Scotland

Das Erste was ich spürte als ich erwachte war Schmerz.

Er zog sich von meinem Oberschenkel bis zu meinen Schulterblättern. Als ich versuchte meine Gelenke zu bewegen, schaffte ich es nicht.

Versuche die Augen zu öffnen, dachte ich mir und tat es. Meine Lider fühlten sich schwer und angeschwollen an. Dennoch hoffte ich, dass dies nicht der Fall war.

Die Sonne schien mir leicht in die Augen, weshalb ich versuchte mich ein wenig wegzudrehen.
Als dies mir nach dem zweiten Versuch gelang, sah ich Jack etwas weiter weg neben mir liegen.

Sein Rücken war zu mir gedreht, sodass ich nur seinen Hinterkopf sah statt sein Gesicht. Was er wohl gerade träumte? Hatte ich denn überhaupt etwas geträumt?

Als ich nachdachte fiel mir langsam alles wieder ein. Der seltsam fremde Ort, das Unwetter, die mysteriöse Frau und schließlich wie der Erdboden unter uns nachgab und uns verschluckte. Was danach geschehen war wusste ich nicht.

Hastig versuchte ich mich umzudrehen, doch ich konnte mich vor Schmerzen kaum bewegen.
Ich wollte Jacks Namen rufen, aber es gelang mir nicht. Ich hatte Angst um ihn. Er war bestimmt schwer verletzt.

Ich versuchte mich auf seinen Brustkorb zu konzentrieren und erkannte, dass er sich ganz langsam hob und wieder senkte. Gott sei Dank, er lebt noch, dachte ich mir und versuchte erleichtert zu sein. Doch vergeblich.

Wo sind wir hier überhaupt? , fragte ich mich und versuchte mich umzusehen, auch wenn es anstrengend war. Ich erkannte diesen Ort nicht wieder. Wo sind wir?

Der Himmel war trüb und grau. Es schien als würde es jeden Moment regnen, aber es waren nur kleine Wolkenfetzen zu sehen.

Ich versuchte die Temperatur zu fühlen, aber es gelang mir nicht. Der Schmerz der sich durch meinen ganzen Körper zog, raubte mir meine Sinne. Ich konnte nur diesen schrecklichen Schmerz spüren.
Wenigstens konnte ich etwas sehen, sonst wäre ich komplett aufgeschmissen.

Ich versuchte meinen Kopf so zu bewegen, dass ich mehr Sicht auf die Landschaft vor mir hatte.
Hunderte von Bäumen ragten durch den dichten Nebel empor und ließen mich vermuten, dass wir in einem Wald waren.

Als ich wieder zu Jack herüber sah bemerkte ich, dass wir auf nassem Boden lagen der mit Erde und frischem grünen Gras bedeckt war. Überall lag noch Tau, was nur bedeuten konnte, dass es früh am Morgen war. Die wenigen Sonnenstrahlen die sich durch den trüben Himmel kämpften, sprachen ebenfalls dafür.

Ich muss irgendwie aufstehen, dachte ich mir und versuchte meine Hände zu spüren. Ich muss Jack aufwecken und mich versichern dass es ihm gut geht...nur...verdammte Scheiße! Wenn ich bloß aufstehen könnte!

Ich versuchte mich irgendwie zu bewegen oder meine Muskeln zu fühlen, aber es war verdammt schwer. Es war als gebe es meinen Körper gar nicht mehr.

Ich schaute wieder zu Jack hinüber und bemerkte, dass sein Brustkorb sich kaum noch bewegte.

Jack? Jack?! Hörst du mich?! , schrie ich in Gedanken und versuchte ihn telepathisch zu erreichen. Vielleicht funktionierte wenigstens diese Methode.

Jack?! Komm schon Jack werd' wach! Scheiße ich kann mich nicht bewegen! Mach' die Augen auf Jack, ich weiß du kannst mich hören!

Verzweifelt versuchte ich ihn zu erreichen und verfluchte meinen Körper. Nach einigen Minuten kochte ich vor Wut, weil ich nichts unternehmen konnte.

>> Steh endlich auf du scheiß Körper! <<, schrie ich zornig und bemerkte erst nach ein paar Sekunden, dass ich meine Gedanken laut ausgesprochen hatte.

>> Jack?! <<, rief ich laut. >> Jack wach auf! << Ich lag immer noch auf der Seite, sodass meine rechte Hand die Erde berührte. Ich versuchte meine Finger ein wenig zu bewegen, aber vergeblich.

Ich wurde immer panischer als ich bemerkte wie wenig sich Jacks Brustkorb bewegte. Bekam er keine Luft mehr? Was war los? Ich hatte Angst um ihn und verfluchte meinen Körper für seinen Widerstand.

Wütend schloss ich meine Augen um mich zu beruhigen. Ich spürte wie ein leichter Wind wehte und ein paar meiner Haarsträhnen mein Gesicht kitzelten.

Ich versuchte gleichmäßig zu atmen und hörte dabei auf das Pumpen meines Herzens. Ich fühlte wie das Blut in meinen Ohren rauschte und durch meine Adern floss. Ich konnte es mir bildlich vorstellen.

Und plötzlich fiel mir etwas ein. Wie dumm war ich bloß? Wieso war ich nicht schon vorher darauf gekommen?! Wenn mein Körper nicht mitmacht, dann löse ich mich eben von ihm, dachte ich mir und atmete tief durch.

In wenigen Sekunden spürte ich wie sich mein Körper verwandelte. Wie ein Wasserstrahl schoss die Magie durch meine Venen, durch meine Adern bis hin zu meinem Herzen. Ich hörte wie das warme Blut einem kalten Strahl wich und meinen Körper langsam auflöste.

Als ich meine Augen öffnete spürte ich keinerlei Schmerzen mehr. Ich lag immer noch auf dem Boden und als ich meine Hand über die Erde streichen ließ fühlte ich es.

Erleichtert und froh darüber, dass es funktioniert hatte, stand ich auf und sah an mir herunter. Ich war zu einer durchsichtigen Wassermasse geworden, die sich formen und bewegen konnte wie sie wollte.

Glücklich darüber rannte ich sofort zu Jack um ja keine weitere Zeit zu verlieren und kniete mich neben ihn.

