#2
Nach Verwandlung hatte Dakota erst einmal Ruhe vor Feli und Xavier, denn keiner von beiden besuchte den Alchemie-Kurs, den die Schule für alle Sechst- und Siebtklässler nach deren ZAGs anbot, wenn es genug Interessierte gab.
Professor Cain, die die Schüler auch in Arithmantik unterrichtete, hatte im Jahr zuvor dieses Fach angepriesen und alle dazu eingeladen, es zu belegen, damit sie es dieses Jahr in diesem Jahrgang unterrichten konnte. Es waren nicht wirklich viele gekommen, aber immerhin waren sie zu neunt.
Neben Dakota war nur noch Miles Bletchley aus Slytherin in diesem Kurs – der Rest setzte sich aus einer Mischung aus den anderen Häusern zusammen und zu Dakotas Missgunst sah sie, dass sie nicht vollkommen Frieden haben würde. Minerva und Louis Weasley, sowie die dritte in dieser Gruppe – eine dunkelhäutige Gryffindor mit Kopftuch, deren Name Dakota nicht einmal kannte, aber sie war immer in der Nähe von Weasley und Wesley – waren ebenfalls gekommen und Dakota setzte sich in die erste Reihe, um weit weg von ihnen zu sein.
Miles Bletchley setzte sich zu ihr – wahrscheinlich aus Mangel an Alternativen.
„Valentine", begrüßte er sie und Dakota lächelte leicht, um ihm eventuell das Gefühl zu geben, dass er in ihrer Nähe willkommen war, obwohl er das überhaupt nicht war, „Dich hab ich hier sicher nicht erwartet!"
„Warum nicht?", fragte Dakota. Eigentlich interessierte es sie nicht, beziehungsweise konnte sie sich den Grund schon denken, aber um eine hirnlose Unterhaltung wie diese aufrecht zu erhalten, musste man auch einmal Fragen stellen, deren Antwort man nicht wissen wollte oder schon kannte.
„Wegen Cain", rief Bletchley aus und lachte über seinen eigenen Witz. „Als ich gehört habe, dass sie es unterrichtet, hab ich es mir schon noch einmal überlegt, immerhin ist sie ein Schlammblut."
Dakota lächelte nur leicht gezwungen und hoffte, dass damit dieses unangenehme Gespräch beendet war, aber eine Stimme von hinten stachelte es wieder an.
„Keiner zwingt dich hier zu sein, Bletchley!"
Dakota blickte über ihre Schulter und erkannte, dass es diese Freundin mit dem Kopftuch von Weasley gewesen war, die das gesagt hatte – ebenfalls eine Muggelgeborene, wie Dakota – und jeder Slytherin – wusste. Sie funkelte Bletchley wütend an und sah so aus, als wäre sie bereit, Bletchley körperlich anzugreifen.
Die Gryffindor war groß, aber sehr dürr und eher in die Länge gezogen. Minerva Weasley spielte Quidditch, aber diese Muggelgeborenen-Freundin nicht, das wusste Dakota, obwohl sie selbst nicht spielte.
Bletchley war ebenfalls groß, eher sportlich und spielte Quidditch als Hüter, neigte aber dazu, sich selbst zu überschätzen.
Es wäre also ein interessanter Kampf.
Weasley wollte das aber wohl nicht sehen, denn sie legte eine Hand auf die Schulter des Mädchens und beruhigte sie: „Komm schon, Rabia – er ist es nicht wert..."
Bletchley schnaubte abfällig, als das Mädchen – ihr Name war wohl Rabia – sich wieder zu beruhigend schien, aber sie warf ihm noch immer tödliche Blicke zu.
Dakota blickte zu Weasley und bemerkte, dass sie sie schon ansah. Minerva wurde rot und blickte schnell weg, während Dakota ihren kühlen Blick noch etwas länger auf ihr behielt, bevor sie sich abwandte.
„Hast du das gesehen?", fragte Bletchley abfällig.
Nein, ich bin nicht nur blind, sondern auch noch taub und absolut dämlich, also habe ich überhaupt nicht diesen Aufruhr in diesem kleinen Klassenzimmer mitbekommen. „Ja." Die Antwort von Dakota war eindeutig weniger sarkastisch.
„Absolut erbärmlich", schnaubte Bletchley, fast so, als hätte Dakota auch nur einen Moment die Andeutung gemacht, dass es sie interessierte, „Ich denke noch immer, dass man Schlammblüter nicht zusammen mit uns unterrichten sollte – das ist doch hinderlich! Sie halten uns nur zurück, denkst du nicht?"
