You owe me answers

Ich merkte, dass die meisten mir aus dem Weg gingen. Ich wollte fragen was los war.

Was mit mir los war. Doch sie wollten mir nicht antworten, so als hätte jemand sie zum Schweigen gebracht oder gar zum Schweigen gezwungen.

Ich hatte Jack gebeten mich alleine zu lassen weil ich wusste, dass er mir nicht antworten würde wenn ich ihm Fragen stellte. Aber etwas war anders. Zwischen ihm und mir. Er benahm sich...irgendwie respektvoller mir gegenüber. Er war schon immer respektvoll mir gegenüber gewesen, aber jetzt...jetzt nahm ich es permanent wahr. Als würde er in meiner Schuld stehen.

Vielleicht weil ich ihn gerettet hatte nach seinem Sturz? Was hätte ich denn sonst tun sollen? Ihn einfach dort liegen lassen?

Ich fasste mir an den Kopf um ihn zu massieren. Es kam mir so vor als würden mich Kopfschmerzen plagen, aber ich wusste es war etwas anderes.

Was war das für ein Geheimnis das alle vor mir verheimlichten? Ich wollte es endlich wissen. Meiner Meinung nach hatte ich schon lange genug gewartet.

Ich spürte, dass ich auf die Toilette musste aber ich wollte nicht. Denn dort hing ein Spiegel.

Und ich wusste, dass ich dort hineinsehen würde. Und mein Spiegelbild würde die momentane Situation nicht besser machen.

Wer war diese mysteriöse Frau die immer wieder in meinen Träumen erschien? Warum halluzinierte ich davon, dass ich immer ihre Stimme hörte wenn ich in Not war. Ich versuchte mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass ich sie aus einem mir unergründlichen Grund immer wieder hörte. Aber ich konnte es nicht ganz glauben. Irgendetwas stimmte mit mir nicht. Waren das Hirngespinste?

Ach vielleicht werde ich ja wirklich verrückt, dachte ich mir seufzend und stand vom Bett auf. Die junge Frau mit den schwarzen Haaren sah mir so ähnlich.

Plötzlich kam mir ein Gedanke. Jack und Bryan hatten nie erwähnt wie ich eine von ihnen sein konnte, obwohl ich von einem Menschen geboren wurde. Was wenn sie meinem Vater und dem Rest meiner Familie diese Information in ihr Gehirn eingepflanzt haben? Was wenn sie selbst die Erinnerungen geschaffen haben, damit ich bei Menschen aufwuchs? Aber wer sind dann meine biologischen Eltern? , fragte ich mich. Ich spürte wie Nervosität in mir aufstieg. Das würde heißen, dass mein Vater nicht einmal mein Blutsverwandter ist, stellte ich fest. Ich konnte den Gedanken irgendwie nicht ertragen.

Was wenn die junge Frau in meinen Träumen meine biologische Mutter ist? , ging es mir plötzlich durch den Kopf. So abwegig ist es nicht. Warum sonst sollte ich ihr so sehr ähneln? Warum sonst sollte sie mir ständig helfen?

Ich spürte wie sich die Nervosität in mir immer weiter steigerte. Was wenn sie tatsächlich meine biologische Mutter war? Was war mit ihr passiert? Wurde sie brutal ermordet? War das der Grund dafür, warum mir keiner etwas über sie verraten wollte?

Tausend fragen schossen mir durch den Kopf, aber ich bekam keine konkreten Antworten. Ich schlenderte durch die Flure und war irgendwie froh darüber, dass mich keiner störte.

Ich war jetzt wieder in meinem Zimmer und nicht mehr in Zundrs.

Ich hatte keine Zeit verloren nach meinem viertätigen Schlaf und war sofort wieder in mein Zimmer gezogen um Zundr nicht mehr auf die Pelle zu rücken.

Ich wusste, dass er keineswegs so empfand, aber ich fühlte mich nicht wohl dabei. Ich hatte danach kaum mit jemandem geredet und hatte mich nur dem Kämpfen hingegeben.

Ich wusste nicht genau wie viel Zeit nun vergangen war. Vielleicht eine Woche? Ich hatte keine Ahnung.

Komischerweise hatte sich der Spieß zwischen Jack und mir umgedreht. Denn nun versuchte er ständig mit mir ein Gespräch zu führen. Er fragte mich ab und zu paar Sachen, aber ich antwortete sachlich und knapp. Er bekam nicht mehr aus mir heraus als ich zuließ. Einige Male versuchte er mich telepathisch zu erreichen, jedoch gab ich ihm zu verstehen, dass ich alleine sein wollte und blieb auf Distanz.

Wahrscheinlich fragte er sich warum ich mich ihm gegenüber so verhielt, aber ich wusste es selbst nicht so genau.

Ich war einfach am Ende meiner Nerven. Ständig passierten Dinge auf die ich keine Antworten fand, die jedoch alle anderen um mich herum wussten. Es ging hier um mich. Um meinen Körper, um meine Seele und trotzdem wollte mir niemand antworten. Es war nicht nur unfair, es war Folter.

Ich wusste, auch Jack würde mir keine Antworten liefern, deshalb wollte ich ihn nicht bei mir haben. Denn wenn wir uns unterhalten würden, würde die Unterhaltung auf dieses Thema zurückführen. Und das wollten wir wahrscheinlich beide nicht. Jack, weil er mir nicht antworten wollte oder konnte, keine Ahnung. Und ich, weil ich es nicht noch ein weiteres Mal aushalten würde wenn er mir nicht antwortete.

Deshalb blieb ich lieber alleine und konzentrierte mich auf meine Kämpfe im Trainingsraum.

Ich ging aus meinem Zimmer, um auf die Toilette im Flur zu gehen da es dort keinen Spiegel gab. Komischerweise war der Gang dunkel obwohl es mitten am Tag war.

Finintis, dachte ich mir und betrat dann die Toilette. Ich hatte keine Lust nach dem Lichtschalter zu suchen wobei ich wusste, dass ich ihn sowieso nicht brauchte solange meine Augen durch mein magisches Wort Finintis mir alles haargenau zeigten. Egal ob hell oder dunkel.

Nachdem ich mit allem fertig war, verließ ich das Bad und ging wieder in mein Zimmer. Ich wollte mich nicht unnötig lange auf dem Flur aufhalten da ich nicht wollte, dass mich jemand sah und ansprach. Sie gingen mir zwar aus dem Weg, aber nur weil sie wussten, dass ich sie Dinge fragen würde, die sie nicht beantworten durften. Ansonsten sprachen sie mich höflich an und fragten ob ich etwas bräuchte.