>> Jack <<, flüsterte ich und sah ihn an. Aus seiner Nase lief orangerotes Blut und tropfte über seine aufgeplatzten Lippen, die ebenfalls bluteten. Auf seiner Stirn war eine dicke Beule und als ich seinen Brustkorb anfasste bemerkte ich, dass etwas nicht stimme.

Ich krempelte sein T-Shirt hoch und entblößte somit seine Brust. Ich spürte wie meine Gesichtsmuskeln zuckten als ich sah wie sich einer seiner Rippenknochen durch seine blutverschmierte Haut bohrte.
>> Scheiße <<, flüsterte ich und biss auf meine Lippen. Was sollte ich tun? Jack musste am Leben bleiben, aber wie? Ich wusste nicht einmal wo wir waren!

Als ich Jack langsam auf seinen Rücken drehte, entwich seinen Lippen ein leises Keuchen. Ich sah an seinem linken Ohr eine getrocknete Blutspur und betete dafür, dass er nicht Hörgeschädigt bleiben würde.

Ich untersuchte weiterhin seinen Körper und stellte fest, dass sein linkes Bein auffällig verdreht war und an mehreren Stellen Prellungen waren. Die Ohnmacht ist für ihn wahrscheinlich das Beste, sonst würde er im wachen Zustand nur schreien und Schmerzen empfinden, dachte ich mir besorgt. So war er wenigstens wie betäubt.

>> Was kann ich tun damit du am Leben bleibst? <<, fragte ich leise, auch wenn ich wusste, dass ich keine Antwort bekommen würde.

Da ich durch meine Verwandlung keine Kleidung trug, riss ich ein Stück Stoff von seinem T-Shirt ab und befeuchtete es mit meinen Fingern.

Ich wischte zuerst das Blut von seinem Gesicht und seinem Ohr ab und versuchte ihn dann aufrecht hinzusetzen, sodass das Blut das aus seiner Nase kam, nach draußen floss und nicht wieder nach innen. Ich hoffte das würde ihm helfen besser atmen zu können.

Langsam zog ich ihn an einen Baumstamm und lehnte seinen Oberkörper dort an. Sein Kopf hing nach vorne gebeugt, sodass das Blut auf sein T-Shirt tropfte.

Ich wandte eine Technik gegen das Nasenbluten an, die ich ein Mal im Fernseher gesehen hatte und betete dafür, dass sie funktionierte.

Einige Minuten verstrichen bis das Nasenbluten schließlich aufhörte, sodass ich erleichtert aufatmen konnte. Ich hatte große Angst, dass er eine Gehirnerschütterung oder innere Blutungen hatte. So eine heftige Landung hätte wahrscheinlich niemand ohne Verletzungen überlebt.

Ich legte Jack langsam wieder auf den Rücken und starrte ihn an. Was sollte ich tun? Ich hatte keine medizinischen Erfahrungen, geschweige denn chirurgische.

>> Verdammt Jack. Du musst überleben... <<, flüsterte ich ihm zu und beugte mich über ihn.

Gerade als ich mich wieder neben ihn setzen wollte, hörte ich ein Rascheln das nicht natürlich klang. Sofort drehte ich mich um und starrte durch die hohen Bäume. Da! Da war das Geräusch schon wieder. Bitte sei kein Raubtier, betete ich innerlich und hielt weiterhin Ausschau nach einem Tier.

>> Jack, hörst du mich? Ich werde für dich kämpfen, egal was es kostet. Genauso wie du es für mich tun würdest <<, sagte ich, obwohl ich wusste, dass er mich wahrscheinlich nicht einmal wahrnahm. Es diente eher dazu mir selbst Mut zu machen.

Ich suchte die Gegend mit meinen Augen ab und erkannte nach einigen Sekunden eine grelle rote Farbe, die nicht zu der Natur um uns herum gehörte.

>> Zeig dich Rotling! <<, schrie ich und fühlte mich dadurch wie in einem Cowboy-Film.

Plötzlich kam eine Gestalt hinter den Büschen hervor und baute sich zu seiner vollen Größe auf.
Ich starrte ihn erstaunt an und betrachtete ihn. Er war ein breit gebauter Mann mit pechschwarzen kurzgeschorenen Haaren und einem intensiven Blick. Er hatte genau die Bräune die Jack besaß.

Der Mann hatte eine dunkle Jeans an, doch obenrum war er mehr oder weniger nackt. Aus seinem Oberkörper stiegen Flammen auf und bedeckten ihn. Es schien als würde sein Oberkörper brennen und nicht verbrennen.

Der Mann hatte einen muskulösen Nacken, genau wie der Rest seines Körpers wie es schien. Ich war verwundert und erschrocken zugleich. Was machte er hier und wer war dieser Typ überhaupt? Aber irgendwie hatte ich schon eine Ahnung wer oder was er war.

Der Fremde kam mit seinen fast zwei Metern auf mich zu und starrte mir währenddessen in die Augen. Er sah nicht feindselig aus. Ganz im Gegenteil, er strahlte eine Ruhe und Zufriedenheit aus die ich so nicht kannte.

>> En vra den <<, sagte er und musterte mich dabei.

>> Wie bitte? <<, fragte ich und versuchte jede seiner Bewegungen im Auge zu behalten. Der Mann lächelte mich plötzlich an, so als hätte ich etwas sehr Lustiges gesagt.

>> Ihr seid Kim <<, stellte er mit einer Selbstverständlichkeit fest. Ich konnte heraushören, dass er keine Zweifel hatte, weshalb ich mir das Lügen ersparte.

>> Ja <<, bestätigte ich. >> Wer aber sind Sie? <<

Der Mann lächelte mich wieder an.
>> Der Name eines Wesens ist nicht so wichtig wie das was er ist. <<, erwiderte er. >> Mit der Zeit ändern wir uns und unsere Namen ebenso. <<

Ich sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Es klang zwar weise und logisch was er da sagte, aber ich wollte trotzdem seinen Namen wissen.

>> Folgt mir <<, meinte er dann und zeigte dabei mit seinen Händen in die Richtung vor uns.

Ich hatte das Gefühl, dass man ihm trauen konnte denn ich wusste, dass er ein Ilfrryae war. Was anderes konnte er einfach nicht sein. Wie sonst sollte er seinen Oberkörper so brennen lassen?

