibliothek und in Hogwarts auf Gängen oder der Großen Halle.
Dakota versuchte sie zu ignorieren, aber das war gar nicht so einfach, wenn Weasley sie jedes Mal breit anlächelte und leicht winkte, wenn sie aneinander vorbeigingen und wenn Weasleys Blick immer wieder auf Dakota lag und Dakota Weasley immer wieder dabei erwischte, wie sie sie anstarrte.
Ihre Eltern würden Dakota vermutlich umbringen, wenn sie davon erfahren würden, aber hin und wieder nahm Dakota auch einmal ein Muggel-Buch in die Hand.
In einem hatte sie von menschlichem Verhalten gelesen – von einem Experiment, an das sie bisher nicht geglaubt hatte, aber langsam fragte sie sich, ob nicht doch etwas daran richtig war.
Beim Pawlowschen Hund hatte der Muggel-Forscher Pawlow das Verhalten von Hunden erforscht. Dafür hatte er – stark vereinfacht – jedes Mal eine Glocke geklingelt, wenn sein Hund etwas zu essen bekam. Der Hund lernte und reagierte bald immer auf die Glocke, auch dann, wenn er gar kein Essen bekam.
Es sollte also beweisen, dass man mit Geduld und Zeit ein Tier – oder vermutlich auch einen Menschen – dazu bringen konnte, positiv (oder auch negativ) auf etwas oder jemanden zu reagieren.
Dakota glaubte, dass Minerva Weasley genau das plante.
Jeden Tag sah Dakota sie mehrmals und jedes Mal begrüßte Minerva Weasley sie mit diesem strahlenden Lächeln, als würde sie sich wirklich darüber freuen, Dakota zu sehen.
Und Dakota wollte jetzt nicht irgendwie erbärmlich klingen oder herumjammern, aber sie konnte sich nicht daran erinnern, dass sie schon einmal jemand so angesehen hatte.
Nicht Feli. Nicht Xavier. Nicht einmal ihre eigenen Eltern.
Sie lächelten vielleicht, wenn sie Dakota sahen und begrüßten sie höflich und freundlich, aber nicht so, wie Minerva Weasley. Das war scheinbar ehrliche Freude. Dakota war von Weasleys Schauspielkünsten beeindruckt.
Es brauchte einige Wochen, aber irgendwann erwischte Dakota sich dabei, wie sie sich tatsächlich darauf freute, Weasley in Verwandlung zu sehen, weil sie wusste, dass Weasley sie wieder so wundervoll anlächeln würde, wie sie es jeden Tag machte.
Es war wirklich erbärmlich und Dakota wusste es, aber gleichzeitig wollte sie nicht, dass es jemals aufhörte. Wer sonst würde sie dann noch so ansehen?
Aber niemals – unter keinen Umständen – sprach Dakota noch einmal mit Weasley. Da war immer nur dieses kleine, ehrliche Lächeln und der ausdruckslose Blick von Dakota zurück, denn sie hatte ihr Poker-Face perfektioniert und niemals würde jemand erfahren, wie glücklich sie mittlerweile war, wenn sie etwas so banales sah, wie Weasleys Lächeln.
Ihre Eltern verabscheuten Minerva Weasley und ihre ganze Familie – niemals durfte Dakota mit ihnen gesehen werden oder mit ihnen sprechen (oder ihr Lächeln mögen).
Dakota bemühte sich, nicht ihr ganzes Leben von ihren Eltern kontrollieren zu lassen, aber sie würde sicherlich nicht wegen so etwas offen rebellieren.
Schon viel zu viele Vorgaben von ihren Eltern hatte Dakota in diesem Jahr jetzt schon ignoriert und so besuchte sie weiterhin Zaubertränke und Verteidigung gegen die dunklen Künste, ohne dass ihre Eltern davon erfuhren – vorerst jedenfalls.
Mitte Oktober wurde Dakota dann per Eule in das Büro von Professor McGonagall geladen und als sie dort ankam, erwartete sie nicht nur die Schulleiterin mit einem ernsten Blick im Gesicht, sondern auch Professor Fuego und Professor Lupin.
Dakotas Eltern hassten diese beide Professoren – Vater und Tochter.
Professor Lupin war ein Werwolf und einmal im Monat fehlte er für einen oder manchmal zwei Tage – der Lehrplan war von ihm extra so ausgerichtet worden, dass die Schüler an diesen Tagen selbstständig weiterarbeiteten oder ein anderer Professor einsprang. Jeder in Hogwarts wusste, dass Professor Lupin ein Werwolf war.