Ich schnappte mir mein Haargummi, der auf dem Nachttisch neben meinem Bett lag und band mir damit die Haare zu einem Zopf. Seufzend ging ich zu den Knöpfen neben der Tür und drückte auf irgendeins drauf. Der Einzige Knopf worauf ich ganz gezielt drückte, war der Knopf der mir Kampforte und Personen aus meiner Erinnerung zeigte.

Wenn ihr mich nicht darüber aufklärt was Sache ist, muss ich es wohl irgendwie selbst herauskriegen, dachte ich mir ein wenig genervt und machte mich dann bereit. Jedes Mal wackelte das Zimmer, so als würde es ein Erdbeben geben. Deshalb hielt ich mich lieber irgendwo fest, bevor ich noch hinfiel.

Ich fragte mich was ich diesmal sehen würde. Die letzten paar Male, hatte ich nur Orte gesehen in denen mich die Tiere angegriffen oder es von irgendwoher plötzlich auf mich geschossen wurde. Aber ich fand die Personen nie die das getan hatten. Ich wollte wieder Menschen sehen, die ich anscheinend kannte. Oder gekannt hatte. Wie Bryans Bruder. Wenn er überhaupt wirklich sein Bruder war.

Ich sah wie die Wand vor mir sich auflöste und plötzlich einem sandigen Ort wich. Als ich hinter mich sah wurde mir klar, dass ich diesmal in einer Wüste gelandet war. Wieder ohne Waffen und sonst irgendetwas anderes das mir helfen konnte.

>> Na dann...los geht' s. <<, murmelte ich und lief einfach irgendwohin.

Das Gute an diesem Ort war, dass sich meine Feinde nicht verstecken konnten, genauso wenig wie ich. Ich würde sie also sofort sehen können wenn sie sich mir näherten.

Es waren nur ein paar komische Pflanzen zu sehen die ich nicht kannte. Sie sahen nicht aus wie Kakteen, aber auch nicht wie andere Pflanzen die ich kannte. Da ich nicht wusste wo genau ich war und was mir bevorstand, hielt ich von allem mir Unbekannten Abstand.

Die Sonne brannte mir in den Nacken, sodass mir ganz warm wurde. Ich konnte als Ilfrryae zwar nicht so sehr schwitzen wie Menschen, aber als halb Frangwrr machte es mir ein wenig etwas aus, dass ich kein Wasser bei mir hatte. Wiederum aber unterdrückte meine Ilfrryae-Seite dieses Gefühl und diesen Drang in mir. Es war komisch ein Mischmasch aus beidem zu sein.

Ich fand es gut, dass ich alle Vorteile von beiden Seiten nutzen konnte. Ich fragte mich bloß, was wohl meine Schwächen waren.

Ich wusste nicht wie viel Zeit verging, aber irgendwann ging die Sonne...oder beziehungsweise das Ding das aussah wie eine Sonne, unter, sodass sich die Dunkelheit über das ganze Land niederließ.

Natürlich konnte ich immer noch alles klar und deutlich sehen, aber auch der wunderschöne Mond, der nicht aussah wie der Mond unserer Erde, erleuchtete durch seine silberweißen Strahlen die Dunkelheit. Sie sahen aus wie Schnitte im Dunkeln. Als würde sich an den Stellen, die der Mond erhellte, die Dunkelheit auflösen. Es war einfach faszinierend.

So etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen. Unbeschreiblich, dachte ich mir und lächelte diesen sonderbaren und gleichzeitig wunderschönen Mond an.

Es wäre nicht schlecht, wenn wir auf der Erde solche Phänomene hätten, ging es mir durch den Kopf.

Ich fragte mich, warum den ganzen Tag lang nichts geschehen war. Ich langweilte mich sogar ein wenig. Und zu Essen oder zu Trinken hatte ich auch nichts dabei. Das Trinken machte momentan mir zwar nicht so viel aus, aber das Essen...

Mein Magen knurrte schon seit Stunden, aber ich ignorierte es. Bislang hatte ich hier nichts Essbares gefunden.

Ich fragte mich wie man aus dem Trainingsort ausbrechen konnte. Ging das denn überhaupt mitten in einem Kampf? Gab es hier irgendeinen Knopf versteckt, sodass ich wieder zurück in mein Zimmer konnte? Ich sah hier nichts dergleichen, was seltsam war. Denn wie sollte man zurück? Musste man im Kampf sterben oder siegen damit man wieder zurück konnte?

So viele Fragen, dachte ich mir, als plötzlich etwas zu hören war. Sofort sah ich mich unauffällig um. Wie lange war dieses Etwas schon hier? Gab es hier in dieser Landschaft nur Tiere oder auch Menschen die ich vielleicht kannte?

Rechts und links war nichts zu sehen. Ich spürte, dass es von hinten kam. Ich spitzte meine Ohren und hörte genauer hin. Ich liebte meine neuen Sinne. So viel schärfer als vorher.

Ich hörte deutliche Atemzüge hinter mir, jedoch wusste ich, dass hinter mir weder Gebüsch noch sonst etwas war. Denn sonst hätte ich mich selbst dahinter versteckt oder mich wenigstens angelehnt.

Die Atemzüge hörten sich nicht wie die eines Tieres an, eher wie die eines Menschen. Doch was sollte ein stinknormaler Mensch hier draußen so ganz alleine tun? Also war es entweder ein Ilfrryae oder ein Frangwrr. Egal wer oder was. Es war mein Feind.

Plötzlich hörte ich jemand zweites. Jetzt musste ich mich umdrehen. Die Personen kamen weder näher, noch taten sie etwas anderes. Wer waren sie also?

Ich drehte mich langsam um und sah in die Richtung aus der die Atemzüge kamen, aber da war niemand.

Gerade als ich mich wieder nach vorne wandte, spürte ich wie etwas mich trat und ich förmlich nach hinten flog. Ich spürte ein Brennen und Ziehen an meiner Rippe. Wahrscheinlich hatte sich einer von denen zu schnell beweget, sodass ich zu langsam reagiert hatte.

Ich krachte rücklings auf den harten sandigen Boden und spürte wie sich ein paar kleine Steine in meinen Rücken bohrten. Ich öffnete meine Augen und sah den Himmel vor mir. Der klare Mond war immer noch dort wo er war und die Sterne schienen mir klar und deutlich entgegen.

Keuchend versuchte ich mich aufzurappeln, doch da kam schon der nächste Tritt.

>> Wer bist du?! <<, hörte ich jemanden rufen. >> Was willst du hier?! <<, schrie er weiter. >> Dieses Land zu betreten ist dir verboten! <<

>> Was du nicht sagst. <<, hörte ich mich murmeln. Lächelte ich etwa? Ja, ich lächelte! Ich konnte es nicht fassen. Ich musste lachen. Ich hörte wie ich anfing zu lachen, klar und deutlich.