Und trotzdem stellte sich mein Verstand gegen mein Herz. Ich sollte niemandem vertrauen. Was wenn er Kirz war und sich in jede beliebige Gestalt verwandeln konnte?

Ich warf einen kurzen Blick auf Jack, um mich zu vergewissern ob er noch lebte. Aber andererseits, wenn ich dieses Risiko nicht eingehe wird Jack wahrscheinlich sterben, ging es mir durch den Kopf. Was sollte ich tun?

>> Ihr könnt mir vertrauen <<, hörte ich den Ilfrryae plötzlich sagen.

>> Das würde ich auch von mir behaupten, egal ob ich gut oder böse wäre <<, entgegnete ich ein wenig unfreundlich. >> Ich weiß nicht wer Sie sind und woher Sie kommen oder wie Sie uns gefunden haben, aber ich kann Ihnen nicht einfach blindlings vertrauen. <<

>> Ich verstehe <<, erwiderte er bloß. >> Aber was ist mit Jack? Er wird sterben wenn ich ihn hier lasse. Er ist ein Freund, ein Bruder. Euch kann ich hier lassen wenn Ihr möchtet, jedoch nicht meinen Bruder. <<

Meint er jetzt, dass er sein Blutsbruder ist oder sagt er das nur so? , ging es mir durch den Kopf. Ich war verwirrt. Ich wusste immer noch nicht was ich tun sollte, aber irgendetwas in mir sagte mir, dass dieser Mann Jack so oder so mitnehmen würde, egal was ich unternahm. Wieso sollte ich Jack also alleine lassen?

>> Na gut, von mir aus. Ich komme mit <<, sagte ich und versuchte nicht so genervt zu klingen wie ich es eigentlich war. Dieses Misstrauen wird mich noch umbringen, ging es mir durch den Kopf.

Der Mann nickte bloß und murmelte dann irgendetwas das ich nicht verstand. Als jedoch plötzlich ein Schatten über mich huschte, zuckte ich kurz zusammen und schaute nach hinten, wo eigentlich Jack hätte liegen sollen.

Wo war Jack bloß hin?! Was hatte der Mann mit ihm angestellt?!

Als ich wieder nach vorne sah, um den brennenden Mann auszufragen, stellte ich fest, dass Jack über uns schwebte. Erstaunt zog ich die Augenbrauen hoch und betrachtete ihn. Er schwebte über unseren Köpfen, aber nicht allzu hoch. Wenn ich meinen Arm nach ihm ausstreckte konnte ich ihn berühren.

>> Wo bringen Sie uns hin? <<, fragte ich den Ilfrryae, woraufhin er mich wieder anlächelte.

>> Nach Hause <<, antwortete er und ging voraus. Da ich das Gefühl hatte, dass er nicht erklären würde was genau er damit meinte, fragte ich nicht weiter nach.

Die Strecke kam mir wie ein endloser Weg vor auf dem wir wahrscheinlich ewig laufen mussten, bis wir unseren Zielort erreichten. Ich wagte es nicht mit übermenschlicher Geschwindigkeit zu laufen weil ich Angst hatte, dass ich mich sonst wieder zurückverwandelte, was in dieser Situation nicht von Vorteil war. Dann müsste der Ilfrryae nämlich zwei Leute in der Luft schweben lassen. Ich wollte nicht einmal daran denken was für Schmerzen ich wieder erleiden würde, wenn ich mich zurückverwandelte.

Der Ilfrryae schien überhaupt nicht angestrengt oder müde zu sein. Klar, das waren sie ja nie oder brauchten dafür viel länger als Menschen, aber trotzdem. Es war eine Reaktion die ich die ganze Zeit über erwartete, weil ich einfach daran gewohnt war, dass jemand nach einer langen Strecke außer Atem war oder müde wurde.

Ich muss mich wohl langsam daran gewöhnen, dachte ich mir und seufzte leise.

>> Es dauert nicht mehr lange <<, sagte der Ilfrryae plötzlich. Wahrscheinlich hielt er meinen Seufzer als eine Reaktion der Langeweile oder Ungeduld.

>> Wie lange kennen Sie Jack schon? <<, fragte ich ihn zu meiner eigenen Überraschung.

>> Noch seit der Zeit aus Elvordan <<, antwortete dieser. Er sprach so natürlich darüber als wäre es selbstverständlich, dass ich das alles schon wusste. Naja, okay. Es war ja auch so. Aber es kam mir irgendwie komisch vor so offen darüber zu reden. Als würde man eine seit Ewigkeiten verschollene Schatztruhe wieder finden und öffnen. Woher wusste er überhaupt, dass ich über all das Bescheid wusste?

>> Ich spüre, dass Ihr verwirrt seid <<, sagte er plötzlich. Ich war verwirrt, ja. Jetzt sogar noch mehr. Wie hatte er das angestellt? Ich hatte gedacht, dass ich meine Energiewellen die nach außen drangen, abgeschottet hätte.

>> Allerdings <<, erwiderte ich.
>> Wie lange ist die Zeit, über die Sie sprechen, denn schon her? <<, fragte ich ihn dann.

>> Auf der Erde leben wir schon seit fast zweihundert Jahren. Ich habe Jack kennengelernt als er hundertfünfzig war. <<

>> Also kennst du ihn schon seit knapp dreihundertachtzig Jahren? <<, fragte ich ihn erstaunt. Ich konnte es mir überhaupt nicht vorstellen.

>> Ja, aber erst seitdem wir auf der Erde leben sind wir gute Freunde geworden. Davor kannten wir uns und hatten nicht so eine brüderliche Beziehung wie jetzt zueinander. <<

>> Trotzdem eine lange Zeit. <<

>> Nicht für uns. <<, erwiderte er.
>> Und dazu gehört auch Ihr. <<

Ich sah ihm in die Augen und fragte mich was er wohl gerade dachte. Was wusste er noch über mich?
>> Wie weit ist es noch? <<, fragte ich ihn schließlich um das Thema zu wechseln, obwohl es interessant war.

>> Nicht mehr lange <<, antwortete er und richtete dabei seinen Blick auf den Weg vor uns.

Ich nickte bloß und folgte ihm. Wir schwiegen einige Minuten lang bis er die Stille unterbrach.

>> Wo ist eigentlich dieser Frangwrr? <<, fragte er mich.

Der Kerl wusste aber auch alles. Bloß nicht wo Bryan steckte.