Dakota dachte das tatsächlich – aber mit der ganzen Schule. Jeder. Einzelne. Schüler hielt sie zurück und verlangsamte ihre Schulbildung mit lächerlichen Fragen, unnötigen Störungen, Kommentaren oder Witzen während der Stunde. Nein, Dakota sollte sich korrigieren: Tatsächlich wäre ihr noch nie aufgefallen, dass die schlimmsten der Halbblüter und Muggelgeborenen – also die Weasleys, diese Rabia oder sonst welche – so häufig gestört hätten, wie Feli oder Xavier, beides reinblütige Slytherins.
„Sie hat aber recht", murmelte Dakota leise und bereute es sofort wieder, als Bletchley sie verwirrt ansah, aber jetzt gab es kein Zurück mehr, „wenn du nur hier bist, um dich über Cain zu beschweren, kannst du gleich gehen. Und wenn du vorhast, dich im Unterricht bei mir über Cain – oder jemand anderen – zu beschweren, kannst du dich gerne woanders hinsetzen! Ich bin nämlich hier, um etwas zu lernen und es interessiert mich sicherlich nicht, ob Cain eine Muggelgeborene, ein Halbblut oder Reinblut ist, denn mich interessiert nur das, was sie mir beibringen kann, hast du das verstanden? Und jetzt halt die Klappe!"
Bletchley sah sie genauso dämlich an, wie jeder andere auch, der schon einmal Opfer von einem von Dakotas seltenen Aussetzern geworden war – dabei begann sie nie zu schreien.
Xavier hatte sie diesen Vortrag schon gehalten. Feli auch. Beide waren ein paar Stunden beleidigt gewesen, hatten es dann aber gleich wieder vergessen – mit ihren Goldfisch-Gehirnen – und hatten am nächsten Tag einfach weitergemacht wie zuvor, bis bei Dakota wieder einmal der Geduldsfaden riss und der Kreislauf von vorne begann.
So wie es aussah, würde es bei Bletchley gleich laufen, denn er schmollte vor sich hin und sagte kein Wort mehr zu ihr.
Dakota störte das nicht. Bletchley schien keine sonderlich interessante Person zu sein, also wollte sie überhaupt nicht mit ihm sprechen. Seine „strafende" Stille würde angenehm sein.
Professor Judith Cain betrat den Klassenraum und die wenigen anwesenden Schüler verstummten.
„Willkommen!", begrüßte Cain sie. Dakota hatte schon immer gefunden, dass sie eine angenehme Stimme hatte. Sie war auch außerordentlich intelligent und verstand was von ihrem Fach und vom Leben, war schlagfertig und trotzdem charmant und charismatisch, wie Dakota schon in ihrem dritten Jahr in Hogwarts gelernt hatte – in der ersten Stunde Arithmantik.
Ihre Eltern hatten sie in den Ferien zuvor vorgewarnt, dass der Unterricht bei Cain wohl nicht so werden würde, wie sie sich das vorstellte, nachdem Cain eine Muggelgeborene war – wie kompetent konnte sie dann schon sein?
Aber Cain bewies das Gegenteil und zuerst hatte Dakota gedacht, dass sie einfach nur niedrige Erwartungen gehabt hatte, aber jedes Mal, wenn Dakota dann ihre Erwartungen höher geschraubt hatte, hatte Cain eine Antwort parat gehabt.
Immer komplexer waren Dakotas Fragen geworden und doch hatte Cain immer ohne zu zögern antworten können und die Antworten waren stets befriedigend und richtig gewesen.
Irgendwann hatte Dakota also aufgehört, Cain zu testen und einfach akzeptiert, dass Cain wohl eine Ausnahme in dieser Muggelgeborenen-Regel ihrer Eltern darstellte. Ein Jahr später hatte sie dann langsam angefangen zu verstehen, dass Cain keine Ausnahme war. Seitdem hatte sich viel für Dakota verändert, aber natürlich sprach sie mit niemanden darüber.
Wem hätte sie schon von ihren Erkenntnissen erzählen sollen? Xavier? Das hatte sie versucht, aber er hatte sie ausgelacht und an dem Glauben festgehalten, dass er Muggelgeborenen überlegen war.
Feli hatte ihr nicht einmal zugehört und hatte deswegen auch keine Diskussion mit ihr führen können.