Professor Fuego war seine Tochter und damit zur Hälfte ebenfalls ein Werwolf – beinahe noch schlimmer in den Augen von Dakotas Eltern, die eine Verbindung von Werwolf und Nicht-Werwolf bizarr und widernatürlich fanden. Einige Eltern der Schüler beschwerten sich jedes Jahr darüber, dass ein Werwolf und ein Halb-Werwolf ihre Kinder unterrichten würden, aber die derzeitige Regierung im Zauberer-Vereinigten Königreich und Irland war eindeutig Pro-Werwolf, also waren diese Briefe kaum mehr als Pergamentverschwendung. Auch Dakotas Eltern hatten schon einige dieser Briefe verschickt und Dakota fühlte nichts als Scham, wenn sie daran dachte, dass Professor Lupin und Professor Fuego vermutlich wussten, dass Mr und Mrs Valentine sich tatsächlich die Zeit genommen hatten, einen – oder eher mehrere – hasserfüllten Briefe zu schreiben.
Dakota schätzte Professor Lupin und Professor Fuego aber.
Professor Lupin war ein wirklich ausgezeichneter Lehrer, achtete auch auf individuelle Lehrmethoden bei besonderen Fällen, war offen für alles und gestaltete seinen Unterricht abwechslungsreich. Und er zwang sich selbst niemanden auf.
Professor Lupin schien genau zu wissen, welche Schüler sich vielleicht vor einem Werwolf wie ihn am Anfang – oder auch später – fürchteten, und er behielt Abstand zu diesen, sprach sie kaum direkt an und gab ihnen Zeit, um sich an ihn zu gewöhnen. So hatte es jedenfalls Dakota erfahren und noch immer war Professor Lupins „Beziehung" zu ihr – und natürlich vielen anderen ihrer Freunde aus Slytherin – distanzierter als zu anderen.
Professor Fuego war einfach nur nett. Sie lächelte viel, kümmerte sich um ihre Schüler beinahe schon liebevoll und schien Berge zu versetzen, um den Studierenden die Kunst von Zaubertränke beizubringen.
Beide Professoren waren außerdem intelligent – jedenfalls intelligent genug, dass Dakota sie schätzte. Sie konnten Fragen beantworten – jedes Mal, wenn Dakota eine stellte, auch wenn sie komplex war. Einmal hatte Professor Lupin die Antwort auf eine Frage von Dakota nicht – sofort – gewusst, aber in der nächsten Stunde hatte er ihr eine genaue und ausführliche Antwort geben können.
Dakota schätzte so etwas einfach und wie so häufig hatte sie ihre Bildung über die zurückgebliebenen Meinungen ihrer Eltern gestellt. Sie besuchte gerne die Kurse in Zaubertränke und Verteidigung gegen die dunklen Künste und auch der Brief ihrer Mutter hatte nichts daran geändert.
Sie musste aber trotzdem nicht gleich beste Freunde mit Professor Lupin und Professor Fuego werden.
„Miss Valentine", begrüßte Professor McGonagall sie mit einem steifen nicken, „Kommen Sie herein! Setzen Sie sich!"
Dakota ging mit erhobenem Kopf zu dem freien Stuhl der Schulleiterin gegenüber – die beiden anderen Professoren standen an der Seite, ihre Gesichter ebenso ernst.
„Guten Tag, Professor McGonagall", begrüßte Dakota sie höflich, „Ich hoffe doch, es ist alles in Ordnung?"
„Sagen Sie es mir", meinte McGonagall und legte vor Dakota einen Brief. Dakota erkannte sofort die Schrift ihres Vaters und seufzte. Sie musste den Brief nicht lesen, um zu wissen, dass das nichts Gutes bedeutete – für sie. „Dieser Brief ist gestern angekommen. Ihr Vater, Mr Valentine verlangt, dass Sie nicht weiter die Kurse Zaubertränke und Verteidigung gegen die dunklen Künste besuchen."
Das erklärte wohl Lupin und Fuego. Dakota hätte am liebste geschrien, geweint, geheult und geflucht. Am liebsten wäre sie sofort nach Hause gegangen und hätte ihren Vater und ihre Mutter angeschrien, wie sie auf die Idee kamen, sich so in ihr Leben einzumischen. Sie hätte sie verflucht – vielleicht nur verbal, aber so wütend, wie Dakota sich in diesem Moment fühlte, vielleicht sogar mit Magie.