>> Was gibt' s hier zu lachen?! <<, hörte ich den Mann wieder rufen. Jetzt musste ich noch mehr lachen. War das eine Erinnerung von mir? Ganz sicher? Ich konnte mich nämlich überhaupt nicht an so ein Ereignis aus meinem Leben erinnern.

>> Wenn du mich nicht schlagen würdest, würde ich dir ja antworten können. <<, sagte ich und kicherte vor mich hin. >> Aber je mehr du mich schlägst, desto wütender werde ich. Und je wütender ich werde, desto mehr werde ich dir wehtun. <<, hörte ich mich weiterreden.

Ich wusste nicht was ich da sagte, vielleicht hatte ich mir vorhin bei der Landung den Kopf gestoßen?

>> Ach soll ich jetzt Angst vor dir haben? <<, hörte ich den Mann mich fragen. Er hatte eine kräftige Stimme. Ich stellte ihn mir groß und gebaut vor. Vielleicht wie ein Boxer. Ich hatte mich noch nicht aufrichten können, weshalb ich nicht sehen konnte wie er aussah.

>> Hat sie was gesagt? Wer sie ist und was sie hier macht? <<, hörte ich plötzlich eine zweite Stimme. Die Stimme kam mir irgendwie bekannt vor, ich wusste aber nicht woher.

>> Nein, sie redet vor sich hin. Versucht zu drohen, mit ihrer winzigen Figur. <<

>> Zu drohen? <<, hörte ich den Neuling wieder. >> Wer ist töricht genug uns an den Grenzen der Frangwrrs zu drohen? <<

>> Sie kommt mir nicht bekannt vor. Ich dachte zuerst sie sei ein Ilfrryae, doch das ist sie nicht. <<. sagte der Mann mit der kräftigen Stimme.

>> Was ist sie dann? <<, fragte der Andere und ich hörte wie sich seine Schritte mir näherten.

>> Ich weiß es nicht. <<, antwortete der Mann. Es kam mir so vor, als wäre der Neuling sein Vorgesetzter. Wieso sonst sollte er ihm so detailliert und ernst antworten? Er hätte ja auch sagen können >>Schau doch selber nach was sie ist! <<. Hatte er aber nicht.

Ich spürte plötzlich zwei Hände an meinem Gesicht. Ich wurde gezwungen mein Gesicht demjenigen zuzuwenden. Ich wusste nicht warum ich mich nicht wehrte. Das hier war doch eh nur ein Spiel...naja...ein Spiel indem man jeden Schmerz wirklich spürte.

Als ich denjenigen ansah stockte mir der Atem. >> Bryan? <<, flüsterte ich und betrachtete sein Gesicht. Ich war mir sicher, dass es Bryan war. Ich würde ihn niemals mit jemand anderem verwechseln können. Er war es. Er musst es sein. Und trotzdem sah er ein wenig anders aus. Etwas dünner und jünger. Aber Frangwrrs alterten doch nicht?

Bryan sah mich ein wenig verwundert an.

Wer ist sie, hörte ich ihn plötzlich denken. Wie war das möglich? Wie konnte ich seine Gedanken hören? Und warum hat sie ein Blaues und ein Rotes Auge? Hatte ich denn gerade ein rotes und ein blaues Auge? Ich wusste es überhaupt nicht.

Plötzlich fühlte ich eine Welle von gemischten Gefühlen, die ich nicht zuordnen konnte. Zuerst fragte ich mich woher sie kamen, dann jedoch wurde mir klar dass diese Gefühle nicht die meinen waren.

Ich sah Bryan aus großen Augen an. Wieso erkannte er mich nicht?

>> Bryan ich bin' s, Kim. <<, flüsterte ich und sah ihm dabei in die Augen.

Er stockte kurz. Kim, hörte ich ihn denken. Ein seltsamer Name.

Ein seltsamer Name?, dachte ich mir. Ich zog meine Augenbrauen zusammen. Als ob Bryan besser klingt.

>> Wer ist Bryan? <<, fragte er mich plötzlich mit einer ernsten Stimme und sprach dabei den Namen so komisch aus. Er zog die Augenbrauen zusammen, um mir wahrscheinlich Angst zu machen. Er brachte mich damit aber nur zum Grinsen.

Mir wurde klar, dass er wirklich nicht wusste wer Bryan oder ich waren. Er sah mich mit einem strengen Blick an, aber ich fühlte was er fühlte.

Er fühlte sich angetan. Angetan von mir. Und ich spürte auch, dass er versuchte dieses Gefühl zu unterdrücken. Plötzlich spürte ich wieder dieses Summen in meinem Kopf und einen Druck. Ich wusste sofort, dass er versuchte meine Gedanken und meine Erinnerungen zu lesen.

Während ich mich dagegen wehrte, ohne dass er es merkte, betrachtete ich seine Stellung und die Entfernung des anderen Mannes zu ihm. Der Mann sah übrigens nicht so aus wie ein Boxer, sondern schmaler, mit einem überraschenderweise sympathischen Gesicht.

Bryan kniete über mir und hielt immer noch mein Gesicht in seinen Händen. Voller Konzentration starrte er mir in die Augen.

Sie wehrt sich, hörte ich seine Gedanken. Genau in dem Moment schlug ich ihm mit meinem Knie in den Unterbauch. Er verlor das Gleichgewicht und kippte nach rechts. Ich rannte los und sah aus dem linken Augenwinkel wie der andere Mann hinter mir her rannte.

Idiot, dachte ich mir und lächelte ihn dabei an. Zu meiner Überraschung funktionierte hier meine übernatürliche Geschwindigkeit nicht. Ich fragte mich wieso.

Der Mann konnte aber trotzdem ziemlich schnell rennen und holte mich bald ein. Als ich einen kurzen Blick nach hinten warf sah ich, dass Bryan sich wieder aufgerappelt hatte und mir nun ebenfalls folgte.

Der Mann streckte seine Hand nach mir aus um mich zu packen, doch genau in dem Moment wich ich ihm aus, schnappte mir seinen Arm und verdrehte es so, dass er brach. Der Mann schrie laut auf. Ich merkte, dass meine Rippe wieder anfing wehzutun. Was war das auch für ein Tritt gewesen!

Bevor der Mann wieder angreifen konnte, trat ich ihm ins rechte Knie und hörte wie auch dort seine Knochen brachen. Als er auf die Knie fiel trat ich ihm hart ins Gesicht. Sofort fing seine Nase an zu bluten. Manchmal überraschte mich meine Stärke. Vielleicht waren wir ja stärker als Menschen?

Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie Bryan sich mir immer weiter näherte.

>> Und das ist für meine Rippe. <<, flüsterte ich dem Mann mit einem Lächeln ins Ohr und trat ihm noch in die Rippe. Der Mann keuchte und schrie kurz auf.