>> Wir wissen es nicht. Er ist gestern oder so verschwunden. << Erst jetzt fragte ich mich, ob wir nur einen Tag damit verbracht hatten auf dem Boden voller Schmerzen herumzuliegen oder ob bereits mehrere Tage vergangen waren.

>> Ich wusste nicht, dass er so einer ist <<, meinte der Ilfrryae.

>> Wie meinen Sie das? <<

>> Er mag zwar ein Frangwrr sein, aber was Euch betrifft war ich mir ganz sicher, dass er nicht von Eurer Seite weichen würde <<, erklärte er.

>> Wie kommen Sie darauf? <<

Er lächelte mich an. >> Weil er... <<, setzte er an, aber verstummte dann.

>> Weil er was? <<, hakte ich nach. Bitte bring deinen verdammten Satz zu Ende! , dachte ich mir.

>> Ich denke das wird er Euch eines Tages selbst gestehen. <<

>> Wieso fangen Sie dann einen Satz an den sie nicht zu Ende bringen wollen? <<, fragte ich den Mann ein wenig verärgert. Jetzt hatte er mich nämlich neugierig gemacht.

>> Es tut mir leid <<, sagte er mit einem sehr ernsten Ton und blieb abrupt stehen. Er beugte seinen Kopf nach vorne und ging dann plötzlich auf die Knie. >> Es tut mir leid, dass ich Euch verärgert habe. <<

Überrascht starrte ich ihn an.
>> Kein Grund dafür auf die Knie zu gehen <<, meinte ich etwas verwirrt und bat ihn dann wieder aufzustehen.
>> Macht doch nichts. Stehen Sie bitte wieder auf. Ich meine...Sie sind viel älter als ich, das geht doch nicht <<, meinte ich.

>> Ihr seid nicht so jung wie Ihr glaubt <<, erwiderte dieser  bloß und stand auf. Ich starrte ihn weiterhin verwirrt an.

Was jetzt? War ich jetzt auch noch 'ne alte Oma?

>> Okay, ich habe keine Ahnung was das bedeutet, aber ich würde mich wirklich freuen, wenn wir jetzt endlich unseren Zielort erreichen könnten. <<

>> Haben wir bereits <<, erwiderte er und ich sah ihn fragend an.

>> Ich sehe aber nichts. <<

>> Nicht jeder sieht das was verborgen ist <<, philosophierte er erneut. Zwar verstand ich irgendwie was er meinte, aber trotzdem sah ich nichts. Kein Gebäude, keine Straßen, gar nichts. Wir waren immer noch zwischen den großen dunklen Bäumen. Nichts Besonderes in Sicht.

Der Mann lächelte mich wissend an und murmelte etwas. Plötzlich erlosch das Feuer das seinen Oberkörper umfasste und verschwand im Erdboden, direkt unter seinen Füßen. Er sagte nichts, sondern sah mir einfach nur in die Augen.

>> Das habt Ihr uns beigebracht <<, sagte er lächelnd, so als wäre er sehr glücklich darüber, dass ich diesen Augenblick miterlebte.

Ich jedoch musterte ihn irritiert. Ich kannte diesen Typen doch überhaupt nicht. Wie also hätte ich ihm was beibringen sollen? Ich sah ihn heute zum ersten Mal in meinem Leben.

Plötzlich fing die Erde an zu beben und ein heftiges Zittern ging durch meinen Körper.
Bitte nicht schon wieder, dachte ich mir. Ich wusste nicht, ob ich so einen Sturz noch ein Mal überleben würde.

Die Erde unter uns riss ein und ich stolperte automatisch ein paar Schritte zurück. Der Mann tat das Gleiche und wartete ein paar Sekunden bis das Beben wieder aufhörte.

>> Ihr zuerst <<, forderte er mich freundlich auf und zeigte auf das Loch im Boden. Ich schüttelte leicht den Kopf, aber ging gleichzeitig darauf zu. Als ich hineinsah erkannte ich, dass so etwas wie eine Rutsche darin war. Nur, dass sie in die Erde geformt worden war. Trotzdem schien sie glatt wie ein zugefrorener Boden zu sein.

>> Ich muss noch Jack mit hinunter nehmen, deshalb solltet Ihr zuerst gehen <<, erklärte er. >> Mit Jack wird es ein wenig mühsamer werden. <<

Ich traute ihm immer noch nicht, obwohl meine Gefühle ihm gegenüber positiv gestimmt waren.

>> Lassen Sie mich zusammen mit Jack herunter <<, bat ich und sah ihn an.

Der Mann seufzte leise und murmelte irgendetwas, sodass Jack langsam in das Loch flog und auf der Rutsche gut platziert wurde. Noch rutschte er nicht hinunter. Der Ilfrryae blickte mich erwartungsvoll an.

>> Jetzt Sie <<, forderte ich ihn auf. Ich hatte meine Meinung geändert. Was wenn es doch eine Falle war und er Jack und mich bloß gefangen halten wollte?

Etwas in mir sagte, dass er es wahrscheinlich trotzdem schaffen würde, auch wenn ich ihm hinterher rutschte. >> Wie Ihr wünscht <<, meinte er und machte eine Bewegung mit der Hand, woraufhin Jack plötzlich hinunter rutschte und der Mann ihm hinterher.

Ich sah mich noch ein letztes Mal um, bevor ich es ihm gleich tat und sich das Loch über mir von selbst schloss.

Wie schon vermutet war die Rutsche ziemlich glatt, sodass ich ohne Probleme hinunter glitt. Das Seltsame war nur, dass sie aussah wie ganz normale Erde. Weich und bröckelnd.
Selbst der Geruch war natürlich. Warum aber war sie dann so glatt?
Ich konnte den Ilfrryae vor mir nicht sehen. Wahrscheinlich war er schon angekommen.

Ich fragte mich wie unser Ziel wohl aussah. War es dunkel wie in einem Kerker? Dunkle Räume ohne Fenster? Kalt und trüb? Wie lebten die Ilfrryaes?

Kurz bevor ich ankam bog die Rutsche scharf ab, sodass ich mit einem Ruck auf den Boden geschleudert wurde.

Na super, dachte ich mir und raffte mich wieder auf. Was mich wunderte war nur, dass ich es so lange in meiner Frangwrrgestalt ausgehalten hatte. Das war mein Rekord.