Ihre Eltern hatten ähnlich reagiert und waren eine Mischung aus Feli und Xavier gewesen.
Dakota hatte also gelernt, ihre Erkenntnisse still und leise für sich zu behalten und einfach zu nicken, während andere Unsinn redeten. Es war nicht einfach, aber wohl das, was man von ihr erwartete.
„Wie schön, dass sich doch einige für diesen Kurs hier angemeldet haben – Alchemie. Kann mir vielleicht zuerst jemand sagen, was wir unter Alchemie verstehen?", fragte Cain in die Runde.
Dakota hob die Hand – langsam, damit es für Bletchley nicht so aussah, als hätte sie Spaß.
„Da war Miss Weasley wohl etwas schneller als Sie, Miss Valentine", bemerkte Cain und Dakota blickte über die Schulter zurück zu Weasley, die rot geworden war, aber die Hand noch unsicher in der Luft hielt, „Miss Weasley, würden Sie uns einen ersten Vorschlag bieten?"
Dakota ärgerte sich über sich selbst und über Weasley zugleich. Wäre sie schneller gewesen, hätte sie ihre Antwort nun sagen können. Gleichzeitig aber bewies Weasley wieder einmal, dass sie Dakota immer im Weg stehen musste. Warum konnte Dakota nicht eine Stunde Ruhe vor ihr haben?
„Die Alchemie beschäftigt sich mit der Untersuchung der Zusammensetzung, Struktur und magische Eigenschaften der vier Grundelemente, oder nicht? Und... der Umwandlung von Substanzen", antwortete Weasley.
Cain nickte stolz. „Ganz genau! Klingt etwas komplex, ist es aber nicht. Eigentlich kennen wir diese Wege der Magie alle schon – weiß jemand, woher?"
Keiner meldete sich. Dakota hob die Hand.
„Miss Valentine, nun haben Sie Ihre Chance!", freute sich Cain.
„In Zaubertränke, Professor", antwortete Dakota mit tonloser Stimme, „Die Alchemie ist eng mit der Kunst des Zaubertrankbrauens verwandt, benutzt aber zum Teil auch andere Wege und Mittel. Man könnte schon beinahe sagen, dass Alchemie eine Art der experimentellen Zaubertrankbrauerei ist."
„Ah, ich merke, Sie haben wohl das Buch von Anjali Avalos gelesen? Alchemie im Alltag. Die Zusammenhänge von Alchemie und allgemeiner Magie?", fragte Cain mit einem verschmitzten Lächeln.
Dakota kannte das Buch – sie hatte es aus der Bücherei ausgeliehen, nachdem sie es auf der Literaturliste ihres Schulbuches der Alchemie gesehen hatte.
„Ich habe es erst angefangen", gestand Dakota, „Gestern."
„Aber Sie haben es wohl verstanden", freute Cain sich, „Wie immer sind Sie ausgezeichnet vorbereitet!"
Dakota nickte leicht, um ihre Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen, aber nicht zu sehr. Innerlich aber freute sie sich wirklich über diese Worte – Anerkennung war immer schön.
„Professor, ich habe das noch nicht ganz verstanden!", meldete sich ein Ravenclaw-Schüler und sofort verschwand die gute Laune von Dakota wieder.
Immer, wenn sie das Gefühl hatte, endlich einmal gefordert zu werden, unterbrach jemand anderer den Fluss und sie fühlte sich wieder so, als würden alle anderen in Zeitlupe denken.
„Nun, Mr Sawyer, vielleicht klärt sich Ihre Frage im Laufe der Stunde", schlug Cain vor und Dakota seufzte erleichtert auf – Cain enttäuschte sie in dieser Hinsicht nie. „Fahren wir also fort – klären wir zusammen, was es genau mit der Alchemie auf sich hat!"
Nach der Hochphase in Alchemie ging alles wieder bergab, als Dakota gezwungen war, zu Zauberkunst zu gehen.
Dort traf sie wieder auf Xavier, dem sie seit dem Frühstück zum Glück aus dem Weg hatte gehen können, aber nun winkte er ihr schon, sobald sie die Klasse betrat und Dakota musste sich zusammenreißen, damit sie nicht die Augen verdrehte.
„Hey, Baby", begrüßte Xavier sie mit einem schiefen Grinsen, „Wie waren deine Stunden?"