Dann kippte er um. Ich grinste ihn an. Bryan sollte das ruhig sehen. Er sollte es nicht auch noch wagen mich anzurühren. Manchmal erschrak ich selbst vor meiner Kaltblütigkeit, weil ich nicht wusste woher sie kam. Aber in dem Moment war es mir egal. Hier musste man hart sein, um keine weiteren Schmerzen zugefügt zu bekommen.

Ich rannte nicht weg, weshalb Bryan seine Schritte verlangsamte und irgendwann vor mir stehenblieb.

Ich stupste mit der Fußspitze den Mann noch kurz an um sicherzugehen, dass er wirklich ohnmächtig war und wandte mich erst dann Bryan zu.

>> Wer seid Ihr? <<, fragte er mich mit kalten Augen und starrte mich an.

Ich wunderte mich warum er plötzlich so formell sprach. Hatte er mich nicht vorhin geduzt? Oder hatte das nur der Kerl, der nun auf dem Boden vor meinen Füßen lag, getan?

>> Wer will das wissen? <<

>> Ich <<, sagte er.

>> Und wer noch? <<

>> Nur ich. <<

>> Warum hat dein Freund mich geschlagen, obwohl ich ihm nichts getan habe? <<, fragte ich ihn.

>> Weil wir dachten Ihr wäret ein Feind. <<

>> Und? Bin ich euer Feind? <<

>> Das weiß ich noch nicht, aber so wie Ihr meinen Freund geschlagen habt, scheint es den Eindruck zu machen, dass Ihr einer unserer Gegner seid. <<

>> Das bin ich aber nicht. <<, sagte ich.

>> Was macht Ihr dann, mitten in der Dunkelheit, alleine an unserer Grenze? <<

>> Erstens. <<, sagte ich. >> Sehe ich hier nirgends eine Grenze <<, zählte ich auf. >> Und zweitens, ein Feind würde nicht alleine angreifen. <<

>> Woher weiß ich, dass Ihr wirklich alleine seid? <<

>> Weil meine Verbündeten sonst längst angegriffen hätten. Das haben sie aber nicht, weil ich keine habe. <<

Bryan sah mich abschätzend an. Ich spürte, dass er verwirrt war. Er wusste nicht ob er mir vertrauen konnte.

>> Du kannst mir vertrauen. <<, hörte ich mich sagen. >> Ich bin kein Feind. Und ganz besonders nicht dein Feind. <<

Bryan schien immer noch misstrauisch zu sein. >> Ich vertraue niemandem. <<, sagte er dann.

>> Ich auch nicht. <<, erwiderte ich ernst.

>> Wer seid Ihr, dass Ihr nicht wisst, dass hier die Grenze zwischen den Ilfrryaes und den Frangwrrs ist? <<, fragte er mich.

>> Ich weiß es nicht, weil ich nicht hier lebe. <<, antwortete ich. Es war doch eigentlich egal was ich sagte, oder? Immerhin war ich hier nur in meinen angeblichen Erinnerungen gefangen. Irgendwann würde ich hier so oder so herauskommen. Und dieser Bryan der gerade vor mir stand würde verblassen. Er würde nichts von alldem hier je wissen oder sich erinnern. Denn diese Erinnerung gehörte nur mir. Er spielte nur eine Rolle darin, nichts weiter. Ich könnte ihn hier sogar küssen, ohne dass es real sein würde.

Moment..halt..., wieso denke ich jetzt an sowas? Reiß dich zusammen! , schimpfte ich mit mir selbst und versuchte mich mehr auf Bryan als auf meine Gedanken zu konzentrieren. Er merkte sicher, dass ich ein wenig abgelenkt war.

>> Was meint Ihr damit? <<, fragte Bryan mich.

>> Na, dass ich hier nicht lebe. Was gibt' s daran nicht zu verstehen? <<

>> Woher kommt Ihr dann? <<

Ich zuckte die Achseln. >> Ich weiß es nicht. <<, sagte ich. >> Ich weiß es wirklich nicht. Ich weiß nicht wer oder was ich bin. Oder was ich mal war. Was ich hier mache. Ich weiß auch nicht warum dies hier meine Erinnerung sein soll. Ehrlich keine Ahnung. Ich kann mich an das hier nicht einmal erinnern. <<

Bryan schien jetzt total verwirrt zu sein. Er konnte mir nicht folgen.

>> Naja, wie auch immer. <<, sagte ich schließlich. >> Woher kommst du? Was machst du hier so? <<

Es war mal was anderes sich nur zu unterhalten, statt dauernd zu kämpfen. Auch wenn das Training eigentlich für letzteres gedacht war.

>> Eure Ausdrucksweise ist sonderbar. <<, sagte er plötzlich.

Ich sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen grinsend an. >> Ich nehme das jetzt als Kompliment. <<, entgegnete ich und fing an zu lachen. >> Sonderbar, ja? <<

Ich sah wie Bryans Lippen anfingen zu zucken. Musste er etwa auch lachen?

>> Weißt du was? <<, sagte ich nachdem ich aufgehört hatte zu lachen und mich ihm näherte.

>> Wieso setzten wir uns nicht und reden einfach? Es gibt ein paar Dinge, die ich gerne wüsste. <<

Wieder kehrte dieser misstrauische Blick in seine Augen.

>> Ich will dir wirklich nichts tun. Habt ihr vielleicht einen wirklich verbindlichen Schwur oder so? Ich weiß sonst nicht wie ich dir versichern kann, dass ich dir nichts tun will. <<

Bryan sah mich mit etwas verwunderten Augen an. >> Ihr kennt den Schwur nicht? <<, fragte er mich.

>> Nein. <<, antwortete ich. >> Ich sagte ja ich bin nicht von hier. <<

>> Dann wisst Ihr auch nicht wie man mit einem Schwert kämpft? <<

>> Nope. <<

Er sah mich fragend an. >> Das bedeutet nein. <<, erklärte ich lächelnd.

>> Ach... <<

Ich setzte mich einfach auf den Boden und starrte gen Himmel. Ich dachte kurz über Jack nach. Wieso wollte er mir nichts sagen? Nicht einmal das beantwortete er mir konkret. Vielleicht musste ich ja in meinen Gedanken danach suchen. Immerhin hatten Jack und Bryan mir erklärt, dass sie Menschen manipulieren konnten. Was aber wenn sie das bei Ihresgleichen auch tun konnten? Was wenn sie irgendwann einmal mich manipuliert hatten meine Vergangenheit zu vergessen?

Mir blieb nichts anderes übrig, als in meinen Erinnerungen herumzuwühlen. Und wenn sich mir die Gelegenheit bot, wie zum Beispiel jetzt, warum sollte ich sie dann nicht nutzen?