Aber diese Gefühle sah man Dakota nicht an. Nach außen hin blickte sie ruhig auf den Brief, der vor ihr auf dem Tisch lag und ebenso ruhig hob sie den Kopf und blickte Professor McGonagall direkt an.
„Ich muss mich für meine Eltern entschuldigen – sie benehmen sich beschämend taktlos", bemerkte Dakota bissig.
Professor Fuego machte ein amüsiertes Geräusch, aber Professor McGonagall blieb ernst.
„Miss Valentine, Sie sind noch minderjährig, ich muss diesen Wünschen ihrer Eltern nachgehen", redete die Professorin auf sie ein.
Dakota blieb weiterhin ruhig. „Das ist in Ordnung, Professor."
Professor McGonagall sah sie überrascht an und hob eine Augenbraue. „Ich dachte, Sie wären ehrgeiziger als das, Miss Valentine", tadelte sie Dakota streng.
„Sie haben es selbst gesagt: Ich bin minderjährig", erinnerte Dakota sie kühl, „und jegliche Möglichkeiten, um weiterhin diese Stunden zu besuchen, würden in eine Richtung führen, die ich nicht beschreiten will. Ich will keinen Krieg mit meinen Eltern beginnen – jedenfalls nicht so und noch nicht jetzt."
Professor McGonagall blinzelte überrascht.
Dakota war noch nicht fertig, aber sie machte eine kurze Sprechpause – einfach nur wegen der Dramatik. „Nächsten Monat – Ende November werde ich siebzehn und damit volljährig. Dann können meine Eltern nicht weiter über mich bestimmen und ich kann die Stunden wieder besuchen. Wenn die Professoren Lupin und Fuego kooperativ sind –" Dakota blickte zu den beiden Professoren, die noch nichts gesagt hatten, aber danebenstanden. „– könnte ich dann wieder den Anschluss finden."
„Wir geben dir einfach unsere Lehrpläne – ich kann dir auch alles zusammenschreiben, das ich in den nächsten Wochen beibringen werde", schlug Professor Fuego heiter vor und lächelte freundlich, „Wenn du willst, dann kann ich dir auch Nachhilfe geben – natürlich offiziell in anderen Fächern, aber ich bringe dir dann in Privatstunden die verpassten Zaubertränke bei. Ich habe mir den Brief deines Vaters genau durchgelesen – er hat nur geschrieben, dass du die Fächer nicht mehr besuchen darfst, aber er hat nicht gesagt, dass wir dich nicht mehr unterrichten dürfen."
Professor McGonagall, Professor Lupin und sogar Dakota sahen die Zaubertrank-Professorin leicht verstört an.
„Ich bin eigentlich schon gar nicht mehr überrascht, dass du jetzt schon so viele Wege gefunden hast, um die Regeln zu umgehen, Tia", seufzte Professor Lupin müde und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht.
Einen Moment lang fragte Dakota sich, wie das Privatleben dieser beiden Professoren ausgesehen hatte. Sie hatte Professor Fuego in den letzten Jahren ziemlich gut kennenlernen dürfen und nun fragte sie sich, wie wohl ihre Erziehung ausgesehen hatte. Was hatte Professor Lupin getan, dass Professor Fuego so geworden war, wie sie war? Wie war Fuego als Kind gewesen? Wie als Schülerin? Dakota wollte lieber nicht darüber nachdenken, es war immer seltsam, sich seine Lehrer als Kinder oder im privaten Leben vorzustellen.
„Ich bin einfach nur so... so...", Fuego runzelte die Stirn, „so wütend." Dakota hob beeindruckt eine Augenbraue – Fuego war niemals wütend und selbst jetzt sah sie nicht wirklich wütend aus, aber wenn sie es sagte, musste es wohl stimmen. Dakota war auch nicht so gut darin, ihre inneren Gefühle nach außen preiszugeben. „Dakota, ich hoffe doch, dass deine Eltern zu Hause mit dir nicht genauso reden, wie sie es mit mir in diesen schrecklichen Briefen tun!"
Meistens nicht. „Nein, ich bin eine gute Tochter", sagte Dakota tonlos, „Sie nerven nur. Ich kann nicht glauben, dass sie so dämlich sind und ihren Hass meiner Bildung vorziehen." Aber du musst ja nicht gebildet sein, wenn du eine gute Hausfrau sein willst. „Ich entschuldige mich für sie."
„Du solltest dich nicht für deine Eltern entschuldigen", meinte Lupin ruhig, „Die Herkunft bestimmt nicht den Charakter."