„Gut." Dakota hielt Unterhaltungen mit Xavier grundsätzlich kurz, nachdem sie seine kurze Aufmerksamkeitsspanne kannte und sich nicht selbst frustrieren wollte, wenn sie mitten im Gespräch erkannte, dass er ihr schon gar nicht mehr zuhörte.
Xavier war mit der knappen Antwort zufrieden und als Dakota sich setzte, lehnte er sich für einen Kuss zu ihr.
Dakota küsste ihn kurz. Er hatte sich noch immer nicht die Zähne geputzt – das schmeckte sie schon nach diesem kurzen, schnellen Kuss. Dakota lächelte gepresst und versuchte nicht das Gesicht zu verziehen, als Xavier seine Hand auf ihren Oberschenkel legte. Dort würde sie auch die ganze Stunde über bleiben, wie Dakota wusste. Sie hatte nichts gegen Berührungen, aber sie konnte diese dauerhaften, anhaltenden und doch intimen Berührungen in der Öffentlichkeit von Xavier einfach nicht genießen.
Feli schien da immer anders zu sein und sobald sie neben ihrer neuesten Romanze saß, konnte sie kaum die Hände bei sich behalten und sie schien es auch nicht zu stören, wenn ihr Partner ähnlich war, aber Dakota wünschte sich meist, dass Xavier einfach auf Abstand blieb, wenn sie sich konzentrieren wollte.
Aber Xavier war ihr Freund, also musste sie wohl akzeptieren, wenn er ihre Hand halten wollte, eine Hand auf ihren Oberschenkel legte, ihren Nacken küsste, wenn sie lernte oder las oder er sie grundsätzlich ohne Vorwarnung auf einmal berührte, ihr auf den Hintern schlug oder an die Brüste griff.
Xavier lehnte sich zu ihr vor und murmelte leise in ihr Ohr: „Du siehst heute wirklich gut aus."
Ein ganz normales Kompliment, wenn Xavier ihre Aufmerksamkeit haben wollte. Manchmal hatte Dakota das Gefühl, dass Xavier sich einfach nur ein paar Komplimente aufgeschrieben hatte und diese immer wieder wiederholte, wenn er sie ins Bett bringen wollte. Am Anfang ist es vielleicht ganz nett gewesen, aber irgendwie fehlte Dakota in diesen Worten immer irgendetwas. Dieses Mal aber überraschte Xavier sie, indem er noch hinzufügte: „Ich mag, was du heute mit deinen Haaren gemacht hast."
Dakota mochte ihre Haare an diesem Tag auch. Für den ersten Tag zurück in Hogwarts hatte sie sich Mühe gegeben und sie hatte sich mit kleinen Haarspangen mit kleinen Amethysten einzelne Strähnen ihres blonden Haares zurückgesteckt und diese gelockt, damit sie einen niedlichen Kontrast zu ihren sonst glatten Haaren bildeten. Sie war extra früher aufgestanden, um dieses Kunstwerk herzurichten, aber bisher hatte sie noch niemand darauf angesprochen.
Es war schön, einmal für etwas komplimentiert zu werden, das man selbst schätzte.
„Oh, danke, ich habe diese Spangen aus –" Weiter kam Dakota nicht.
Leider war Xavier ein Idiot und hatte mit diesem Kompliment wohl nur einen Glückstreffer erzielt, den er mit seinen nächsten Worten gleich wieder ruinierte: „Ich mag deine Haare aber lieber so, wie sie sind, nachdem wir Sex hatten."
Es war unelegant, unangebracht und unpassend, aber Xavier grinste sie stolz an, als wäre er der Meinung, ihr gerade ein wirklich tolles Kompliment gemacht zu haben. Es war schon beinahe mitleidserregend, wie stolz er auf sich war, während Dakota sich fragte, warum sie überhaupt mit so einem Idioten zusammen war.
Dann erinnerte sie sich daran, dass Xavier ein Idiot war und es wahrscheinlich wirklich nicht besser wusste. Er hatte auch seine guten Seiten... Dakota fielen gerade keine ein, aber er hatte sie bestimmt. Er sah wahrscheinlich ganz gut aus...
Also lächelte Dakota und kicherte nervös, bevor sie das Zauberkunst-Buch aufschlug. Sie hatte es schon in den Ferien gelesen, aber sie wollte und konnte Xavier gerade nicht ansehen, ohne ihm eine verpassen zu wollen.
„Was sagst du, Babe?", fragte Xavier leise und grinste, „Ich habe gleich danach eine Freistunde."