Als ich mich von der Rutsche abwandte, blieb ich ruckartig stehen. Weder der Ilfrryae noch Jack waren zu sehen. Stattdessen stand ich zwei identischen Eingängen gegenüber, die mich leer anstarrten.

War das alles doch bloß ein Trick gewesen? Wo war Jack?

Plötzlich leuchtete eine hellrote Schrift über dem rechten Eingang auf. Ich konnte die Schrift zwar nicht lesen, aber irgendetwas in mir sagte mir, dass ich diesen Eingang nehmen sollte. Die Buchstaben darüber flammten schlagartig auf als ich diesem näher kam.

Wollte man mich erschrecken? Keine Chance, dachte ich mir genervt und betrat den Eingang.

Ich erkannte viel zu spät, dass es eine Sackgasse war. Ich hörte wie sich etwas hinter mir bewegte und drehte mich deshalb abrupt um. Panisch sah ich zu wie der Eingang sich hinter mir von selbst zumauerte, sodass ich in dieser Sackgasse gefangen war.
Seufzend drehte ich mich wieder nach vorne und stellte erstaunt fest, dass die dunkle Wand vor mir einem hellen Korridor mit apricot-weiß dekorierten Vasen gewichen war. Ich atmete tief aus und fuhr mir durch die langen Haare.

Also dann, dachte ich mir und betrat den sauber glänzenden Korridor.

Ich hörte wie hinter mir etwas klickte. Es hörte sich so an als wäre eine Tür verriegelt worden, aber diesmal richtete ich meine Aufmerksamkeit nicht der Tür hinter mir. Als ich einen weiteren Schritt nach vorne machte, flammten plötzlich Feuerflammen in den Vasen auf, die sich, wie ich feststellte, zu verschiedenfarbigen Blumen formten. Man sah, dass sie weiterhin brannten aber man erkannte schon auf dem ersten Blick, dass es Blumen waren. Feuerblumen, ging es mir durch den Kopf und der Gedanke gefiel mir.

Fasziniert betrachtete ich sie und musste lächeln. Wie schön sie doch aussahen. Ich ging automatisch weiter um die Feuerblumen zu betrachten, denn jede von ihnen sah völlig anders aus und besaß eine komplett andere Farbe. Darin waren sogar Farben die ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte. War das Magie? Oder nur die Fähigkeit mit Feuer umzugehen?

Erst nach ein paar Sekunden bemerkte ich, dass durchsichtige Kristalle von der Decke herunter hingen. Es sind Lampen, ging es mir durch den Kopf. Ich musste ungewollt lächeln. Sie sahen so zart und zerbrechlich aus, dass ich schon befürchtete sie würden bei jedem meiner Schritte zerbrechen. Ich sah wie sich aus ihnen immer mehr Kristallsträhnen bildeten und schließlich wie Kronleuchter herunter baumelten. Sie waren alle im selben Abstand aneinander gereiht. Ich konnte nichts ausmachen was darauf hindeutete, dass die Kronleuchter mit irgendetwas an die Decke befestigt waren. Ich sah sie fasziniert an und erschrak als in ihnen plötzlich orangeweiße Flammen aufgingen. Zuerst dachte ich die Kristalle würden anfangen zu schmelzen, aber erst im Nachhinein verstand ich, dass die Flammen sie zum Leuchten brachten.

Als ich befürchtete mein Nacken würde gleich verkrampfen, richtete ich meinen Blick wieder nach vorne und war überrascht, dass sich unter meinen Füßen ein weißer dünner Teppichstreifen ausgebreitet hatte, der mit apricot umrandet war. Wäre er rot gewesen, hätte ich mich wahrscheinlich wie ein Hollywoodstar gefühlt.

Ohne, dass ich es bemerkte hatten sich rechts und links Fenster an den Wänden gebildet, die die hellen Sonnenstrahlen herein ließen und somit den gesamten Raum erhellten. Wie war das überhaupt möglich wenn wir uns doch unter der Erde befanden? Jedoch konnte ich vor lauter Faszination nicht weiter darüber nachdenken.

Die hohen weißen Wände gaben dem Raum irgendwie etwas Adeliges. Er war riesig und wunderschön dezent eingerichtet. Eher ein Saal als ein Raum, dachte ich mir bewundernd.

Wie ich bemerkte führten von dem Saal drei weiße Türen hinaus. Ich fragte mich wohin.

Als ich mich noch ein Mal umsah und dann entschloss durch eines der Türen den Saal zu verlassen, blieb ich abrupt stehen, da plötzlich ein Mann mit dunkelroten Augen vor mir stand. Er passte irgendwie nicht zum Saal. Er störte das Bild des zarten Raumes, da er dafür zu grob gebaut war und durch seine karamellbraune Haut einen Kontrast zu den weißen hohen Decken bildete.

>> En vra den <<, sagte er mit seiner tiefen Stimme und kniete sich mit einem Bein vor mir nieder. Er ballte seine rechte Hand zu einer Faust und legte sie auf sein Herz.
>> En vra den <<, wiederholte er und sah dabei auf den Boden.

Schlagartig erinnerte ich mich an die Szenen von Jacks Erinnerungen die er mir gezeigt hatte. Es schien eine Ewigkeit her zu sein.

>> Hallo <<, erwiderte ich bloß und kam mir dabei irgendwie blöd vor. Wieso verbeugen sich heute alle vor mir? , fragte ich mich. Wie alt der Mann wohl ist? Bestimmt älter als ich, dachte ich mir und versuchte sein Alter vergeblich aus seinem Gesicht heraus zu lesen.

>> Willkommen zu Hause <<, sagte der Mann und stellte sich wieder aufrecht hin. >> Ich zeige Euch Euer Zimmer und wenn Ihr bei etwas Hilfe benötigt, stehen wir Euch zur Verfügung. <<

>> Ähm..danke <<, erwiderte ich.
>> Aber wo ist Jack? <<

>> Er ist in sicheren Händen und wird in diesem Augenblick von unseren Gelehrten behandelt. Er wird bald wieder gesund werden <<, antwortete er höflich.