>> Komm, setz dich. <<, forderte ich Bryan auf und klopfte auf den Boden neben mir. Bryan zögerte kurz, bevor er meiner Aufforderung nachkam. Er setzte sich im Schneidersitz hin. Ganz ordentlich und mit einer gewissen Distanz zu mir.

>> Wie nennt ihr das? <<, fragte ich ihn und zeigte auf den Mond über uns. Ich wusste nicht ob die Frangwrrs und Ilfrryaes ihren Mond wirklich Mond nannten.

>> Zylyae. <<, sagte er und sah dann ebenfalls in den Himmel. Ich glaube sie wird mir wirklich nichts tun, hörte ich ihn denken und musste lächeln. Es war gut, dass er mir glaubte.

Ich fragte mich jedoch immer noch, warum ich seine Gedanken hören konnte ohne dass er es bemerkte.

>> Das klingt schön. <<, flüsterte ich und betrachtete den Zylyae.

>> Was meint Ihr? <<, fragte er mich.

>> Das Wort. <<, erklärte ich. >> Es klingt so bedeutungsvoll. <<

Er nickte verständlich und ich bemerkte aus dem Augenwinkel, wie er mein Gesicht betrachtete.

Sie ist wirklich schön, hörte ich ihn denken. In dem Moment wandte ich ihm mein Gesicht zu und versuchte mein Lächeln zu verbergen. Ließ ich Bryan diese Dinge denken, weil es meine Erinnerungen waren? Oder erinnerte ich mich bloß daran, dass er das mal über mich gedacht hatte?

>> Als was arbeitest du? <<, fragte ich ihn schließlich und änderte meine Sitzposition, sodass ich jetzt leicht gegenüber ihm saß.

>> Ich bin der Anführer der Grenzwächter. <<, antwortete er und man konnte heraushören, dass er darauf stolz war. >> Doch Soldat bin ich ebenfalls. <<

Ich nickte ehrend und merkte, dass ihm meine Geste gefiel. >> Ist es hart? <<, fragte ich ihn. >> Ein Soldat zu sein? <<

Er sah mich betrachtend an. >> Ja. <<, antwortete er und ich spürte, dass es die Wahrheit war.

>> Musstest du bis jetzt viele Menschen töten? <<

>> Menschen? <<, wiederholte er. >> Was sind Menschen? <<

Ich sah ihn überrascht an. Er weiß nicht was Menschen sind? , ging es mir durch den Kopf. Naja, okay...ich hatte am Anfang auch nicht gewusst, dass es Ilfrryaes und Frangwrrs gab.

>> Ich meine Ilfrryaes und Frangwrrs. <<

>> Dem Volk ist es verboten Frangwrrs zu töten. Jedoch Ilfrryaes...ja, ich habe genug getötet. <<

Ich spürte etwas in mir, dass ich nicht empfinden wollte, weil das bedeuten würde, dass ich Bryan vertraut hatte. Es war eine Art Enttäuschung für mich das aus seinem Mund zu hören. Er hatte mir noch nie etwas davon erzählt. Noch nie. Aber wenn ich so nachdachte, hatte er mir eigentlich kaum etwas über seine Vergangenheit erzählt. Ich wusste eigentlich nicht viel über ihn.

Er war also ein Mörder und ich hatte es die ganze Zeit über nicht gewusst? Er ist ein Soldat, hörte ich meine innere Stimme sagen. Er muss das tun. Es ist seine Pflicht seinem König oder was auch immer zu gehorchen und die ihm gegebenen Befehle auszuführen.

>> Machst du es gerne? <<, fragte ich ihn.

>> Was genau meint Ihr? <<

>> Töten. <<, sagte ich. >> Tötest du gerne? <<

Bryan sah mich mit einem bitteren Lächeln an. >> Ilfrryaes sind keine Wesen die leben sollten. Sie haben meine Familie umgebracht und mein Volk versucht zu vernichten. Das Töten an sich ist nichts was ich gerne tue. Doch das Töten von Ilfrryaes ist eine Ehre für mich und mein Volk. <<, erklärte er mit einem kalten Blick in seinen Augen. >> Ich ehre damit meine tote Familie. <<

Ich spürte wie sich die Enttäuschung in mir ausbreitete und mein Herz umschlang. Und mit so jemandem war ich befreundet? Ob er wohl die gleiche Meinung heute noch vertrat?
Ich sagte nichts sondern starrte wieder in den Himmel. Die Sterne leuchteten sanft und der Zylyae erhellte die Dunkelheit mit seinen silberweißen Strahlen.

>> Und Ihr? <<, hörte ich Bryan fragen.

>> Und ich was? <<, fragte ich.

>> Ob Ihr gerne tötet. <<

Ich sah ihn schockiert an. >> Ich würde niemanden töten! <<, sagte ich, woraufhin er mich überrascht ansah. >> Jemanden umzubringen ist krank. Sei es Rache oder Lust. Beides ist nicht normal. Ich habe noch nie getötet und werde es auch niemals tun. <<

>> Ihr habt noch nie getötet? <<, fragte er mich ungläubig.

>> Ist das so schwer zu glauben? <<

>> Nun, nach Euren Kampftechniken zu urteilen hätte ich gedacht, dass Ihr einer der besten Soldaten hier im Lande seid. <<

>> Dann hast du wohl falsch gedacht. <<, sagte ich und wandte mein Gesicht von ihm ab. Aus dem linken Augenwinkel nahm ich den anderen Frangwrr wahr, der immer noch ohnmächtig auf dem Boden lag. Sein Nasenbluten hatte aufgehört, aber dafür lag sein Arm ganz komisch verdreht auf dem Boden.

Wer ist diese Frau, hörte ich Bryan denken. Ich fand es lustig, dass er mich als Frau bezeichnete. Die meisten hätten mich unter Mädchen kategorisiert.

Eine Weile sagten wir beide nichts, bis mir etwas einfiel. >> Wenn du ein Grenzwächter bist, warum hast du mich dann nicht schon tagsüber geschnappt? <<

>> Weil wir Euch beobachtet haben. <<

>> Und obwohl ihr gesehen habt, dass ich nichts Schlimmes tue, hat dein Freund mich

geschlagen? <<

>> Er ist ein Neuling. Er weiß nicht wie das alles von statten geht. Ich habe gesagt er soll Euch im Auge behalten, aber wie es scheint war er zu auffällig, sodass Ihr ihn bemerkt habt. Und als er verstanden hat, dass Ihr ihn entdeckt habt, hat er angegriffen damit Ihr ihn nicht zuerst angreift. <<, erklärte er.