„Nein."
„Nein?", wiederholte Xavier und schmollte, wie ein kleines Kind – das er wahrscheinlich im Kopf auch war, „Warum nicht?"
„Weil ich keine Freistunde habe", erinnerte Dakota ihn an ihren volleren Stundenplan.
„Komm schon", jammerte Xavier.
Am liebsten hätte Dakota ihm erklärt, dass nicht jeder so ein Idiot sein konnte wie er und andere noch schulische Verpflichtungen hatte, die Xavier wohl nicht interessierten, und dass es egoistisch von ihm war, von ihr zu verlangen, ihre Stunden zu schwänzen, damit sie Sex haben konnten. Aber natürlich sagte Dakota ihm das nicht. Stattdessen lächelte sie mit einem – wahrscheinlich – entschuldigenden Lächeln und strich ihm über die Wange. „Ich kann doch nicht schon am ersten Tag schwänzen, Schatz. Das sieht nicht gut aus. Aber das Jahr ist ja noch lang."
Das munterte Xavier auf. „Du hast Recht", erkannte er und küsste ihr auf die Wange, „Ich wünschte mir nur, du würdest nicht so viele Stunden haben."
So ist das eben, wenn man eine intelligentere Freundin hat. „Ich weiß, ich auch."
Professor Flitwick betrat zusammen mit Minerva Weasley den Raum und Dakota fragte sich, ob es ihr Schicksal war, dieses Jahr nur von Weasley verfolgt zu werden. Bisher hatte sie sie in allen ihren Stunden gesehen, was vermutlich daran lag, dass Weasley – so wie Dakota sie einschätzte – ebenfalls viele ZAGs bestanden hatte.
Dann sah Weasley plötzlich direkt zu ihr und wurde schon wieder rot, als sie wohl bemerkte, dass Dakota ihr Eintreten beobachtet hatte, bevor sie sich schnell neben Louis Weasley niederließ und leise mit ihm zu sprechen begann – worüber konnte Dakota natürlich nicht hören.
Flitwick ging nach vorne und begann seine Stunde – er sprach über UTZ-Level Aufgaben und den Lehrplan für dieses Jahr und Dakota erwischte sich dabei, wie sie sich wünschte, dass die Stunde vorbei war.
Nach der Stunde blieb Dakota noch etwas länger zurück, um so zu tun, als würde sie für das Zusammenpacken ihrer Sachen länger brauchen, damit sie nicht von Xavier begleitet wurde. Dieser hatte zum Glück nicht genug Geduld, um auf sie zu warten und ging schon einmal vor, um seine Freistunde zu genießen.
Auf Dakota wartete nun eine Doppelstunde Zaubertränke vor dem Mittagessen, wo sie Xavier wiedertreffen würde.
Allein ging sie in Richtung Kerker, als jemand ihren Namen rief und Dakota war so überrascht davon, dass sie tatsächlich stehenblieb und über die Schulter zurückblickte. Sie erkannte die Stimme nicht sofort und erkannte leider auch schnell, warum – noch nie hatte Minerva Weasley ihren Namen gerufen und doch war sie es, die sich nun mit hochrotem Kopf beeilte, Dakota einzuholen.
Dakota hätte einfach gehen können – vielleicht hätte sie das auch tun sollen.
Aber eigentlich würde sie in zwei Monaten schon siebzehn werden – dann war sie erwachsen und eine erwachsene Frau ignorierte Leute nicht einfach. Sie musste ja nicht gleich Freundschaft mit Weasley schließen – das würde nie passieren. Sich aber anzuhören, warum Minerva Weasley auf einmal ihren Namen quer durch die Schule rief, machte Dakota neugierig, also lohnte es sich wahrscheinlich, stehenzubleiben und zuzuhören.
„Weasley", begrüßte Dakota sie tonlos.
„Hey, Dakota", erwiderte Weasley und ihr Blick glitt zu Dakotas Kopf.
Dakota runzelte die Stirn, als Weasley einfach nur vor ihr stand und ihren Kopf anstarrte, als hätte sie dort eine dicke Spinne oder vielleicht doch eher einen Käfer – obwohl Weasley nicht angeekelt aussah. Aber ihrem Kleidungsstil nach, würde es Dakota nicht wundern, wenn sie ein großer Fan von Spinnen und Käfern war.
„Weasley?", sagte Dakota mit einem genervten Tonfall und riss diese damit aus ihren Gedanken.