Erleichtert schloss ich die Augen.
>> Das ist eine sehr, sehr gute Nachricht. Danke! <<

>> Nichts zu danken <<, entgegnete der Mann. >> Nun, darf ich Euch Euer Zimmer zeigen? <<

>> Natürlich...ähm nur...ich hätte da mal eine Frage. <<
Der Mann sah mich erwartungsvoll an. >> Sie fragen sich sicher warum ich in meiner Frangwrrgestalt aufgetaucht bin, obwohl ich mich gerade zwischen euch befinde. Nun, ich habe da ein Problem. Und zwar, wenn ich mich zurück in meine normale Gestalt verwandele, würde ich wahrscheinlich vor Schmerzen umkippen, da ich selbst viele Verletzungen habe. Naja, das vermute ich zumindest. Was soll ich jetzt also tun? <<

Der Mann sah mich aus geweiteten Augen an. >> Und Ihr habt Euch trotzdem verwandeln können? <<, fragte er mich.

>> Ja? <<, antwortete ich verunsichert.

>> Wie lange seid Ihr schon verletzt? <<

>> Ich weiß nicht wie lange Jack und ich bewusstlos waren. Wir lagen auf jeden Fall lange genug auf dem Waldboden und als ich zu mir gekommen bin hatte ich schreckliche Schmerzen, aber ich musste Jack ja irgendwie helfen, also habe ich mich verwandelt und bin dann von einem eurer Ilfrryae...äh..Brüdern hier her gebracht worden. Seitdem bin ich so. <<, erklärte ich hektisch und zeigte dabei auf meine Wassergestalt.

>> Ihr müsst sofort behandelt werden <<, erwiderte der Mann ein wenig hysterisch. >> Folgt mir <<, sagte er und ging voraus.

Wir verließen den wunderschönen Saal durch die linke Tür und ließen uns von einem weiteren hellen Korridor führen. Es schien mir als wäre ich in einem Labyrinth. Überall waren weiße Türen die identisch waren, aber alle führten woanders hin.

Nach ein paar Minuten standen wir vor eine der Türen und der Mann neben mir klopfte an. Ohne dass ich ein herein oder wer ist da? hörte, betrat der Ilfrryae das Zimmer und hielt die Tür für mich auf.
>> Danke <<, murmelte ich als ich den Raum vor mir betrat und einem Ilfrryae mit grauem Haar gegenüberstand.

>> En vra den <<, begrüßte mich der Mann lächelnd und ging ebenfalls auf die Knie. Wie ein Mann der nun bereit war zu einem Soldaten geschlagen zu werden. Nur, dass ich kein Schwert bei mir hatte. Da fiel mir plötzlich etwas ein. Der Dolch! Der Dolch den ich dort gefunden hatte! Im Sand vergraben unter Schutt und Asche! War er heil? Hatte ich ihn denn überhaupt noch bei mir?

Ich versuchte meine Gefühle für mich zu behalten, weshalb ich mich zwang mich auf den Mann vor mir zu konzentrieren.

>> En vra den <<, erwiderte ich. So oft hatte ich diesen Satz schon gehört, sodass ich es endlich auswendig konnte. Ich vermutete, dass es so etwas wie  Willkommen oder Hallo bedeutete. >> Bitte, stehen Sie doch auf. <<

Er tat wie geheißen unf öffnete seine Faust, die er zuvor geballt auf sein Herz gelegt hatte.

Ich musterte ihn.

>> Ihr seid sicher sehr müde und vor allem verletzt, sonst hättet Ihr sicherlich nicht diese Gestalt angenommen <<, vermutete er.
Oder wusste er diese Dinge schon mit Sicherheit? Konnte er meine Gedanken lesen? Ich konnte zwar kein Summen wahrnehmen, aber Jack hatte mir ja schon erklärt, dass es zwei Arten des Gedankenlesens gab. Und nur bei der einen Art summte es in meinem Kopf. Leider...

Ich wusste nicht was ich sagen sollte, weshalb ich einfach still blieb.

>> Könnt Ihr euch wieder zurück verwandeln? <<, fragte der Mann mich schließlich.

Ich verzog leicht mein Gesicht.
>> Ja, aber wundern Sie sich nicht wenn ich vor Schmerzen schreie. <<

Er lächelte mich sanft an und ich erkannte in seinen Augen, dass er einer der Gelehrten der Ilfrryaes sein musste. Seine Augen sprühten förmlich vor Wissen.

>> Ihr müsst Euch verwandeln wenn Ihr wieder gesund werden wollt <<, sagte er.

>> Ich weiß... <<, erwiderte ich leise und schloss die Augen.
>> Es geht los <<, informierte ich ihn und konnte mir schon bildlich vorstellen wie er sich innerlich darauf vorbereitete.
Ich holte tief Luft und konzentrierte mich auf mein Herz. Auf das Pumpen, das Rauschen in meinen Ohren, meine Adern, meine Venen.

>> Aaa! <<, schrie ich auf als ich wieder meine menschliche Gestalt annahm und fiel zu Boden. Ein schrecklicher Schmerz zog sich durch meinen gesamten Körper. Ich spürte eine warme Flüssigkeit in meinem Mund. Es schmeckte nach Eisen. Es war Blut.

Ich zwang mich meine Augen zu öffnen und riss sie auf. Ich spürte wie sie kribbelten. Sie mussten rot aufleuchten. Ich konnte mich nicht mehr kontrollieren.

Ich schrie noch ein Mal und sah den Mann mit den grauen Haaren über mir gebeugt. Ich lag in seinen Armen.

Er trug mich auf eine der Liegen und ließ mich dort nieder. Ich hörte nichts mehr. Kein Laut, keine Geräusche um mich herum. Ich spürte wie ich meinen Mund öffnete und versuchte zu schreien.
Schrie ich denn wirklich? Ich hörte nichts. Nur dieser schreckliche Schmerz der sich durch jede meiner Fasern zog, war zu spüren. Jede meiner Nerven zerriss. Immer wieder.

Es war wie als würde ich zwischen zwei Felsen zerquetscht werden, die von Drahtzäunen umgeben waren, sodass sich die spitzen Drähte in jede meiner Nerven bohrte und die Felsen mich gleichzeitig zerquetschten.