>> Aber dann hat er doch eigentlich gute Arbeit geleistet oder? <<

>> Ja, aber der Tritt war, wenn Ihr mich fragt, zu kräftig. Vor allem als Ihr schon auf dem Boden lagt, bräuchte er Euch nicht nochmals zu treten. Ich entschuldige mich aufrichtig dafür. <<

>> Nicht du, sondern er sollte sich entschuldigen. Abgesehen davon finde ich, dass er es eigentlich richtig gemacht hat. Was wenn ich wirklich euer Feind gewesen wäre. Was wenn ich ein mächtiger Magier gewesen wäre? <<

Bryan schnaubte und schüttelte leicht den Kopf. >> Es gibt nur noch einige wenige Gelehrte. Und diese sind nur in unserem Volk. <<

>> Weil ihr die der Ilfrryaes umgebracht habt. <<, ergänzte ich seinen Satz. Er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

>> Obwohl Ihr nicht hier lebt, wisst Ihr einiges über uns. <<

Ich sah wie er versuchte seine Hand unauffällig auf sein Schwert zu legen. War das wirklich sein ernst?

>> Ich habe Freunde die von hier kommen. <<, erklärte ich. >> Unter anderem auch du. <<

>> Wie meint Ihr das? <<

>> Wir sind eigentlich befreundet, aber du kannst dich gerade nicht an mich erinnern. <<

Er sah mich verständnislos an. >> Habt Ihr mir etwa meine Erinnerungen geraubt? <<, fragte er mich ein wenig energisch und stand auf.

Ich blieb lässig sitzen und sah auf den Sand vor mir. >> Nein. Ich kann sowas nicht. <<

>> Was könnt Ihr nicht? << Ich hörte wie er sein Schwert aus der Scheide zückte.

>> Magie. <<, antwortete ich. >> Weil ich nicht weiß wie es funktioniert. <<

Wobei mir wieder einfiel, was mir mein anderes Ich in meinem Traum vor einer Woche gesagt hatte.

Kim, es steckt in deinen Gefühlen, in deinen Sinnen und in deinem Herzen. Deine Magie spürst du jedes Mal wenn du dich verwandelst, also konzentriere dich und du wirst es in dir entdecken. Alles wird besser werden.

Ich dachte darüber nach. Seitdem hatte ich nichts unternommen um von Zundr etwas zu lernen. Ich hatte meine Zeit verschwendet.

>> Ihr könnt keine Magie praktizieren? <<, fragte mich Bryan nochmals.

>> Nein. <<

Ich sah wie er sein Schwert wieder in die Scheide steckte.

>> Und du? <<, fragte ich ihn. >> Kannst du Magie praktizieren? <<

>> Ein wenig. <<, antwortete er.

>> Warum nur ein wenig? Du bist doch ein Frangwrr. <<

>> Unsere Gelehrten haben uns bloß das Nötigste gelehrt. Kleinigkeiten die uns im Alltag helfen. <<

>> Warum? <<

>> Sie sagen wir wären noch nicht bereit für höhere Magie. <<

>> So ein Quatsch! <<, rief ich und stand auf. >> Sie lehren euch nur deshalb nicht mehr, weil ihr sonst die Wahrheit über sie erfahren würdet und eure Magie vielleicht gegen sie benutzen würdet. Was denkst du warum sie all die Gelehrten der Ilfrryae umgebracht haben? <<

Bryan sah mich schockiert an. >> Unsere Gelehrten sind ehrenvolle Frangwrrs! <<, widersprach er mir. >> Natürlich! <<, rief ich voller Ironie. >> Und was ist mit Kirz? <<, fragte ich ihn dann.

>> Was soll mit ihm sein? <<

>> Ist es ehrenvoll von ihm mich... <<, fing ich an doch stoppte dann. Bryan wusste doch von alldem nichts. Wieso sollte ich ihm dann davon erzählen?

>> Euch was? <<, hakte er nach.

>> Nichts. <<, antwortete ich. >> Er kennt mich überhaupt nicht. <<

Bryan sah mich skeptisch an. Seine wunderschönen hellblauen Augen betrachteten mich voller Neugier. Was weiß sie noch alles?, hörte ich ihn sich selbst in Gedanken fragen.

>> Ist Kirz momentan sehr mächtig? <<, fragte ich Bryan um ihn abzulenken.

>> Zusammen mit den vier anderen. <<

Was wohl mit denen passiert ist als sie auf Erde kamen? , fragte ich mich.

>> Wieso sieht er so alt aus? <<, fragte ich ihn. Er war verwundert über meine Frage.

>> Ihr habt ihn schon mal gesehen? <<

>> Ja. <<

>> Wo? <<

>> Zuerst beantwortest du mir meine Frage. <<

Bryan sah mich ein wenig wütend an. >> Weil er vor langer Zeit einen Zauber anwandte, dem er jedoch noch nicht gewachsen war. Die Konsequenz war das Altern. <<

>> Das heißt also, wenn man eine zu hohe Magie anwendet zieht es Konsequenzen mit sich? <<

>> So ist es. <<

>> Welche Konsequenzen gibt es noch? <<

>> Den Tod. <<, antwortete er mit einer ernsten Stimme. Jack hatte mir davon nichts erzählt.

Plötzlich hörte ich wie jemand sich bewegte. Es war sein Freund der ohnmächtig auf dem Boden lag. Naja, wie es schien war er nun wieder wach.

Er stöhnte leise und keuchte. Wahrscheinlich tat ihm noch alles weh.

>> Dein Freund ist aufgewacht. <<, informierte ich Bryan.

>> Er ist nicht mein Freund. <<

>> Was dann? <<

>> Mein Lehrling. <<, antwortete er.

Ich nickte. >> Ich muss jetzt dann mal los. <<

Bryan sah mich mit einem strengen Blick an. >> Dein Lehrling ist an mir wahrscheinlich nicht so interessiert wie du es bist, weshalb er mir am liebsten noch einmal einen Tritt verpassen würde. <<, sagte ich. >> Wir sehen uns wieder. <<

Ich drehte ihm den Rücken zu was ihm zeigen sollte, dass ich darauf vertraute, dass er mich nicht angriff, und legte mit jedem Schritt mehr Distanz zwischen uns.

>> Warum wollt Ihr mich wiedersehen? <<, hörte ich ihn noch hinter mir rufen.

Ich lächelte. >> Weil du es auch willst. <<, rief ich zurück ohne mich dabei umzudrehen.

Ich verschwand bevor der andere Frangwrr mich weggehen sah und lief die ganze Nacht lang, allein mit meinen Gedanken, durch die Wüste. Bis die Sonne aufging.

>> Kim? Darf ich reinkommen? <<, hörte ich Jacks Stimme an meiner Tür, als ich fertig mit dem Training war.

>> Komm rein. <<, antwortete ich und ging mit gesenktem Blick ins Bad um meine Hände zu waschen. Bloß nicht in den Spiegel sehen, warnte ich mich selbst.

Ich hörte wie Jack das Zimmer betrat, während ich das Badezimmer verließ.