„Oh, entschuldige, ich habe nur... das ist eine wirklich wunderschöne Frisur. Und... diese Spangen sind einfach nur unglaublich – sie passen wirklich ausgezeichnet zu deinen Augen!" Einen kurzen Moment lang blickte Weasley Dakota direkt in die blauen Augen.
Dakota blinzelte verwirrt.
„Danke", sagte sie gefasst und nickte dankbar, aber zurückhaltend, „ich habe sie diesen Sommer in Frankreich gekauft."
„Sie sind wirklich wundervoll", hauchte Weasley und blickte wieder auf die Frisur mit einem verzückten Gesichtsausdruck, „Du hast grundsätzlich ein Talent für wunderschöne Frisuren, das wollte ich dir schon lange einmal sagen, Dakota. Machst du sie dir selbst?"
Dakota runzelte die Stirn. Was wollte Weasley? „Jaah...?"
„Oh, entschuldige, ich halte dich auf!", rief Weasley aus und riss erschrocken die Augen hinter ihrer Brille mit dicken, schwarzen Rahmen auf, „Bist du auch auf dem Weg zu Zaubertränke?"
Noch ein Fach, dass Dakota und Weasley wohl beide bestanden hatten. Sie würde dieses Jahr – oder das nächste – wohl keine Ruhe vor ihr haben.
„Jaah?"
„Wir können unterm Gehen reden", beschloss Weasley und sah Dakota einen Moment lang verunsichert an.
Dakota verstand nicht ganz, wie Weasley auf einmal auf die Idee gekommen war, mit ihr zu sprechen und warum sie sich genau diesen schrecklichen Tag ausgesucht hatte, aber Dakota hatte gelernt, dass Leute immer ein Motiv hatten und Dakota würde herausfinden, was Minerva wirklich vorhatte.
„Womit kann ich dir helfen, Weasley?", fragte Dakota und ging einfach los. Weasley blieb noch einen Moment länger wie erstarrt stehen, bevor sie sich bemühte, Dakota wieder einzuholen.
„Nun – ich brauche nicht direkt deine Hilfe, aber...", Weasley wurde rot, „Ich... ich habe etwas gehört."
„Tatsächlich? Fast so, als hättest du Ohren", bemerkte Dakota sarkastisch.
„Stimmt es, dass du mit Verwandlung aufhörst, für... für deinen Freund?", fragte Weasley und Dakota sah sie kurz von der Seite an.
Sie konnte sich nicht erklären, warum Weasley sie darauf ansprach oder was sie damit erreichen wollte und das gefiel Dakota überhaupt nicht.
„Ich weiß nicht, was dich das angehen sollte", meinte Dakota kühl und beschleunigte ihren Schritt. Weasley war vielleicht etwas größer als sie und Dakota trug ziemlich hohe Schuhe, aber trotzdem hatte die Rothaarige Probleme damit, Schritt zu halten, ohne gleich zu rennen.
„Tut es nicht, stimmt", stammelte Weasley, „aber... aber ich wollte nur, dass du weißt, dass du nicht mit Verwandlung aufhören solltest, Dakota."
Dakota hob amüsiert eine Augenbraue und lächelte leicht. Weasley wurde ganz rot im Gesicht und wich ihrem Blick aus.
„Tatsächlich?"
„Ja", nickte Weasley bestimmt, „Du– du bist eindeutig zu intelligent, um ein Fach aufzuhören, nur wegen einem Jungen. Das... das wollte ich dir sagen..."
Sie waren beim Klassenzimmer angekommen und Dakota blieb stehen. Sie musterte Weasley verwirrt und das Mädchen war nun so rot im Gesicht, es gab kaum einen farblichen Unterschied zwischen ihren Haaren und ihrem Gesicht.
„Also... das wollte ich sagen", wiederholte Weasley unsicher, „Ich... tschüss!" Mit diesen letzten, unsicheren Worten ging sie vor in die Klasse und Dakota stand noch einen Moment länger vor der Tür und dachte darüber nach, was Weasley – ihre eigentlich inoffizielle Erzfeindin – gerade zu ihr gesagt hatte.
Dakota hatte noch immer keine Ahnung, was genau Weasley eigentlich von ihr gewollt hatte oder warum es ihr so wichtig gewesen war, darüber mit Dakota zu sprechen, aber ihr war nicht entgangen, dass Weasley sie tatsächlich intelligent genannt hatte.