Ich spürte mein linkes Bein nicht mehr. Hatte ich überhaupt noch eins? Ich sah den Gelehrten an. Er hatte sich über mich gebeugt und musterte mich ernst. Seine Augenbrauen waren zusammengezogen.
Plötzlich spürte ich seine Finger auf meinem Gesicht. Es brannte an den Stellen an denen er mich berührte. Ich schrie. Oder versuchte ich es bloß? Ich bemerkte wie sich seine Lippen bewegten.

Es brannte höllisch in meinem Gesicht. Was machte er da bloß? Half er mir überhaupt? Seine Augen fingen an zu glühen. Rot wie Feuer sahen sie aus, rot wie Blut, rot wie eine Rose, rot wie die Liebe...und Schwärze wie die tiefe Nacht, die mich in einen schmerzfreien Schlaf trug.

***

Als ich aufwachte sah ich nur Schwärze. Weder ein Mondstrahl noch ein Sonnenstrahl der mir verriet ob es Tag oder Nacht war.

Ich konnte mich gar nicht orientieren. Wo war ich bloß? Und wie viel Zeit war vergangen?
Moment, dachte ich mir abrupt. Wo war Jack? Ich war doch mit Jack gewesen.

Langsam fiel mir wieder alles ein. Der Wald, der unbekannte Ilfrryae, der schöne Saal...und die Schmerzen. So schreckliche Schmerzen. Aber wo waren sie jetzt hin? Ich spürte sie nicht mehr. Ich erinnerte mich jetzt wieder an den Gelehrten mit den dunkelgrauen Haaren und den wissenden Augen. Hatte er mich geheilt? Und Jack, wie ging es Jack?

Ich versuchte meine Sinne zu schärfen und strich mit meiner Hand über dieses Etwas auf dem ich lag. Es schien ein Bett zu sein, auch wenn es ziemlich hart war. Über mir lag eine Decke. Ich tat sie beiseite und richtete mich langsam auf.
Meine Beine baumelten leicht über dem Boden hin und her. Ich versuchte den Abstand zwischen Bett und Boden abzuschätzen, doch ich konnte verdammt nochmal nichts sehen. Ich streckte zuerst langsam aber sicher einen Fuß nach vorne und versuchte auf den Boden zu tappen.
Nach dem ich ungefähr wusste, wie hoch das Bett war und mir sicher war, dass ich nicht stürzen oder zu tief fallen würde, stieg ich aus dem Bett und tastete mich langsam voran.

Ich versuchte die Wände abzutasten und als ich mir sicher war, dass ich so etwas wie eine Türklinke gefunden hatte, drückte ich sie herunter. Und tatsächlich! Lichtstrahlen blendeten meine Augen, sodass ich mit der Hand meine Augen bedecken musste, damit sich meine Augen wieder an das Licht gewöhnten.

Als ein paar Sekunden verstrichen und ich meine Hand herunternehmen konnte, trat ich hinaus und erkannte erstaunlicherweise, dass die identisch weißen Türen nicht mehr weiß, sondern nun farbig waren, worauf sogar Buchstaben standen die ich jedoch nicht entziffern konnte.

Ich atmete ein Mal tief durch. Als ich ein paar Schritte ging bemerkte ich, dass ich barfuß war und fragte mich plötzlich wie ich momentan wohl aussah. Ich tastete meine Haare ab, um mir wenigstens ein Bild machen zu können ob sie gerade extrem abstanden oder noch im Normalzustand waren.

Zum Glück waren sie noch im Normalzustand.

Durch die Fenster die in den Korridoren eingebaut worden waren erkannte ich, dass es tagsüber war da die Sonne schien. Ich fragte mich wo alle waren. Arbeiteten sie tagsüber? Hatten sie denn überhaupt eine Arbeit oder waren sie nicht einmal als Mitbürger im Land eingetragen? Moment mal, wo sind wir überhaupt? , fragte ich mich plötzlich. In welchem Land sind wir?

Da ich wusste, dass sich diese Frage nicht von selbst beantworten würde, machte ich mich auf den Weg um wenigstens irgendjemanden zu finden.

Ich ging durch ein paar Räume und Korridore, aber fand niemanden der mir helfen konnte.

Als ich eine papaya-farbene Tür sah, fühlte ich mich seltsamerweise von ihr angezogen und ging darauf zu. Es fühlte sich so an als wäre ich ein Magnet das sich nun von einem anderen Magneten extrem angezogen fühlte, sodass ich nicht anders konnte als diese Tür anzusteuern.

Als ich direkt davor stand sah ich mich kurz um, bevor ich die Türklinke langsam herunter drückte und das Zimmer schließlich betrat.

Ich schloss die Tür langsam wieder und lauschte noch kurz ob mir jemand gefolgt war, bevor ich mich umdrehte und den Raum in Augenschein nahm.

Das Zimmer war ziemlich dunkel im Gegensatz zum Korridor, aber trotzdem gab es ein paar Sonnenstrahlen die das Zimmer ein wenig erhellten. Ich fragte mich warum ich vorhin nichts hatte sehen können. Hatte ich etwa meine Fähigkeiten im Bezug auf meine geschärften Augen verloren?

Finintis, dachte ich mir, aber spürte dass es nichts brachte. Ich sah alles immer noch so wie es war. Ich hatte mich so sehr daran gewöhnt alles im Dunkeln so perfekt und detailliert zu sehen, dass es mir fremd vorkam als ich es nun nicht mehr konnte.
Jedoch hörte ich wie jemand im Zimmer atmete und die schwachen Sonnenstrahlen erleichterten mir diejenige Person zu finden.

Ich ging ein paar Schritte auf das Bett zu auf dem jemand lag. Die Person hatte sich auf die rechte Seite gedreht. Ich kniff leicht die Augen zusammen um die Konturen besser ausmachen zu können und näherte mich der Person die mich so wahnsinnig anzog.

Als ich direkt vor dieser stand erkannte ich, dass es ein Mann war. Ich streckte langsam meine Finger nach ihm aus und berührte ihn sanft an der Schulter.
Er rührte sich nicht, sondern schlief weiter. Ich beugte mich neugierig über ihn, um zu sehen wer es war.

Natürlich, dachte ich mir als ich sein Gesicht sah. Wie blöd war ich bloß? Natürlich war es Jack.
>> Jack <<, flüsterte ich und betrachtete dabei sein Gesicht. Es sah sauberer aus. Wer immer ihn auch gepflegt hatte, ich dankte der Person innerlich. Jack sah viel besser aus als ich ihn in Erinnerung hatte. Mit seinem blutüberströmten Gesicht und seinem gebrochenem Bein. Mir fiel wieder sein Brustkorb ein, der sich bloß schwer hob und wieder sank. Das Bild seines durchbohrten Oberkörpers ging mir nicht aus dem Kopf.