„Ich liebe meine Eltern", sagte Dakota kühl, „Sie sind nur etwas entfremdet vom Leben in der Schule." Es war eine Lüge und so, wie Professor Lupin sie ernst anblickte, wusste er das genau.
Aber er neigte leicht den Kopf und meinte schlicht: „Natürlich. Verzeihung."
„Ich hoffe, Sie wissen, dass das viel Arbeit für Sie bedeuten wird, Miss Valentine", erinnerte Professor McGonagall sie besorgt.
„Das wird kein Problem sein – ich habe ja dann mehr Freizeit", winkte Dakota ab.
„Ich bin mir sicher, Dakota kann damit umgehen", nickte auch Professor Lupin, „Sie ist eine ausgezeichnete und begabte Hexe – meist hat sie den Stoff schon verinnerlicht, bevor wir mit den Themen beginnen."
„Ich bin gerne vorbereitet", sagte Dakota nur und ließ sich nicht anmerken, wie viel ihr dieses Kompliment bedeutet hatte. „Professor McGonagall, ich habe nur noch eine Bitte", wandte sie sich noch einmal an die Schulleiterin, „Schreiben Sie bitte an meinen Vater zurück. Schreiben Sie, dass Ihnen dieses Missverständnis leidtut, dass seine Tochter – also ich – natürlich nicht weiter diese Fächer besuchen darf und vielleicht fällt Ihnen noch ein unbedeutendes Kompliment zu seiner Person ein – irgendetwas, dass es wichtig ist, Prinzipien zu haben und auch zu denen zu stehen. Das wird ihm gefallen."
„Oh, ich mag, wie du denkst", lachte Fuego amüsiert und dieses Mal schmunzelte auch Professor Lupin leicht.
„Sie können auch noch hinzufügen, dass darüber nachgedacht wird, mich und Tia für einige Zeit zu suspendieren. Achten Sie nur darauf zu unterstreichen, dass nur Sie diese Überlegung haben – sonst müssen Sie uns wirklich noch suspendieren", schlug Lupin vor.
„Sie überlegen, uns zu suspendieren?", fragte Professor Fuego erschrocken an Professor McGonagall gewandt, die nicht einmal überrascht davon schien, dass Fuego die Andeutung nicht verstanden hatte.
Es war Professor Lupin, der kurz erklärte, als würde er das häufiger tun: „Nicht wirklich, Tia."
„Oh."
Dakota sah ihre Professoren einen Moment lang ungläubig an, bevor sie wieder zu ihrem gefassten Zustand zurückkehrte. Sie war aber überrascht davon, wie bereitwillig Fuego und Lupin halfen, ihren Vater hereinzulegen.
Professor McGonagall aber rümpfte unzufrieden die Nase. „Ich glaube nicht, dass das möglich ist, Miss Valentine."
Dakota seufzte. „Bitte, Professor", sagte sie ernst, „Mit so einem Brief wäre er zufrieden – wenigstens für einige Zeit. Ich will nicht, dass er mir bis November auch noch verbietet, Arithmantik und Alchemie bei Professor Cain zu besuchen, weil sie eine Muggelgeborene ist... Ich mag diese Stunden wirklich gerne..."
Professor McGonagall sah sie noch einen Moment lang unschlüssig an. „Nun... in diesem Fall könnte ich wohl noch in einem Satz hinzufügen, wie beeindruckt ich von seiner derzeitigen Politik in seiner Abteilung bin."
Dakota lächelte leicht und nickte dankbar.
„Wir hassen seine Politik", bemerkte Fuego wieder verwirrt und runzelte die Stirn, „Reuben und Michelle Valentine sind eine der letzten Angestellten im Ministerium in höheren Positionen, die sich gegen die Reformationen im Umgang mit Werwölfen und auch anderen aussprechen und– oh... wartet... das war wieder nicht ernst gemeint, oder?"
„Ganz genau, Tia", bestätigte Lupin amüsiert und lächelte leicht.
„Vielen Dank", sagte Dakota und es fiel ihr nicht wirklich leicht, aber sie brachte die Worte heraus, „Ich weiß Ihre Hilfe zu schätzen."
„Hier in Hogwarts wird niemanden Bildung verwehrt, wenn er danach strebt", verkündete Professor McGonagall beinahe schon feierlich, „und wenn ein Schüler oder eine Schülerin nach Hilfe fragt, bekommt dieser oder diese die auch!"
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