Es war nett gewesen. Dakota konnte sich nicht daran erinnern, dass das schon einmal jemand zu ihr gesagt hatte.
Aber das war es auch schon gewesen – Dakota verschob diese irrelevante Unterhaltung in den Hinterkopf und betrat den Klassenraum. Was auch immer Weasleys Plan war, sie hatte nicht wirklich Lust auf solche kindischen Spielchen. Sie hatte sowieso schon genug Probleme in ihrem Leben und genug mit all ihren Schulaufgaben zu tun, da musste sie keine Sekunde zu lang über Minerva Weasley nachdenken.
Sie setzte sich wie immer in die erste Reihe und wartete geduldig darauf, dass die Stunde begann. Sie spürte Weasleys Blick auf ihrem Rücken, aber kein einziges Mal drehte sie sich um, um sie beim Starren zu erwischen. Diese Genugtuung würde sie ihr nicht geben.
Wie erwartet war Minerva Weasley überall.
In beinahe jeder einzelnen Stunde fand Dakota auch Weasley – mit Ausnahme von Alte Runen.
In den Mittagspausen fand Dakota sie immer entweder am Tisch der Ravenclaws oder bei ihrer muggelgeborenen Freundin Rabia am Gryffindortisch. Im Unterricht war Weasley wieder meist bei Rabia oder Louis und auch sonst traf Dakota sie erstaunlich und beunruhigend häufig am Gang auf dem Weg zu ihrem Turm.
Es reichte Dakota aber, als sie ihr Wochenende in Ruhe – und Weasley-frei – genießen wollte und dafür in die Bibliothek ging, mit der Erwartung, niemanden sonst dort zu sehen. Umso frustrierter wurde sie, als sie dort natürlich wieder die roten Haare von Weasley im Gang mit den Büchern für Verwandlung fand.
Aber wie schon erwähnt, Dakota wurde bald erwachsen, also würde sie sich nicht wegen einer so kindischen Streitigkeit den ganzen Tag ruinieren lassen und beschloss, Weasley einfach zu ignorieren.
Und so schwierig war das gar nicht. Natürlich war das eine Lüge.
Aber wenigstens ließ Dakota sich nicht anmerken, wie abgelenkt sie von Weasleys bloßer Anwesenheit war, als sie das Regal nach einem passenden Buch durchsuchte, das sie noch nicht gelesen hatte.
Im Augenwinkel sah Dakota, dass Weasley immer wieder in ihre Richtung blickte und Dakota biss fest die Zähne zusammen, damit sie das Mädchen nicht anschrie oder ankeifte. Sie wollte sie einfach nur ignorieren, aber Weasley machte es ihr wirklich nicht leicht.
Bestimmt dachte sie daran, wie Dakota nur ein Erwartungen übertroffen in Verwandlung hatte. Ansonsten waren all ihre Noten perfekt und Ohnegleichen und aus sicherer Quelle wusste sie, dass alle Noten von Weasley ebenfalls pure O's gewesen waren. Dakota wollte gar nicht wissen, wie überlegen Weasley sich ihr gegenüber nun fühlen musste.
Dakota arbeitete hart, das wusste jeder. Sie gönnte sich kaum eine Pause, erledigte ihre Arbeiten konsequent und schnell und lernte den Stoff schon vor, damit sie ihn im Unterricht schon beherrschte.
Und was machte Weasley?
Dakota wusste es selbst nicht so genau. Zugegeben, Minerva Weasley war auch oft in der Bibliothek – Dakota hatte sie häufig gesehen. Sie war intelligent und wusste im Unterricht ebenfalls schon viel – so wie Dakota. Und ihre Hausaufgaben gab sie auch immer pünktlich ab, obwohl Dakota sie da schon ein paar Mal dabei beobachtet hatte, wie sie sie in letzter Minute noch in der großen Halle auf ein unordentliches Stück Pergament gekritzelt hatte – aber selbst da hatte sie nicht von Louis oder Rabia oder sonst jemanden abgeschrieben.
Xavier und Feli schrieben andauernd von Dakota ab.
Eigentlich konnte sie sich nicht daran erinnern, ob die beiden in den letzten paar Monaten überhaupt eine Arbeit selbst verfasst hatten. Dakota erduldete es, solange sie sie nicht nach der Bedeutung von komplexeren Fachwörtern fragten, die Dakota in den vielen Büchern aufschnappte und dann auch gerne in ihren Aufsätzen benutzte. Wenn Dakota einmal etwas lernte, behielt sie es auch.