>> Wie geht es dir? <<, fragte er mich mit einem leichten Lächeln.

>> Gut und dir? <<

>> Auch. Danke. <<

Ich nickte und ging zum Fenster um es zu öffnen.

>> Du warst ziemlich lange trainieren. <<, stellte er fest.

>> Ja. <<

>> Hast du wenigstens gut kämpfen können? <<

>> Nein. <<, antwortete ich und öffnete das Fenster. Frische Luft wehte mir entgegen und ich atmete sie genüsslich ein. Es roch nach frischem Gras und kaltem Winter.

>> Kim. <<, hörte ich Jack wieder sagen.

Ich erwiderte nichts. Er stellte sich neben mich und sah mich an.

>> Wieso gehst du mir seit Tagen aus dem Weg? <<, fragte er mich.

>> Du weißt wieso. <<, sagte ich und starrte geflissentlich aus dem Fenster.

>> Weil ich dir keine Antworten auf deine Fragen geben kann. <<

>> Ganz genau. <<

>> Das bedeutet doch nicht, dass wir uns gegenseitig ignorieren müssen. <<, meinte er ruhig.

Erst da wandte ich ihm mein Gesicht zu. Ich sah ihm direkt in die Augen.

>> Wenn ich dich ignorieren würde, dann würde ich jetzt nicht mit dir reden. Und abgesehen davon, will ich jetzt gar nicht darüber reden, weil ich mich nur aufregen werde. <<

>> Ich wollte nie etwas tun oder sagen, dass dich verletzen oder verärgern könnte. <<, sagte Jack.

>> Es tut mir leid. <<

Die Entschuldigung kam unerwartet, weshalb ich nicht wusste was ich sagen sollte. Ich senkte meinen Blick und sah dann wieder aus dem Fenster.

>> Du sollst wissen, dass ich immer für dich da bin. <<, sagte er bevor er Richtung Tür lief um das Zimmer zu verlassen. Ich hörte wie er die Türklinke herunter drückte.

>> Jemand anderes hat mich in meinem Spiegelbild angelächelt. <<, sagte ich. Jack hielt in seiner Bewegung inne.

>> Sie hat meinen Namen gesagt. <<, erzählte ich weiter. >> Sie sah genauso aus wie ich. Haargenau. Und doch war sie jemand anderes...naja okay...sie war ich. Das hat sie auch gesagt...ja sie war ich. Aber sie hat mit mir gesprochen. <<

Jack ließ die Türklinke los. Ich spürte einen Kloß in meinem Hals. >> Ich sehe sie nicht zum ersten

Mal, Jack. <<, sagte ich. >> Sie taucht immer wieder in mir auf und manchmal glaube ich ihre Stimme zu hören, aber eigentlich bin ich es...die mit mir selbst redet. <<

Ich hörte wie Jack mit leisen Schritten wieder auf mich zukam.

>> Sie sagt sie wäre ich. Aber sie ist so viel...erwachsener...kommt es mir vor. Sie hilft mir dauernd, aber ich habe Angst. <<, redete ich weiter. >> Ich habe Angst vor mir selbst, Jack. Ich glaube mein Unterbewusstsein versucht mir etwas zu sagen...vielleicht, dass ich stärker werden sollte? <<, flüsterte ich und merkte erst da, dass ich weinte.

>> Ich fühle mich Tag zu Tag anders. Ich bin nicht mehr die, die ich vor einigen Monaten kannte. Etwas ändert sich in mir, aber ich weiß nicht was es ist. Und ich weiß nicht ob es meine eigenen Hirngespinste sind. Ich weiß nicht ob ich verrückt werde, aber bald werde ich es werden wenn es so weitergeht. <<

Plötzlich spürte ich Jack hinter mir stehen. Ich spürte wie er mit seinen Händen meine Arme entlang fuhr und sie dann mit meinen Händen verschränkte.

Ich ließ es zu und spürte wie er mich dann umarmte. Er legte sein Kinn auf meine Schulter, sodass sich unsere Wangen leicht berührten.

>> Kim. <<, sagte er leise und ich spürte seinen Atem an meiner Wange. >> Das sind keine Hirngespinste von dir. <<, er stockte kurz bevor er weiter redete. >> Es ist die Erfüllung einer Vorhersage. <<

Ich hielt inne. Langsam drehte ich mich in unserer Umarmung zu ihm. Er hob seinen Kopf wieder von meiner Schulter, sodass ich ihn ansehen konnte.

>> Eine Vorhersage? <<, wiederholte ich.

>> Weißt du warum ich dir all das nicht sagen darf? <<

>> Warum? <<, fragte ich ihn.

>> Weil du es mir verboten hast. <<, antwortete er. Ich sah ihn ein wenig verwirrt an.

>> Wie meinst du das? <<

>> Und das, kann ich dir leider auch nicht beantworten. <<, sagte er leicht lächelnd.

Ich seufzte. >> Wie immer. <<

>> Mach dich nicht so fertig, weil du keine Antworten von uns kriegst. Wir haben es dir nun mal hoch und heilig versprochen dir nichts zu sagen, egal wie du selbst reagierst. Und ich werde mein Wort halten, Kim. Du wirst alles rechtzeitig erfahren. <<, erklärte er.

>> Habt ihr mich etwa manipuliert, damit ich mich nicht an das erinnern kann, was du mir hier gerade erzählst? <<, fragte ich ihn und ließ ihn langsam los. Er senkte seinen Blick und ging einen Schritt zurück.

>> Nein. Man kann nur Menschen mit Leichtigkeit manipulieren. Bei uns wäre es etwas schwieriger. <<

>> Und als ich ein Mensch war? <<

>> Du warst nie ein Mensch, Kim. Du warst schon immer eine von uns. <<, erinnerte er mich.

>> Es fällt mir manchmal schwer das alles zu glauben. <<, sagte ich und sah wieder aus dem Fenster.

>> Das ist verständlich. <<, meinte er.

Ich sagte nichts und es blieb einige Minuten lang still, bis ich ihn etwas fragte.

>> Warum hast du mich vorhin umarmt? << Ich drehte mich zu ihm, um sein Gesichtsausdruck sehen zu können. Jack sah mich beschämt an und senkte dann seinen Blick.

>> Es tut mir leid, das war ein Fehler. <<, sagte er. Und als er seinen Blick wieder hob um mich anzusehen merkte ich, dass er diesen Fehler in Zukunft wahrscheinlich nie wieder machen würde. Er hatte wieder seinen gewohnt strengen Blick aufgelegt und sah mich mit einer ernsten Miene an.