Ich zog seine Bettdecke ein wenig zurück und krempelte sein Oberteil hoch. Sie hatten seine Kleidung gewechselt, ich dahingegen trug immer noch die gleichen dreckigen Klamotten. Gut so, dachte ich mir. Niemand darf mich an oder umziehen ohne meine Erlaubnis. Vor allem keine Männer.

Ich betrachtete Jacks Brust und atmete erleichtert aus. Seine Wunde war verheilt und seine Rippe war dort wo sie sein sollte. Und zwar unter der Haut und nicht da drüber.

Ich setzte mich auf Jacks Bettkante und betrachtete ihn. Er sah friedlich aus wenn er schlief. Wie jeder andere auch, aber trotzdem war etwas an ihm besonders. Er sah nicht nur friedlich aus, sondern irgendwie anders. Unbeschreiblich. Er strahlte währenddessen etwas aus das ich nicht beschreiben konnte. Ich zog seine Decke wieder zu und ließ meine Hand dort verharren wo sie war. Nämlich auf seinem linken Oberarm. Ich lächelte ihn an, auch wenn ich wusste, dass er mich nicht sah.
>> Jack <<, sagte ich erneut und sah dabei auf den Boden. >> Ich hoffe du wirst schnell wieder gesund. <<

Plötzlich spürte ich wie etwas meine Hand berührte. Ich zuckte leicht zusammen und sah auf. Als ich jedoch bemerkte, dass es Jacks Fingerspitzen waren die langsam über meine Hand strichen, musste ich grinsen.

>> Jack. <<, hauchte ich. >> Du kannst mich hören? <<

Ich spürte wie er langsam meine Hand in seine nahm und sie schwach umschloss. Er war immer noch ausgelaugt von seinen Verletzungen wie es schien.

>> Xa. <<, hörte ich ihn plötzlich flüstern und hielt abrupt inne. >> Xa. <<, wiederholte er noch einmal und drückte dabei leicht meine Hand.

Ich erwiderte nichts sondern wartete ab. Ich wusste zwar nicht auf was ich wartete, aber ich tat es einfach. Einerseits freute ich mich, dass er zu sich gekommen war, aber andererseits machte mich die Tatsache, dass er mich Xa nannte seltsamerweise ein wenig...traurig? Wieso machte es mich traurig?

Ich sollte mich freuen, statt mir über so einen Blödsinn Gedanken zu machen! , schimpfte ich mit mir selbst. Jack ist wieder gesund und ihm geht es gut genug, sodass er meine Hand in seine nehmen kann...

Ich zwang mich zu einem Grinsen und fühlte mich dabei schlecht, weil ich nicht das fühlte was ich fühlen sollte. >> Xa bist du da? <<, hörte ich Jack schwach fragen.

Ich wollte nicht, dass er wieder einschlief, also antwortete ich ihm: >> Ich bin hier. <<, flüsterte ich sanft und beugte mich ein wenig über ihn.

>> Wie geht es dir? <<, fragte er mich lallend.

>> Mir geht es gut, Jack. <<, antwortete ich. >> Aber momentan ist das Wichtigste, wie es dir geht. <<

>> Ich fühle mich gut. <<, sagte er. >> Besser. <<

>> Hast du Schmerzen? <<, fragte ich ihn.

>> Bisschen... <<, murmelte er.

>> Möchtest du schlafen? Soll ich wieder gehen? <<

>> Nein...nein... <<, protestierte er leise. >> Bleib hier. Bei mir. Geh nicht noch einmal. <<

Ich spürte wie er wieder ganz leicht meine Hand drückte. Ich wusste nicht wieso ich das tat, aber ich verschränkte unsere Hände ineinander und lehnte mich dann an die Wand, sodass ich ohne Probleme sein Gesicht sehen konnte.

>> Ich bleibe bei dir. <<, flüsterte ich. Ich wusste nicht was es war, aber irgendetwas fühlte sich anders an. Ungewohnt, aber gut. Es fühlte sich so an als wäre Magie in der Luft. Im metaphorischen Sinn natürlich.

>> Das fühlt sich gut an. <<, murmelte er, so als hätte er meine Gedanken gelesen. Aber wahrscheinlich war er sowieso zu schwach dafür.

>> Ja... <<, erwiderte ich und wusste nicht was ich noch sagen sollte. Ich war nur froh, dass es ihm besser ging.

>> Hast du Fotos von mir geschossen? <<, fragte er mich plötzlich.

>> Fotos? <<, wiederholte ich irritiert.

>> Als ich verletzt war. Voll mit Blut... <<

>> Warum sollte ich Fotos von dir schießen, während du im Sterben liegst? <<

Ich sah wie Jack plötzlich lächelte. Seine Augen waren immer noch geschlossen. >> Damit du mir später zeigen kannst... <<, setzte er an und schwieg dann ein paar Sekunden lang. >> Wie ich aussah. <<, beendete er schließlich seinen Satz.

>> Du liegst hier fast in einem Koma und denkst ernsthaft an sowas? <<, fragte ich ihn belustigt. >> Das soll wohl ein Scherz sein. <<

>> Nein... kein Scherz. <<, widersprach er mit einem schwachen Lächeln.

>> Keine Sorge, ich habe alles in meinem Kopf gespeichert. <<, versicherte ich ihm.

>> Gut... <<, nuschelte er. Ein paar Sekunden der Stille vergingen in denen ich überlegte etwas zu sagen, aber nicht wusste was. Ich fühlte mich seltsam...komisch...anders. Ja, anders. Ich fühlte mich ganz anders.

>> Kim. <<, flüsterte Jack, als er wieder zu sich kam. Seine Augen waren aber immer noch geschlossen.

>> Ja? <<

>>Ich... <<, setzte er an. Ich wartete einige Sekunden bevor ich mir sicher war, dass er wieder eingeschlafen war. Glücklich lächelte ich ihn an, während ich seine Hand in meiner spürte.

PS: Danke für's Lesen Leute. Ich freue mich immer wieder über Votes und Kommis :D

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