Konnte man aber alles in allem sagen, dass Minerva Weasley sich ihre ZAG-Noten nicht doch verdient hatte? Dakota presste unzufrieden ihre Lippen aufeinander – allein dieser Gedanke verletzte ihren Stolz.
Aber die Schuld bei anderen zu suchen machte einen selbst nur schwach. Nur sie selbst konnte Verantwortung für ihr Versagen übernehmen.
„Geht es dir gut?"
Dakota wurde aus ihren Gedanken gerissen und blickte alarmiert zur Seite.
Natürlich war da Weasley, ein besorgter Blick im Gesicht und genervt bemerkte Dakota, dass ihre Brille leicht schief saß.
„Ja", antwortete Dakota nur knapp.
„Du hast nur ziemlich intensiv auf dieses Buch hier gestarrt", bemerkte Weasley schmunzelnd, „Hat es dich persönlich beleidigt?"
„Nein, nicht direkt", meinte Dakota und verdrehte genervt die Augen, „Außer natürlich man sieht es als Beleidigung, ein orangefarbenes Buch direkt neben dieses magentafarbene hier zu stellen."
„Magenta an sich ist schon eine Beleidigung für die Augen", kicherte Weasley.
„Dagegen kann ich nichts sagen", bestätigte Dakota nickend, aber noch immer mit ernstem Gesicht, „Wer auch immer auf die Idee gekommen ist, dieser Farbe einen eigenen Namen zu geben und ihr damit mehr Aufmerksamkeit zuzugestehen, als sie verdient hat, sollte schleunigst degradiert werden oder – noch besser – gleich von der Erdoberfläche verschwinden."
„Am besten wir beginnen mit diesem Buch hier", schlug Weasley grinsend vor und zückte ihren Zauberstab. Sie tippe die Spitze einmal gegen das Buch und es färbte sich blau – Dakotas Lieblingsfarbe.
„Bist du wahnsinnig?", zischte Dakota und riss erschrocken die Augen auf, „Madam Pince bringt uns um, wenn sie das sieht!"
„Dann sterben wir wohl für die Rebellion", antwortete Weasley ernst und sah Dakota direkt an, „Die Rebellion gegen Magenta." Lange konnte Weasley aber nicht ernst bleiben und sie begann breit zu grinsen.
Auch Dakota lächelte amüsiert – nur ganz leicht. Aber es reichte, dass Weasley sie mit glänzenden Augen ansah.
„Hey, schau mal! Du kannst ja doch lachen!"
Dakota wollte gerade sagen, dass sie sehr häufig lächelte, als jemand sie leise – aber doch zu laut für die Bibliothek rief: „Daki!"
Es war Feli, das erkannte sie an ihrer Stimme.
Sofort verschwand Dakotas Lächeln und wurde mit einer genervten Miene ersetzt. Sie ging, ohne sich von Weasley zu verabschieden und in die Richtung, aus der Felis Stimme gekommen war.
Feli suchte Dakota wohl gerade zwischen den Regalen und ihr Gesicht hellte sich auf, als sie Dakota erblickte. Sie rannte die kurze Strecke auf sie zu und angewidert erkannte Dakota, dass sie einen ihrer Lieblings-Freizeitumhänge trug. Er war magentafarben.
„Daki!", begrüßte Feli sie leise, „Ich brauche deine Hilfe."
„Du brauchst meinen Aufsatz für Verwandlung?", erriet Dakota und ihre Stimme klang müde, obwohl es noch zu früh war, um schon müde zu sein.
Feli grinste entschuldigend – oder eher dämlich, wie Dakota fand. Es war die Art von Grinsen, das jemanden sagen sollte, dass man peinlich berührt war, obwohl es nur eine Taktik war, um den gegenüber überlegener und deswegen auch besser fühlen zu lassen, damit dieser eher hilfsbereit war.
Dakota hatte das Gesicht schon durchschaut, aber trotzdem fiel sie darauf rein.
„Ich habe ihn in meiner Tasche", sagte sie tonlos und deutete auf einen der Arbeitstische, wo sie ihre Tasche zurückgelassen hatte.
„Danke! Du bist eine Lebensretterin!", bedankte Feli sich eilig, „Ich schulde dir was!"
Feli schuldete Dakota schon eine Menge. Dakota wusste nur nicht, wofür sie diese Schulden einfordern sollte, denn Feli konnte ihr nichts geben, das sie wollte.
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