>> Ich habe nicht gesagt, dass es ein Fehler war. Der Grund hat mich nur interessiert. <<

>> Trotzdem war es ein Fehler. Ein Moment der Schwäche. <<, sagte er mit einer ernsten Stimme und sah mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an. War es also auch ein Fehler von mir gewesen, als ich ihn in Puerto Rico umarmt hatte? Wieso dachte er bloß, dass es ein Fehler war?

>> Wie du meinst. <<, erwiderte ich ebenfalls ernst. Plötzlich war die Stimmung sehr kalt.

>> Weißt du. Manchmal kommt es mir auch so vor, als würde ich mich selbst verlieren. <<, sagte er. >> Genauso wie du dich manchmal fühlst. Und ich will das nicht, denn die Zeit sollte mein Verhalten gegenüber dir niemals ändern. <<, redete er weiter. >> Du bist wertvoller als alles andere auf dieser Welt und ich habe dich immer geehrt und respektiert, deshalb dürfen mir solche Fehler nicht unterlaufen, weil es sich nicht gehört so jemand erhabenes wie dich zu berühren. Es tut mir aufrichtig leid. <<

Verwundert über seine Worte, wusste ich wieder einmal nicht was ich sagen sollte. Er redete so als wäre ich eine Heilige.

>> War es das was du gemeint hattest, als wir uns in Puerto Rico fast....naja...geküsst hätten und du mir gesagt hattest, dass sich das nicht gehört? <<, fragte ich ihn schließlich.

Er nickte. >> Ja. <<

Ich fühlte mich irgendwie schlecht bei dem Ganzen. Ich empfand komischerweise genauso wie er. Nämlich, dass sich sowas nicht gehörte. Wie war es damals überhaupt dazu gekommen, dass wir uns fast geküsst hätten? Wenn ich jetzt so darüber nachdachte, schimpfte ich mit mir selbst. Ja, es war ein Fehler gewesen. Vor allem, weil ich selbst noch gar nicht intensiv genug über Jack und mich nachgedacht hatte.

Ja...da war etwas zwischen uns, auch wenn ich nicht wusste woher es kam. Wenn er mich berührte, lösten sich Gefühle in mir aus die ich noch nie zuvor gekannt hatte. Ich konnte diese Gefühle nicht zuordnen aber auch nicht ignorieren.

Ich wollte bei ihm sein. Mich mit ihm unterhalten und ihn beschützen.

Schon ab dem ersten Moment an als ich ihn gesehen hatte, hatte ich etwas Komisches in mir empfunden, was seltsam gewesen war. Eine Verbindung zwischen uns. Er war mir keinen einzigen Moment lang fremd vorgekommen. Genauso wie Bryan. Über ihn nachzudenken, war für mich noch komplizierter. So wie er mit mir sprach, mich ansah...sich mir gegenüber verhielt. Es war anders.

Ich seufzte, weil ich nicht wusste was ich denken oder sagen sollte, geschweige denn tun.

>> Ich empfinde auch so. <<, sagte ich schließlich zu Jack. >> Ich finde auch, dass es nicht richtig ist. Es tut mir ebenfalls leid, weil ich diejenige war die es zugelassen hat. <<

>> Du hast daran gar keine Schuld... <<, begann er.

>> Nein, stopp. <<, unterbrach ich ihn. >> Fang gar nicht erst damit an. <<

Jack sah mich an. Ich wünschte ich wüsste, was ihm durch den Kopf geht, dachte ich mir während ich in seine pechschwarzen Augen blickte.

>> Ich glaube ich gehe jetzt schlafen. <<, sagte ich schließlich.

Er nickte. >> Dann wünsch ich dir eine gute Nacht. <<, entgegnete er ganz höflich, was mich rasend machte, aber ich zeigte es nicht.

>> Danke, dir auch. <<, erwiderte ich und sah ihn wartend an.

Schließlich ging Jack zur Tür und drückte die Klinke herunter. >> Träum' was Schönes. <<, flüsterte er bevor er das Zimmer verließ und die Tür hinter sich zuzog.

Ich wartete bis er außer Hörweite war und seufzte dann. Ich kämmte durch meine Haare und schloss das Fenster.

>> Wo ist es? <<, hörte ich plötzlich jemandes Stimme in meinem Kopf. Es war die gleiche Stimme die ich anfangs auch immer gehört hatte.

>> Ich weiß es nicht Meister, es ist nicht hier. <<

>> Sucht es! Es muss hier sein! <<

>> Jawohl Meister. <<

Ein Schmerz durchzuckte meinen Kopf. Ich hielt ihn fest und kniff meine Augen zusammen.

>> Beeilt euch! Sie kann es nicht mitgenommen haben! <<

>> Aaaah! <<, schrie ich als der Schmerz noch schlimmer wurde. Es war als würde mir jemand ein Messer in meine Kopfhaut bohren.

Ich schrie nochmals und merkte wie ich auf die Knie fiel. >> Es soll aufhören! <<, schrie ich.

>> Macht, dass es aufhört! << Ich öffnete meine Augen und sah wie alles vor mir schwankte. Da stand irgendjemand vor mir und hielt meinen Kopf. Ich hörte gedämpfte Laute, denn das Pochen.

Der Schmerz in meinem Kopf übertönte alles. Jacks Gesicht tauchte verschwommen vor mir auf. Ich sah Zundr meinen Kopf halten, aber spürte ihn nicht.

>> Mach, dass es aufhört! <<, schrie ich wieder und spürte wie ich meine Finger in etwas bohrte. War es mein Kopf? Waren es Zundrs Hände?

>> Wir finden es nicht Meister. <<, hörte ich wieder die Stimmen in meinem Kopf. Wieder durchzuckte mich ein Schmerz.

>> Geht weg! <<, schrie ich. >> Verschwindet! <<

>> Sie kann den Dolch nicht mitgenommen haben! <<, schrie der andere. Er stieg von seinem thronähnlichen Sitz herunter und kam auf den Jungen zu, der vor ihm stand.

Plötzlich stand ich hinter dem Jungen, obwohl ich ganz genau wusste, dass ich den Trainingsraum nicht verlassen hatte. Ich sah das Gesicht seines Meisters. Das Gesicht mit den kalten Augen. Das Gesicht das mich jagte. Es war Kirz.

Er sah mich aus seinen kalten grauen Augen an und lächelte böse. >> Sie kann es nicht mitgenommen haben. <<, wiederholte er und sah dann den Jungen wieder an. >> Findet ihn! <<, schrie er und der Junge rannte sofort los.

Wieder sah ich Zundrs Gesicht vor mir. Seine Lippen bewegten sich, aber ich hörte nichts. Die Schmerzen wurden immer schlimmer und ich spürte wie mein Herzschlag immer langsamer wurde.

Ein einziges Bild tauchte vor meinen Augen auf, bevor ich vor Schmerzen ohnmächtig wurde.

Ein Dolch,den ich mir ins Herz stach.

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